Landgericht München I:
Urteil vom 13. März 2008
Aktenzeichen: 7 O 16829/07
(LG München I: Urteil v. 13.03.2008, Az.: 7 O 16829/07)
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.9.2007 bleibt aufrechterhalten.
II. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Zulässigkeit des Vertriebs sogenannter Modchips für die Playstation2.
Die Antragstellerin zu 1, nach ihrem Vortrag ein Unternehmen nach japanischem Recht in der Rechtsform einer "Kabushiki Kaisha", produziert Spielekonsolen, insbesondere die Produkte "PlayStation", "PSone", "PlayStation2" und "PSP" (PlayStation Portable). Die Antragstellerin zu 2 vertreibt Spiele der Antragstellerin zu 1 in Europa in ausschließlicher Lizenz, darüber hinaus produziert die Antragstellerin zu 2 auch eigene Spiele.
Die Antragsgegnerin betreibt ein Unternehmen, das den Vertrieb von Unterhaltungselektronik aller Art zum Gegenstand hat. Unter der Adresse www...de betreibt sie auch einen Online-Shop (Anlage AST 9).
Die von der Antragstellerin zu 1 hergestellte und seit November 2000 in Deutschland erhältliche Spielekonsole PlayStation2 wird über einen sog. Controller, ein Eingabegerät mit Steuerknüppeln und Tasten gesteuert. Die von der PlayStation2 erzeugten Bild- und Tonsignale können über einen herkömmlichen Fernseher wiedergegeben werden. Im Grundmodell sind keine Spiele gespeichert. In das CD/DVD-Laufwerk muss eine CD oder DVD mit einem Spiel eingelegt werden. Das in die Konsole eingebaute Betriebssystem prüft, ob der eingelegte Datenträger ein Original-Spiel ist. Ist das der Fall, werden die zur Ausführung des Spiels erforderlichen Daten/Programmteile in den Arbeitsspeicher der Konsole geladen und ausgeführt; der Benutzer kann dann das Spiel spielen.
Um zu verhindern, dass andere als Original-Spiele mit der PlayStation2 gespielt werden können, verfügt jede CD/DVD mit einem Originalspiel über einen sogenannten "Lead-in-Bereich", der über zusätzliche, kodierte Informationen verfügt. Der übrige Bereich der Datenträger, auf denen die Spielsoftware gespeichert ist, entspricht im Wesentlichen dem Aufbau herkömmlicher Datenträger. Von diesem Datenteil können mit handelsüblichen Brenngeräten Kopien auf DVD-Rohlingen hergestellt werden, die häufig "backups" genannt werden. Die allgemein verfügbaren Brenngeräte sind jedoch nicht in der Lage, die kodierten Informationen im Lead-in-Bereich zu schreiben.
Die PlayStation2 nimmt immer, wenn ein neuer Datenträger eingelegt wird, eine erneute Prüfung vor, ob die kodierten Informationen im Lead-in-Bereich vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, wird der Datenträger zurückgewiesen. Kopien von Originalspielen sind daher im Allgemeinen mit der PlayStation2 nicht abspielbar.
Das Spiel Gran Turismo 3 wurde von der Tochtergesellschaft der Antragstellerin zu 1 Polyphony Digital Inc., Japan entwickelt. Die Antragstellerin zu 1 nimmt für sich in Anspruch, Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu sein, die sie für Europa an die Antragstellerin zu 2 lizenziert habe. Auf dem Spiel befindet sich ein Copyright-Hinweis mit dem Text "Copyright 2001 Sony Computer Entertainment". Das Spiel Eye Toy Play wurde von der Antragstellerin zu 2 entwickelt. Sie nimmt für sich in Anspruch, dass ihr hieran die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte zustehen. Das Spiel trägt den Hinweis "Copyright 2003 Sony Computer Entertainment Europe Ltd.". Auch Drittfirmen stellen Spiele für die PlayStation2 selbständig her und entrichten hierfür eine Lizenzgebühr an die Antragstellerin zu 1.
Die Spiele setzen sich aus Grafiken, individuell komponierten Musikelementen und Videosequenzen sowie € bei Abenteuer- und Rollenspielen € erzählerischen Elementen zusammen. Jedes Spiel verfügt über eine Software, welche die Kombination und Abfolge der gespeicherten Grafiken, Sounds, Videosequenzen und Erzählungen in Abhängigkeit der Eingaben der Spielers und anderer Parameter steuert.
Mit dem Kauf des Datenträgers, mit dem der Benutzer das Spiel erwirbt, erwirbt er eine Lizenz, das Spiel zu nutzen. Die Bedingungen dieser Lizenz sind als Copyright-Hinweis auf jeder Spielverpackung aufgedruckt und haben bei dem Spiel Gran Turismo 3 folgenden Wortlaut:
"Game © 2001 Sony Computer Entertainment Inc. Library Programs © 1997-2001 Sony Computer Entertainment Inc. exclusively licensed to Sony Computer Entertainment Europe. FOR HOME USE ONLY. Unauthorised copying, adaption, rental, lending, distribution, extraction, resale. Arcade use, charging for use, broadcast, public performance and internet, cable or any telecommunications transmission, access or use of this product or any trademark or copyright work that forms part of this product are prohibited. Published by Sony Computer Entertainment Europe. Developed by Polyphony Digital Inc. ... All rights reserved."
Ein entsprechender Hinweis befindet sich auch auf dem Spiel Eye Toy Play.
Im Internet sind über bekannte Tauschbörsen hunderte von Spielen für die PlayStation2 verfügbar, die dort heruntergeladen werden können. Solche Kopien sind mit der PlayStation2 im Originalzustand jedoch nicht abspielbar.
