Verwaltungsgericht Minden:
Urteil vom 21. März 2002
Aktenzeichen: 9 K 126/01
(VG Minden: Urteil v. 21.03.2002, Az.: 9 K 126/01)
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 16.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2000 wird insoweit aufgehoben, als gegen die Klägerin eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.000,00 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheits- leistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Zustimmung des Beklagten zur Verlegung von Telekommunikationslinien in dessen Gemeindegebiet.
Mit Zustimmung des Beklagten vom 16.05.2000 verlegte die Klägerin im Bereich der Unteren R. straß in H. eine Telekommunikationlinie. Zugleich setzte der Beklagte für die Erteilung der Zustimmung nach § 50 Telekommunikationsgesetz - TKG - eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.000,00 DM fest. Die rückwirkende Änderung des Gebührentarifs zur Verwaltungsgebührensatzung zum 01.04.1999 wurde in der Ratssitzung vom 01.10.1999 einstimmig beschlossen und am 24.12.1999 öffentlich bekannt gemacht.
Gegen den Gebührenbescheid legte die Klägerin am 15.06.2000 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.12.2000 zurückgewiesen wurde.
Am 15.01.2001 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus: Der Bund sei gemäß § 50 Abs. 1 TKG grundsätzlich dazu befugt, die Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, so dass die Gebühr als eine versteckte Nutzungsgebühr unzulässig sei. Die Gebühr sei rechtswidrig, weil die pauschal vorgenommene Bestimmung der Gebühr nach der Kabellänge keine sachgerechte Ausübung des Gebührenermessens darstelle. Eine solche Festlegung der Gebührensätze werde den unterschiedlichen Lebenssachverhalten nicht gerecht, wonach eine sehr kurze Telekommunikationslinie in einem städtischen Ballungsraum einen höheren Prüfaufwand verursache als die Prüfung einer sehr langen Telekommunikationslinie in einem Neubaugebiet. Den wirtschaftlichen Nutzen der Zustimmung für die Klägerin könne der Beklagte nicht berücksichtigen, da dies der Unentgeltlichkeit des Nutzungsrechtes gemäß § 50 Abs. 1 TKG widerspreche. Für die Gebührenbemessung sei im vorliegenden Fall allein vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand auszugehen, der nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung festzulegen sei. Auch wenn die Durchführung einer Trassenbegehung unterstellt werde, seien die Gebühren immer noch unverhältnismäßig. Dies zeige auch der Musterrahmenvertrag, der zwischen der Klägerin und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände abgestimmt worden sei. Dort sei in § 7 Abs. 5 lediglich eine Verwaltungsgebühr von 150,00 bis 250,00 DM vorgesehen. Der Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 16.05.2000 und den Widerspruchsbescheid vom 07.12.2000 insoweit aufzuheben, als gegen die Klägerin für die Zustimmung zur Verlegung der Telekommunikationslinie in der Unteren R. straße in H. eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 1.000,00 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er habe nämlich keine nach dem TKG unzulässige Benutzungsgebühr, sondern eine zulässige Verwaltungsgebühr auf der Grundlage des § 5 KAG erhoben. Denn die in Frage stehende Gebühr knüpfe an die Selbstverwaltung der Gemeinden auf Grund des § 47 Abs. 1 StrWG NRW an. Die Zulässigkeit einer Pauschalierung bei der Gebührenfestsetzung ergebe sich bereits aus § 8 Abs. 4 Satz 2 KAG und sei in der Rechtsprechung anerkannt, weil dies häufig dem Grundsatz der gebührenrechtlichen Gleichheit besser gerecht werde, als die Verwendung von Ermessenstatbeständen. Die Gebühr sei auch nicht willkürlich, da sie nicht gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip verstoße, mithin weder eine abschreckende Wirkung habe, noch nennenswerte Kostenfaktoren darstelle. In direktem Zusammenhang mit dem durch die Zustimmungserklärung verursachten Verwaltungsaufwand stehe die Trassenbegehung, die je nach Länge der Trasse einschließlich der Vorbereitung, vorheriger Besichtigung, Fahrtkosten und Büroarbeiten ein Zeitaufwand von 2 bis 3 Stunden verursache. Der Beklagte habe aber nicht nur die Sach- und Personalkosten für die einzelne