Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2002
Aktenzeichen: 23 W (pat) 3/01
(BPatG: Beschluss v. 12.11.2002, Az.: 23 W (pat) 3/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2000 aufgehoben und das Patent 199 59 023 mit folgenden Unterlagen erteilt:
Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2002, Ansprüche 2 bis 11, eingegangen am 20. September 2002, offengelegte Beschreibung ab Spalte 1, Zeile 20 in Verbindung mit der in der mündlichen Verhandlung überreichten Austauschseite und offengelegte Zeichnung (Figuren 1 bis 3).
Bezeichnung: Anbaugehäuse für ein elektrisches Gerät Anmeldetag: 8. Dezember 1999
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 8. Dezember 1999 mit der Bezeichnung "Gehäuse für ein elektrisches Gerät" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 11. Oktober 2000 zurückgewiesen.
Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass es dem Gegenstand des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 1 im Hinblick auf den aus der - deutschen Offenlegungsschrift 42 15 041 bekannten Stand der Technik an der für eine Patenterteilung zu fordernden Neuheit fehle. Zum Stand der Technik ist im Prüfungsverfahren ferner noch auf die Entgegenhaltungen - britische Offenlegungsschrift 2 265 497
- deutsche Patentschrift 41 42 138
- deutsche Offenlegungsschrift 38 37 974 und - deutsche Offenlegungsschrift 199 12 834 verwiesen worden. In der ursprünglichen Beschreibung war darüber hinaus noch die - deutsche Offenlegungsschrift 43 43 355 zitiert worden.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2002 vorgelegten Anspruch 1 sowie mit den mit Eingabe vom 20. September 2002 eingereichten Ansprüchen 2 bis 11, der offengelegten Beschreibung ab Spalte , Zeile 20 in Verbindung mit der in der mündlichen Verhandlung überreichten Austauschseite 1 und der offengelegten Zeichnung (Figuren 1 bis 3) weiter. Die Anmelderin vertritt die Ansicht, dass der Gegenstand des neugefassten Hauptanspruchs patentfähig sei.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2000 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2002, Ansprüche 2 bis 11, eingegangen am 20. September 2002, offengelegte Beschreibung ab Spalte 1, Zeile 20 in Verbindung mit der in der mündlichen Verhandlung überreichten Austauschseite und offengelegte Zeichnung (Figuren 1 bis 3).
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Anbaugehäuse für ein elektrisches Gerät zum Anbau an ein Aggregat - mit einem ersten und zweiten Gehäuseteil (2,3),
- wobei das zweite Gehäuseteil (3) Wärme leitend ausgeführt ist,
- wobei das erste Gehäuseteil (2) elektronische Bauelemente trägtdadurch gekennzeichnet,
- dass das zweite Gehäuseteil (3) elektronische Bauelemente trägt,
- dass das erste und zweite Gehäuseteil (2,3) jeweils eine im Randbereich umlaufende Sicke (4,5) aufweisen,
- wobei die Sicke (5) des zweiten Gehäuseteils (3) so ausgeführt ist, dass sie dichtend in die Sicke des (4) des ersten Gehäuseteils (2) eingreift,
- dass das erste und zweite Gehäuseteil (2,3) an Befestigungsstellen (6) mit Hilfe jeweils einer Schraube (7), die durch das zweite Gehäuseteil (3) in einer Buchse (8) des ersten Gehäuseteils (2) geführt ist, mit einem Aggregat (9) verschraubbar sind,
- wobei das zweite Gehäuseteil (3) so ausgeführt ist, dass das zweite Gehäuseteil (3) bis unter den Kopf der Schraube (7) ragt,
- und so die Wärme vom zweiten Gehäuseteil (3) über die Schraube (7) und die Buchse (8) an das Aggregat (9) ableitbar ist."
Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 11 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet, denn die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 wird durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen.
1.) Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 6 sowie 9 in Verbindung mit dem in der Beschreibung anhand der Figur 1 erläuterten Ausführungsbeispiel (S 2, 2. Abs und S 4, drittle Abs bis S 5, 2. Abs). Die im Oberbegriff des Anspruchs 1 vorgenommene Ergänzung, wonach das ursprünglich beanspruchte Gehäuse für ein elektrisches Gerät nunmehr ein Anbaugehäuse für ein elektrisches Gerät zum Anbau an ein Aggregat sein soll, ist durch den ursprünglichen Anspruch 9 sowie die ursprüngliche Beschreibung gedeckt (S 2, vorle Abs). Im letzten Teilmerkmal des Kennzeichens ist eingefügt worden, dass die Wärme, die über die Schraube (7) und die Buchse (8) an das Aggregat (9) abgeleitet werden soll, vom zweiten Gehäuseteil (3) stammt; auch dieses Merkmal ist in der ursprünglichen Beschreibung offenbart (S 5, 2. Abs). Durch die beiden Änderungen im drittletzten Teilmerkmal des Kennzeichens ("verschraubbar sind" anstelle von "verschraubt ist") und im letzten Teilmerkmal des Kennzeichens ("ableitbar ist" anstelle von "abgeleitet wird") wird im Rahmen des ursprünglich Offenbarten lediglich klargestellt, dass das Aggregat (9) als Wärmesenke für das beanspruchte Anbaugehäuse dienen soll, nicht jedoch dessen integraler Bestandteil ist (S 4, drittle Abs und S 5, 2. Abs).
