Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. Dezember 2010
Aktenzeichen: IX ZR 44/10
(BGH: Urteil v. 09.12.2010, Az.: IX ZR 44/10)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 1. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ließ sich zwischen Februar und Mai 2008 von der Rechtsanwältin L. bei der Errichtung eines Testaments und der Abfassung einer General- und Vorsorgevollmacht beraten. Rechtsanwältin L. suchte hierzu die Beklagte wie bei früheren Anlässen in der Wohnung auf. Zum Zeitpunkt der Beratung war die Rechtsanwältin L. Gesellschafterin der klagenden Steuerkanzlei, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist. Die Beklagte hatte sich von dieser Kanzlei in Person der Rechtsanwältin L. seit dem Jahre 2005 mehrfach vertreten lassen. Unter anderem hatte die Beklagte am 20. September 2007 einen Vollmachtsvordruck der Klägerin in Sachen der Erbengemeinschaft A. und H. unterzeichnet sowie wiederholt Rechnungen der Klägerin beglichen, zuerst eine solche vom 7. Juni 2005 für steuerliche Beratung.
Die Rechtsanwältin L. schied Ende Juli 2008 aus der Klägerin aus und rechnete unter Mitteilung dieser Tatsache das streitige Mandat gegenüber der Beklagten ab, welche diese Rechnung durch Überweisung vom 8. August 2008 beglich. Die wenige Tage später erteilte Rechnung der Klägerin bezahlte die Beklagte nicht. Die zuletzt auf Entrichtung der gesetzlichen Gebühren nebst vorgerichtlichen Kosten gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Vergütungsanspruch in Höhe von 1.641,96 € nebst vorgerichtlichen Kosten von 202,90 € weiter.
Gründe
Die Revision ist begründet. In der Sache selbst ist der Rechtsstreit noch nicht spruchreif.
I.
Die Parteien haben in den Tatsacheninstanzen darüber gestritten, wer Vertragspartner der Beklagten geworden ist. Die Beklagte hat ferner eingewendet, nach Mitteilung vom Ausscheiden aus der Klägerin an Rechtsanwältin L. die Mandatsvergütung jedenfalls befreiend geleistet zu haben.
Das Berufungsgericht hat nach Beweiserhebung des Amtsgerichts und Anhörung der Beklagten als zweifelhaft erachtet, ob nach dem objektiven Inhalt der beiderseitigen Willenserklärungen die Beklagte die Klägerin mit ihrer Beratung beauftragt habe. Ein innerer Wille zu einer solchen Auftragserteilung habe jedenfalls auf Seiten der Beklagten nicht bestanden. Gegen eine Auftragserteilung an die Klägerin spreche vor allem, dass seinerzeit keine weiteren Rechtsanwälte in der Sozietät der Klägerin tätig gewesen seien. Ein im Februar 2008 der Klägerin erteilter Rechtsberatungsauftrag wäre daher nach dem noch geltenden Rechtsberatungsgesetz und § 134 BGB nichtig gewesen. Eine Ausnahme vom Verbot der Rechtsberatung habe nach Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG ausschließlich für Rechtsanwaltsgesellschaften gemäß § 59c BRAO bestanden, nicht jedoch für Sozietäten als Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Eine analoge Befreiung zugunsten dieser Rechtsform könne nur in Betracht gezogen werden, wenn sämtliche Gesellschafter persönlich zur Rechtsberatung befugt seien. Das gelte für die Klägerin, die sich mit Ausnahme der tätig gewordenen Rechtsanwältin aus Steuerberatern zusammensetzte, nicht.
II.
