Finanzgericht Kassel:
Urteil vom 25. Januar 2012
Aktenzeichen: 4 K 2487/08

(FG Kassel: Urteil v. 25.01.2012, Az.: 4 K 2487/08)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004. Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 24.06.1991 in S 1 gegründete und ursprünglich im Handelsregister des Amtsgerichts A 1 unter HRB eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung und der Vertrieb alkoholfreier und alkoholhaltiger Getränke, insbesondere die Herstellung und der Vertrieb von Mineralwasser der Marke M 1 ist. Nach zwischenzeitlicher Sitzverlegung nach S 2 und Firmierung unter €X-GmbH€ ab 2003 (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts A 2 unter HRB) firmiert die Klägerin seit 2006 wieder unter ihrem Gründungsnamen und ist - nach erneuter Sitzverlegung nach S 3 - im Handelsregister des Amtsgerichts A 3 unter HRB eingetragen. Das Geschäftsjahr der Klägerin entsprach in den Streitjahren dem Kalenderjahr.

Alleinige Gründungsgesellschafterin der Klägerin war die A -GmbH, die mit Verschmelzungsvertrag vom 24.06.1991 rückwirkend zum 01.01.1991 auf die A-AG, vormals firmierend unter X-AG€) verschmolzen wurde. Ebenfalls am 24.06.1991 hatte die Klägerin mit der A -GmbH einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen. Die A-AG war durch die Verschmelzung der A-GmbH im Jahre 1991 sowohl alleinige Gesellschafterin der Klägerin geworden als auch in die Rechte und Pflichten der A-GmbH aus dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 24.06.1991 eingetreten. Aus diesem Anlass erkannte die Finanzverwaltung bis einschließlich Veranlagungs- und Erhebungszeitraum 2000 eine zwischen der Klägerin (als Organgesellschaft) und der A-AG (als Organträgerin) bestehende körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft an. Da auch zwischen der A-AG und deren alleiniger Gesellschafterin, der B-GmbH, vormals firmierend unter €B-AG€, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts A 2 unter und zugleich im Handelsregister des Amtsgerichts A4 unter HRB) ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag geschlossen worden war, fand ferner auch eine zwischen der A-AG (als Organgesellschaft) und der B-GmbH (als Organträgerin) bestehende körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft Anerkennung seitens der Finanzverwaltung.

Mit Vertrag vom 28.12.2001 trat die A-AG ihre Anteile an der Klägerin zu dem als €Wirksamkeitsstichtag€ bezeichneten Zeitpunkt des 28.12.2001 um 24:00 Uhr an die B-GmbH ab. Mit einer zwischen der Klägerin und der A-AG geschlossenen Aufhebungsvereinbarung vom ebenfalls 28.12.2001 wurde zudem der zwischen der A-AG und der Klägerin bestehende Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag €zum Ablauf des 28.12.2001€ einvernehmlich aufgehoben, wobei auf die Veräußerung der Geschäftsanteile vom gleichen Tage Bezug genommen wurde. Die Aufhebung mit Wirkung zum Ablauf des 28.12.2001 wurde am 10.01.2002 in das Handelsregister der Klägerin eingetragen.

Aus Anlass der Veräußerung der Beteiligung schloss die Klägerin mit der B-GmbH am 28.12.2001 einen neuen, notariell beurkundeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. § 3 Absatz 1 Satz 3 dieses €für die Dauer von fünf Jahren geschlossenen€ Vertrages lautet: €Als Beginn des Ergebnisabführungsvertrages gilt der 01.01.2001, 0.00 Uhr€. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte dem neuen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit der B-GmbH vom 28.12.2001 am 08.08.2002 zu, was am 16.09.2002 im Handelsregister der Klägerin eingetragen. Die B-GmbH teilte dem Finanzamt für Körperschaften I S 2 in ihrer eigenen Sache, in der Sache der A-AG sowie in der Sache der Klägerin mit Schreiben vom 16.04.2002 die Veräußerung der Anteile an der Klägerin zum 28.12.2001, die Aufhebung des Vertrages mit der A-AG zum Ablauf des 28.12.2001 und den Neuabschluss mit der B-GmbH vom 28.12.2001 mit Wirkung vom 01.01.2001 mit.

In einer ebenfalls vom 28.12.2001 datierenden Aufhebungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der A-AG wurde der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag €mit Wirkung zum Ablauf des 31.12.2001, 24.00 Uhr€ aufgehoben. Das Layout dieser Aufhebungsvereinbarung ist mit demjenigen der Aufhebungsvereinbarung €zum Ablauf des 28.12.2001€ gleichartig. Die Aufhebung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages zum 31.12.2001, 24:00 Uhr wurde am 05.03.2001 im Wege einer von der Klägerin beantragten und vom Registergericht nicht beanstandeten Berichtigung der Eintragung vom 10.01.2002 in das Handelsregister der Klägerin.

Zum Neuabschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der B-GmbH und zu den Umständen der Aufhebung des alten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der A-AG enthält der mit Datum vom 26.02.2002 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W uneingeschränkt testierte Jahresabschluss und Lagebericht der Klägerin zum 31.12.2001 im €Anhang 2001€ unter der Rubrik €Sonstige Angaben€ die folgenden wörtlichen Erläuterungen:

€Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen der A-AG und der K-GmbH, S 1, wurde zum 28. Dezember 2001 einvernehmlich aufgehoben. Diese Aufhebung wurde für die K-GmbH irrtümlich am 10. Januar 2002 im Handelsregister des Amtsgerichts A 1 eingetragen.