Die geltenden Unteransprüche 2 bis 5 und 9 bis 11 entsprechen bis auf die Streichung eines Merkmals im Unteranspruch 3 ("dass das zweite Gehäuseteil (3) ebenfalls mit einer Sicke (5) versehen ist") und die Streichung eines Merkmals im Unteranspruch 9 ("als Anbaugehäuse an ein mechanisches Aggregat (9)") den ursprünglichen Unteransprüchen 2 bis 5 und 9 bis 11. Der geltende Unteranspruch 6 stützt sich auf das in der ursprünglichen Beschreibung anhand der Zeichnung erläuterte Ausführungsbeispiel (Fig 2 iVm der Beschreibung S 4, le Abs bis S 5, 1. Abs). Die Merkmale der Unteransprüche 7 und 8 sind durch die ursprünglichen Unteransprüche 7 und 8 in Verbindung mit der Beschreibung gedeckt (S 5, vorle und le Abs).
Die geltenden Unteransprüche 2 bis 11 sind somit ebenfalls zulässig.
2.) Nach den Angaben der Anmelderin in der geltenden Beschreibung ist aus der eingangs erwähnten deutschen Offenlegungsschrift 38 37 974 bereits ein Steuergerät bekannt, bei dem eine elektronische Schaltung direkt auf einem Kühlkörper angeordnet ist (S 1, 2. Abs). Dieses bekannte Steuergerät weist, wie aus den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung unmittelbar ersichtlich ist, sämtliche im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 aufgeführten Merkmale auf (Sp 2, Z 25 bis Sp 3, Z 12); denn das Steuergerät verfügt über ein aus einem ersten und einem zweiten Gehäuseteil (Kühlkörper 15, Kunststoff-Gehäusekörper 6) gebildetes Gehäuse, welches insofern ein Anbaugehäuse zum Anbau an ein Aggregat darstellt, als im ersten Gehäuseteil Löcher (16) vorgesehen sind, die der Montage auf einem Blech im Motorraum eines Kraftfahrzeugs dienen. Das erste Gehäuseteil trägt elektronische Bauelemente (elektronische Schaltung 1), das zweite Gehäuseteil ist aufgrund der mit ihm verbundenen Metallplatine (11) Wärme leitend ausgeführt.
Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung wird es von der Anmelderin als nachteilig angesehen, dass bei diesem bekannten, gattungsgemäßen Anbaugehäuse elektronische Bauelemente nur auf dem ersten Gehäuseteil angeordnet werden können, weil eine effektive Ableitung der Verlustwärme vom zweiten Gehäuseteil durch das erste Gehäuseteil hindurch zum Aggregat nicht möglich ist.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand, wie sich aus den Ausführungen in der Beschreibung folgern lässt, die Aufgabe zugrunde, ein Anbaugehäuse der gattungsgemäßen Art zu schaffen, bei welchem Leistungsbauelemente auch auf dem zweiten Gehäuseteil montiert werden können (Sp 1, Z 26 bis 38 und Sp 2, Z 48 bis 58).
Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des vorliegenden Anspruchs 1 gelöst. Denn dadurch, dass - auch das zweite Gehäuseteil (3) elektronische Bauelemente trägt - und das erste und zweite Gehäuseteil (2,3) an Befestigungsstellen (6) mit Hilfe jeweils einer Schraube (7), die durch das zweite Gehäuseteil (3) in einer Buchse (8) des ersten Gehäuseteils (2) geführt ist, mit einem Aggregat (9) verschraubbar sind,
- wobei das zweite Gehäuseteil (3) so ausgeführt ist, dass das zweite Gehäuseteil (3) bis unter den Kopf der Schraube (7) ragt, ist sichergestellt, dass - Wärme vom zweiten Gehäuseteil (3) über die Schraube (7) und die Buchse (8) an das Aggregat (9) abgeleitet werden kann.
Die weiteren, im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale vervollständigen das beanspruchte Anbaugehäuse insofern, als - im Randbereich des ersten und zweiten Gehäuseteils (2,3) jeweils eine Sicke (4,5) umläuft,
- wobei die Sicke (5) des zweiten Gehäuseteils (3) so ausgeführt ist, dass sie dichtend in die Sicke (4) des ersten Gehäuseteils (2) eingreift.
Durch diese beiden Maßnahmen wird erreicht, dass das Anbaugehäuse als Ganzes dicht ist und darüber hinaus zusätzlich eine gute Wärme leitende Verbindung zwischen den beiden Gehäuseteilen (2,3) besteht (Sp 1, Z 54 bis 63).