Das Verständnis des Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG, auf welches das angefochtene Urteil gestützt ist, kann zwar aus den Grundsätzen hergeleitet werden, die der Bundesgerichtshof in seiner vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung zu § 3 StBerG entwickelt hat (BGH, Urt. v. 26. Januar 2006 - IX ZR 225/04, WM 2006, 830 f, Rn. 11, 15). Sozietäten in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts fielen so gesehen weder unter § 3 Nr. 3 StBerG noch unter Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG. Eine analoge Erstreckung dieser Vorschriften auf rechtsfähige Personengesellschaften (§ 14 Abs. 2 BGB) wie die Außengesellschaft bürgerlichen Rechts seit BGHZ 146, 341 wurde allenfalls dann für möglich gehalten, wenn sämtliche Gesellschafter in eigener Person zu der Berufsausübung befugt seien, die Gegenstand des Mandates war. Eine gemischte Sozietät aus Rechtsanwälten und Steuerberatern könnte danach zwar selbst steuerberatende Mandate übernehmen, weil Rechtsanwälte zu dieser Tätigkeit nach § 3 Nr. 1 StBerG gleichfalls befugt sind. Die Erteilung allgemein rechtsberatender Mandate wäre jedoch nichtig, so lange Steuerberater nach Art. 1 §§ 1, 3 Nr. 2, § 5 Nr. 2 RBerG und § 5 RDG an ihrer Übernahme gehindert sind (vgl. Posegga DStR 2006, 1155, 1156).
Die dargelegte Sichtweise teilt der Senat nach weiterer Prüfung jedoch nicht. Bereits seit Einfügung von § 59a in die Bundesrechtsanwaltsordnung durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) sind Sozietäten von Rechtsanwälten und Steuerberatern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse gesetzlich anerkannt. Entgegen der zu den §§ 44b WiPrO, 56 Abs. 4 StBerG, § 51 BOStB vertretenen Auffassung des Senates (Urt. v. 26. Januar 2006, aaO Rn. 12) hat diese Vorschrift nicht nur die Sozietätsfähigkeit der rechtsberatenden Berufe im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 GG gesetzlich ausgestaltet, sondern auch Bedeutung im Schrankensystem der berufsrechtlichen Vertragsfreiheit rechtsberatender Gesellschaften.
Der Gesetzgeber hat die §§ 59a BRAO, 56 StBerG, 44b WiPrO nicht geändert, nachdem sich in der Rechtsprechung die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der so organisierten Rechtsberatersozietäten durchgesetzt hatte. So wie die Koalitionsfreiheit des Art. 9 GG den Schutz der spezifisch koalitionsgemäßen Betätigung umfasst (grundlegend BVerfGE 4, 96, 101 f, 106; 17, 319, 333; 18, 18, 26), so muss deshalb die Sozietätsfreiheit der Angehörigen rechtsberatender Berufe im Blick auf die Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG das Recht zur typischen Betätigung vom Gesetz zugelassener Rechtsberatersozietäten einschließen, sofern diese rechtsfähig sind. Diese Betätigung ist insbesondere der Abschluss und die Erfüllung von Verträgen über rechtsberatende und rechtsbetreuende Dienstleistungen, wobei die Erbringung allgemeiner Rechtsdienstleistungen durch § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO, Art. 1 § 3 Nr. 2, § 5 Nr. 2 RBerG und § 5 RDG den Gesellschaftern vorbehalten bleibt, die Rechtsanwälte sind. Insoweit bewendet es bei der bisherigen Rechtsprechung, wenn ein Mandat das berufsrechtlich zulässige Tätigkeitsfeld des zu seiner Wahrnehmung eingeschalteten Sozietätsangehörigen überschreitet, etwa weil der Anstellungsvertrag für den Geschäftsführer einer GmbH nach dem Willen des Mandanten von einem Steuerberater der Sozietät entworfen werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333, 1335; v. 17. Februar 2000 - IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560 f). Die Vorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG betraf nur die Tätigkeit natürlicher und juristischer Personen, die unter den gesetzlichen Voraussetzungen selbst zur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen werden können.
Die Revisionserwiderung führt dagegen ohne Erfolg den Schutzzweck der Zulassungsvorschriften über die Rechtsanwaltsgesellschaft (§§ 59c bis 59f BRAO) ins Feld, und zwar insbesondere § 59e Abs. 2 und § 59f Abs. 1 BRAO, welche die Leitungsmacht der Rechtsanwälte in einer zugelassenen Rechtsanwaltsgesellschaft voraussetzen. Für eine analoge Erstreckung dieser Vorschriften auf die gemischte Rechtsberatersozietät des § 59a BRAO fehlt der Ansatzpunkt, weil die Sozietät trotz Rechtsfähigkeit nicht Träger der Berufszulassung ist, sondern sich in ihrer Tätigkeit auf die Berufszulassung ihrer Gesellschafter stützt und in deren Grenzen zu bewegen hat. Hielte man die genannte Analogie gleichwohl für möglich, könnte sie nicht rechtfertigen, die Übernahme allgemeiner Rechtsdienstleistungsmandate durch eine gemischte Beratersozietät auszuschließen, sofern auch in dieser die Leitungsmacht der anwaltlichen Gesellschafter im Einzelfall gesichert wäre. Jedoch kommt es darauf im Ergebnis nicht an.
