Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2010
Aktenzeichen: 15 W (pat) 313/05
(BPatG: Beschluss v. 20.10.2010, Az.: 15 W (pat) 313/05)
Tenor
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten: Patentansprüche 1 bis 12, vorgelegt mit Schriftsatz vom 3. November 2005, eingegangen am 7. November 2005, Beschreibung und Figuren 1 bis 6 in der erteilten Fassung.
Gründe
I.
Auf die am 10. Juni 2002 eingereichte Patentanmeldung 102 25 668.3, welche die Unionspriorität US 09/878 728 vom 11. Juni 2001 in Anspruch nimmt, hat das Deutsche Patentund Markenamt ein Patent mit der Bezeichnung
"Gießen von Motorblöcken"
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 16. September 2004.
Die erteilten, nebengeordneten Patentanspruche 1 und 8 gemäß Streitpatent DE 102 25 668 B4 haben folgenden Wortlaut:
"1. Gießformbaugruppe (10) für Motorblöcke, gekennzeichnet durch einen Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) mit mehreren Zylindermänteln (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b), wobei die Zylindermäntel (14a) jeweils eine Laufbuchse (15) für eine Zylinderbohrung darauf aufweisen und einer oder mehrere der Zylindermäntel (14a) eine Kernmarke (14p) nächst ihrem Distalende aufweisen, und einen Wassermantel-Plattenkern (22) mit einer oder mehreren Kernmarken (22p) jeweils in zusammenwirkender Beziehung mit einer jeweiligen Zylindermantelkernmarke (14p).
8. Verfahren zum Zusammenbauen einer Gießformbaugruppe (10) für Motorblöcke, gekennzeichnet durch die Schritte, bei denen ein Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) mit mehreren Zylindermänteln (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b) geschaffen wird, wobei die Zylindermäntel (14a) jeweils eine Laufbuchse (15) für Zylinderbohrungen darauf aufweisen und einer oder mehrere der Zylindermäntel (15) eine Zylindermantelkernmarke (14p) nächst ihrem Distalende aufweisen, und ein Wassermantel-Plattenkern (22) auf den Zylindermänteln (14a) platziert wird, wobei eine jeweilige Kernmarke (22p) des Plattenkerns (22) mit einer jeweiligen Zylindermantelkernmarke (14p) zusammenwirkt.
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 und Patentanspruch 8 jeweils rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 sowie 9 bis 12 in der erteilten Fassung wird auf die DE 102 25 668 B4 verwiesen.
Gegen das Patent hat die H... GmbH in K..., mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2004, eingegangen per Telefax am 16. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Sie gründet ihren Einspruch auf mangelnde erfinderische Tätigkeit und stützt ihr Vorbringen auf folgende Entgegenhaltung:
D1 DE 198 53 803 C1.
Des Weiteren macht die Einsprechende offenkundige Vorbenutzung der streitpatentgemäßen Erfindung durch ihre Rechtsvorgängerin aus dem Jahre 2000 geltend und verweist hierzu auf Präsentationsunterlagen der V... AG (heute: H... AG):
D2 Präsentationsunterlagen "CPS-Technology", V... AG vom 13. September 2000:
D2a - D2g: Folien 1, 2, 6, 7, 10, 11 und 44 der Präsentationsunterlagen "CPS-Technology".
Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 3. November 2005 widersprochen und beantragt, das Patent in beschränktem Umfang mit den neuen Ansprüchen 1 bis 12, Beschreibung und Figuren in der erteilten Fassung, aufrechtzuerhalten.
Die mit Schriftsatz vom 3. November 2005 vorgelegte neue Anspruchsfassung, eingegangen am 7. November 2005, lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind kursiv dargestellt):
"1. Gießformbaugruppe (10) für Motorblöcke, gekennzeichnet durch einen integralen, einstückig ausgebildeten Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) mit mehreren Zylindermänteln (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b), wobei die Zylindermäntel (14a) jeweils eine Laufbuchse (15) für eine Zylinderbohrung darauf aufweisen und einer oder mehrere der Zylindermäntel (14a) eine Kernmarke (14p) nächst ihrem Distalende aufweisen, und einen Wassermantel-Plattenkern (22) mit einer oder mehreren Kernmarken (22p) jeweils in zusammenwirkender Beziehung mit einer jeweiligen Zylindermantelkernmarke (14p).
