Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 6. Juni 2002
Aktenzeichen: 6 U 199/01
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 06.06.2002, Az.: 6 U 199/01)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.07.2001 verkündeteUrteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurtam Main abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeldbis 250.000,-- €€ ersatzweise Ordnungshaft,oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrenGeschäftsführern, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zuunterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für denTarif €T-ISDN xxl€ mit der Aussage
€Mit dem T-ISN xxl-Tarif können Sie Weihnachten für 0Pfennig telefonieren€
zu werben oder werben zu lassen,
ohne dabei auf den monatlichen Grundpreis in Höhe von 59,90 DMund/oder das beim Wechsel vom vorhandenen Telefonanschluss - T-Net200/300- sowie von Universalanschlüssen bei Selbstmontageanfallende Bereitstellungsentgelt in Höhe von 100,86 DM und/oderdie Mindestvertragslaufzeit von einem Monat hinzuweisen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung inHöhe von 280.000,-- € abwenden, wenn die Klägerin nicht vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschwer der Beklagten: 255.645,94 €.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Telekommunikationsunternehmen, das u.a. Telefonleistungen im Festnetz anbietet. Die Beklagte ist mit einem Anteil von jeweils 90% Mehrheitsgesellschafterin der Unternehmen der €-Gruppe; die einzelnen Verkaufsmärkte der Gruppe, in denen u.a. Geräte der Telekommunikationstechnik vertrieben werden, werden von rechtlich selbständigen Gesellschaften betrieben.
Am 14.12.2000 wurde über den Rundfunksender A ein Werbespot für den €€€ verbreitet in dem es u.a. hieß, mit dem T-ISDN xxl-Tarif könne Weihnachten für 0 Pfennig telefoniert werden; wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K 6 (Bl. 23 d. A.) überreichten Text des Werbespots Bezug genommen. Der Spot war - wie der Anwalt der Beklagten in der Berufungsverhandlung vorgetragen hat - von einem der in Stadt1 ansässigen €€€ in Auftrag gegeben worden und sollte für die im Stadt1 Raum ansässigen €€€ werben.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Werbespot sei irreführend (§ 3 UWG) und verstoße gegen die Preisangabenverordnung, weil in der Werbung die weiteren, im Klageantrag aufgeführten, Preisbestandteile des Tarifs €T-ISDN xxl€ verschwiegen würden. Die Beklagte sei für den Wettbewerbsverstoß passiv legitimiert, da sie die Geschäftstätigkeit aller Verkaufsmärkte der € Gruppe zentral steuere; hierzu hat sie sich insbesondere auf den Artikel €€€ in der B vom 29.03.2001 (Anlage K 9, Bl. 77 d. A.) bezogen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines bei jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen und insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Tarif:
€T-ISDN xxl€
mit der Aussage:
€Mit dem T-ISDN xxl-Tarif können Sie Weihnachten für 0 Pfennig telefonieren€
zu werben/oder werben zu lassen,
ohne dabei auf den monatlichen Grundpreis in Höhe von 59,90 DM und/oder das beim Wechsel vom vorhandenen Telefonanschluss - T-Net 200/300 - sowie von Universalanschlüssen bei Selbstmontage anfallende Bereitstellungsentgelt in Höhe von 100,86 DM und/oder die Mindestvertragslaufzeit von 1 Monat hinzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, als reine Vermögensverwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft vermarkte sie keine Telekommunikationsleistungen und habe auch den beanstandeten Werbespot weder in Auftrag gegeben noch in irgendeiner Form veranlasst. Im vorliegenden Rechtsstreit sei es nicht ihre Aufgabe, zu Interna ihrer Unternehmensgruppe vorzutragen.
Mit Urteil vom 06.07.2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich des bestimmenden Einflusses der Beklagten auf die Geschäftstätigkeit der €€€-Märkte bezieht sie sich ergänzend auf ein Rundschreiben der Beklagten an alle Geschäftsführer vom 18.09.1997 (Anlage BK 4, Bl. 198 ff. d. A.).
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte gemäß dem Antrag aus der Klageschrift zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte stellt die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 26.04.2001 - 315 O 1004/00, Bl. 109 ff. d. A.) in Abrede. Im übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen zur fehlenden Passivlegitimation. Sie trägt vor, sie verfüge als reine Holdinggesellschaft lediglich über sieben Gesellschafter, jedoch kein weiteres Personal. Sie bestreite den gesamten Inhalt des Artikels in der B vom 29.03.2001. Die Beklagte sei grundsätzlich mit den Werbemaßnahmen der €€€ -Märkte nicht befasst und werbe grundsätzlich nicht selber. Soweit überregionale Gemeinschaftswerbung für mehrere Märkte betrieben werde, beruhe dies auf Entscheidungen von Gruppensprechern, die jeweils 10 bis 20 Märkte repräsentierten; dieser Entscheidungsprozess weise basisdemokratische Züge auf.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Die Akten des vorausgegangenen Eilverfahrens (Landgericht Frankfurt am Main 3/11 O 1/01; OLG Frankfurt am Main 6 U 79/01) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG in Verbindung mit § 1 PrAngVO zu, da die beanstandete Werbung mit den Anforderungen des § 1 Abs. 2 PrAngVO unvereinbar ist und sich die Beklagte mit dem - ihr nach § 13 Abs. 4 UWG zuzurechnenden - Verstoß gegen diese Vorschrift zugleich einen ungerechtfertigten Vorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft.