Bei der als GmbH organisierten Rechtsanwaltsgesellschaft haften die Gesellschafter, gleichviel ob Rechtsanwälte oder andere Personen, für schlechte Vertragserfüllung anwaltlicher Dienstleistungen der Gesellschaft nicht. Die Beachtung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten kann gegen denkbare berufsfremde Einflüsse innerhalb der Rechtsanwaltsgesellschaft deshalb nur abgeschirmt werden, wenn die anwaltliche Leitungsmacht gesichert ist. Die anwaltliche Tätigkeit innerhalb der gemischten Rechtsberatersozietät, die allgemeine Rechtsdienstleistungen erbringt, bedarf einer ähnlichen Abschirmung nicht in gleichem Maße. Selbst wenn es für die Gesellschafterhaftung bei dem früher durch Doppelverpflichtung gemäß § 714 BGB gezogenen Haftungsrahmen unter Beschränkung auf die berufsangehörigen Gesellschafter bleiben müsste, was hier offen bleiben kann, würde der haftungsrechtliche Schutz der Mandanten durch die Zulassung allgemeiner Rechtsdienstleistungsverträge mit gemischten Beratersozietäten im Vergleich mit dem bisherigen Rechtszustand nicht in Frage gestellt. Zusätzlich gewinnt der Mandant hierdurch die rechtsfähige Sozietät als unmittelbaren Haftungsschuldner, wenn er dieser und nicht nur einem anwaltlichen Gesellschafter das Mandat erteilt. Schon diese Sanktionsdrohungen begünstigen generalpräventiv eine sozietätsinterne Organisation und Leitung, welche dem Gebot des § 30 BORA entspricht und die Erfüllung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten gegenüber berufsfremden Einflüssen stärkt. Erst recht, wenn auch die hier noch nicht entscheidungserhebliche Frage zu bejahen ist, dass § 128 HGB für die persönliche Haftung aller (auch der nicht anwaltlichen) Gesellschafter einer Rechtsberatersozietät bei Schlechterfüllung anwaltlicher Dienstleistungen entsprechend angewendet werden muss (vgl. § 51a Abs. 2 BRAO), kann die Mandatserteilung an die Sozietät typischerweise nur im Interesse des Mandanten liegen. Schon jetzt ist deshalb § 59a BRAO verfassungskonform auch im Blick auf die Zwecke des gesetzlichen Berufsrechts dahin auszulegen, dass der Gesetzgeber den Weg zur Übernahme anwaltlicher Mandate durch die gemischte Rechtsberatersozietät in den gezogenen Grenzen frei gemacht hat.
Der Senat schließt sich damit im Ergebnis der überwiegend auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum inzwischen vertretenen Auffassung an (Hartung in Henssler/Prütting BRAO 3. Aufl. § 59a Rn. 71; Vollkommer/Greger/ Heinemann, Anwaltshaftungsrecht 3. Aufl. § 4 Rn. 20; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung 4. Aufl. § 12 Rn. 60 und § 36 Rn. 23; Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 123; Stobbe AnwBl. 2010, 449, 454; ebenso Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 354 unter Annahme einer subjektiven Haftungsbeschränkung auf die Berufsträger; a.A. Posegga DStR 2009, 2391, 2395 f; Matz/Henkel VersR 2010, 1406, 1413). Diese Auffassung vermeidet auch die Schwierigkeiten, die für laufende Mandatsverhältnisse entstehen würden, wenn eine Rechtsanwaltsgesellschaft die Form wechselt oder eine vormals reine Anwaltssozietät Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aufnimmt.
