Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 126/02
(BPatG: Beschluss v. 12.11.2003, Az.: 28 W (pat) 126/02)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Mai 2002 aufgehoben.
Gründe
I Der Anmelder begehrt die Eintragung der Farbkombination "gelb, lila" als Farbmarke. Die Eintragung sollte ursprünglich für die Waren
"Gewindefahrwerke; Sportfahrwerke; Teile von Gewindefahrwerken und Sportfahrwerken, nämlich Federn, Tieferlegungsfedern, Sportfedern, Dämpfer, Stoßdämpfer, Sportstoßdämpfer, Rennstoßdämpfer"
erfolgen, nunmehr ist eine Beschränkung auf die Waren
"Gewindefahrwerke, Sportfahrwerke"
vorgenommen worden.
Dem Antrag ist folgende - nunmehr ebenfalls eingeschränkte - Beschreibung beigefügt:
Die Waren des Warenverzeichnisses sind bezgl. der beanspruchten Farbkombination derart gestaltet, dass die Federn der Fahrwerke gelb und die Dämpfer- und Anbauteile der Fahrwerke lila gestaltet sind.
Außerdem sind die beiden Farben unter Angabe der Klassifizierung "Gelb = HSK 5 K" und "Lila = HSK 34 K" festgelegt worden.
Die Markenstelle für Klasse 12 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, denn der beteiligte Verkehr sehe in den Farben keinen Hinweis auf den Hersteller, sondern nur eine farbliche Gestaltung des Produkts.
Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, es sei in der betreffenden Branche üblich, dass Farben oder Farbkombinationen in Art einer "Hausfarbe" verwendet würden. Die Produkte seien für eine ganz bestimmte Gruppe von Verbrauchern bestimmt, nämlich den "Autonarren", die ihre Serienfahrzeuge mit vielerlei Extras versehen. Die Mitglieder dieser Szene seien an die Farbgestaltung und die entsprechende Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller gewöhnt.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts mehrere Kataloge über Autozubehör (D & W 2003, D & W 2002, Rieger 2003) in Augenschein genommen und eine Anfrage bei Verbänden durchgeführt, von denen jedoch nur zum Teil eine Auskunft eingegangen ist (Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Bayern, Zentralverband Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe, sowie die vom Anmelder vorgelegte Auskunft des Verbandes Deutscher Automobil Tuner e.V.).
Insoweit und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist zulässig (§ 165 Abs 4 MarkenG) und auch begründet, denn die angemeldete Marke ist für diese speziellen Waren unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG entgegenstehen.
1. Bei der Anmeldung handelt es sich nicht um eine abstrakte Farbmarke mit der Folge, dass der Anmelder nunmehr Schutz für jedwede Verteilung beider Farben auf den Waren oder deren Verpackung erhielte. Vielmehr ist auf Grund der vom Anmelder vorgenommenen Beschreibung der Marke deren Schutzumfang bestimmt und festgelegt. Vom Schutz umfasst ist daher ausschließlich die gelb/lila Farbkombination der Fahrwerke mit der Farbverteilung "gelbe Federn" und "lila Dämpfer- und Anbauteile". Der Gegenstand der Anmeldung ist also nicht eine in ihren Konturen und der Aufteilung der Farben freie und unbegrenzte Farbmarke - auch wenn der Anmelder seine Marke stets als "Farbmarke" bezeichnet -, sondern eine Kombination der Farben gelb und lila mit einer exakten Festlegung ihrer Verwendung auf den Fahrwerken entsprechend der vom Anmelder vorgenommenen Markenbeschreibung. Jeder andere Gebrauch der Farbkombination wird vom Markenschutz nicht umfasst. Die Marke steht damit einer Aufmachungsmarke näher als einer abstrakten Farbmarke (sie könnte auch als "konkrete" Farbmarke bezeichnet werden).
2. Zweifel an der Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs 2 MarkenG haben sich nicht ergeben, denn sowohl nach den Feststellungen des Gerichts als auch nach den Auskünften der Verbände hat die Farbgestaltung bei Stoßdämpfern keinerlei technische Funktion oder Wirkung (etwa Rostschutz, Einbauhilfe, Sichtbarmachung von Abriebstellen, von Verschmutzung) und damit auch keine technische Aussagekraft (zB Hinweis auf die Federstärke). Die Farbkombination ist somit nicht im wesentlichen technisch bedingt (EuGH, GRUR 2002, 804 - Philips), sondern sie dient dem Aussehen und der Gestaltung des Produkts.