Da gemäß § 296 Abs. 1 AktG die Aufhebung zum 28. Dezember 2001 zivilrechtlich nicht zulässig war, wurde der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag am 28. Dezember 2001 mit Wirkung zum 31. Dezember 2001, 24.00 Uhr, erneut einvernehmlich aufgehoben. Die Geschäftsführung der K-GmbH wird die Berichtigung der Handelsregistereintragung beim Amtsgericht A 1 beantragen.

Damit bestand am Bilanzstichtag 31.12.2001 zivilrechtlich ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen der A-AG und der K-GmbH. Das Jahresergebnis 2001 der K-GmbH wurde deshalb von der A-AG übernommen.

Am 28. Dezember 2001 wurde ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen der B-AG, S 2 und A4, und der K-GmbH mit Wirkung ab 1. Januar 2001 abgeschlossen. Aufgrund des bis zum 31. Dezember 2001 weiterhin gültigen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages zwischen der A-AG und der K-GmbH entfaltet der am 28. Dezember 2001 neu abgeschlossene Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zivilrechtlich für das Wirtschaftsjahr 2001 keine Wirkung.€

Dem ausführlichen Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W zur Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2001 und des Lageberichts für das Geschäftsjahr 2001 sind ferner die folgenden Erläuterungen zu entnehmen:

€(€) Der zwischen der Gesellschaft und der A-AG abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wurde mit Wirkung vom 28. Dezember 2001 einvernehmlich aufgehoben. Die Aufhebung wurde nach den uns erteilten Auskünften irrtümlich am 10. Januar 2002 in das Handelsregister der eingetragen. Gemäß § 296 Abs. 1 AktG, der analog bei einer GmbH Anwendung findet, kann eine Aufhebung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich festgelegten Abrechnungszeitraums erfolgen. Ein vertraglich festgelegter Abrechnungszeitraum ist nicht vereinbart worden. Die Vereinbarung über die Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages hätte nur bei Beendigung des Geschäftsjahres auf den 28. Dezember 2001 durch Einlegung eines Rumpfgeschäftsjahres mit Jahresabschlussstellung wirksam werden können. Dies ist nicht erfolgt. Infolgedessen ist die am 28. Dezember 2001 getroffene Vereinbarung über die Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der Gesellschaft und der A-AG nichtig. Daher wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag am 28. Dezember 2001 mit Wirkung zum 31. Dezember 2001, 24.00 Uhr erneut aufgehoben. Die Geschäftsführung wird die Berichtigung der Handelsregistereintragung beantragen. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der A-AG ist folglich zivilrechtlich im Geschäftsjahr 2001 weiterhin wirksam; das handelsrechtliche Jahresergebnis des Geschäftsjahres 2001 ist an die A-AG abzuführen (€). Mit Datum vom 28. Dezember 2001 haben die B-AG und die K-GmbH (€) einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen (€). Als Vertragsbeginn wurde der 1. Januar 2001 vereinbart (€). Die Durchführung dieses Ergebnisabführungsvertrages ist für die Gesellschaft im Geschäftsjahr 2001 unmöglich, da sie an den mit der A-AG bis zum 31. Dezember 2001 bestehenden Ergebnisabführungsvertrag gebunden ist (siehe oben). Folglich ist der Ergebnisabführungsvertrag mit der B-AG dahingehend auszulegen, dass die zivilrechtliche Wirksamkeit - vorbehaltlich der Zustimmung der Hauptversammlung der B-AG - erst ab dem 1. Januar 2002 beginnt.€ (Textziffer 40 auf Seite 16 des Hauptteils).

Zur buchhalterischen Behandlung der Gewinnabführung wird im Bericht zur Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2001 und des Lageberichts für das Geschäftsjahr 2001 Folgendes ausgeführt:

€Die Verbindlichkeit gegenüber der B-AG resultiert aus dem Verrechnungskonto (€ 233.797,82) und der Verbindlichkeit aus Ergebnisabführung (€ 5.167.269,59).€ (Textziffer 54 auf Seite 24 des Erläuterungsteils).

€Die Forderung aus der Gewinnabführung des Geschäftsjahres 2001 in Höhe von € 5.167.269,59 wurde von der A-AG an die B-AG abgetreten.€ (Textziffer 85 auf Seite 24 des Erläuterungsteils).

€Der Gewinn ist gemäß Ergebnisabführungsvertrag an die A-AG abzuführen. Wir verweisen auf Textziffer 20 des Hauptteils.€ (Textziffer 133 auf Seite 37 des Erläuterungsteils).

In ihren für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004 beim Finanzamt abgegebenen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen legte die Klägerin insoweit die Rechtsfolgen des § 14 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu Grunde, als sie vom Bestehen einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft für 2001 zur A-AG und für 2002 bis 2004 zur B-GmbH ausging. Das Finanzamt beanstandete diesen Rechtsstandpunkt im Veranlagungsverfahren nicht und erließ entsprechende Bescheide. Gemäß notariellem Vertrag vom 19.07.2005 trat die B-GmbH ihre Anteile an der Klägerin mit Wirkung vom 31.07.2005 um 24:00 Uhr an die A-KG ab, nachdem der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-GmbH

- was Bedingung für das Wirksamwerden der Abtretung war - mit einer vom 25.07.2005 datierenden Vereinbarung zu einem (Rumpf-) Geschäftsjahresende zum 31.07.2005 aufgehoben worden war.