1. Die Aussage €Mit dem T-ISDN xxl-Tarif können Sie Weihnachten für 0 Pfennig telefonieren€ in dem beanstandeten Rundfunkspot stellt eine Werbung mit Preisen gegenüber Letztverbrauchern im Sinne von § 1 Abs. 1 PrAngVO dar. Unter diesen Begriff fällt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. bereits Urteil vom 12.07.2001 - 6 U 38/01 = GRUR-RR 2002,113) auch eine Werbung, die - wie hier - einen einzelnen Preisbestandteil einer Leistung als kostenlos hervorhebt. In der Werbung hätten daher gemäß § 1 Abs. 2 PrAngVO auch die durch einen €T-ISDN xxl€-Anschluss verursachten gesprächsunabhängigen Kosten angegeben werden müssen. Gegen diese vom erkennenden Senat bereits im vorausgegangenen Eilverfahren (Urteil vom 13.09.2001 - 6 U 79/01; OLG Report Frankfurt 2001, 331) vorgenommene Beurteilung hat die Beklagte keine konkreten Einwände erhoben; ihr Hinweis auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.04.2001 (315 O 1004/00) ist zur Rechtsverteidigung schon deswegen ungeeignet, weil sich diese Entscheidung mit dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung nicht befasst.
2. Die Beklagte hat für den begangenen Wettbewerbsverstoß einzustehen. Auch wenn der Werbespot - wie die Beklagte behauptet - von einem in Stadt1 ansässigen, rechtlich selbständigen €€€ ohne Wissen der Beklagten in Auftrag gegeben worden ist, haftet die Beklagte als Muttergesellschaft dieses €€€ gemäß § 13 Abs. 4 UWG für das wettbewerbswidrige Verhalten derjenigen Organe oder Beschäftigten dieses Marktes, die die Werbung veranlasst haben. An dieser, ebenfalls bereits im vorausgegangenen Eilverfahren dargelegten Auffassung (ähnlich inzwischen OLG München WRP 2002, 358) hält der erkennende Senat auch im Hinblick darauf fest, dass das OLG Hamburg im parallel geführten Verfahren über die negative Feststellungsklage der Beklagten im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO diese Frage abweichend beurteilt hat (Beschluss vom 20.12.2001 - 3 U 212/01, Bl. 249 ff. d. A.).
Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten ist, dass die einzelnen, €€€ Unter-nehmen ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Selbständigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. WRP 95, 696, 697 ff. - Franchise-Nehmer) in einen einzigen von der Beklagten geleiteten Betriebsorganismus eingegliedert sind. Dies ist zu bejahen, wenn der Erfolg des Handelns der einzelnen Märkte der Beklagten zugute kommt und der Beklagten ein bestimmender Einfluss (auch) auf die Werbetätigkeit der Märkte eingeräumt ist. Dafür reicht es aus, dass die Beklagte einen solchen Einfluss ausüben kann; unerheblich ist dagegen, ob sie ihn tatsächlich ausübt (vgl. BGH a.a.O., Seite 698). Eine Haftung der Beklagten nach § 13 Abs. 4 UWG setzt daher nicht voraus, dass sie die streitgegenständliche Werbung veranlasst oder auch nur von ihr gewusst hat (insofern anderer Auffassung OLG Hamburg a.a.O.). Der Betriebsinhaber haftet nach dieser Vorschrift auch und gerade darin, wenn der Wettbewerbsverstoß ohne oder sogar gegen seinen Willen geschieht (vgl. BGH a.a.O.).
Im vorliegenden Fall lassen nach Auffassung des erkennenden Senats hinreichende Anhaltspunkte den Schluss darauf zu, dass die €€€-Unternehmen einen von der Beklagten geleiteten Betriebsorganismus im oben genannten Sinn bilden.
