Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 211/03

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2006, Az.: 25 W (pat) 211/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 vom 4. Juli 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 146 217 auch für

"Organisations- und betriebswirtschaftliche Beratung zur energiewirtschaftlichen Sanierung und Anlagenplanung; Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft, nämlich Fernwärmeversorgung, Anfallenergie- und Solarenergienutzung und Versorgungs- und Gebäudetechnik, nämlich Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Sicherungs- und Regelungstechnik, Wärme- und Wassertechnik" zurückgewiesen worden ist.

Für diese Dienstleitungen wird die Löschung der angegriffenen Marke 399 67 284 angeordnet.

Gründe

I.

Die farbig angemeldete Markefarbig angemeldete Marke GESA ist am 13. Dezember 2000 unter der Nummer 300 26 756 in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 11. Januar 2001 veröffentlicht. Nach einer Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren, die sich auf die Dienstleistungen der Klasse beziehen, beansprucht die Marke Schutz noch für folgende Dienstleistungen:

"Organisations- und betriebswirtschaftliche Beratung zur energiewirtschaftlichen Sanierung und Anlagenplanung; Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft, nämlich Fernwärmeversorgung, Anfallenergie- und Solarenergienutzung und Versorgungs- und Gebäudetechnik, nämlich Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Sicherungs- und Regelungstechnik, Wärme- und Wassertechnik; Datenübertragung; Daten- und Informationsmanagement, nämlich Daten- und Informationserfassung, Datenaufbereitung und Datentransfer, Datenklassifikation, Informationsverteilung und Informationsvermarktung; Ingenieurdienstleistungen, nämlich technische Gesamtplanung für den Neubau oder die Sanierung von Wohn-, Büro- und Industriegebäuden, Industrieanlagen sowie technische Anlagen der Energieerzeugung und -verteilung".

Gegen die Eintragung hat die Inhaberin der seit dem 3. März 1999 eingetragenen und am 31. Mai 1999 veröffentlichten älteren Gemeinschaftsmarke 146 217 gesa Widerspruch erhoben, der sich ausdrücklich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 richtet. Die Widerspruchsmarke ist neben Waren der Klasse 7 und Dienstleistungen der Klassen 37, 39, 41 und 42 u. a. eingetragen für

"Durchführung der kaufmännischen Verwaltung einschließlich Vertragsabwicklung; Versicherungsverwaltung, Kostenabrechnung und Objektbuchhaltung; Verwaltung und Management von Gebäuden".

Die Markenstelle für Klasse 42 hat mit Beschluss vom 4. Juli 2003 durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.

Zwar bestehe zwischen den Dienstleistungen der Marken teilweise durchschnittliche Ähnlichkeit, da gewisse Bezugspunkte, die für eine Ähnlichkeit sprächen, vorhanden seien. Da die Dienstleistungen jedoch eher spezielle Bereiche beträfen, die die Gemeinsamkeiten verringerten, bestehe nur ein mittlerer Ähnlichkeitsgrad, der zu einem mittleren Maßstab in Bezug auf den Zeichenabstand führe. Diesem werde die jüngere Marke insbesondere wegen des deutlich unterschiedlichen Gesamteindrucks aufgrund der Bildkomponente gerecht und führe zur Verneinung der Verwechslungsgefahr der Marken ihrem Schriftbild nach. Die klanglichen Annäherungen seien gering. Ein Teil des Verkehrs werde dem orangefarbenen Ring keinen eigenen Sinngehalt beimessen, so dass sich für ihn nur die Frage der Verwechslungsgefahr bezüglich "ESA" und "gesa" stelle. Wegen der Kürze der Markenwörter und dem Unterschied am stärker beachteten Wortanfang bestehe aber keine Übereinstimmung. Auch soweit der Bildbestandteil als "G" erkannt werde, bestehe keine klangliche Verwechslungsgefahr. Hier sei davon auszugehen, dass die angegriffene Marke getrennt wie "Ge-ESA" oder "ESA-Ge" ausgesprochen, weil der Buchstabe "G" sich farblich deutlich von den übrigen Buchstaben abhebe und eine Verbindung der beiden Elemente vom Verkehr nicht wahrgenommen werde. Daher bestehe auch kein Anlass für begriffliche Verwechslungen, denn soweit die Widerspruchsmarke mit dem weiblichen Vornamen in Verbindung gebracht werde, stelle sie sich als Phantasiewort dar. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als durchschnittlich einzustufen.