Entsprechend einer Prüfungsanordnung vom 01.07.2005 führte das zu diesem Zeitpunkt hierfür zuständige Finanzamt FA 1 bei der Klägerin für die Veranlagungs- und Erhebungszeiträume 2001 bis 2004 eine Betriebsprüfung durch, die es mit Berichten vom 05.04.2007 und 11.05.2007 abschloss. Darin kam die Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH für die Jahre 2001 bis 2004 nicht anzuerkennen sei, da der am 28.12.2001 mit Wirkung vom 01.01.2001 geschlossene Ergebnisabführungsvertrag im ersten Jahr seiner fünfjährigen Geltung nicht i.S.d. §§ 17, 14 Nr. 3 Satz 2 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG vollzogen worden sei. Wegen der Aufhebung des alten Vertrages mit der A-AG erst zum 31.12.2001 seien im Veranlagungszeitraum 2001 zwei konkurrierende Ergebnisabführungsverpflichtungen wirksam gewesen. Aus Textziffer 40 des Berichts der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W ergebe sich, dass man bei der Erstellung des Jahresabschlusses von einer Nichtigkeit der Aufhebung zum 28.12.2001 ausgegangen sei.

Tatsächlich habe die Klägerin ihren für das Geschäftsjahr 2001 erzielten Gewinn auch nicht an die B-GmbH, sondern - in Vollzug des alten Ergebnisabführungsvertrages - an die A-AG abgeführt. In der Handelsbilanz zum 31.12.2001 sei die Gewinnabführung der A-AG €zugerechnet€ worden. Die Passivierung einer Abführungsverbindlichkeit gegenüber der B-GmbH beruhe lediglich auf dem Umstand, dass die A-AG ihre Abführungsforderung an die B-GmbH abgetreten habe. Das Vollzugsdefizit führe nach §§ 17, 14 Nr. 3 Satz 1 u. 2 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zur Nichtanerkennung der Organschaft auch für die verbleibende Laufzeit des ab dem 01.01.2001 für (nur) fünf Jahre fest abgeschlossenen Vertrages. Da die Beteiligung der A-AG an der Klägerin unterjährig veräußert worden und die A-AG daher im Veranlagungszeitraum 2001 nicht ununterbrochen i.S.d. §§ 17, 14 Nr. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG an der Klägerin (ihrer nunmehrigen Schwestergesellschaft) beteiligt gewesen sei, sei auch eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der A-AG für 2001 nicht mehr anzuerkennen.

Der zwischenzeitlich für die Klägerin zuständig gewordene Beklagte (das Finanzamt, im Folgenden: €FA€) folgte diesen und den übrigen (im vorliegenden Verfahren nicht streitigen) Empfehlungen der Betriebsprüfung und erließ mit Datum vom 06.08.2007 Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2001 bis 2004, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004, über den Gewerbesteuermessbetrag für 2002, 2003 und 2004, über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2002, über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für 2003 und 2004 sowie über Feststellungen nach § 36 Abs. 7 KStG (zum 31.12.2001), § 27 Abs. 2 KStG (zum 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004), § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG (zum 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004), § 37 Abs. 2 KStG (zum 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004) und § 38 Abs. 1 KStG (zum 31.12.2001, 31.12.2002, 31.12.2003 und 31.12.2004). Ferner setzte das FA wegen der sich für die Streitjahre ergebenden Nachzahlungen nach § 233a AO Zinsen zur Körperschaftsteuer 2001, 2002, 2003 und 2004 fest. Auf die dem Gericht vorgelegten Bescheidkopien wird Bezug genommen. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 10.09.2007 Einspruch ein, den das FA unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung der Betriebsprüfung mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2008 als unbegründet zurückwies.

Mit ihrer am 22.08.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, dass die körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft zur B-GmbH bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 wie auch für die Folgejahre anzuerkennen sei. Das von der Betriebsprüfung angesprochene Vollzugsdefizit liege nicht vor. Im Jahresabschluss der A-AG zum 31.12.2001 sei zwar ein Ertrag aus der Ergebnisabführung der Klägerin erfasst worden. Der entsprechende Anspruch sei jedoch im Rahmen einer mündlich vereinbarten Forderungsabtretung an die B-GmbH abgetreten worden. Konsequenterweise habe auch die Klägerin eine Abführungsverbindlichkeit zum 31.12.2001 gegenüber der B-GmbH ausgewiesen. Die B-GmbH habe zum 31.12.2001 eine entsprechende Forderung gegenüber der Klägerin abgebildet. Diese Behandlung stelle einen ausreichenden Vollzug des Ergebnisabführungsvertrages zwischen der Klägerin und der B-GmbH bereits für 2001 dar. Die Durchführung eines Vertrages verlange keine tatsächlichen Geldbewegungen. Der Ausweis entsprechender Forderungen bzw. Verbindlichkeiten genüge, wenn diese zeitnah erfüllt würden. Letzteres sei unzweifelhaft der Fall, da der Gewinn tatsächlich der B-GmbH zugeflossen sei. Durch die Forderungsabtretung sei die B-GmbH wirtschaftlich so gestellt worden, als habe ihr das Jahresergebnis der Klägerin von Anfang an zugestanden. Eine andere bilanzielle Darstellung als die Einstellung zunächst einer Abführungsverpflichtung gegenüber der A-AG sei auch gar nicht möglich gewesen. Der neue Ergebnisabführungsvertrag mit der B-GmbH sei erst nach Erstellung des Jahresabschlusses der Klägerin für 2001 wirksam geworden, da die Gesellschafterversammlung ihm erst am 08.08.2002 zugestimmt habe. Aus diesem Grund sei die Einbuchung einer unmittelbaren Abführungsverpflichtung gegenüber der B-GmbH zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses am 26.02.2002 nicht zulässig gewesen.

