Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 12/04

(BPatG: Beschluss v. 07.02.2006, Az.: 23 W (pat) 12/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. November 2003 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I Das Patent 43 30 282 (Streitpatent) der Patentinhaberin wurde mit der Bezeichnung "Elektrischer Verbinder und damit ausgerüstete elektronische Baugruppe" - unter Inanspruchnahme dreier japanischer Prioritäten (vom 8. September 1992, Az. 4 - 239 711, vom 8. Oktober 1992, Az. 4 - 270 045 und vom 30. Oktober 1992, Az. 4 - 292 707) am 7. September 1993 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent unter Berücksichtigung des Standes der Technik gemäß den Druckschriften 1) US 4 652 693, 2) DE 78 28 472 U1, 3) US 3 330 700, 4) JP 62 - 16 579 A mit deutschsprachiger Übersetzung, und 5) US 3 993 505 durch Beschluss vom 10. Juni 1999 mit 18 Patentansprüchen erteilt. Das Patent wurde mit der Bezeichnung "Planarer Verbinder und dessen Verwendung in einer elektronischen Baugruppe" am 5. Januar 2000 veröffentlicht.

Im Übrigen hat die Patentinhaberin in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen noch weiteren Stand der Technik gemäß den Druckschriften 6) JP 1 - 198 082 A und 7) JP 4 - 284 677 A genannt.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit ihrem Schriftsatz vom 27. März 2000, eingegangen am darauf folgenden Tag, Einspruch erhoben, da der Gegenstand des Streitpatents nicht die Erfordernisse des § 1 Abs. 1 PatG erfülle, insbesondere nicht neu sei bzw. nicht erfinderisch gegenüber dem mit dem Einspruchsschriftsatz genannten Stand der Technik.

Sie beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Hierbei stützt sich die Einsprechende auf die Entgegenhaltungen D1 G. Heeschen et al.: "Modultechnik für dünne und großflächige Silizium-Solarzellen", AEG-Telefunken, Forschungsbericht 01 TO 029 ZK/RT WRT 2079 des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, Wedel, März 1983, insbesondere Seiten 11 - 24, Seiten 77 - 87, Seite 114 und Seiten 118 - 121, D2 J. Koch: "Module Technique of 5 x 5 CM2-Solar Cells", Proc. 3rd Europ. Symp. "Photovoltaic Generators in Space", Bath, England, 4 - 6 May 1982, pp 17 - 21, D3 US 4 918 511 und D4 US 4 797 726.

Im Einzelnen führt die Einsprechende aus, dass die Gegenstände der selbständigen Patentansprüche 1 und 13 gegenüber den jeweiligen Entgegenhaltungen D1 oder D2 nicht neu seien bzw. gegenüber den Entgegenhaltungen D3 und D4 nicht erfinderisch seien.

Die Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 26. November 2003 das Streitpatent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 14. Januar 2004 eingelegte und per FAX am gleichen Tag eingegangene Beschwerde der Einsprechenden.

Dabei stützt sich die Beschwerdeführerin und Einsprechende auf die weitere Entgegenhaltung D5 W. Snakker et al.: "Solarzellen - Modultechnik", AEG-Telefunken, Forschungsbericht 01 TO 028 B - AK/RT/WRT 2077 des Bundesministeriums für Forschung und Technologie, Wedel, Oktober 1979, insbesondere Seiten 16 - 20.

Sie trägt unter Bezug auf ihre Schriftsätze vom 27. März 2000 und 28. September 2000 aus dem Einspruchsverfahren zusätzlich vor, dass die Gegenstände der selbständigen Patentansprüche 1 und 13 gegenüber der Entgegenhaltung D5 nicht neu seien, zumindest aber i. V. m. den üblichen fachmännischen Kenntnissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006 trägt die Einsprechende vor, dass der in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin vorgelegte neue Anspruch 1 unzulässig sei, weil dessen Gegenstand ursprünglich nicht offenbart sei.

Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. November 2003 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent in geänderter Fassung und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und im Übrigen das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1, übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006, Patentansprüche 2 bis 5, 8 bis 18, Beschreibung und Zeichnung, Figuren 1 bis 15, jeweils gemäß Patentschrift.