Amtshandlung, sondern auch die anteiligen Gesamtkosten für das Bereithalten des Verwaltungsapparates im Rahmen des verursachten Verwaltungsaufwandes zu berücksichtigen. Dabei sei insbesondere auch der wirtschaftliche Nutzen der Zustimmungserklärung für die Klägerin in Betracht zu ziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Die Gebührenfestsetzung des Beklagten vom 16.05.2000 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Hinsichtlich der Gebührenerhebung kommen die §§ 1,2,4 und 5 Kommunalabgabengesetz NRW - KAG NRW - i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verwaltungsgebührensatzung der Gemeinde H. vom 04.01.1996 und der Tarifnummer 8 c) der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung der Gemeinde H. , zuletzt am 01.10.1999 rückwirkend zum 01.04.1999 geändert, als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht, da die Tarifstelle 8 c) der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung unwirksam ist. Danach werden für die Zustimmung zur Verlegung von Telekommunikationslinien nach § 50 Abs. 3 TKG bei größeren Baumaßnahmen über 50 m Trassenlänge, 1,50 DM/lfdm, max. jedoch 1.000,00 DM erhoben.
Vorliegend kann offen bleiben, ob wegen der Rückwirkung der Gebührensatzung des Beklagten ein Verstoß gegen den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes gegeben ist. Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 24.06.1998 - 9 2976/97 -; und vom 06.12.2000 - 9 A 2228/97 -.
Jedenfalls verstößt die Tarifstelle 8 c) der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip. Als besondere Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besagt es, dass die Gebühr nicht in einem gröblichen Missverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf.
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 11 C 12.95 -, NVwZ-RR 1997, 648 ff.; Urteil vom 03.03.1994 - 4 C 1.93 -, BVerwGE 95, 188 ff; Urteil vom 14.04.1967 - IV C 179.65 -, BVerwGE 26, 305 ff; OVG NRW, Urteil vom 06.12.2001 - 9 A 596/01 -; Dahmen in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Loseblatt Stand September 2001, § 4, Rdnr. 48.
Dementsprechend sieht § 4 Abs. 2 KAG NRW vor, dass eine Gebühr die (angemessene) Gegenleistung für eine besondere Leistung - Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit - der Verwaltung ist. Ist die Gebühr eine Gegenleistung folgt daraus, dass ihre Höhe grundsätzlich von Art und Umfang der besonderen Leistung der Behörde abhängt. Damit schränkt das Äquivalenzprinzip den ansonsten weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers - hier des Satzungsgebers - insoweit ein, als dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigende Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen andererseits ein angemessenes Verhältnis bestehen muss.
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 24.03.1961 - 7 C 109.60 -; OVG NRW, Urteil vom 23.08.2001 - 9 A 201/99 - und vom 22.09.1992 - 9 A 1932/90 -; Dahmen in Driehaus, a.a.O., § 4, Rdnr. 52 m.w.N. Stehen die Bemessungkriterien des Verwaltungsaufwandes, der Bedeutung, des wirtschaftlichen Wert und des sonstigen Nutzens grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander, so kann hier gleichwohl nicht auf die Bedeutung und auf den wirtschaftlichen Wert der Zustimmungserklärung für die Klägerin abgestellt werden. Denn § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG sieht vor, dass der Bund befugt ist, Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird. Gemäß Absatz 2 wird das unentgeltliche Nutzungsrecht vom Bund auf die Lizenznehmer - wie hier die Klägerin - nach § 6 Abs. 1 TKG übertragen. Durch diese in § 50 Abs. 1 TKG normierte Grundentscheidung des Gesetzgebers für eine Unentgeltlichkeit wird gewährleistet, dass die Bevölkerung im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend mit einem ausreichenden und angemessenen Dienstleistungsangebot zu einem erschwinglichen Preis versorgt wird (vgl. Art. 87 ff des Grundgesetzes - GG -). Die Bemessung der Gebühr nach der Länge der Telekommunikationslinie verteuert hingegen für die Lizenznehmer den Infrastrukturausbau in ländlichen Gebieten im Vergleich zu den städtischen Ballungsräumen und macht ihn damit wenig attraktiv.
Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 07.05.2001 - 6 B 55.00 -; Bay VGH, Urteil vom 25.07.2000 - 8 B 99.3497 -; VG Regensburg, Urteil vom 02.07.1998 - RO 12 K 98.672 -; BT-Drs. 13/4438, S. 36.
Dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit widerspricht es, wenn der Wegeunterhaltspflichtige über die Erhebung von Verwaltungsgebühren den Wert der Telekommunikationslinie für den Nutzungsberechtigten abschöpft. Ist die Gebühr für die Zustimmungserklärung gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG daher allein nach dem verursachten Verwaltungsaufwand zu bemessen, so ist die Länge der zu verlegenden Telekommunikationslinie als Kriterium hierfür ungeeignet. Zwar ist eine Schematisierung, die die Gebührenbelastung nach festen Tatbestände und Gebührensätzen unter Ausschaltung des behördlichen Ermessens bestimmt, grundsätzlich zulässig.
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 14.04.1967, a.a.O; OVG NRW, Urteil vom 22.09.1992, a.a.O.
Die Prüfung einer sehr kurzen Telekommunikationslinie in einem städtischen Ballungsraum kann hingegen einen mehrfach höheren Verwaltungsaufwand verursachen als die Verlegung eines Kabels in einem Neubaugebiet. Mithin ist nicht pauschal feststellbar, dass der verursachte Verwaltungsaufwand für eine Zustimmungserklärung linear mit der Länge der zu verlegenden Kabeltrasse zunimmt, so dass der in der Tarifstelle 8 c) der Anlage zur Verwaltungsgebührensatzung normierte Bemessungsmaßstab den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht wird.
Steht der Behörde bei der Schätzung des verursachten Verwaltungsaufwandes ein weiter Beurteilungsspielraum zu,
vgl.: BVerwG, Urteil vom 22.01.1998, a.a.O. und vom 14.04.1967, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20.03.2000 - 2 S 689/99 -,
so stellt sich der vom Beklagten angenommene tatsächliche Verwaltungsaufwand von zwei bis drei Stunden für eine Zustimmungserklärung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG als eine sachgerechte Ermessensausübung dar. Eine Bewertung dieses Verwaltungsaufwandes rechtfertigt unter entsprechender Anwendung der im Runderlass des Innenministerium vom 15.07.1999 V B 5/20 (1.1) (MBl. NRW 1999 S. 1019) herausgegebenen Richtwerte für die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes bei der Festlegung der nach dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen zu erhebenden Verwaltungsgebühren, wonach der anhand der Personal- und Sachkosten berechnete Stundensatz des gehobenen Dienstes 98,00 DM beträgt, jedenfalls keine Gebühr i.H.v. 1.000,00 DM. Dies entspricht auch der Empfehlung des Deutschen Städtetages, der in seinem Mustervertrag über die Benutzung öffentlicher Verkehrswege für Telekommunikationslinien bei Zustimmungen nach § 50 Abs. 3 TKG in § 7 Abs. 5 die Erhebung einer Verwaltungsgebühr von 150,00 bis 250,00 DM für größere Baumaßnahmen empfiehlt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Minden (Königswall 8, 32423 Minden oder Postfach 32 40, 32389 Minden) beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Verwaltungsgericht Minden einzureichen. Der Antrag ist zu stellen durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 1 Sätze 4 bis 7 VwGO wird hingewiesen.
Richterin am VG R. ist urlaubsbedingt ge- hindert zu unterschreiben
S. S. J.
VG Minden:
Urteil v. 21.03.2002
Az: 9 K 126/01
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