3. Die angemeldete Marke ist unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, denn wegen des spezifischen Warenbereiches, der exakt festgelegten Verteilung der Farbe auf der Ware, sowie insbesondere der Übung des Verkehrs in diesem Marktsegment Farben und Farbkombinationen - auch - kennzeichnend einzusetzen, ist die konkrete Unterscheidungseignung dieser Marke (auch unter dem Gesichtspunkt des Eintragungsanspruchs nach § 33 Abs 2 MarkenG) zu bejahen.
In aller Regel jedoch sieht der Verbraucher in der Farbe einer Ware oder deren Verpackung keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware, sondern Farbe bedeutet für ihn in erster Linie eine notwendige Eigenschaft der Ware, die - soweit aufgrund der Beschaffenheit des jeweiligen Produkts eine unterschiedliche Farbgebung möglich ist - verwendet wird, um ein Produkt ansprechend und dekorativ zu gestalten. Aussehen und Farbe des Produkts verschmelzen und bestimmen als Einheit das äußere Erscheinungsbild einer Ware. Der durchschnittliche Verbraucher, der es gewohnt ist, das Produkt am Wort zu erkennen - weil er damit die Ware am einfachsten bezeichnen kann - unterzieht deshalb die Farbe und Form einer Ware keiner analytischen Betrachtung und bringt ihr eine nur geringe Aufmerksamkeit entgegen. In der Regel wird er also nicht bereit sein von der Farbe eines Produkts auf dessen Herkunft zu schließen (vgl insoweit zu Formmarken EuGH, MarkenR 2003, 280 - Form einer Zigarre ua; BGH, MarkenR 2003, 178 - Abschlussstück; BGH, WRP 2003, 889 - Goldbarren). In Einzelfällen jedoch kann Farbe ein Zeichen sein und eine über die bloße Sichtbarmachung und Ausgestaltung eines Produkts hinausgehende, nämlich auf die Herkunft der Waren hinweisende Information geben. Dazu bedarf es jedoch besonderer und erheblich außerhalb der Norm liegender Anhaltspunkte (EuGH, MarkenR 2003, 227 - Orange). Denkbar ist dies, wenn es sich um einen sehr beschränkten Markt mit spezifischen Produkten handelt und sich der Verkehr zB wegen der Verwendung von Farben oder Farbkombinationen in Art von Hausfarben, an deren herkunftshinweisende Funktion gewöhnt hat. Weil das Markenrecht jedoch ein "wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbsrechts" ist, und wegen der geringen Zahl der tatsächlich verfügbaren Farben mit nur wenigen Eintragungen der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte - womit ein Allgemeininteresse besteht, allen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit zu geben, Farben ohne räumliche Begrenzung zu verwenden (vgl EuGH, aaO - Orange) - dürfte die Eintragung von Farben und Farbkombinationen von Hause aus letztlich auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Sind aber wie hier auf Grund der genauen Beschreibung der Farbverteilung das Aussehen und Erscheinungsbild des Produktes unzweideutig festgelegt, so kann dieses Allgemeininteresse - das auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft heranzuziehen ist - ausnahmsweise und wegen der besonderen Gegebenheiten auf dem besonderen Warengebiet - zurücktreten.