In seinem Urteil vom 26. Januar 2006 (aaO) zu § 3 StBerG hat sich der Senat mit dem Ineinandergreifen der unterschiedlichen Ebenen des Sozietätsrechts, welches die Berufsausübung zugelassener Berufsträger regelt, und dem Berufszulassungsrecht, welches sich auf Sozietäten nicht erstreckt, nicht abschließend befasst. Soweit seine damaligen Grundsätze mit seiner gegenwärtigen Entscheidung nicht im Einklang stehen, hält der Senat an ihnen nicht fest. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Juli 1998 (BFHE 187, 153) betraf nur die damalige Unzulässigkeit der Steuerberatung durch eine nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannte Partnerschaftsgesellschaft und ist in seinen Grundlagen mit der Einfügung des gegenwärtigen § 3 Nr. 2 StBerG durch Art. 1 Nr. 2 des 7. StBÄndG vom 24. Juli 2000 (BGBl. I S. 874) überholt.
Nach § 59a BRAO in der Auslegung des Senats kann das auf dem Gedanken der geltungserhaltenden Vertragsauslegung oder Umdeutung (§ 140 BGB) beruhende Berufungsurteil mit der dort gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.
III.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Der objektive Gehalt der Willenserklärungen, welche die Beklagte und die Rechtsanwältin L. durch schlüssiges Handeln gewechselt haben, deutete auf ein Vertretergeschäft, durch welches das erteilte Mandat für die klagende Sozietät entgegengenommen worden ist. Entgegen der früheren Rechtslage, in der zwischen der Alleinverpflichtung des Sozius und einer Doppelverpflichtung zu entscheiden war, welche die berufsangehörigen Mitglieder der Sozietät einschloss, so dass für die Zweifelsregel des § 164 Abs. 2 BGB kein Raum war, liegt dies bei der jetzt gegebenen Alternative eines Eigengeschäfts oder eines Vertretungsgeschäfts für die Sozietät im Ausgangspunkt anders. Inwieweit sich danach gleichwohl die bisher im Zweifel angenommene Doppelverpflichtung (grundlegend BGH, Urt. v. 6. Juli 1971 - VI ZR 94/69, NJW 1971, 1801, 1802; zur gemischten Sozietät zuletzt ferner BGH, Urt. v. 26. Juni 2008 - IX ZR 145/05, WM 2008, 1563 Rn. 8 f; v. 5. Februar 2009 - IX ZR 18/07, WM 2009, 669 Rn. 9 f) bei einem Erstmandat nach der Interessenlage der Beteiligten in eine typischerweise eingegangene Verpflichtung der rechtsfähigen Sozietät verschiebt, braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden (die Zweifelsregel zugunsten des Sozietätsmandats befürworten in Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung etwa Sieg, aaO; Mennemeyer, aaO Rn. 116; Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO Rn. 7).
Die Beklagte hat im Februar 2008 ein Folgemandat erteilt, welches sich zeitlich eng an das am 31. Dezember 2007 beendete, am 22. Januar 2008 abgerechnete Vorläufermandat der Sozietät anschloss. Auch das Vorläufermandat bezog sich auf einen Gegenstand der allgemeinen Rechtsdienstleistung, zu welcher berufsrechtlich innerhalb der Klägerin nur die Rechtsanwältin L. tätig werden konnte. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 5. Februar 2009 (aaO Rn. 12) angenommen, dass ein Folgemandat im Zweifel die gleiche Person verpflichtet wie das Vorläufermandat. Ist bisheriger Vertragspartner ein sozietätsangehöriger Anwalt, so wird ihm auch das Folgemandat erteilt, wenn beim Vertragsschluss nicht erkennbar zum Ausdruck kommt, dass das Folgemandat der Sozietät übertragen und von ihr entgegengenommen werden soll. Diese Auslegungshilfe ist trotz der gesetzlichen Zweifelsregel des § 164 Abs. 2 BGB auch umzukehren. War bereits das zeitlich nahe vorausgehende Vorläufermandat bei gleichen berufsrechtlichen Beschränkungen der Sozietät erteilt, so gilt dies im Zweifel auch für das Folgemandat. Wenn beide Mandate noch dazu die gleiche rechtliche Angelegenheit betroffen haben, wie in dem Entscheidungssachverhalt des Senatsurteils vom 5. Februar 2009, so erschwert dies eine streitige Feststellung, trotzdem habe ein von der Regel abweichender Wechsel des beauftragten Rechtsdienstleisters vom Sozius zur Sozietät oder umgekehrt stattgefunden. Voraussetzung für die Anwendung der Kontinuitätsregel ist die Identität oder Ähnlichkeit der Mandatsgegenstände jedoch nicht. Diese Regel wird im Streitfall überdies dadurch gestützt, dass es Rechtsanwältin L. nach Vortrag der Beklagten für nötig hielt, ihr mit Übersendung der Rechnung Anfang August 2008 mitzuteilen, dass sie aus der Klägerin ausgeschieden sei.