Selbst bei Berücksichtigung einer Zahlungsverpflichtung an die A-AG habe die Klägerin jedenfalls einen danach bei ihr noch verbleibenden Betrag von 0,00 Euro bzw. 0,00 DM an die B-GmbH €abgeführt€. Hierbei handele es sich um den zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden €ganzen Gewinn€, der an die B-GmbH formell abgeführt worden sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die drei beteiligten Gesellschaften nicht gegen handelsrechtliche Vorschriften verstoßen hätten und bei der Prüfung der tatsächlichen Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrages kein kleinlicher Maßstab anzulegen sei. Auch der Bundesfinanzhof habe insoweit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anerkannt (Verweis auf BFH vom 04.03.2009 - I R 1/08, BFHE 225, 312). Das wirtschaftliche Ergebnis entspreche im Streitfall jedenfalls dem aufgrund des neuen Vertrages mit der B-GmbH tatsächlich gewollten Ergebnis. Sofern man der Ansicht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W zur Unwirksamkeit des neuen Ergebnisabführungsvertrages für 2001 folge, müsse die einvernehmliche Aufhebung des alten Vertrages zum 28.12.2001 jedenfalls hilfsweise als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ausgelegt werden. Die Veräußerung der Beteiligung an der Klägerin sei ein anerkannter Kündigungsgrund. Im wirtschaftlichen Ergebnis hätten die Aufhebungsvereinbarungen lediglich der internen schuldrechtlichen Abgrenzung des Jahresergebnisses der Klägerin für 2001 gedient.

Hilfsweise für den Fall, dass das vom FA für 2001 behauptete Vollzugsdefizit vorliegt, ist die Klägerin der Ansicht, dass die Organschaft dann jedenfalls für die Folgejahre anzuerkennen sei, was zu einer Teilstattgabe der Klage für 2002 bis 2004 führen müsse. Der neue Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Klägerin und der B-GmbH sei so auszulegen, dass der Zeitraum von fünf Jahren, für den dieser Vertrag gelten sollte, erst am 01.01.2002 bzw. im Zeitpunkt seines endgültigen Wirksamwerdens in 2002 zu laufen begann. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Rückbeziehung zum 01.01.2001 sei der Vertrag damit im Ergebnis für sechs Jahre geschlossen worden. Da in dem am 01.01.2002 beginnenden Fünfjahreszeitraum kein Vollzugsdefizit mehr zu erkennen sei, lägen die Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft für 2001 bis 2004 vor. Die spätere Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages zum 31.07.2005 sei steuerlich unschädlich.

Die Klägerin beantragt,

1. die in dem Schriftsatz vom 22.08.2008 bezeichneten Steuerbescheide vom 06.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2008 dahingehend zu ändern, dass die körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der B-GmbH (vormals firmierend unter B-AG) als Organträgerin anerkannt wird, 2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und 3. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält an der von der Betriebsprüfung vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Erfüllung des neuen Ergebnisabführungsvertrages mit der B-GmbH sei der Klägerin für das Jahr 2001 unmöglich gewesen. Für 2001 habe die Klägerin ausschließlich ihre Abführungsverpflichtung gegenüber der A-AG erfüllt. Auch die A-AG habe zunächst eine Forderung gegen die Klägerin erfasst, deren spätere Auflösung gegen Erlöse allein auf der Einbuchung einer Forderung der B-GmbH gegenüber der A-AG beruhe. Die von der Klägerin erfasste Verbindlichkeit gegenüber der B-GmbH resultiere nicht aus einer der B-GmbH gegenüber bestehenden Abführungsverpflichtung, sondern aus der Forderungsabtretung. Die Auffassung der Klägerin zur Abführung jedenfalls eines Gewinns von 0,00 DM bzw. 0,00 Euro an die B-GmbH sei unzutreffend. Es könne nur einen einzigen €ganzen Gewinn€ i.S.d. § 14 KStG geben. Dass die aus dem Jahresergebnis der Klägerin zum 31.12.2001 entstandene Liquidität letztlich bei der B-GmbH angekommen sei, sei systembedingt, da auch zwischen der A-AG und der B-GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag bestanden habe. Mangels Durchführung des neuen Vertrages während des gesamten, vertraglich ab dem 01.01.2001 auf fünf Jahre festgeschriebenen Geltungszeitraums sei die Organschaft auch für die Folgejahre (d.h. für die im vorliegenden Verfahren streitigen Jahre 2002 bis 2004) nicht anzuerkennen. Dem neuen Vertrag sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass dieser ab dem 01.01.2001 für fünf Jahre gelten sollte. Eine andere Auslegung sei nicht möglich.

