Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. Januar 2008
Aktenzeichen: 10 K 5154/05
(VG Düsseldorf: Urteil v. 09.01.2008, Az.: 10 K 5154/05)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-treibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wurde am 00.00.1961 mit weiblichem Geschlecht geboren. Am 1. August 1980 trat er in die Dienste der Deutschen Bundespost ein. Er war zunächst Angestellter. Zum 1. März 1986 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Er war im mittleren Dienst als Fernmeldeassistent tätig. Im Dezember 1988 erfolgte die Ernennung des Klägers zum Beamten auf Lebenszeit.
Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 31. Oktober 1995 - 95 III 13/95 - wurde der Vorname des Klägers gemäß § 1 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz-TSG) von "T" in "L" geändert.
Durch Urkunde vom 11. Januar 1996 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit zum 30. April 1996 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Am 16. März 1998 erfolgte seine Reaktivierung. Er wurde als Fernmeldeobersekretär wieder in den aktiven Dienst berufen.
Durch Beschluss vom 17. April 1998 - 97 III 22/97 - hat das Amtsgericht E nach § 8 TSG festgestellt, dass der Kläger als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist.
Mit Verfügung der Beklagten vom 28. Februar 2001 wurde der Kläger wegen erneut eingetretener Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Eine Reaktivierung erfolgte nicht mehr.
Am 18. Juli 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten, alle Schriftstücke seiner Personalakte rückwirkend seinem neuen Vornamen sowie seinem neuen Geschlecht anzupassen.
Dies lehnte die Beklagte mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. Oktober 2005 mit der Begründung ab, auf die rückwirkende Änderung der Personalakte bestehe kein Anspruch. Den Vorschriften des Transsexuellengesetzes werde dadurch Genüge getan, dass nach der Namensänderung die alte Personalakte geschlossen und eine neue mit der ausschließlichen Verwendung des neuen Namens angelegt worden sei. Auf die alte Personalakte, die unter dem Geburtsnamen "T" geführt werde, habe nur ein enger Personenkreis Zugriff.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 gegen die Entscheidung der Beklagten Widerspruch, ohne diesen zu begründen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 als unbegründet zurück.
Am 29. Oktober 2005 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er stützt seinen Anspruch auf Anpassung der abgeschlossenen Personalakten an seinen neuen Vornamen auf § 5 Abs. 1 TSG, auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 79 BBG sowie auf § 20 Abs. 1 BDSG.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2005 zu verurteilen, seine Personalakte an den 1996 geänderten Personenstand anzupassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung im wesentlichen Bezug auf die angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf "Anpassung" der
über ihn geführten Personalakte an den 1996 geänderten Personenstand.
Der Einzelrichter versteht das Begehren des Klägers dahingehend, dass er die Beklagte verpflichtet sehen möchte, die unter dem Vornamen "T" geführten Teile seiner Personalakte so zu verändern, dass sie keinen Rückschluss auf das ursprünglich weibliche Geschlecht des Klägers mehr zulassen.
Einen solchen Anspruch gewährt § 5 Abs. 1 TSG nicht. Die Offenbarung der alten Geschlechtszugehörigkeit und des ursprünglichen Vornamens des Klägers ist nach der Vorschrift ausnahmsweise zulässig, weil die Beklagte ein überwiegendes rechtliches Interesse für sich in Anspruch nehmen kann, die Personalakten mit dem bisherigen Inhalt weiter zu führen.
Da die Personalakte des Klägers nicht nur Dokumente enthält, die von der Beklagten selbst ausgestellt wurden, sondern auch solche, die von Dritten ausgestellt wurden, wie etwa handschriftliche Lebensläufe, Schulzeugnisse, ärztliche Befunde, Führungszeugnisse, Kopien des alten Führerscheins des Klägers oder dienstrechtliche Anträge des Klägers unter seinem alten Personenstand, hat die Beklagte nicht die Möglichkeit, die gesamte Akte durch neu erstellte Dokumente mit dem neuen Vornamen des Klägers nachzuzeichnen. Auch Fotos des Klägers aus der Zeit seiner alten Identität, die sich in der Personalakte befinden und ihn als Frau zeigen, können nicht auf seinen neuen Personenstand geändert werden. Eine Anpassung der Personalakte an den neuen Personenstand des Klägers wäre nur möglich, wenn alle von Dritten ausgestellten Dokumente sowie die Fotos des Klägers aus der Personalakte entfernt würden. Die Personalakte wäre danach aber weitgehend unvollständig. Es fehlten in ihr maßgebliche Inhalte.