Hiergegen richtet sich die gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG eingelegte Beschwerde der Widersprechenden vom 14. August 2003 mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, dem Widerspruch stattzugeben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Auch wenn von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einem mittleren Ähnlichkeitsgrad auszugehen sei, bestehe Verwechslungsgefahr. Anders als von der Markenstelle angenommen, werde der Verkehr den Buchstaben "G" in dem orangefarbigen Bildelement und daher auch die Buchstabenfolge "GESA" der angegriffenen Marke erkennen. Das Bildelement sei eine werbeübliche Ausgestaltung ohne besondere Originalität, so dass die angegriffene Marke allein durch das Wort "GESA" geprägt sei. Wegen der Wortidentität bestehe daher schriftbildliche wie auch klangliche Verwechslungsgefahr. Die Vermutung, der Verkehr werde die jüngere Marke getrennt wie "ESA-Ge" oder "Ge-ESA" aussprechen, liege fern. Wegen des übereinstimmenden Sinngehalts als weiblicher Vorname seien zudem begriffliche Verwechslungen ebenfalls zu befürchten.

Da die Widersprechende keine Möglichkeit gehabt habe, vor Beschlussfassung durch die Markenstelle zum Vortrag des Inhabers der angegriffenen Marke, dem der Prüfer gefolgt sei, Stellung zu nehmen und dadurch das rechtliche Gehör versagt worden sei, sei der Antrag gerechtfertigt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 10. November 2005 mit Schreiben vom 23. Dezember 2005 das Dienstleistungsverzeichnis bezüglich der Dienstleistungen der Klasse 42 eingeschränkt hatte, hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 2. Januar 2006 ihren Widerspruch insoweit zurückgenommen und ihn nur noch hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke aufrechterhalten.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Markenstelle habe wegen der optischen Unterschiede zutreffend eine Verwechslungsgefahr der Marken verneint; insoweit werde auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch zahlreiche Eintragungen von Drittmarken und Nennungen im Internet eingeschränkt. Hinsichtlich der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen sei festzustellen, dass zwar Überschneidungen bestünden, sich die jeweiligen Bereiche jedoch deutlich unterschieden. So handele es sich z. B. bei den Installations- und Instandhaltungsdienstleistungen der Widerspruchsmarke um typische Handwerksleistungen, die gerade keine Ingenieursleistungen darstellten, für die die angegriffene Marke Schutz beanspruche. Auch zwischen kleineren Programmiertätigkeiten einerseits und dem Erstellen von Programmen durch einen Programmierer andererseits bestünde ein ebenso großer Abstand wie zwischen wissenschaftlicher Forschung und Analysetätigkeit.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, soweit allein die Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffnen Marke noch Gegenstand der Beschwerde sind.

1. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr richtet sich nach der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Ähnlichkeit der Marken sowie nach der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei der Gesamteindruck der Marken eine maßgebliche Rolle spielt.

Zwischen den Dienstleistungen "Verwaltung und Management von Gebäuden" der Widerspruchsmarke und den im Tenor aufgeführten Dienstleistungen der angegriffenen Marke kann hochgradige Ähnlichkeit bestehen, denn "Organisation und betriebswirtschaftliche Beratung zur energiewirtschaftlichen Sanierung und Anlagenplanung; Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft, nämlich ..." können Teil der Dienstleistungen sein, die unter dem Oberbegriff "Verwaltung und Management von Gebäuden" der älteren Marke zusammengefasst sind. Dass sich bei beiden Bereichen zumindest Überschneidungen ergeben, hat der Inhaber der angegriffenen Marke selbst nicht in Frage gestellt. Die angebotenen Dienstleistungen sind auch nicht so deutlich voneinander zu trennen, dass der Verkehr Organisation, betriebswirtschaftliche Beratung und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen einerseits und Verwaltung und Management von Gebäuden andererseits unterschiedlichen Bereichen zuordnet. Es kann zudem nicht darauf ankommen, ob hierbei die Dienstleistungen, die unter der Widerspruchsmarke angeboten werden, im Gegensatz zu den Dienstleistungen der angegriffnen Marke im Wesentlichen nur Handwerker-Dienstleistungen betreffen, wie der Inhaber der angegriffenen Marke in Bezug auf Instandhaltungs- und Installationstätigkeiten meint. Maßgeblich ist von der Registerlage auszugehen, die eine solche Unterscheidung nicht nahe legt.

Die Widerspruchsmarke besitzt nach Auffassung des Senats durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke vorgetragen hat, die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei durch zahlreiche Eintragungen von Drittmarken und eine große Zahl von Nennungen im Internet geschwächt, fehlt es an einem substantiierten Vortrag. Auch zur Benutzung solcher Marken wurde nichts weiter dargelegt (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 312 ff. m. w. H. zur Rspr.). Dasselbe gilt für Nennungen im Internet, weil auch insoweit eine Benutzung als Marke nicht belegt ist.

Nachdem sich die jeweiligen Dienstleistungen auch an allgemeine Verkehrskreise richten können, sind unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien eher strenge Anforderungen an dem markenrechtlichen Abstand zu stellen. Diesem wird die angegriffene Marke, soweit sie noch angegriffen ist, nicht gerecht.