13Die Antragsgegnerin bietet sogenannte "Modchips" an. Dabei handelt es sich um Platinen, die zum hardwaremäßigen Einbau in die Spielekonsole bestimmt sind. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem integrierten Schaltkreis, umgangssprachlich Chip genannt. Modchips werden in der Regel mit Hilfe kurzer Drähte mit der Platine der Konsole verbunden. Zumeist müssen zwischen 4 und 25 Punkte auf der Platine der Konsole gelötet werden. Für den Einbau sind anschauliche Anleitungen im Internet verfügbar (Anlage Ast 7). Die Modchips enthalten entweder fest programmierte Microcontroller oder programmierbare Logikbausteine. Soweit die Modchips programmierbar sind, werden sie entweder fertig programmiert ausgeliefert oder durch den Nutzer anhand der im Internet verfügbaren Anleitungen selbst programmiert.
Die Funktionsweise der streitgegenständlichen Modchips ist dergestalt, dass der Modchip für den Fall, dass ein kopiertes Spiel eingelegt wird, dem Betriebssystem vortäuscht, dass die bei Originalspielen zusätzlich im Lead-in-Bereich befindlichen Informationen vorlägen. Das kopierte Spiel kann dann wie ein Originalspiel gespielt werden. Der Preis für einen Modchip liegt mit Einbau bei Euro 70-80.
Die Antragstellerinnen mahnten am 31.07.2007 die Firma Media-Extreme, Inhaber Lars Werner, wegen des Anbietens von Modchips ab. Lars Werner übersandte den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen am 01.08.2007 per Telefax eine Unterlassungserklärung (Anlage Ast 8). Mit Schreiben vom gleichen Tag (Anlage Ast 8), bei den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen eingegangen am 08.08.2007, erteilte er Auskunft dahingehend, dass er die Modchips bei der Firma Game World der Antragsgegnerin bezogen habe. Auf der Unterseite des Online-Shops der Antragsgegnerin wurde unter "PS2 Umbau" für den Umbau von Konsolen auf die Webseite www.shoxx.com verlinkt (Anlage Ast 9). Dort wurden verschiedene Modchips für die PlayStation2 angeboten, unter anderem die streitgegenständlichen. Gegen die Betreiber der Seite www...com erging im Verfahren 7 O 16830/07 ebenfalls eine einstweilige Verfügung.
Die streitgegenständlichen Modchips verfügen neben der Funktion, kopierte Spiele abspielbar zu machen, auch über die Funktion, sogenannte Importspiele (Spiele, die in einer anderen Weltregion veröffentlicht wurden) sowie selbst programmierte Spiele (genannt "Homebrew"-Software) abspielbar zu machen. Diese Funktionen stehen € nach dem Vortrag der Antragstellerinnen € technisch mit dem Abspielen von kopierten Spielen nicht in Zusammenhang und können auch separat realisiert werden.
Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen mahnten die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.08.2007 (Anlage Ast 10) ab. Die Antragsgegnerin lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 03.09.2007 (Anlage Ast 11) ab.
In ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 7.9.2007 tragen die Antragstellerinnen vor, dass das Abspielen von Raubkopien bei Modchips der wesentliche Kaufgrund sei. Dies ergebe sich aus der Werbung (Anlagen Ast 12, Ast 13) sowie aus den Forenbeiträgen der Modchip-Benutzer (Anlagen Ast 14 € Ast 16). Die wirtschaftliche Bedeutung der Zusatzfunktionen sei zudem vernachlässigbar. Der Antragsgegnerin sei auch bekannt, dass das Abspielen von Raubkopien Hauptzweck der Modchips sei.
Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, in dem Vertrieb der Modchips liege eine Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung. Die Antragsgegnerin nehme zumindest billigend in Kauf, dass die von ihr vertriebenen Produkte in erheblichem Umfang zur Verletzung der Rechte der Antragstellerinnen genutzt würden. Darüber hinaus bestehe eine Haftung der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Urheberrechtsverletzung. Der rechtsverletzende Gebrauch der Modchips sei wahrscheinlich und den Lieferanten des Produktes könne eine Haftung auch zugemutet werden. Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Modchips bringe in der Regel einen Eingriff in die Rechte Dritter mit sich. Zudem spiele sich dieser Gebrauch im privaten Bereich ab, der einer wirksamen und der Allgemeinheit zumutbaren Kontrolle weitgehend entzogen sei.
Mit den Modchips böte die Antragsgegnerin unerlaubt Mittel an, die dazu entworfen seien, den Kopierschutz für Originalspiele zu umgehen. Dadurch verletze die Antragsgegnerin § 95 a Abs. 3 UrhG. Die Norm sei anwendbar, da die Spiele zahlreiche Musiksequenzen und Bilddaten enthielten, die selbständigen urheberrechtlichen Schutz genössen. Die Umgehung von Schutzmaßnahmen sei wirtschaftlich allein relevanter Zweck der Modchips, sie seien auch hauptsächlich hierzu entworfen. Die PlayStation2 enthalte wirksame technische Maßnahmen im Sinne von § 95 a Abs. 2 UrhG. Die speziell kodierten Informationen im Lead-In-Bereich von Original-Datenträgern dienten dazu, dass die PlayStation2 kopierte Datenträger erkennen und zurückweisen könne. Die Nicht-Abspielbarkeit von Kopien von Spielen führe letztlich dazu, dass Kopien gar nicht erst hergestellt würden. Die Maßnahmen verhinderten auch, dass von einem kopierten Datenträger eine weitere Kopie im Hauptspeicher der PlayStation2 angelegt werde, was für das Abspielen des Spiels erforderlich sei. Dem stünden keine urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen entgegen. Denn § 95 a UrhG verbiete die Umgehung von Schutzmaßnahmen auch dann, wenn diese eine ansonsten durch Schranken gerechtfertigte Benutzung verhinderten.