Zur Personalakte i.S.v. § 90 BBG gehören jedoch alle den Beamten betreffenden Unterlagen, soweit sie mit dem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Die Entfernung aller Unterlagen aus der Personalakte des Klägers, die auf seine alte Geschlechtszugehörigkeit hinweisen und von der Beklagten nicht geändert werden können, bedeutete letztlich eine Vernichtung der Personalakte, weil die fehlenden Inhalte von wesentlicher Bedeutung sind. So wären die beiden Versetzungen des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand nach Entfernung der ärztlichen Untersuchungsberichte nicht mehr nachvollziehbar. Das Besoldungsdienstalter einschließlich der Anerkennung von Vordienstzeiten wäre nicht mehr zu ermitteln, wäre die Beklagte verpflichtet, alle Spuren aus der Akte zu entfernen, die auf die alte Identität des Klägers hinweisen. Die Personalakte könnte ihrem Zweck, die Entwicklung des Beamtenverhältnisses von seinem Beginn bis zum Ruhestand des Beamten nachvollziehbar darzustellen, nicht mehr gerecht werden. Solange der Kläger durch den Bezug seiner Beamtenversorgung, durch die Möglichkeit einer Reaktivierung oder die mögliche Durchführung eines Disziplinarverfahrens für den Fall einer Dienstpflichtverletzung rechtliche Beziehungen zu der Beklagten unterhält, besteht ein überwiegendes rechtliches Interesse der Beklagten, die Akten mit dem bestehenden Inhalt fortzuführen. § 90 f BBG bestimmt aus diesen Gründen, dass eine Personalakte im Regelfall erst fünf Jahre nach dem Versterben des Beamten vernichtet werden darf. Eine vorherige Vernichtung - und sei es nur durch Entfernung wesentlicher Inhalte aus der Akte - ist unzulässig.
Der geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus der in § 79 BBG normierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Ihrer Fürsorgepflicht ist die Beklagte dadurch nachgekommen, dass sie nach der Personenstandsänderung eine neue Akte angelegt und den Zugriff auf die alte Personalakte auf einen möglichst kleinen Personenkreis beschränkt hat. Einem weitergehenden Anspruch des Klägers auf Anpassung seiner Personalakte an den neuen Vornamen stehen dieselben Interessen der Beklagten entgegen, die auch einen Anspruch nach § 5 Abs. 1 TSG ausschließen.
§ 20 Abs. 1 BDSG vermag das Begehren des Klägers ebenfalls nicht zu stützen. Die Vorschrift gewährt einen Anspruch auf die Berichtigung unrichtiger personenbezogener Daten. Die Teile der Personalakten des Klägers, die unter der Identität "Frau T" geführt werden, sind jedoch nicht in diesem Sinne unrichtig. Die Vornamensänderung durch den Beschluß des Amtsgerichts E vom 31. Oktober 1995 - 95 III 13/95 - wirkt "ex nunc" und nicht "ex tunc", d.h. die Vornamensänderung erfolgt für die Zukunft ohne Rückwirkung. Der Kläger ist nicht so zu behandeln, als habe er von Anfang an "L" geheißen. Die Verwendung der Personalien "Frau T" durch die Beklagte wird deshalb durch die anschließende Änderung der Identität in "Herr L" nicht nachträglich unrichtig. Der Inhalt der Personalakten ist also zutreffend, eine Korrektur nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
VG Düsseldorf:
Urteil v. 09.01.2008
Az: 10 K 5154/05
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