Mit der Ware "Gewindefahrwerke, Sportfahrwerke" kommt nur ein ganz spezifischer Teil der Verbraucher in Berührung, nämlich zum einen der Fachverkehr, also zB der Kraftfahrzeugmechaniker in der Autowerkstätte, oder der interessierte Laie, nämlich der Hobbybastler, der sein Fahrzeug selbst repariert, oder zum anderen der Teil der Autobesitzer, der sein Fahrzeug verändert und nachrüstet. Nahezu alle Autohersteller bauen werkseitig "farblose", dh metallfarbene, schwarze oder graue Stoßdämpfer in ihre Kraftfahrzeuge ein. Diese "Nicht - Farben" sind auch auf dem allgemeinen Ersatzteilmarkt anzutreffen, wo Stoßdämpfer für die Fachwerkstätte oder den Hobbybastler angeboten werden. Der Ersatzteilmarkt beim Auto-Tuning hingegen, also die Anbieter von Sportfahrwerken und Gewindefahrwerken für das sogenannte "sportliche" Fahrzeug und für das "Tieferlegen" eines Kraftfahrzeugs, zeigt sich "farbig". Dieser Markt ist relativ überschaubar, denn es gibt nicht sehr viele Hersteller dieser Spezialprodukte. Der an sich sehr umfangreiche Autozubehörkatalog der Firma "Rieger 2003" (Anbieter für Tuning, Styling, Interieur, Fahrwerk, Räder und Sportsound) führt sechs Hersteller (H & R, Koni, Power Tech, Weitec, SCC und KW, die Firma des Anmelders); der Katalog der Firma "D & W" 2003 hat daneben noch Fahrwerke mit eigener Kennzeichnung, sowie solche der Firmen INXX, FK Automotive, Sachs Performance und Bilstein. Seitens des Anmelders wurden drei weitere Hersteller genannt, nämlich die Firmen VDF Vogtland, aptuning und Apex. Die Fahrwerke fast aller dieser Hersteller sind farbig, meist zweifarbig und die Verteilung der beiden Farben entspricht ganz überwiegend der auch vom Anmelder vorgenommenen Aufteilung auf Feder und Dämpfer- und Anbauteile der Fahrwerke. Die meisten Hersteller benutzen nur eine Farbkombination so zB die Firma Weitec (grün/schwarz), die Firma Vogtland (lila/schwarz), die Firma Sachs (schwarz/rot), die Firma Bilstein (blau/gelb), manche verwenden zwei unterschiedliche Kombinationen, so zB die Firma Koni (schwarz/gelb und rot/gelb), die Firma PowerTech (rot/blau und rot/gelb), die Firma aptuning (blau/gelb, rot/blau); die Firma Apex (gelb/rot und gelb/blau) und nur ein Hersteller zeigt sich "bunt", nämlich die Firma INXX (gelb/schwarz, blau/metall, blau/gelb, rot/gelb usw). Häufig werden diese Farben in Art einer Hausfarbe in Preislisten und Produktinformationen übernommen und weitergeführt. Damit kann davon ausgegangen werden, dass die Hersteller dieser Spezialprodukte eine gewisse Farbgebung der Fahrwerke beibehalten und sie untereinander wohl auch respektieren, denn übereinstimmende Farbkombination stellen die Ausnahme dar.
Infolgedessen spricht vieles dafür, dass sich in diesem Marktsegment wegen der ansonsten gebräuchlichen schwarzen oder grauen Farbe, sowie der zahlenmäßig geringen Hersteller eine Gewöhnung dieses ganz speziellen Verkehrs dergestalt stattgefunden hat, dass entgegen der sonstigen Übung von der Farbkombination der Fahrwerke auf deren Hersteller geschlossen wird. Dass die Farbe nur der Dekoration dient - wie einer der Fachverbände meint - ist wenig überzeugend, denn Fahrwerke sind nach dem Einbau nicht mehr sichtbar. Wenn der Autofreak demjenigen, der seine Fahrwerke dennoch sieht, damit kundtun möchte, dass sein Fahrzeug getunt ist, so bedeutet dies nicht, dass damit die der Farbkombination innewohnende Herkunftseignung entfiele.
Zugunsten des dem Anmelder zustehenden Eintragungsanspruchs ist somit davon auszugehen, dass diese konkrete Farbkombination in der angemeldeten Aufmachung zumindest für einen maßgeblichen Teil des betroffenen Verkehrs auch kennzeichnend wirken kann.
Der vorliegende Fall ist vergleichbar mit der vom Bundespatengericht entschiedenen 3D Marke "grünes Kunststoffrohr mit grünen vier schmalen Streifen" (BPatG v 29.4.2003, 33 W (pat) 13/01 veröffentlicht in PAVIS), bei dem die Schutzfähigkeit ebenfalls wegen der auf diesem speziellen engen Warenbereich üblichen und gebräuchlichen, je nach Hersteller farblich unterschiedlichen Einfärbung der Produkte bejaht worden ist.
4. Der Eintragung steht auch nicht das Hindernis des Freihaltungsinteresses der Mitbewerber entgegen (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Wie oben dargestellt berührt die von dem Anmelder gewünschte konkrete Farbverteilung auf der jeweiligen Ware weder das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb, noch damit das Interesse der Mitbewerber an der Verwendung eben dieser farblichen Ausstattung ihrer Produkte. Der Vergleich mit deren farbigen Stoßdämpfern zeigt vielmehr, dass ein wettbewerbsgerechtes Nebeneinander unter Gebrauch anderer Farbkombinationen möglich ist.
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BPatG:
Beschluss v. 12.11.2003
Az: 28 W (pat) 126/02
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