In Entsprechung des Antrags des FA im Schriftsatz vom 29.07.2010 hat das Gericht die B-GmbH mit Beschluss vom 16.06.2011 nach § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen. Auf die dem Gericht vorgelegten Steuerakten (1 Band Körperschaftsteuerakten, 1 Band Gewerbesteuerakten, 1 Band Feststellungsakten, 2 Bände Vertragsakten, 1 Band Betriebsprüfungsakten, 1 Sonderband Einsprüche und Einspruchsentscheidungen, 1 Mappe mit fotokopierten und lose eingelegten Unterlagen zum Jahresabschluss der Klägerin zum 31.12.2001) wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Die von der Klägerin für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen sowie die darauf ergangenen Bescheide mit Stand vor Betriebsprüfung konnten vom FA nicht vorgelegt werden. Wegen des Inhalts der von der Klägerin für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen, des Standes der Veranlagung und Feststellung vor Betriebsprüfung sowie der betragsmäßigen Auswirkungen der Aberkennung der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft wird auf die Textziffern 15 bis 18 und 40 sowie auf die Anlagen 1 bis 3 des Betriebsprüfungsberichts vom 05.04.2007 und ergänzend auf die Anlagen 1 bis 5 zum geänderten Bericht vom 11.05.2007 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide des FA vom 06.08.2007 sind in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2008 rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen einer körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft der Klägerin zur B-GmbH in den Veranlagungs- und Erhebungszeiträumen 2001 bis 2004 nicht vorlagen und auch die vormals zur A-AG bestehende Organschaft im Veranlagungs- und Erhebungszeitraum 2001 nicht mehr anzuerkennen war. Insoweit war das Einkommen der Klägerin für Körperschaftsteuerzwecke nach §§ 14, 17 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) weder der A-AG noch der B-GmbH zuzurechnen und kam die Behandlung des Betriebs der Klägerin als unselbständige Betriebstätte der A-AG oder der B-GmbH für Gewerbesteuerzwecke nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in den Streitjahren nicht in Betracht.

1. Nach § 17 Satz 1 i.V.m. § 14 KStG in der für die Streitjahre einschlägigen Fassung (d.h. in der Fassung vom 23.12.2000, nachfolgend in der Fassung vom 20.12.2001) ist das Einkommen einer Organgesellschaft in der (wie bei der Klägerin gegebenen) Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit inländischem statutarischem Sitz und inländischer Geschäftsleitung vorbehaltlich § 16 KStG einem Organträgerunternehmen zuzurechnen, wenn sich die Organgesellschaft gegenüber dem Organträgerunternehmen wirksam verpflichtet hat, ihren ganzen Gewinn abzuführen. Der Organträger, bei dem es sich (wie im Fall der A-AG und der B-GmbH) auch um eine andere nicht steuerbefreite Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleistung im Inland handeln kann (§§ 14 Nr. 2, 17 Satz 1 KStG), muss an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (sog. finanzielle Eingliederung, §§ 14 Nr. 1, 17 Satz 1 KStG). Der Vertrag über die Abführung des Gewinns (der Ergebnisabführungsvertrag, im Folgenden: €EAV€) muss nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG eine Regelung zur Verlustübernahme entsprechend § 302 des Aktiengesetzes (AktG) enthalten. Er muss zudem bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, für das das Einkommen dem Organträger erstmals zugerechnet werden soll, auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen worden sein und bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres wirksam werden (§§ 14 Nr. 3 Satz 1, 17 Satz 1 KStG). Der EAV muss während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden (§ 14 Nr. 3 Satz 2, 17 Satz 1 KStG). Eine vorzeitige Beendigung des EAV durch Kündigung ist allerdings unschädlich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§§ 14 Nr. 3 Satz 3, 17 Satz 1 KStG). Die Kündigung oder Aufhebung des EAV auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft wirkt steuerlich auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs zurück (§§ 14 Nr. 3 Satz 4, 17 Satz 1 KStG). Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG, so gilt sie für Gewerbesteuerzwecke nicht als eigenständiger Gewerbebetrieb, sondern als unselbständige Betriebstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).

2. Entsprechend diesen Vorschriften war eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft der Klägerin (als Organgesellschaft) zur A-AG (als Organträgerin) im Streitjahr 2001 nicht mehr gegeben, da die Klägerin nicht während des gesamten Wirtschaftsjahres 2001 i.S.v. §§ 14 Nr. 1, 17 Satz 1 KStG in das Unternehmen der A-AG finanziell eingegliedert war. Da die A-AG ihre Beteiligung an der Klägerin bereits mit Wirkung zum 28.12.2001 veräußert hatte und aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse vom 28.12.2001 bis zum 31.12.2001 auch keine mittelbare Eingliederung mehr gegeben war, kam es zu einem unterjährigen Verlust der Stimmrechtsmehrheit i.S.d. §§ 14 Nr. 1, 17 Satz 1 KStG, die den Eintritt der Rechtsfolgen der Organschaft für den gesamten Veranlagungs- und Erhebungszeitraum 2001 verhinderte.