Die Antragstellerinnen könnten auch nach §§ 69 a, 69 f Abs. 2, 97 UrhG, 823 Abs. 2, 1004 BGB Unterlassung des Vertriebs der Modchips verlangen. Die Regelungen für Software seien anwendbar, da die Konsolenspiele zu einem erheblichen Teil von Software gesteuert würden, die als solche urheberrechtlich geschützt sei. Bei der Vorrichtung in der PlayStation2, die Kopien von Originalen unterscheide, handele es sich um einen technischen Programmschutzmechanismus, da das unerlaubte Vervielfältigen in den Arbeitsspeicher unterbunden werde. Die Formulierung des § 69 f Abs. 2 UrhG "allein dazu bestimmt" sei dabei nicht so auszulegen, dass die Hinzufügung von minderwertigen, mit der Umgehung nicht zusammenhängenden Funktionen den Besitz eines Umgehungsmittels legalisieren würde. Eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Zweckbestimmung reiche aus. Zumindest sei das zusammenhanglose Hinzufügen von legalen Funktionen als Umgehung des § 69 f Abs. 2 UrhG anzusehen.
Der Vertrieb der streitgegenständlichen Produkte stelle auch eine individuelle Absatzbehinderung nach §§ 3, 4 Nr. 10, 8 UWG dar. Die mittelbare Einwirkung auf Produkte eines Mitbewerbers sei unlauter, weil diese durch Überwindung von Sperren eine entgeltlich angebotene Leistung kostenlos verfügbar mache. Den Antragstellerinnen entstehe laufend ein hoher Schaden durch vielfache unbefugte Benutzung ihrer Spiele. Der Vertrieb sei aber auch unter dem Gesichtspunkt der unlauteren Leistungsübernahme wettbewerbswidrig, §§ 3, 4 Nr. 9 b) UWG. Die Antragsgegnerin versetze die Endkunden in die Lage, Spiele der Antragstellerinnen abzuspielen. Hierzu mache sich die Antragsgegnerin Arbeitsergebnisse der Antragstellerinnen zunutze, ohne dem eine eigene Leistung hinzuzufügen. In dem Verstoß gegen § 95 a Abs. 3 UrhG liege auch ein Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, da der Umgehungsschutz die Verwender von technischen Schutzmaßnahmen vor illegalem Wettbewerb schützen wolle. Die Parteien seien auch Wettbewerber, da beide Produkte im Bereich Spielkonsolen und Zubehör für Spielkonsolen anböten. Hinsichtlich der Modchips trete die Antragsgegnerin insbesondere deswegen in Wettbewerb mit den Antragstellerinnen, weil Endkunden wirtschaftlich betrachtet die Wahl hätten, ob sie Spiele von den Antragstellerinnen kauften oder einen von der Antragsgegnerin vertriebenen Modchip einsetzten, der sie in die Lage versetze, Raubkopien abzuspielen. Wegen der gezielten Behinderung des Geschäftsbetriebes der Antragstellerinnen liege zugleich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerinnen vor.
Nachdem die Antragstellerinnen den ursprünglich ebenfalls gestellten Antrag III. (Auskunft) mit Schriftsatz vom 12.9.2007 (Bl. 64/65) zurückgenommen hatten, erging am 14.9.2007 im Beschlusswege nachfolgende einstweilige Verfügung (Bl. 67/70):
"1. Der Antragsgegnerin wir bei Meidung ... verboten, Produkte wie Modchips anzubieten, zu verkaufen, zu verbreiten, und/oder anbieten, verkaufen oder verbreiten zu lassen, mit deren Hilfe der Anwender einen Eingriff in eine Spielkonsole wie die PlayStation2 vornehmen kann, der es ermöglicht oder erleichtert, Kopierschutzmechanismen in den Spielkonsolen und Spielen der Antragstellerinnen zu entfernen und/oder zu umgehen, so dass unautorisierte Kopien von Konsolenspielen abgespielt werden können, insbesondere die im Folgenden aufgeführten und die darunter abgebildeten Modchips:
€ Matrix Infinity
€ Crystal
€ Modbo
€ Myth
(es folgen vier Abbildungen dieser Modchips)
2. Der Antragsgegnerin wird auferlegt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen Produkte gem. Ziffer 1 an einen Gerichtsvollzieher zur Verwahrung herauszugeben.
3. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerinnen 6% und die Antragsgegnerin 94% zu tragen.
4. Der Streitwert wird bis zum 12.9.2007 auf Euro 500.000,€ und für die Zeit danach auf Euro 470.000,€ festgesetzt."
Diese einstweilige Verfügung wurde den Antragstellerinnen am 18.9.2007 von Amts wegen und der Antragsgegnerin am 19.9.2007 im Parteibetrieb (Bl. 73) zugestellt. Auch der Herausgabeanspruch an den Gerichtsvollzieher wurde vollzogen.
Mit ihrem Widerspruch vom 21.12.2007 (Bl. 74/88) macht die Antragsgegnerin geltend, dass der Vertrieb der streitgegenständlichen Modchips keine Urheber- oder Leistungsschutzrechte der Antragstellerinnen verletze. Zwar stelle das Brennen der Playstation-Spiele grundsätzlich eine Vervielfältigung dar. Durch die Modchips werde aber nicht das Brennen ermöglicht, sondern das Abspielen solcher Spiele. Das Abspielen selbst stelle keine Vervielfältigung dar, da dabei nur eine unbedeutende Datenmenge in den Arbeitsspeicher der PlayStation eingelesen werde. Das Laden dieser geringen Datenmenge sei nicht unter eine nach § 69 c Nr. 1 UrhG zustimmungspflichtige Handlung zu fassen, da insoweit der Rechtsgedanke des § 24 UrhG heranzuziehen sei, wonach beim Verblassen der individuellen Züge eines Werkes keine Vervielfältigung vorliege. Das Laden in den Arbeitsspeicher sei zudem zur bestimmungsgemäßen Nutzung erforderlich und bedürfe somit nach § 69 d UrhG keiner Genehmigung.