Wie allgemeinkundig ist, treten jedenfalls alle €€€ sowohl in ihrer bundesweiten Werbung als auch in der Aufmachung der Verkaufsmärkte derart geschlossen auf, dass der Verkehr diese Märkte als Verkaufsstellen eines einzigen Unternehmens €€€ versteht. Schon dies lässt den Schluss darauf zu, dass es eine zentrale Leitungsstelle geben muss, die die Geschäftspolitik einschließlich der Werbung koordiniert, da andernfalls ein solch geschlossenes Auftreten gar nicht möglich wäre. Da die Beklagte jeweils 90% der Anteile an den einzelnen Konzernunternehmen besitzt, spricht bereits eine Vermutung dafür, dass sie es ist, die diese Leitungsfunktion ausübt oder die Leitung überwacht.
Diese Vermutung wird nachdrücklich bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Rundschreiben der Beklagten an €alle €. Geschäftsführer€ vom 18.03.1997 nebst €Grundsätzlichen Verhaltensregeln bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen von Konkurrenzunternehmen€ vom 21 03.1997. Aus diesen Anweisungen ist - auch wenn sie einen anderen Zusammenhang betreffen - zu entnehmen, dass die Beklagte im Bedarfsfall die geschäftlichen Aktivitäten aller Unternehmen der € Gruppe bis in die Einzelheiten bestimmt und koordiniert. Den Märkten wird in diesen Schriftstücken detailliert vorgeschrieben, dass und in welcher Weise auf in Zukunft festzustellende Wettbewerbsverstöße der Konkurrenz einheitlich und unter Einschaltung eines bestimmten Rechtsanwalts zu reagieren ist. Dadurch wird belegt, dass die Funktion der Beklagten über diejenige einer reinen Holding-Gesellschaft weit hinausgeht. Die Beklagte hat nicht nur die Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit der einzelnen Märkte durch Weisungen zu steuern; sie macht von dieser Möglichkeit vielmehr auch tatsächlich Gebrauch:
Die Beklagte hat auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren nichts dazu vorgetragen, dass sich die Aufgabenverteilung und die Arbeitsweise in ihrem Konzern etwa seit Versendung des genannten Rundschreibens grundlegend geändert hätte. Im Gegenteil unterstreicht der von der Klägerin vorgelegte Artikel aus der B vom 29.03.2001 weiterhin die umfassende Führungsrolle, die der Beklagten in ihrem Konzern nach wie vor zukommt. In dem Artikel wird dargestellt, wie der als €€.€ bezeichnete Mitgeschäftsführer € der Beklagten die gesamte Geschäftspolitik der Unternehmensgruppe bestimmt. Dass der Inhalt des Berichts etwa völlig an der Wirklichkeit vorbeigehe, hat die Beklagte nicht behauptet. Das pauschale Bestreiten des Inhalts des Artikels durch die Beklagte reicht insoweit nicht aus.
Weiter kann unterstellt werden, dass die einzelnen Märkte der Unternehmensgruppe der Beklagten über ihre Gemeinschaftswerbung in der Regel in der von der Beklagten behaupteten €basisdemokratischen€ Weise beschließen. Das ändert nichts daran, dass die Beklagte aufgrund ihrer allgemeinen Direktionsmöglichkeiten auch diese Werbung beeinflussen kann und wird, wenn ihr dies geboten erscheint.
Unter den genannten Umständen muss eine Haftung der Beklagten für wettbewerbswidrige Werbung, die Organe oder Beschäftigte der zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Verkaufsmärkte veranlasst haben, zumindest dann bejaht werden, wenn die Werbung nicht auf einen bestimmten Verkaufsmarkt bezogen ist, sondern sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer Verbreitung Werbewirkung für mehrere Märkte entfaltet. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall unabhängig davon erfüllt, in welchen Regionen der Radiosender A konkret zu empfangen ist; denn unstreitig umfasst das Sendegebiet jedenfalls weite Gebiete Norddeutschlands, in denen sich eine Vielzahl von, €€€ befinden. Wollte man bei der vorliegenden Sachlage eine Haftung der Beklagten nach § 13 Abs. 4 UWG verneinen, würde im übrigen Dritten die wirksame Verfolgung vergleichbarer Weilbewerbsverstöße erheblich erschwert, da einer Werbung der streitgegenständlichen Art nie zu entnehmen ist, welches Konzern-unternehmen den Werbespot veranlasst hat.
3. Die Befugnis der Klägerin zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ergibt sich daraus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und die Beklagte durch den Wettbewerbsverstoß daher unmittelbar betroffen ist (vgl. BGH WRP 98, 973 - Fotovergrößerungen).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofs noch nicht abschließend geklärten Frage, unter welchen Voraussetzungen die Muttergesellschaft eines Konzerns für das wettbewerbswidrige Verhalten der Organe bzw. Mitarbeiter ihrer Tochtergesellschaften haftet, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO n.F.); im übrigen erscheint im Hinblick auf die abweichende Beurteilung dieser Frage durch das OLG Hamburg einerseits und das OLG München sowie den erkennenden Senat andererseits die Zulassung der Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2, 2. Alternative ZPO n.F.).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 06.06.2002
Az: 6 U 199/01
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