3. Für den Veranlagungs- und Erhebungszeitraum 2001 war darüber hinaus auch eine Organschaft der Klägerin zur B-GmbH nicht anzuerkennen. Für 2001 bestand sowohl eine Ergebnisabführungsverpflichtung der Klägerin gegenüber der A-AG als auch gegenüber der B-GmbH. Dieser Umstand führte zwar nicht zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des mit der B-GmbH geschlossenen EAV oder zum Wegfall der sich hieraus ergebenden zivilrechtlichen Leistungsverpflichtung. Entsprechend der zutreffenden Rechtsauffassung des FA führte dieser Umstand jedoch dazu, dass der mit der B-GmbH geschlossene EAV für 2001 nicht i.S.v. § 14 Nr. 3 Satz 2, 17 Satz 1 KStG tatsächlich durchgeführt wurde, weil eine i.S.v. § 14 KStG tatbestandsmäßige Ergebnisabführung nur einmal vorliegen kann und nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Streitfalls von einer Erfüllung der Abführungsverpflichtung gegenüber der A-AG auszugehen ist.

a) Der EAV zwischen der Klägerin und der A-AG wurde erst mit Wirkung zum 31.12.2001, 24:00 Uhr zivilrechtlich beendet. Diese Beendigung entfaltete weder zivil- noch steuerrechtlich Rückwirkung.

aa) Die i.S.v. §§ 14 Nr. 3 Satz 4, 17 Satz 1 KStG zunächst vereinbarte Aufhebung €zum Ablauf des 28.12.2001€ war als eine auf eine unterjährige Beendigung zielende Regelung zivilrechtlich unwirksam. Nach der für eine Aktiengesellschaft als Organgesellschaft geltenden Vorschrift des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG kann ein EAV als Unternehmensvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG nur zum Ende des Geschäftsjahres (d.h. hier: zum 31.12.2001) oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums (hier nicht vereinbart) aufgehoben werden. Verstößt die Aufhebungsvereinbarung gegen diese Vorschrift, ist sie insoweit nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB) nichtig (Hüffer, AktG, 9. Auflage 2010, § 296 Rn. 3 f.; Veil in Spindler / Stilz, AktG, 2007, § 296 Rn. 8). Gleiches gilt für die Aufhebung eines mit einer GmbH als Organgesellschaft geschlossenen EAV (BGH vom 05.11.2001 - II ZR 119/00, NJW 2002, 822; Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Auflage 2006, Anhang § 13 Rn. 195).

bb) Die mithin nichtige Aufhebungsvereinbarung zum 28.12.2001 kann nicht nach §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 139 BGB als hilfsweise zum 31.12.2001 gemeinte Aufhebungsvereinbarung ausgelegt werden. Denn die Vereinbarung über den Zeitpunkt der Aufhebung eines EAV stellt ebenso wie eine EAV selbst eine (schrift-) formbedürftige Willenserklärung dar, für dessen ergänzende Auslegung ein enger Maßstab gilt (BFH vom 28.11.2007 - I R 94/06, BFH/NV 2008, 1270, vgl. BGH vom 20.12.1974 - V ZR 132/73, BGHZ 63, 362; BGH vom 09.04.1981 - IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 245; BGH vom 25.03.1983 - V ZR 268/81, NJW 1983, 1610; BAG vom 13.07.2006 - 8 AZR 382/05, NJW 2007, 250). Aus den gleichen Erwägungen scheidet auch eine Umdeutung bzw. Auslegung der (zweiseitigen) Aufhebungsvereinbarung zum 28.12.2001 in bzw. als eine hilfsweise zum Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung gemeinte (einseitige) Kündigung des EAV aus wichtigem Grund aus, zumal die Parteien dieser Vereinbarung die Rechtsfigur der Aufhebung in der (nochmaligen zweiseitigen) Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2001 ausdrücklich bestätigt haben. Demzufolge konnte nur die Vereinbarung vom 28.12.2001 über die (nunmehrige) Aufhebung des EAV zum 31.12.2001, 24:00 Uhr eine nach den zivilrechtlichen Vorschriften wirksame Regelung über die Beendigung des mit der A-AG geschlossenen EAV darstellen.

cc) Der Senat geht - wie übereinstimmend auch die Beteiligten - von der zivilrechtlichen Wirksamkeit dieser Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2001, 24:00 Uhr aus. Es überrascht zwar, dass sowohl die Vereinbarung über die Aufhebung zum 28.12.2001 als auch die Vereinbarung über die Aufhebung zum 31.12.2001 gleichermaßen vom 28.12.2001 datieren. Denn es erschiene eher ungewöhnlich, wenn es - was allerdings den Erläuterungen zum Jahresabschluss und dem Prüfbericht zu entnehmen ist - zuträfe, dass die Vertragsparteien die Unwirksamkeit ihrer Vereinbarung bereits am Tag ihres Abschlusses bemerkt und noch am gleichen Tag (hier: einem Freitag vor Jahresende) eine neue (wirksame) Vereinbarung geschlossen hätten. Insoweit besteht jedenfalls dem Grunde nach die nicht ganz von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass die Parteien ihren Fehler erst später (gegebenenfalls erst bei der Prüfung des Jahresabschlusses Anfang 2002) bemerkt haben, die Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2001 sodann erst nach dem 01.01.2002 geschlossen und sie rückdatiert haben, was dazu geführt hätte, dass auch diese Vereinbarung wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG nach § 134 BGB nichtig wäre. Da der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berichtete Sachverhalt allerdings auch nicht ausgeschlossen werden kann, das Handelsregister die Beendigung zum 31.12.2001 als bloße Berichtigung ohne Weiteres akzeptiert hat und auch das FA keine Zweifel an der Richtigkeit des vorgetragenen Geschehensablaufs (d.h. des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2001 noch am 28.12.2001) geäußert hat, sieht der Senat keine Veranlassung, einen abweichenden Sachverhalt zu Grunde zu legen.