Bei den Modchips handele es sich auch nicht um eine verbotene Umgehung technischer Schutzmaßnahmen. Eine solche liege insbesondere auch nicht vor, wenn durch die Modchips der Regionalcode überwunden werde, da durch den Regionalcode das Vervielfältigen nicht verhindert werde, sondern nur das urheberrechtlich nicht geschützte Wahrnehmen des Werks. Auch die Überwindung der Beschränkung auf das Originalspiel durch die Modchips stelle keinen Verstoß gegen § 95 a UrhG dar. Aus dem Schutzzweck des § 95 a UrhG ergebe sich nämlich, dass die Zugangskontrolle letztlich nur zu schützen sei, wenn dadurch Handlungen erschwert werden sollten, die Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers verletzten. Das Abspielen des Werks stelle eine bloße Wahrnehmbarmachung dar, die nicht in die Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers falle. Hinzu komme, dass Modchips nicht in erster Linie dazu erworben würden, um mit ihnen kopiergeschützte Werke zu vervielfältigen. Durch den Modchip würden auch Probleme beim Abspielen von originalen Film-DVDs behoben. Die Antragsgegnerin sei jedenfalls nicht passivlegitimiert, da die Modchips zumindest auch für zulässige Handlungen geeignet seien. Zudem gebe es keine rückwirkende Teilnahme an einer Urheberrechtsverletzung, die in der Herstellung der Kopie des Spiels liege.
Die Sache sei auch nicht dringlich, da die Antragsgegnerin seit mehreren Jahren, mindestens seit 2005, von ihr mit den sogenannten Modchips modifizierte Playstation 2 Videospielkonsolen von der Fa. TVS Repair und Logistic GmbH reparieren oder austauschen lasse. Bei diesem Unternehmen handele es sich um ein von den Antragstellerinnen beauftragtes sogenanntes "Sony Regional Authorised Service Center". Da dieses Unternehmen über das Vorhandensein von eingebauten Modchips informiert worden sei und dies auch beim Öffnen der Playstation 2 ohne Weiteres erkennbar sei, sei davon auszugehen, dass dieses Unternehmen vom Einbau der Modchips durch die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt habe. Dieses Wissen sei den Antragstellerinnen zuzurechnen.
Im Onlineshop der Antragsgegnerin seien die streitgegenständlichen Modchips offen beworben worden. Diese Seiten seien mit einer gängigen Suchmaschine auch ohne Weiters auffindbar gewesen. Es sei lebendfremd anzunehmen, dass die Antragstellerinnen als weltweit agierende Unternehmen sich erst seit kurzem über die Anbieter von Modchips in Deutschland informiert haben. Vielmehr sei den Antragstellerinnen bereits seit 2004 bekannt, dass allgemein Modchips in die Playstation 2 eingebaut werden, da sie seinerzeit in Australien und Österreich gegen Unternehmen, die derartige Chips angeboten hätten, vorgegangen seien. Die Strategie der Antragstellerinnen sei es vielmehr, den Sachverhalt jeweils mit Zeitverzögerung in verschiedenen Ländern anzugehen. Erst nach Abschluss in einem Land werde in einem weiteren Land vorgegangen. Dieses Vorgehen zeige auch, dass auf Seiten der Antragstellerinnen kein besonderes Dringlichkeitsbedürfnis bestehe. Insbesondere daran, dass die Playstation 2 seit November 2000 verkauft werde und bereits das Nachfolgemodell, die Playstation 3 in Deutschland auf dem Markt sei, zeige sich, dass die Antragstellerinnen dem Einbau von Modchips in die Playstation 2 in Deutschland keine größere Bedeutung zuschrieben. Dies zeige sich auch bei Betrachtung der verschiedenen Versionen des Gehäuses der Playstation 2. Seit dem Jahr 2000 seien etwa halbjährlich neue Gehäuseversionen auf den Markt gekommen, die den Einbau von Modchips kontinuierlich einfacher gestaltet hätten, obwohl auch eine Erschwerung bzw. eine faktische Verhinderung möglich gewesen wäre. Auch setzten die Antragstellerinnen eine ihnen zur Verfügung stehende Verschlüsselungstechnologie bewusst nicht ein. Die nunmehrige Vorgehensweise mittels einstweiliger Verfügungen sei somit rechtsmissbräuchlich.
Es werde bestritten, dass es sich bei der "Kabushiki Kaisha" um eine anerkannte rechtsfähige und damit parteifähige Rechtsform handle. Ferner werde bestritten, dass "die alleinige Nutzung und Verbietungsrechte" an den genannten Spielen bei den Antragstellerinnen liegen. Es gelte das Schutzlandprinzip. Gerade bei einem weltweit agierenden Konzern wie Sony sei es unwahrscheinlich, dass sich Verträge mit Entwicklern und Programmieren nach dem deutschen Urheberrecht richteten. Eine geschlossene Rechtekette von den Urhebern an die Antragstellerinnen sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Der eidesstattlichen Versicherung der Carolina Pastore (Anlage AST 3) komme insoweit kein Glaubhaftmachungswert zu, da sich diese Person im Ausland aufhalte und dort im Falle einer falschen eidesstattlichen Versicherung nicht ernsthaft mit einer Strafverfolgung rechnen müsse.
Ferner sei der Streitwert völlig übersetzt. Die Handelsspanne beim Verkauf eines Modchips liege zwischen Euro 3,€ und Euro 7,€. Da das Nachfolgemodell Playstation 3 bereits auf dem Markt sei, gehe das Interesse der Kunden an der alten Playstation 2 bald gegen Null.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.9.2007 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag vom 7.9.2007 zurückzuweisen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.9.2007 aufrechtzuerhalten.
Die Antragstellerinnen verteidigen die einstweilige Verfügung. Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragsgegnerin tragen sie ergänzend zur Rechteinhaberschaft an diversen Spielen vor (vgl. Schriftsatz vom 22.1.2008 S. 2 ff. = Bl. 91 ff.) und legen diesbezüglich zwei weitere Versicherungen an Eides statt (Anlagen AST 23 und 24) vor.