2. Der objektive Erklärungsinhalt spricht mangels anderweitiger eindeutiger Anhaltspunkte mithin dafür, dass die Beklagte auch den Beratungsauftrag vom Februar 2008 wie unstreitig das Vorläufermandat der Klägerin erteilt und diese ihn durch stellvertretendes Handeln der Rechtsanwältin L. angenommen hat. Gleichwohl ist der Rechtsstreit in der Sache selbst nicht spruchreif.
Für die Abgrenzung zwischen Vertretungs- und Eigengeschäft gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, soweit nicht die Zweifelsregel des § 164 Abs. 2 BGB eingreift. Sind der Mandant und ein sozietätsangehöriger Rechtsanwalt von dem übereinstimmenden inneren Willen geleitet, ein neues Mandat ohne Rücksicht auf etwaige Vorläufer nur dem angesprochenen Rechtsanwalt zu erteilen, so ist dieser Wille gegenüber einem aus der Kontinuitätsregel abgeleiteten objektiven Erklärungsinhalt vorrangig (vgl. BGH, Urt. v. 26. April 1978 - VIII ZR 236/76, BGHZ 71, 243, 247; v. 23. Januar 1986 - IX ZR 46/85, NJW 1986, 1681, 1683; v. 26. Februar 1987 - IX ZR 98/86, NJW 1987, 1629, 1630 unter II. 1. vor a). Die für das Zustandekommen eines Sozietätsmandats beweisbelastete Klägerin hat demnach auszuräumen, dass die Rechtsanwältin L. im Februar 2008 das streitige Mandat, welches die Beklagte ihr erteilen wollte, nicht auch für sich allein entgegenzunehmen beabsichtigte. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es verneint lediglich einen übereinstimmenden inneren Willen der Beklagten und der Rechtsanwältin L. des Inhaltes, dass die Klägerin Vertragspartnerin werden sollte. Danach kommt sowohl in Betracht, dass ein übereinstimmender innerer Wille der Beteiligten dahin ging, das neue Mandat Rechtsanwältin L. statt der Klägerin zu erteilen, als auch, dass ein übereinstimmender innerer Wille der Beteiligten fehlte. Der übereinstimmende innere Wille zu einem Eigenmandat der Rechtsanwältin L. kann auch noch nicht daraus entnommen werden, dass diese das Mandat im August 2008 für sich abgerechnet und die Beklagte die Vergütung an Rechtsanwältin L. überwiesen hat. Denn die Klägerin hat die Beratungsleistungen an die Beklagte bei sich in den vorgelegten Leistungsaufzeichnungen gleichfalls erfasst. Wenn dies auf Veranlassung der Rechtsanwältin L. geschehen ist, muss bei ihr zum maßgebenden Zeitpunkt der innere Wille auf die Entgegennahme eines Sozietätsmandats gerichtet gewesen sein.
3. Eine befreiende Leistung der Beklagten auf die Klagforderung durch Überweisung an Rechtsanwältin L. mit Auftrag vom 8. August 2008 ist ausgeschlossen. Die Klägerin hat eine Abtretung dieser Forderung an Rechtsanwältin L. im Zuge der Auseinandersetzung gemäß § 738 BGB nach dem Ausscheiden ihres Sozietätsmitglieds der Beklagten nicht angezeigt. Die Beklagte konnte daher durch § 409 BGB nicht geschützt werden. Sie hat aucheinen Forderungsübergang von der Klägerin an Rechtsanwältin L. nicht eingewendet.
Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring Vorinstanzen:
AG Schwäbisch Hall, Entscheidung vom 04.06.2009 - 6 C 1023/08 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 01.02.2010 - 5 S 24/09 St -
BGH:
Urteil v. 09.12.2010
Az: IX ZR 44/10
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