3.) Das - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Anbaugehäuse gemäß geltendem Anspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Anbaugehäusen für elektrische Geräte in Kraftfahrzeugen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik anzusehen ist.
a) Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes ergibt sich schon daraus, dass - wie auch aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu ersehen ist - keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften ein Anbaugehäuse für ein elektrisches Gerät offenbart, welches aus zwei Gehäuseteilen besteht, wobei jedes der beiden Gehäuseteile elektronische Bauelemente trägt.
b) Die deutsche Offenlegungsschrift 38 37 974, von der, wie dargelegt, im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 ausgegangen wird, vermag dem vorstehend definierten Fachmann den Anmeldungsgegenstand weder für sich noch in einer Zusammenschau mit den übrigen, eingangs genannten Druckschriften nahe zu legen. In dieser Schrift findet sich nämlich kein Hinweis darauf, dass es bei dem aus ihr bekannten, gattungsgemäßen Anbaugehäuse von Vorteil sein könnte, auch auf dem zweiten Gehäuseteil elektronische Bauelemente unterzubringen.
Eine diesbezügliche Anregung erhält der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung des übrigen, im Verfahren befindlichen Standes der Technik.
Die ein elektronisches Steuergerät betreffende deutsche Offenlegungsschrift 42 15 041 offenbart ein aus einem Tragrahmen (10) sowie einem Gehäusedeckel (20) und einem Gehäuseunterteil (30) bestehendes Anbaugehäuse für die Montage in einem Fahrgastraum oder Motorraum eines Kraftfahrzeugs. Am Tragrahmen (10) ist eine Leiterplatte (40) mit Kühlblechen (41) befestigt, auf denen Leistungsbauteile (413) montiert sind (Fig 1 mit zugehöriger Beschreibung Sp 1, Z 58 bis Sp 2, Z 68). Eine Anregung, elektronische Bauteile im Sinne des Anspruchs 1 darüber hinaus noch auf einem weiteren Gehäuseteil anzuordnen, findet sich in dieser Druckschrift nicht.
Die eine Vorrichtung zur Minimierung der Bewegung eines isolierenden Gels in einer elektronischen Einheit betreffende britische Offenlegungsschrift 2 265 497 offenbart ein aus einem Deckel (cover 8) und einem Rahmen (annular element 7) gebildetes Gehäuse (insulating container 6), dessen Unterseite von einem Kühlkörper (metal plate 5) verschlossen ist, auf welchem eine Platine (planar support 1) mit Leiterbahnen (conductive tracks 2), passiven Komponenten (passive components 2a) und integrierten Schaltkreisen (integrated electronic circuits 3) angeordnet ist (Fig 1 und 3 und Beschreibung S 2, le Abs bis S 4, 1. Abs). Auch diese Schrift vermag dem Fachmann keine Anregung dahingehend zu vermitteln, das Anbaugehäuse nach der gattungsbildenden deutschen Offenlegungsschrift 38 37 974 entsprechend dem geltenden Anspruch 1 mit elektronischen Bauelementen auf zwei verschiedenen Gehäuseteilen zu versehen.
Ebenso verhält es sich mit der ein elektrisches Steuergerät betreffenden deutschen Patentschrift 41 42 138 (vgl die Fig 1 und die Beschreibung Sp 2, Z 10 bis 46) und der eine elektronische Steuereinheit betreffenden deutschen Offenlegungsschrift 199 12 834 (vgl die Fig 1 und die Beschreibung Sp 4, Z 6 bis 52), die beide ein Anbaugehäuse (Gehäuse 15 bzw. Gehäuse 2) offenbaren, bei dem sich elektronische Bauteile wiederum nur jeweils auf einem Gehäuseteil (Grundplatte 10 bzw. Schaltungssubstrat 1) befinden.
Die ein elektrisches Gerät, insbesondere Schalt- oder Steuergerät für Kraftfahrzeuge betreffende deutsche Offenlegungsschrift 43 43 355 lehrt, mit Leistungsbauelementen versehene Leiterplatten (14) in eine wannenförmiges, nach oben offenes Gehäuse (10) einzuschieben. Das Gehäuse (10) weist Stege (12) auf, an welchen die Leiterplatten anliegen, um so die Verlustwärme der Leistungsbauelemente abzuführen (vgl das Ausführungsbeispiel nach den Fig 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung, insbes Sp 3, Z 5 bis 14). Es ist bei diesem Stand der Technik nicht vorgesehen, Leistungsbauelemente auch auf Teilen des Gehäuses (10) selbst anzuordnen. Insofern vermag auch dieser Stand der Technik dem Fachmann nicht nahe zu legen, das aus der gattungsbildenden deutschen Offenlegungsschrift 38 37 974 bekannte Anbaugehäuse im Sinne des geltenden Anspruchs 1 auszugestalten.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist nach alledem patentfähig.
4.) Die geltenden Unteransprüche 2 bis 11 betreffen vorteilhafte, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen und Weiterbildungen des Gegenstandes nach Anspruch 1; ihre Patentfähigkeit wird somit von derjenigen des Gegenstandes nach Hauptanspruch mitgetragen.
5.) In der geltenden Beschreibung ist der maßgebliche Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und das beanspruchte Anbaugehäuse anhand der Zeichnung ausreichend erläutert.
Dr. Beyer Knoll Lokys Dr. Häußler Be
BPatG:
Beschluss v. 12.11.2002
Az: 23 W (pat) 3/01
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