Bei einer "Kabushiki Kaisha" handele es sich um das japanische Pendant zu einer deutschen Aktiengesellschaft (Anlage AST 25).
Die Antragstellerinnen hätten unstreitig erstmals am 8.8.2007 Kenntnis von den von der Antragsgegnerin begangenen Rechtsverletzungen erhalten. Etwaige frühere Kenntnisse von Drittunternehmen, die bestritten würden, seien ihnen nicht zuzurechnen, da diese Drittunternehmen sich nicht mit Dienstleistungen befassten, die etwas mit Modchips zu tun hätten.
Das Kundeninteresse an der Playstation 2 sei auch nach Erscheinen der Playstation 3 aufgrund der Preisdifferenz ungebrochen. Sie sei daher keineswegs ein Auslaufmodell.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 24.1.2008 (Bl. 97/101) Bezug genommen.
Gründe
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14.9.2007 war zu bestätigen, da nach wie vor das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht ist.
A.
Den Antragstellerinnen steht ein Verfügungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG, 95 a Abs. 3 S. 1 UrhG; §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB zu.
I. Die Antragstellerinnen können von den Antragsgegnern nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG Unterlassung der im Tenor bezeichneten Handlungen im Bezug auf die Modchips Matrix Infinity, Crystal, Modbo und Myth verlangen. Die Antragstellerinnen sind aktivlegitimiert. Es besteht zumindest Erstbegehungsgefahr hinsichtlich einer Verletzung der Rechte der Antragstellerinnen.
1. Die Antragstellerin zu 1 ist als Aktiengesellschaft nach japanischem Recht (vgl. Anlage AST 25) rechts- und parteifähig.
2. Die Antragstellerinnen sind aktivlegitimiert.
Die Antragstellerin zu 2 hat glaubhaft gemacht, dass sie Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Spielen Gran Turismo 3 und Eye Toy Play und weiterer Spiele für die PlayStation2 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist. Die Antragstellerin zu 1 hat glaubhaft gemacht, dass sie Lizenzgeberin hinsichtlich des Spiels Gran Turismo 3 und weiterer Spiele ist (vgl. Anlagen AST 3 und 23).
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Glaubhaftmachungswert dieser eidesstattlichen Versicherungen auch nicht aufgrund des Wohnortes der Unterzeichner in L eingeschränkt oder aufgehoben. Denn aufgrund der für das EU-Mitglied Großbritannien geltenden Richtlinien und Abkommen müssen auch die Unterzeichner im Falle der Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt mit einer Strafverfolgung in ihrem Heimatland rechnen.
Die Antragsgegnerin zu 1 hat damit ein eigenes Interesse daran, den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch neben der Antragstellerin zu 2 geltend zu machen, da sie zumindest über ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Antragstellerin zu 2 an der Auswertung der eingeräumten Nutzungsrechte beteiligt ist.
Die von den Antragstellerinnen vertriebenen Spiele enthalten urheberrechtlich geschützte Grafiken, Texte und Musikwerke, § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6, Abs. 2 UrhG, was auch von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt wird. Gemäß Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 lit. a RBÜ bzw. § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG besteht für die von ausländischen Staatsangehörigen geschaffenen streitgegenständlichen Werke in Deutschland Schutz durch das UrhG.
583. Auch wenn in der Vergangenheit liegende Einzelfälle weder vorgetragen noch bewiesen sind, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin durch Beihilfe zur unerlaubten Vervielfältigung ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte der Antragstellerinnen widerrechtlich verletzt hat (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG). Jedenfalls besteht aber eine dahingehende Erstbegehungsgefahr (vgl. auch BGH GRUR 2007, 708 Tz 30, 41 € Internet-Versteigerung II). Dass die konkrete Gefahr besteht, dass auch die Spiele vervielfältigt werden, an denen die Rechte den Antragstellerinnen zustehen, hat die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.
a) Die bestimmungsgemäße Nutzung der von der Antragsgegnerin angebotenen Modchips durch die Inhaber der Spielekonsolen stellt einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht der Antragstellerin zu 2 nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG dar. Zwar kommt der Modchip bei der Herstellung eines sogenannten backups, also einer Kopie eines Originalspiels auf einer CD oder DVD, nicht zum Einsatz. Dass die Kopie überhaupt nur im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeit via Modchip angefertigt wird, begründet keine Teilnahme der Antragsgegnerin an diesem Vervielfältigungsvorgang.
60Die Antragsgegnerin leistet durch die Zurverfügungstellung der Modchips allerdings Beihilfe zu der unerlaubten Vervielfältigung des Spiels im Arbeitsspeicher der Spielekonsole. Auch das Laden elektronisch gespeicherter Werke in den Arbeitsspeicher eines Rechners stellt eine Vervielfältigung nach § 16 Abs. 1 UrhG dar. Dies ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut, der im Übrigen auch vorübergehende Vervielfältigungen erfasst, nicht eindeutig, ergibt sich jedoch aus einer wertenden Auslegung des Gesetzestextes (offen gelassen in BGH GRUR 1991, 449, 453 € Betriebssystem; GRUR 1994, 363, 365 € Holzhandelsprogramm). Die Auslegung muss sich am legitimen Interesse des Rechtsinhabers orientieren, an den wirtschaftlichen Vorteilen der Nutzung seines Werks zu partizipieren. Daher liegt eine Vervielfältigung im rechtlichen Sinne immer dann vor, wenn der technische Vervielfältigungsvorgang zu einer gesteigerten Nutzung des Werkes führt (vgl. zu Computerprogrammen Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69 c Rz. 8; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 3. Aufl., § 69 c Rz. 6). Dies ist zum Schutz des Urhebers erforderlich. Eine gesteigerte Nutzung liegt gerade vor, wenn wie hier durch das Laden des Spiels in den Arbeitsspeicher einem zusätzlichen Anwender die Nutzung des Spiels ermöglicht wird.