Ihrem Gesamteindruck nach sind die Vergleichsmarken nicht ohne weiteres miteinander zu verwechseln, weil sich auf der einen Seite eine reine Wortmarke und auf der anderen Seite eine farblich ausgestaltete Wort-Bild-Marke gegenüberstehen. Gleichwohl sind klangliche Verwechslungen nicht auszuschließen, denn beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen greift der Verkehr in der Regel auf einfach auszusprechende Wort- oder Buchstabenbestandteile zurück. Diesen Bestandteilen wird insoweit der Vorrang eingeräumt. Der Senat geht davon aus, dass die angegriffene Marke überwiegend mit dem Wort "GESA" bezeichnet wird. Die Lautfolge "ESA" steht mit dem farbig gehaltenen großen "G" in einem bildlichen Zusammenhang und bildet insoweit eine Einheit. Im Hinblick auf die Klangidentität der Markenwörter muss daher mit Verwechslungen gerechnet werden.

Selbst wenn jedoch der Verkehr die jüngere Marke nicht so auffassen sollte, sondern sie nur mit der Buchstabenfolge "ESA" bezeichnete, bestünde eine klangliche Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke "gesa". Die Abweichung am Wortanfang der älteren Marke durch den stimmhaften Laut "g" ist nicht hinreichend deutlich, auch wenn es sich hier um Wörter handelt, die relativ kurz sind und bei denen Abweichungen sich eher auf den klanglichen Gesamteindruck auswirken können, als dies bei längeren Wörter der Fall ist.

Ob der Verkehr zu einer getrennten Bezeichnung der jüngeren Marke neigt, die "Ge-ESA" oder "ESA-Ge" lauten könnte, kann sich demgegenüber nicht mehr entscheidungserheblich für den Inhaber der angegriffenen Marke auswirken. Der Senat ist hier der Ansicht, dass sich eine solche Aussprache nicht aufdrängt, denn abgesehen davon, dass der Verkehr nicht zu einer analysierenden Betrachtungsweise neigt, wird als erstes der orangefarbige Großbuchstabe G beim Erfassen einer Marke, die üblicherweise von links nach rechts erfolgt, wahrgenommen. Hieran lässt sich die weitere Lautfolge "ESA" ohne weiteres anschließen.

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass unter der Voraussetzung der Aussprache der jüngeren Marke wie "Ge-ESA" der Abstand zur älteren Marke in klanglicher Hinsicht nicht ausreicht. Durch das dann zwar getrennt, aber eher gedehnt ausgesprochene "e" besteht keine ausreichend deutliche Abweichung, die geeignet wäre, die Gefahr von Verwechslungen entscheidungserheblich zu verringern.

2. Ein Anlass für die von der Widersprechenden beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG besteht nicht. Zwar hat die Markenstelle das rechtliche Gehöhr dadurch verletzt, dass sie der Widersprechenden den Schriftsatz des Inhabers der angegriffenen Marke vom 24. August 2001 erst zusammen mit dem den Widerspruch zurückweisenden Beschluss vom 4. Juli 2003 zugestellt hat, was grundsätzlich Anlass zur Überprüfung der Amtspraxis bei der Übermittlung von Schriftsätzen gibt.

Die Einlegung der Beschwerde durch die Widersprechende steht jedoch mit der verspäteten Übermittlung des Schriftsatzes des Inhabers der angegriffenen Marke in keinem kausalen Zusammenhang. Die Markenstelle ist insoweit zwar dem Ergebnis nach der Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke gefolgt, nicht jedoch der Begründung zur verneinten markenrechtlichen Übereinstimmung. Wie die Widersprechende in ihrer Beschwerdebegründung vom 13. Oktober 2003 auf Seite 1 unter I. selbst vorgetragen hat, schließt sie sich der Begründung der Markenstelle zur Ähnlichkeit der jeweiligen Dienstleistungen und zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an. Die Diskrepanz entsteht durch eine unterschiedliche Bewertung der klanglichen Verwechslungsgefahr, bei der die Markenstelle eine andere Auffassung vertreten hat als die Widersprechende. Eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt für sich allein gesehen jedoch noch nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Dies käme in Betracht, wenn die Auffassung der Markenstelle völlig unvertretbar erschiene, weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte Amtspraxis oder ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben wären. Dies ist jedoch weder ersichtlich, noch hat sich die Widersprechende darauf berufen. Insoweit ist zu vermuten, dass die Markenstelle auch ohne Verfahrensverstoß zum gleichen Ergebnis gekommen wäre, so dass die Beschwerde in jedem Fall einzulegen war.

Ein Anlass zur Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht ebenfalls nicht.






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2006
Az: 25 W (pat) 211/03


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