Der in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2006 überreichte, geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Planarer Verbinder in Form einer Metallplatte zum elektrischen Verbinden von photoelektrischen Umwandlungselementen in serieller Richtung, mit:

einem ersten Anschlußabschnitt (2), der mit einer Vorderseitenelektrode eines ersten photoelektrischen Umwandlungselements verbindbar ist;

einem zweiten Anschlußabschnitt (3), der mit einer Rückseitenelektrode eines zweiten photoelektrischen Umwandlungselements verbindbar ist; undeinem ersten Spannungsabbauabschnitt (4) zum Auffangen einer Verschiebung, wie sie zwischen dem ersten Anschlußabschnitt (2) und dem zweiten Anschlußabschnitt (3) hervorgerufen wird; wobeider erste Spannungsabbauabschnitt (4) einen Verbindungssteg (11) aufweist, der sich in einer Längsrichtung von einem Bereich nahe einer mit dem ersten Anschlußabschnitt (2) zusammenhängenden Seite bis in einen Bereich nahe dem anderen, mit dem zweiten Anschlußabschnitt (3) zusammenhängenden Ende unter einem vorgegebenen Neigungswinkel zur parallelen Richtung erstreckt, dadurch gekennzeichnet, daß

mindestens eines der Enden des sich in einer Längsrichtung erstreckenden Verbindungsstegs (11) einen Schlitz (5, 6) bildet, der sich entlang des Verbindungssteges (11) erstreckt und ein offenes Ende an einer Seite des ersten Spannungsabbauabschnitts (4) aufweist; undder Schlitz (5, 6) eine im wesentlichen kreisförmige Kerbe (5a, 6a) mit einem Durchmesser aufweist, der größer als die Breite des Schlitzes an dem dem offenen Ende gegenüberliegenden Ende ist;

die Kanten auf beiden Seiten des Verbindungsstegs (11) zwischen den Bereichen in der Längsrichtung nicht parallel zueinander verlaufen; undsich die Breite (WC) des Verbindungsstegs (11) zwischen den Anschlußabschnitten (2, 3), zwischen den nicht parallel verlaufenden Kanten relativ und zwischen der kreisförmigen Kerbe (5a, 6a) und dem offenen Ende derart ändert, daß sie sich an dessen Enden an die entsprechende Breite des ersten Anschlußabschnitts (2) bzw. des zweiten Anschlußabschnitts (3) angleicht."

Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 5 sowie 8 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1) Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte, PatG 7. Auflage, § 59 Rdn. 22 und 145.

Der form- und fristgerechte Einspruch ist zulässig, weil in dem Einspruchsschriftsatz die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, entsprechend § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG im Einzelnen so angegeben sind, dass die Merkmale der erteilten selbständigen Patentansprüche 1 und 13 in einen konkreten Bezug zur Entgegenhaltung D1 und D2 gebracht wurden, um i. V. m. den üblichen fachmännischen Kenntnissen - aus der Sicht der Einsprechenden - die mangelnde Neuheit der zugehörigen Gegenstände zu belegen, vgl. Einspruchsschriftsatz vom 27. März 2000, Seiten 2 bis 5.

2) Ausweislich der Beschreibung geht die Patentinhaberin beim Streitpatent von einem planaren Verbinder nach der gattungsbildenden Entgegenhaltung 4) aus, vgl. Streitpatent Seite 3, Zeilen 35 bis 38.

Dieser bekannte planare Verbinder (10) zum Verbinden von im Weltraum eingesetzten Solarzellen weist einen ersten Anschlussabschnitt (11), der mit einer Vorderseitenelektrode einer ersten Solarzelle (1) verbindbar ist und einen zweiten Anschlussabschnitt (13), der mit der Rückseite einer weiteren Solarzelle (1) verbindbar ist, wobei die durch große Temperaturschwankungen im Weltraum (-180¡ bis +100¡C) erzeugten Verschiebungskräfte zwischen diesen Anschlussabschnitten (11, 13) in einem Spannungsabbauabschnitt (12) aufgefangen werden, der einen zur Parallelrichtung geneigt verlaufenden Verbindungssteg konstanter Breite aufweist, vgl. die Übersetzung von 4), das Ausführungsbeispiel ab Seite 4.

Dieser bekannte Verbinder ist insofern nachteilig, als dessen vorderseitiger Anschlussabschnitt (11) die gleiche Breite aufweist wie der rückseitige Anschlussabschnitt (13), was den Wirkungsgrad der Solarzelle beeinträchtigt, vgl. Streitpatent Seite 2, Zeilen 48 bis 56. Ferner konzentrieren sich die mechanischen Spannungen beim Auseinanderziehen der Anschlussabschnitte (11, 13) des planaren Verbinders um die kreisförmigen Aussparungen am Ende der den Verbindungssteg begrenzenden Schlitze (14a und 14b), vgl. Streitpatent Seite 5, Zeilen 9 bis 15.

Daher liegt der Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen planaren Verbinder der vorstehend genannten Art dahingehend zu verbessern, dass Spannungen in erhöhtem Maß abbaubar sind, und eine mit einem solchen planaren Verbinder ausgerüstete elektronische Baugruppe anzugeben, vgl. Streitpatent Seite 3, Zeilen 42 bis 44.

Diese Aufgabe wird durch die in den selbständigen Patentansprüchen 1 und 13 angegebenen Merkmale gelöst.