dd) Nicht überzeugend ist der Vortrag der Klägerin, die Aufhebung des EAV mit der A-AG zum 28.12.2001 und / oder 31.12.2001 habe lediglich das Ziel verfolgt, aus Anlass der Veräußerung der Beteiligung an der Klägerin zum 28.12.2001 eine interne schuldrechtliche (zeitliche) Abgrenzung zwischen der A-AG und der B-GmbH zu ermöglichen. Hiergegen spricht, dass der neue EAV mit der B-GmbH ausdrücklich bereits ab 01.01.2001 gelten und der bestehende EAV mit der A-AG ausdrücklich zum 31.12.2001 enden sollte. Mit dieser Vertragslage konnte das behauptete Abgrenzungsziel gerade nicht erreicht werden. Ein besonderer Abrechnungszeitraum wurde gerade nicht vereinbart.

b) Über die damit gegenüber der A-AG noch bis zum 31.12.2001 bestehende Gewinnabführungsverpflichtung hinaus war die Klägerin aufgrund des rückwirkend zum 01.01.2001 mit der B-GmbH abgeschlossenen EAV für 2001 auch gegenüber der B-GmbH zur Gewinnabführung verpflichtet. Beide EAV waren hinsichtlich des im Geschäftsjahr 2001 von der Klägerin erzielten Gewinns zivilrechtlich wirksam.

aa) Der Umstand der Existenz zweier konkurrierender EAV für 2001 führte nicht zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit des zeitlich später abgeschlossenen EAV mit der B-GmbH oder beider EAV. Der EAV mit der B-GmbH war nicht insgesamt nichtig oder (für 2001) teilnichtig i.S.d. § 139 BGB. Ein ausdrückliches gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB für den Abschluss eines im wirtschaftlichen Ergebnis finanziell nicht erfüllbaren Gewinnabführungsvertrages ist nicht erkennbar. Auch eine Nichtigkeit bzw. Teilnichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB - etwa wegen der durch den zusätzlichen und rückwirkenden EAV mit B-GmbH bewirkten Verleitung der Klägerin zur Missachtung der Abführungsverpflichtung gegenüber der A-AG für 2001 (vgl. BGH vom 10.02.1988 - IVa ZR 268/86, NJW 1988, 1716) - kommt nicht in Betracht, da an eine Vertragsnichtigkeit in solchen Fällen strenge Anforderungen zu stellen sind und die A-AG jedenfalls insoweit keinen materiellen Schaden erlitten hat, als sie für 2001 selbst kraft eines weiteren EAV zur Abführung ihres gesamten Gewinns an die B-GmbH verpflichtet war.

bb) Die Klägerin war auch nicht - wovon die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W in ihrem Prüfungsbericht gleichwohl sinngemäß ausgeht - nach § 275 Abs. 1 BGB wegen anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit von der mit der B-GmbH vereinbarten Gewinnabführungsverpflichtung befreit. Denn die zivilrechtlichen Vorschriften zum Wegfall des Primäranspruchs wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung sind auf Geldleistungsverpflichtungen grundsätzlich nicht anwendbar (BGH vom 25.03.1982 - VII ZR 60/81, NJW 1982, 1585; BGH vom 28.02.1989 - IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276). Das muss aus Rechtssicherheitsgründen auch für Unternehmensverträge gelten, soweit diese eine Zahlungsverpflichtung begründen.

c) Trotz der mithin für 2001 zivilrechtlich bestehenden Gewinnabführungsverpflichtung der Klägerin sowohl gegenüber der A-AG als auch gegenüber der B-GmbH sind die Voraussetzungen für die Anerkennung einer körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft zwischen der Klägerin und der B-GmbH für 2001 dennoch nicht erfüllt, da der mit der B-GmbH geschlossene EAV vor dem Hintergrund der gleichzeitig gegenüber der A-AG bestehenden Abführungsverpflichtung von der Klägerin nicht i.S.d. § 14 Nr. 3 Satz 2, 17 Satz 1 KStG tatsächlich durchgeführt wurde.

aa) Hierfür ist nach der Überzeugung des Senats zunächst maßgeblich, dass die Klägerin - ungeachtet der angeblich zwischen der A-AG und der B-GmbH mündlich vereinbarten Forderungsabtretung - davon ausgegangen ist, eine Abführungsverpflichtung gegenüber der A-AG zu erfüllen, was die oben wörtlich zitierten Erläuterungen zum Jahresabschluss und zu den Feststellungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W belegen. Darin wird deutlich, dass sich die Klägerin - wegen der durch die Wirtschaftsprüfer eingeführten Rechtsauffassung einer zivilrechtlichen Unwirksamkeit des mit der B-GmbH geschlossenen EAV jedenfalls für 2001 - selbst nicht verpflichtet sah, ihren Gewinn an die B-GmbH abzuführen. Ferner ergibt sich hieraus, dass es sich bei der gleichwohl ausgewiesenen Verbindlichkeit gegenüber der B-GmbH um den von der A-AG abgetretenen Abführungsanspruch gehandelt haben soll. Ungeachtet der Frage, ob der Anspruch der A-AG möglicherweise einem Abtretungsverbot nach § 399 BGB unterlag, ist die Klägerin bei der Erstellung ihres Jahresabschlusses jedenfalls ersichtlich davon ausgegangen, nur aus einer originären Berechtigung der A-AG heraus zur Zahlung verpflichtet zu sein.

Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, eine andere buchhalterische Behandlung sei im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses am 26.02.2002 gar nicht möglich gewesen, da die Gesellschafterversammlung der Klägerin dem neuen EAV erst am 08.08.2002 zugestimmt habe, verkennt sie, dass die fehlende Zustimmung der Gesellschafterversammlung im Zeitpunkt des Abschlusses des EAV lediglich bewirkt, dass der EAV bis zur Erteilung der Zustimmung schwebend unwirksam ist (Hüffer, AktG, 9. Auflage 2010, § 293 Rn. 12) und die spätere Zustimmung nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Klägerin schon bei der Erstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt hatte, dass die A-AG ihre gegen die Klägerin bestehende Abführungsforderung an die B-GmbH abgetreten haben will. Einer solchen Abtretung nebst Erwähnung im Jahresabschluss der Klägerin (als versuchte Darstellung einer letztendlichen Gewinnabführung an die B-GmbH trotz der im Jahresabschluss angenommenen Teilunwirksamkeit des EAV mit der B-GmbH für 2001) hätte es nicht bedurft, wenn dem EAV mit der B-GmbH für 2001 keinerlei Bedeutung beigemessen worden wäre.

bb) Darüber hinaus ist von entscheidender Bedeutung, dass es sich bei §§ 14, 17 Satz 1 KStG um Vorschriften handelt, deren gesetzliche Rechtsfolge die Zurechnung des steuerlichen Einkommens einer Kapitalgesellschaft zu einem bestimmten anderen Unternehmen ist. Dieser Regelungshintergrund sowie die Verwendung des in diesem Lichte auszulegenden Begriffs des €ganzen Gewinns€ in § 14 KStG bedingen es, dass die eine entsprechende Einkommenszurechnung auslösende Gewinnabführung nur einmal stattfinden kann, da auch das Einkommen der Kapitalgesellschaft für Steuerzwecke nur einmal einem bestimmten anderen Unternehmen zugerechnet werden kann. Insoweit kann die von der Klägerin hilfsweise vertretene Auffassung, wonach die Klägerin an die B-GmbH einen €zweiten€ Gewinn in Höhe von nur noch 0,- DM bzw. 0,- Euro abgeführt hat, aus steuerrechtlicher Sicht nicht durchdringen.

cc) Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass ein EAV für eine GmbH als Organgesellschaft einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag mit satzungsgleicher Wirkung darstellt (BGH vom 14.12.1987 - II ZR 170/87, NJW 1988, 1326; BGH vom 24.10.1988 - II ZB 7/88, NJW 1989, 295), der eine besonders enge Verbindung zwischen der GmbH und dem Abführungsempfänger begründet. Mit Blick auf diese enge Beziehung kann eine Gewinnabführungsverpflichtung auch aus der Perspektive der GmbH nur einmal erfüllt werden.

4. Da der EAV zwischen der Klägerin und der B-GmbH mit Wirkung vom 01.01.2001 für die Dauer von lediglich fünf Jahren fest abgeschlossen worden war und bereits im ersten Geltungsjahr nicht i.S.d. § 14 Nr. 3 Satz 2, 17 Satz 1 KStG tatsächlich durchgeführt worden ist, ist der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft auch für die nachfolgenden Veranlagungs- und Erhebungszeiträume 2002 bis 2004 die Anerkennung zu versagen. Die von der Klägerin favorisierte Auslegung, nach der der im EAV vereinbarte Fünfjahreszeitraum nicht am vereinbarten Geltungsstichtag des 01.01.2001, sondern erst zum 01.01.2002 bzw. im Zeitpunkt der endgültigen Wirksamkeit durch Zustimmung der Gesellschafterversammlung und deren Eintragung in das Handelsregister zu laufen beginnen sollte, findet im Wortlaut des EAV keine Stütze. Der einschlägige § 3 Abs. 1 Satz 2 des EAV (€Als Beginn des Ergebnisabführungsvertrages gilt der 01.01.2001€) ist nach der Überzeugung des Senats so zu verstehen, dass der Vertrag rückwirkend zum 01.01.2001 in Kraft treten sollte, sobald (wovon typischerweise auszugehen war) im Verlauf des Jahres 2002 sämtliche Wirksamkeitsbedingungen erfüllt werden, was auch den Regelungen zur Möglichkeit der steuerrechtlichen Rückwirkung entsprach (§ 14 Nr. 3 Satz 1 letzter Halbsatz KStG). Mangels Regelung oder zumindest Andeutung eines anderweitigen Zeitpunktes im Vertrag kann dessen § 3 Abs. 2 nach §§ 133, 157 BGB nur so verstanden werden, dass der Fünfjahreszeitraum am 01.01.2001 begann.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO lagen nicht vor.






FG Kassel:
Urteil v. 25.01.2012
Az: 4 K 2487/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/117c57cae56f/FG-Kassel_Urteil_vom_25-Januar-2012_Az_4-K-2487-08




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