Unschädlich ist, dass nicht das Spiel jeweils in seinem gesamten Umfang in den Arbeitsspeicher geladen wird. Zum einen hat die Antragsgegnerin € wie bereits ausgeführt € nicht in Abrede gestellt, dass die Spiele der Antragstellerinnen auch urheberrechtlich geschützte Einzelteile wie Grafiken, Bilder und Musikwerke enthalten. Zum andren ist auch im Bezug auf das Gesamtwerk des Spiels unabhängig von seiner Einstufung in eine bestimmte Werkart nicht von einem Verblassen der individuellen Züge entsprechend dem Rechtsgedanken des § 24 UrhG im Bezug auf den jeweils in den Arbeitsspeicher geladenen Teil auszugehen. Dem widerspricht schon die Tatsache, dass der Nutzer eines bestimmten Spiels auch einzelne Spielszenen als eindeutig zum Gesamtzusammenhang gehörig identifizieren können muss, ansonsten wäre das Spiel als Aneinanderreihung von zusammenhanglosen Spielszenen auf dem Markt für Konsolenspiele nicht verkäuflich. Darauf, ob später ein erneuter Zugriff auf die Inhalte des Arbeitsspeichers erforderlich ist, kommt es nach den oben geschilderten Grundsätzen nicht an.
Die Vervielfältigungshandlung ist auch nicht nach § 44 a UrhG zulässig. Nach § 44 a UrhG sind ausnahmsweise solche Vervielfältigungshandlung zulässig, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen oder wesentlichen Bestandteil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, entweder eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werks zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Vorliegend ist weder das Tatbestandmerkmal der rechtmäßigen Nutzung, noch das der fehlenden eigenständigen wirtschaftlichen Bedeutung erfüllt. Dass das Laden eines kopierten Spiels in den Arbeitsspeicher von Spielekonsolen eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat, lässt sich schon daran erkennen, dass sich die Nutzer kopierte Spiele erhebliche Aufwendungen für den Erwerb eigener Spiele ersparen.
b) Die Antragsgegnerin leistet zu diesen unerlaubten Vervielfältigungshandlungen Beihilfe, indem sie Modchips vertreibt, die diese Handlungen erst ermöglichen. Die Antragsgegnerin handelt auch mit dem bedingten Vorsatz, zu diesen unerlaubten Vervielfältigungshandlungen Hilfe zu leisten. Der Antragsgegnerin ist bewusst, dass die streitgegenständlichen Modchips in aller Regel dazu verwendet werden, sogenannte "backups" auf der PlayStation2 zu spielen (vgl. BGH a. a. O. Tz 31 € Internet-Versteigerung II).
c) Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die streitgegenständlichen Modchips außer der Funktion des Abspielens von Spielekopien auch noch weitere Funktionen beinhalten. Zwar kann nach der Rechtsprechung (BGH GRUR 1965, 104, 106 € Personalausweise) die Geltendmachung eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruches nach dem Gebot von Treu und Glauben dann ausgeschlossen sein, wenn nicht auszuschließen ist, dass ein möglicherweise nur geringfügiger, aber doch nicht ganz zu vernachlässigender Teil der Erwerber die Gegenstände (betroffen waren in der genannten Entscheidung Tonbandgeräte) zu Zwecken verwendet, durch die Rechte des Anspruchstellers nicht berührt werden. Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Der Teil der Erwerber, der die Modchips zu Zwecken verwendet, durch die Rechte der Antragstellerinnen nicht berührt werden, ist zu vernachlässigen. Denn den Funktionen Abspielen von Importspielen und "Homebrew" kommt in der Praxis keine Bedeutung zu. Die Antragstellerinnen haben substantiiert vorgetragen, dass praktisch kein Nutzer einen Modchip allein für diese Funktionen erwerben würde. Der Eigenimport von Importspielen findet hierzu nicht häufig genug statt und bietet dem Nutzer angesichts der unstreitig geringen Preisunterschiede keinen hinreichenden Anreiz zum Erwerb und Einbau des Modchips zu einem Preis von 70-80 Euro. Die Programmierung eigener Spiele durch die Nutzer findet praktisch nicht statt. Soweit die PlayStation2 die Funktion eines DVD-Players nur unzureichend erfüllt, ist der Erwerb eines gesonderten Abspielgeräts günstiger, als der Einbau eines Modchips. Diesem Vortrag ist die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten. Der bloße Verweis darauf, dass in Internetforen eher die problematischen Funktionen diskutiert würden, ist hierzu nicht ausreichend.
II. Den Antragstellerinnen steht ein inhaltsgleicher Unterlassungsanspruch auch aus §§ 95 a Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 UrhG zu.
66Nach § 95 a Abs. 3 Nr. 2 UrhG sind die Herstellung, Einfuhr, Verbreitung, Verkauf, die diesbezügliche Werbung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen verboten, die abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben. Nach Nr. 3 dieser Vorschrift sind solche Gegenstände verboten, die hauptsächlich entworfen, hergestellt oder angepasst wurden, um die Umgehung technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach § 95 a Abs. 2 UrhG sind unter technischen Maßnahmen solche Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile zu verstehen, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Diese Voraussetzungen werden durch den Vertrieb der streitgegenständlichen Modchips erfüllt.
1. Bei den Spielen Gran Turismo 3 und Eye Toy Play handelt es sich um nach dem Urhebergesetz geschützte Werke (siehe oben). Das Vervielfältigen von Kopien dieser Spiele im Arbeitsspeicher der PlayStation2 ist durch die Antragstellerinnen als Rechteinhaberinnen nicht genehmigt.