Dabei ist es bei dem planaren Verbinder gemäß Patentanspruch 1 entsprechend seinem kennzeichnenden Teil wesentlich, a. dass der planare Verbinder in dessen Spannungsabbauabschnitten (4) einen Verbindungssteg (11) mit veränderlicher Breite (WC) aufweist, so dass der Verbindungssteg nichtparallele Kanten aufweist, b. dass der Verbindungssteg (11) mindestens einen Schlitz (5, 6) bildet, undc. dass der Schlitz (5, 6) an dessen geschlossenem Ende eine kreisförmige Kerbe (5a, 6a) größeren Durchmessers als die Breite des benachbarten Schlitzes (5, 6) aufweist.

3) Ein planarer Verbinder mit den vorstehend herausgestellten Merkmalen a. b. und c. gemäß dem verteidigten Anspruch 1 ist jedoch ursprünglich nicht offenbart.

Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstandes eines Patents nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG ist nach ständiger Rechtsprechung zu prüfen, ob die beanspruchte Merkmalskombination in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die für den Durchschnittsfachmann den ursprünglichen Unterlagen - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem der Durchschnittsfachmann auf Grund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 49, 51 - "Drehmomentübertragungseinrichtung" m. w. Nachw.; BGH Mitt. 1996, 204, 206 - "Spielfahrbahn"). Zuständiger Durchschnittsfachmann ist vorliegend ein mit elektrischen Verbindern für Solarzellen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik.

Danach ist in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 20 nirgends vom einem Verbindungssteg (schmaler Abschnitt 11 des Spannungsabbauabschnitts 4; schmaler Bereich 11) mit in dessen Längsrichtung veränderlicher Breite die Rede, wie dies im Merkmal a. beansprucht wird.

Ausschließlich bei dem anhand der ursprünglichen Figuren 5A bis 5C erläuterten siebten Ausführungsbeispiel wird ausgeführt, dass bei den dort dargestellten Variationen sich die Beziehung der Breite W1 des ersten Anschlussabschnitts (2) und der Breite W3 des zweiten Anschlussabschnitts (3), bzw. die Beziehung der Breite W5 des ersten Anschlussabschnitts (2) im Bereich des Überganges zum Verbindungssteg (11) und der Breite W6 des zweiten Anschlussabschnitts (3) im Bereich des Überganges zum Verbindungssteg (11) ändert, wodurch die Breite des Verbindungsstegs (11) geändert wird, vgl. ursprüngliche Beschreibung Seite 18, Abs. 3 bzw. zugehörige Offenlegungsschrift Seite 6, Zeilen 31 bis 39.

Zwar offenbaren die planaren Verbinder gemäß den Figuren 5B und 5C Verbindungsstege (11) mit in deren Längsrichtung veränderlicher Breite und Kerben (5a, 6a) am Übergang von ersten und zweiten Anschlussabschnitten (2, 3) zum Verbindungssteg (11), jedoch weisen diese planaren Verbinder keine Schlitze auf, wie es gemäß dem oben herausgestellten Merkmal b. gelehrt wird.

Andererseits zeigen die planaren Verbinder ohne Schlitze (gemäß den Figuren 5A, 5D, 5E sowie 12 A und 12 B nur Verbindungsstege (11) mit konstanter Breite.

Nachdem sämtliche ursprünglich offenbarten planaren Verbinder mit Schlitzen (5, 6) Verbindungsstege (11) konstanter Breite aufweisen (vgl. die ursprünglichen Figuren 1, 2 A, 3 A, 3 B, 3 C, 4 A, 4 B, 6, 7 A, 8, 9 und 10), ist in den gesamten ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ein planarer Verbinder mit allen drei herausgestellten Merkmalen a. b. und c. entsprechend des verteidigten Anspruchs 1 nicht mitumfasst, d. h. ein planarer Verbinder mit Verbindungsstegen veränderlicher Breite und mit Schlitzen entlang der Verbindungsstege ist ursprünglich nicht offenbart.

Die ursprüngliche Offenbarung ließ für den Durchschnittsfachmann somit nicht erkennen, dass der geänderte Lösungsvorschlag entsprechend dem verteidigten Patentanspruch 1 von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst werden solle (BGH "Drehmomentübertragungseinrichtug" a. a. O.).

Daher ist der geltende Patentanspruch 1 unzulässig erweitert und somit nicht rechtsbeständig.

4) Der selbständig gefasste Verwendungsanspruch 13 fällt wegen seiner Rückbeziehung auf den Patentanspruch 1 ebenso wie die auf den Patentanspruch 1 bzw. 13 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 und 14 bis 18 mit dem Hauptanspruch.

Daher war der angefochtene Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und das Patent zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 07.02.2006
Az: 23 W (pat) 12/04


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