Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. April 1998
Aktenzeichen: 6 U 185/97
(OLG Köln: Urteil v. 29.04.1998, Az.: 6 U 185/97)
1. Die Werbebehauptung eines Arzneimittelherstellers, sein neuer Lipidsenker könne "aufgrund seiner Effektivität um mindestens 25fach niedriger dosiert werden als andere Substanzen dieser Wirkstoffgruppe" ruft bei einem nicht nur unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Vorstellungen in Bezug auf die Wirksamkeit des so beworbenen Arzneimittels hervor. Eine solche Aussage ist relevant irreführend, wenn die behauptete "Effektivität" nur dosis- bzw. konzentrationsbezogen ist, also nur die -relative- Wirkstärke des Arzneimittels und nicht seine -absolute- klinische Wirksamkeit werblich angesprochen werden soll. 2. Zur Haftung von Presseinformanten.
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 21. Oktober 1997 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 536/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache
keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die im
Beschlußweg ergangene einstweilige Verfügung bestätigt, mit welcher
die im Streitfall beanstandete, in dem Beitrag "Neuer Lipidsenker
ist in sehr geringer Dosierung wirksam" der Àrzte Zeitung vom
20./21. 06. 1997 enthaltene Aussage
"...kann der neue Lipidsenker aufgrund seiner
hohen Effektivität um mindestens 25fach niedriger
dosiert werden als andere Substanzen dieser Wirk-
stoffgruppe..."
betreffend das Arzneimittel Lipobay/Cerivastatin der
Antragsgegnerin verboten wurde. Denn diese Aussage erweist sich
auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der
Antragsgegnerin in einer dieser haftungsbegründend zurechenbaren
Weise als irreführend im Sinne von § 3 UWG.
Die Antragstellerin hat nicht nur die Voraussetzungen des
genannten Irreführungstatbestands selbst in einer für die
Aufrechterhaltung des in der einstweiligen Verfügung
ausgesprochenen Verbots ausreichenden Weise glaubhaft gemacht,
sondern ihr ist dies darüber hinaus auch hinsichtlich der
Voraussetzungen der wettbewerblichen Haftung der Antragsgegnerin
für diese Irreführung gelungen.
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß die vorstehende
Aussage geeignet ist, zumindest einen nicht unerheblichen Teil des
angesprochenen Verkehrs wettbewerblich relevant über die
Eigenschaft des von der Antragsgegnerin unter dem Handelsnamen
Lipobay in den Verkehr gebrachten Lipidsenkers Cerivastatin in die
Irre zu führen. Denn die in dem Pressebeitrag in bezug auf das
erwähnte Arzneimittel ausgelobte "hohe Effektivität" dieses "neuen
Lipidsenkers" der Antragsgegnerin kann aus der Sicht eines Teils
der Leser als Aussage über die hohe Wirksamkeit des Produkts, also
dessen Fähigkeit, den Serumspiegel des LDL-Cholesterins abzusenken,
verstanden werden. Diesem Verständnis stehen dabei auch nicht die
weiter im Titel und im ersten Absatz des Pressebeitrags enthaltenen
Ausführungen entgegen, wonach der Lipidsenker bereits in "sehr
geringer Dosierung" wirksam sei. Eine Klarstellung des Inhalts, daß
auch die schließlich angesprochene hohe Effektivität des
Lipidsenkers nur dosis- bzw. konzentrationsbezogen, also in dem
Sinne zu verstehen sei, daß das Mittel im Verhältnis zur
Konzentration bzw. Dosis des pharmazeutischen Wirkstoffs, mithin
relativ effektiv sei, leisten diese Aussagen nicht. Denn da die
Werte, um die das Arzneimittel die LDL-Cholesterinwerte maximal
absenken kann, nicht ebenfalls genannt werden, und auch die
Antragsgegnerin nicht behauptet, daß die absoluten Senkungswerte
der konkurrierenden Präparate jedenfalls dem ganz überwiegenden
Teil der Leser der Àrzte Zeitung präsent sind, vermag der Verkehr
dem Hinweis auf die "Wirksamkeit in sehr geringer Dosierung" eine
solche Einschränkung nicht zu entnehmen. In dem Presse-Artikel
selbst ist dabei auch nur die Rede von einer Senkung des
Serumspiegels " um fast 30 Prozent". Daß es sich dabei um den
Maximalwert handele, geht daraus nicht hervor. Der Hinweis auf die
Wirksamkeit bereits in geringer Dosierung fügt sich daher nahtlos
in die Aussage betreffend die hohe Effektivität des Produkts dahin
ein, daß es sich insgesamt um ein sehr wirksames Arzneimittel
handele, welches schon in gering dosierten Gaben eine hohe
Absenkung des Serumspiegels des LDL-Cholesterins herbeiführe.
Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber einwendet, die von dem
Pressebeitrag angesprochenen medizinischen Fachkreise verstünden
den Hinweis auf die hohe Effektivität des Lipidsenkers
ausschließlich als Aussage über die - dosierungsbezogene - relative
Wirkstärke des Arzneistoffs und nicht als Aussage über dessen -
absolute - klinische Wirksamkeit (Bl. 111/ 112 d. A.), rechtfertigt
das keine abweichende Beurteilung. Denn gerade wenn - wie die
Antragsgegnerin das im vorliegenden Zusammenhang behauptet - den
medizinischen Fachleuten der grundsätzliche Unterschied zwischen
"Wirkungsstärke ( Potenz )" einerseits und "Wirksamkeit"
andererseits geläufig ist, ist die in Verbindung mit der
Formulierung " ..in sehr geringer Dosierung wirksam" wahrgenommene
beanstandete Aussage " aufgrund seiner hohen Effektivität..."
geeignet, zu Mißverständnissen zu führen. Unabhängig davon aber hat
der Senat in den Entscheidungsgründen des unter dem heutigen Datum
verkündeten Urteils in der zwischen den nämlichen Parteien
anhängigen Parallelsache 6 U 158/97 ( 31 O 460/97 LG Köln ), auf
welche sich die Antragstellerin ausdrücklich bezogen hat ( Bl. 138
d. A. ) und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war,
ausgeführt, daß auch innerhalb der medizinischen Fachkreise nicht
von einem einheitlichen Sprachverständnis betreffend die von der
Antragsgegnerin mit "Wirkungstärke" gleichgesetzten "Potenz" eines
Arzneimittels ausgegangen werden kann. Auf diese Darstellungen in
den Entscheidungsgründen des genannten Urteils in der erwähnten
Parallelsache nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug ( § 543 Abs. 1 ZPO ; BGH WPM 1991, 789 und 1005 m. w. N.
).
Daß es sich bei dem infolgedessen jedenfalls bei einem nicht
unerheblichen Teil des von der Publikation angesprochenen Verkehrs
zugrundezulegenden Eindruck betreffend die hohe Effektivität des
Lipidsenkers Cerivastatin/Lipobay um eine mit den tatsächlichen
Verhältnissen nicht übereinstimmende Fehlvorstellung handelt, kann
dabei keinem Zweifel unterliegen. Denn unstreitig senkt das Produkt
der Antragsgegnerin die LDL-Cholesterinwerte nur um bis zu 30
Prozent ab, was aber deutlich hinter der von anderen Lipidsenkern
erzielbaren Reduktion um 60 Prozent zurückbleibt.
Die Antragsgegnerin haftet dabei auch für die von dem
Pressebeitrag nach alledem ausgehende, sich nach Maßgabe von § 3
UWG als unzulässig erweisende Irreführung. Denn diese Irreführung
geht u. a. auf die zu Wettbewerbszwecken erfolgte eigene
Presseinformation "Neuer Cholesterinsenker wirkt stark bei
niedrigster Dosierung" der Antragsgegnerin zurück ( vgl. BGH GRUR
1997, 541/543; BGH GRUR 1996, 98/100; Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 338 Einl. UWG m. w. N. ). Daß
die Antragsgegnerin bei ihrer Presseinformation überhaupt in
Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist dabei angesichts des Umstands
zu vermuten, daß sie zweifelsohne mit der Verwertung und
Veröffentlichung ihrer Erklärungen in den Pressemedien rechnete,
mit denen wiederum ein erheblicher Werbewert für das betroffene
Produkt Lipobay/Cerivastatin verbunden war( vgl.
Baumbach/Hefermehl, a. a. O. ).Die Presseinformatuion der
Antragsgegnerin selbst war weiter auch geeignet, eben die sich in
dem Pressebeitrag wiederfindende irreführende Aussage betreffend
die "hohe Effektivität" des Lipidsenkers hervorzurufen. Denn die
Antragsgegnerin erwähnt in der Presse-Information zwar, daß das
Medikament , verglichen mit anderen bisher verfügbaren
Cholesterinsenkern, niedriger dosiert werden kann. Bereits wegen
dieses Hinweises auf " andere bisher verfügbare Lipidsenker" wird
aber ein Bezug zu deren Wirkung hergestellt, was wiederum - bei
erheblich niedrigerer Dosierung - eine vergleichbare absolute
Wirksamkeit des Lipidsenkers der Antragsgegnerin suggeriert. Hinzu
kommt, daß auch im übrigen nur von der Senkung bzw.
"durchschnittlichen Senkung" des LDL-Cholesterinspiegels " um 30
Prozent" die Rede ist, was - entgegen der Auffassung der
Antragsgegnerin - dem Verständnis einer mit konkurrierenden
Lipidsenkern vergleichbaren absoluten Wirksamkeit nicht
entgegensteht. Denn gerade der von der Antragsgegnerin verwendete
Begriff "durchschnittliche" Senkung suggeriert, daß auch höhere
Senkungsraten zu erreichen sind. Daß die somit bereits ihrem Inhalt
nach mißverständliche Presseinformation der Antragsgegnerin auch
der beanstandeten Aussage des Pressebeitrags zugrundeliegt, kann
ohne weiteres festgestellt werden. Unabhängig davon, daß nach der
von der Antragsgegnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung
der Verfasserin des Pressebeitrags (Bl. 40 d. A.) überhaupt der
Text der Presse-Information als Informationsquelle herangezogen
worden ist, beruht auch gerade die hier in Rede stehende Aussage
auf dieser Informationsquelle. Dies belegt der die beanstandete
Aussage enthaltende Abschnitt des Pressebeitrags selbst, wonach die
angegriffene Textpassage betreffend die " hohe Effektivität" des
Lipidsenkers gerade "nach den Angaben des Unternehmens" getroffen
worden sei.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig ( § 545 Abs.
2 ZPO ).
OLG Köln:
Urteil v. 29.04.1998
Az: 6 U 185/97
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/123e2b252a58/OLG-Koeln_Urteil_vom_29-April-1998_Az_6-U-185-97