2. Die Software- und Hardwarebestandteile der PlayStation2, die das Vorliegen des sogenannten Lead-in-Bereiches überprüfen, erfüllen die Anforderungen an technische Maßnahmen, da sie von den Antragstellerinnen nicht genehmigte Vervielfältigungen der Spiele in den Arbeitsspeicher verhindern (siehe oben). Diese sind auch wirksam, auch wenn sie durch den Einsatz eines Modchips umgangen werden können. Denn das Gesetzt fordert in diesem Zusammenhang keine hundertprozentig wirksame Kontrolle, da in diesem Fall eine Umgehung ohnehin unmöglich wäre und ein rechtlicher Umgehungsschutz nicht erforderlich (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 95 a Rz. 15).
3. Die streitgegenständlichen Modchips sind zur Umgehung der Kontrolle des Vorliegens eines Lead-in-Bereichs bestimmt. Sie haben, wie bereits ausgeführt, abgesehen hiervon praktisch keinen wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen (§ 95 a Abs. 3 Nr. 2 UrhG). Sie wurden auch hauptsächlich hierzu hergestellt (§ 95 a Abs. 3 Nr. 3 UrhG).
III. Da den Antragstellerinnen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon unter den genannten rechtlichen Gesichtspunkten zusteht, kann offenbleiben, ob sich ein solcher Anspruch weiterhin auch aus §§ 823 II, 1004 BGB oder aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 9 b, Nr. 10 UWG ergäbe.
IV. Der Herausgabeanspruch ist zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs gem. 69 f Abs. 2 UrhG begründet.
1. Nach § 69 f Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Rechteinhaber von dem Eigentümer oder Besitzer verlangen, dass alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke (eines Computerprogramms) vernichtet werden. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist Absatz 1 entsprechend auf Mittel anzuwenden, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern.
73a. Wie der Begriff "allein dazu bestimmt" auszulegen ist, ist in der Literatur umstritten. Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass ein streng wörtliches Verständnis weder vom europäischen Richtliniengeber bzw. dem nationalen Gesetzgeber gewollt, noch sachgerecht ist (vgl. Wandtke/Bullinger-Grützmacher, UrhG, 2. Aufl., § 69 f Rdn. 21; Möhring/Nicolini-Hoeren, UrhG, 2. Aufl., § 69 f Rdn. 16; Schricker/Loewenheim, UrhG, 3. Aufl., § 69 f. Rdn. 13; Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhG, § 69 f., Rdn. 7; Fromm/Nordemann/Vinck, UrhG, 9. Aufl., § 69 f., Rdn. 3; Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 69 f., Rdn. 13). Hinsichtlich der Einzelheiten der Auslegung besteht zwar Uneinigkeit. So reichen die Vorschläge von der Formel, dass das Umgehungsmittel nicht auch noch zu einem anderen, rechtmäßigen Zweck eingesetzt werden kann (Dreier/Schulze aaO Rdn. 13; Möhring/Nicolini-Hoeren aaO Rdn. 16); über die Frage, ob der wesentliche Zweck des Mittels darin liegt, den Programmschutzmechanismus zu unterwandern (Dreyer/Kotthoff/Meckel aaO Rdn. 7; Wandtke/Bullinger/Grützmacher aaO Rdn. 21); bis hin zu einem Abstellen darauf, ob das Mittel nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Hauptzweck hat, einen Programmschutzmechanismus zu umgehen (Fromm/Nordemann aaO Rdn. 3). Als sicher darf jedoch zugrunde gelegt werden, dass auf die objektive Bestimmung und nicht die subjektiven Vorstellungen des Herstellers bzw. des Verkäufers abzustellen ist (statt aller: Möhring/Nicolini-Hoeren aaO Rdn. 16) und dass das Hinzufügen weiterer (Schricker/Loewenheim aaO Rdn. 13; Wandtke/Bullinger/Grützmacher aaO Rdn. 21) bzw. unwesentlicher (Dreier/Schulze aaO 13) Funktionen zum legalen Einsatz nicht ausreicht, sondern als Umgehung anzusehen ist.
Ebenso erscheint als gesichert, dass der bloße Hinweis auf die Gesetzeslage die Bestimmung zur Umgehung nicht zu beseitigen vermag (OLG Düsseldorf, CR 1997, 337, 338; Dreier/Schulze aaO Rdn. 13), erst Recht nicht bei offensichtlichen Scheinhinweisen (OLG Frankfurt CR 2003, 766, 767; Wandtke/Bullinger/Grützmacher aaO Rdn. 21).
b. Vorliegend haben die Antragstellerinnen glaubhaft gemacht, dass die von ihnen vertriebenen Spiele für die Playstation 2 auch Anteile eines Computerprogramms beinhalten, dass dieses Computerprogramm durch einen Programmschutzmechanismus gegen unbefugtes Kopieren geschützt ist und dass die hier streitgegenständlichen Modchips in der Lage sind, diesen Schutzmechanismus zu umgehen.
Ferner haben die Antragstellerinnen durch die Vorlage der eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Pastore (Anlage AST 3 S. 2) glaubhaft gemacht, dass die Funktion "Aufhebung der Regionalbeschränkung" technisch nicht untrennbar mit der Funktion "Umgehung des Kopierschutzes" zusammenhängt, was bereits dadurch belegt ist, dass es in der Anfangszeit der Modchip-Entwicklung auch Modelle gegeben hat, die nur das Spielen von Importspielen ermöglichten. Ebenso verhält es sich bezüglich der Funktion "Abspielen von Homebrew-Anwendungen".
Im Übrigen ist festzustellen, dass im Internetauftritt der Antragsgegnerin (Anlage AST 9) die streitgegenständlichen Modchips unverhohlen damit beworben werden, dass sie das Abspielen aller CD und DVD Spiele ermöglichten, unabhängig davon, ob es sich um Import oder Backup Spiele handele, wobei "Backup" für Raubkopien steht. Auf einer anderen Internetseite (Anlage AST 12) werden die streitgegenständlichen Chips auch damit beworben, dass sie über einen sogenannten "Stealth-Mode" verfügten, der es ermöglicht, beim Spielen legaler Online-Spiele eine im Hintergrund ablaufende Suche nach eventuell eingebauten illegalen Modchips zu verhindern.
Aus einer Zusammenschau, auch mit den Diskussionsbeiträgen in diversen Internetforen (vgl. Anlage AST 14), ergibt sich eindeutig, dass sowohl die Hersteller als auch die Antragsgegnerin den Hauptzeck der streitgegenständlichen Modchips in der Ermöglichung des Abspielens von Raubkopien sehen. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem rechtlichen Hinweis auf der Homepage der Antragsgegnerin (Anlage AST 9): "Wir weisen sie hiermit darauf hin, das wenn sie Backups von Original Spielen auf der Ps2 abspielen sie evtl. gegen geltendes Recht verstoßen. Wir vertreiben und verbauen diese Modchips ausschließlich wegen der HOMEBREW und IMPORT Abspiel Funktion. Der Modchip und seine Funktionen sollten ausschließlich zum abspielen von IM-PORT Spielen aus USA/JAPAN (Ntsc) genutzt werden." Denn bei diesem Hinweis handelt es sich offensichtlich um den oben angesprochenen Scheinhinweis. Denn wenn auch Herstellung, Vertrieb und Benutzung dieser Modchips auch aus Sicht der Hersteller, Vertreiber und Nutzer legal wären, bestünde kein Bedarf für den erwähnten Stealth Mode.
Es kann mithin offen bleiben, welcher der oben dargestellten Auslegungen zu folgen ist. Denn auch bei der engsten Auslegung, dass das Mittel nicht auch zu einem anderen, legalen Zweck eingesetzt werden kann, ergibt sich ein Vernichtungsanspruch. Denn es ist glaubhaft gemacht, dass die Funktionalitäten "Aufhebung der Regionalbeschränkung" und "Ermöglichung des Abspielens von Homebrew", für die es einen begrenzten legalen Anwendungsbereich geben kann, technisch unabhängig von der Funktionalität "Umgehung des Kopierschutzes" zu sehen sind. Das Hinzufügen der weiteren, legalen Funktionalitäten führt daher nicht aus dem Anwendungsbereich des § 69 f Abs. 2 UrhG heraus.
Ob und inwieweit sich der hiernach bestehende Vernichtungsanspruch gem. §§ 69 f Abs. 2, Abs. 1, 101 Abs. 2 Nr. 2 UrhG nur auf ausscheidbare Teile des Modchips bzw. auf eine Löschung der Funktionalität "Umgehung des Kopierschutzes" bezieht, bedarf im einstweiligen Verfügungsverfahren keiner Entscheidung, da lediglich die einstweilige Verwahrung durch den Gerichtsvollzieher zur Sicherung dieses Anspruchs anzuordnen ist.
2. Der Herausgabeantrag ist durch seine bloße Vollziehung auch nicht gegenstandlos geworden. Denn die diesbezügliche Anordnung der Kammer in der einstweiligen Verfügung vom 14.09.2007 bildet auch nach ihrem Vollzug die Grundlage für den weiteren Gewahrsam des Gerichtsvollziehers an den beschlagnahmten Gegenständen. Ohne den Fortbestand der Anordnung wäre dieser zur Rückgabe der Gegenstände an die Antragsgegnerin verpflichtet.
B.
Ein Verfügungsgrund besteht ebenfalls, §§ 935, 940 ZPO.
Die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, dass ihnen durch den Vertrieb der streitgegenständlichen Modchips für die Playstation 2, die auch weiterhin rege nachgefragt wird, laufend große Schäden entstehen. Sie haben somit ein erhebliches Interesse daran, die rechtswidrige Vervielfältigung von Spielen zu unterbinden, d. h. gegen den Vertrieb der Modchips vorzugehen.
Der Antrag wurde auch rechtzeitig innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Verletzung gestellt. Insoweit haben die Antragstellerinnen glaubhaft gemacht, dass sie erstmals am 8.8.2007 konkrete Kenntnis davon hatten, dass auch die Antragsgegnerin mit derartigen Modchips handelt. Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht nicht (vgl. Harte/Henning-Retzer, UWG, § 12 Rdn. 310 mwN).
Eine etwaige frühere Kenntnis der Fa. ... und ... GmbH ist den Antragstellerinnen nicht zuzurechnen, da die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass dieses Unternehmen von den Antragstellerinnen mit der Feststellung und Verfolgung von Rechtsverletzungen auf dem Gebiet der Modchips beauftragt war (vgl. Harte/Henning-Retzer, UWG, § 12 Rdn. 314 mwN).
Der von der Antragsgegnerin wegen der Ausgestaltung des Gehäuses der Playstation 2 erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs greift nicht durch. Denn insoweit hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerinnen durch die Umgestaltung der Gehäuse den Einbau von illegalen Modchips erleichtern wollten. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
C.
I. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
II. Der Streitwert wurde bereits in der einstweiligen Verfügung festgesetzt. Der zurückgenommene Auskunftsantrag wurde dabei mit Euro 30.000,€ der Unterlassungsantrag mit Euro 450.000,€ und der Herausgabeantrag mit Euro 20.000,€ bewertet. Für eine Abänderung von Amts wegen besteht keine Veranlassung. Insoweit war nicht auf die geringen Umsätze abzustellen, die die Antragsgegnerin möglicher Weise mit dem Vertrieb der Modchips erzielt, sondern auf das Unterlassungsinteresse der Antragstellerinnen. Da diese mit der Playstation sowie den dazu gehörigen Spielen ganz erhebliche Umsätze erzielen, die durch die weitergehende Verbreitung der Modchips, insbesondere über Internet, gefährdet werden, ist dieses Interesse nicht zu gering einzuschätzen.
LG München I:
Urteil v. 13.03.2008
Az: 7 O 16829/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/11ee32e3cb32/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_13-Maerz-2008_Az_7-O-16829-07