2.
Gießformbaugruppe (10) nach Anspruch 1, worin der Wassermantel-Plattenkern (22) eine jeweilige Laufbuchsen (15) positionierende Fläche (22g) nächst seiner jeweiligen Kernmarke (22p) aufweist, um mit einem Endbereich (15g) einer jeweiligen Laufbuchse (15) für eine Zylinderbohrung in Eingriff zu kommen.
3.
Gießformbaugruppe (10) nach Anspruch 1 oder 2, worin ein jeweiliger Zylindermantel (14a) eine Bohrungslaufbuchsen (15) positionierende Fläche (14f) aufweist, um mit einem gegenüberliegenden Endbereich (15f) einer jeweiligen Laufbuchse (15) für Zylinderbohrungen in Eingriff zu kommen.
4.
Gießformbaugruppe (10) nach einem der vorstehenden Ansprüche, worin die Kernmarken (22p) des Wassermantel-Plattenkerns (22) jeweils eine jeweilige Öffnung aufweisen, die eine jeweilige Zylindermantelkernmarke (14p) aufnimmt.
5.
Gießformbaugruppe (10) nach Anspruch 4, worin die Öffnung von der Innenseite zur Außenseite des Wassermantel-Plattenkerns (22) verläuft und worin eine jeweilige Zylindermantelkernmarke (14p) durch eine jeweilige Öffnung von der Innenseite zur Außenseite verläuft.
6.
Gießformbaugruppe (10) nach Anspruch 4 oder 5, worin die Öffnung eine flachseitige polygonale Öffnung umfasst und die Zylindermantelkernmarke (14p) eine flachseitige polygonale Verlängerung umfasst.
7.
Gießformbaugruppe (10) nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie für einen V-Motorblock vorgesehen ist, und dass der Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) erste und zweite Reihen mehrerer Zylindermäntel (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b) aufweist und erste und zweite Wassermantel-Plattenkerne (22) zum Zusammenwirken mit den jeweiligen ersten und zweiten Reihen der Zylindermäntel (14a) vorgesehen sind.
8.
Verfahren zum Zusammenbauen einer Gießformbaugruppe (10) für Motorblöcke, gekennzeichnet durch die Schritte, bei denen ein integraler, einstückig ausgebildeter Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) mit mehreren Zylindermänteln (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b) geschaffen wird, wobei die Zylindermäntel (14a) jeweils eine Laufbuchse (15) für Zylinderbohrungen darauf aufweisen und einer oder mehrere der Zylindermäntel (15) eine Zylindermantelkernmarke (14p) nächst ihrem Distalende aufweisen, und ein Wassermantel-Plattenkern (22) auf den Zylindermänteln (14a) platziert wird, wobei eine jeweilige Kernmarke (22p) des Plattenkerns (22) mit einer jeweiligen Zylindermantelkernmarke (14p) zusammenwirkt.
9.
Verfahren nach Anspruch 8, worin eine jeweilige Zylindermantelkernmarke (14p) in einer jeweiligen Kernmarkenöffnung (22p) des Wassermantel-Plattenkerns (22) aufgenommen wird.
10.
Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, einschließend ein Zusammenpassen einer flachen Seite (S) einer jeweiligen Zylindermantelkernmarke (14p) mit einer flachen Seite (S) einer jeweiligen Kernmarke (22p) des Wassermantel-Plattenkerns (22).
11.
Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 10, einschließend ein Positionieren einer jeweiligen Bohrungslaufbuchse (15) auf einem jeweiligen Zylindermantel (14a), indem ein Endbereich (15g) der Bohrungslaufbuchse mit einer positionierenden Fläche (22g) des Wassermantel-Plattenkerns in Eingriff gebracht wird und ein gegenüberliegender Endbereich (15f) der Bohrungsbuchse (15) mit einer positionierenden Fläche (14f) des Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kerns (14) in Eingriff gebracht wird.
12.
Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Gießformbaugruppe (10) für V-Motorblöcke vorgesehen ist und dass ein Zylindermantel-Kurbelgehäuse-Kern (14) mit ersten und zweiten Reihen mehrerer Zylindermäntel (14a) auf einem integralen Kurbelgehäusebereich (14b) geschaffen wird, und ein jeweiliger erster und zweiter Wassermantel-Plattenkern (22) auf einer jeweiligen ersten und zweiten Reihe der Zylindermäntel (14a) platziert werden."
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf Grundlage der mit Schriftsatz vom 3. November 2005 vorgelegten Patentansprüchen 1 bis 12, Beschreibung und Figuren in der erteilten Fassung.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2006 hat die Einsprechende mitgeteilt, dass sie keine Einwände gegen die Aufrechterhaltung des Streitpatents in diesem Umfang erhebe.
Die Einsprechende beantragt, übereinstimmend mit der Patentinhaberin das Streitpatent beschränkt aufrechtzuerhalten auf Grundlage der mit Schriftsatz vom 3. November 2005 vorgelegten Patentansprüche 1 bis 12.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1.
Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II sowie BGH GRUR 2009, 184 - Ventilsteuerung).
2.
Der fristund formgerechte Einspruch ist zulässig, denn es sind zumindest im Hinblick auf den druckschriftlich belegten Stand der Technik innerhalb der Einspruchsfrist die den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des geltend gemachten Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen haben ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
3.
Der Einspruch hat jedoch nur teilweise Erfolg, denn die Gießformbaugruppe gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 sowie das Verfahren zum Zusammenbauen einer Gießformbaugruppe für Motorblöcke gemäß dem geltenden Patentanspruch 8, die gegenüber den erteilten Patentansprüchen 1 und 8 zulässig eingeschränkt sind, sind patentfähig. Das Patent war deshalb beschränkt aufrechtzuerhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 1 PatG).
Die Einsprechende hat dem Vortrag der Patentinhaberin zur Patentfähigkeit des Gegenstandes gemäß geltendem Anspruch 1 bzw. Anspruch 8 gegenüber der Entgegenhaltung D1 nicht widersprochen. Sie hat damit zu erkennen gegeben, dass sie die Ausführungen der Patentinhaberin im Schriftsatz vom 3. November 2005 für sachlich zutreffend hält. Auch die Beurteilung des Vorbringens der Patentinhaberin zu den neuen Ansprüchen gegenüber der D1 durch den Senat hat zu keinem anderen Ergebnis geführt, so dass der Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht vorliegt.
4.
Es bestehen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die Erfindung wegen offenkundiger Vorbenutzung nicht mehr neu sei (§ 3 PatG).
Die Einsprechende hat durch ihren mit der Patentinhaberin übereinstimmenden Antrag auf beschränkte Aufrechterhaltung des Patents deutlich gemacht, dass sie auch insoweit ihren ursprünglichen Sachvortrag nicht weiter verfolgen möchte. Zwar ist das Patentgericht an einen übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht gebunden und muss den Sachverhalt auch bei Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen ermitteln (vgl. Schulte Patentgesetz mit EPÜ 8. Auflage § 87 Rn. 4; Busse Patentgesetz 6. Auflage § 87 Rn. 11 ff.; BGH GRUR 2002, 609, 613 -Drahtinjektionseinrichtung). Die Vorschrift des § 288 ZPO, wonach zugestandene Tatschen nicht beweisdürftig und von dem Gericht ungeprüft als wahr zu berücksichtigen sind, gilt also gerade nicht. Der Untersuchungsgrundsatz findet seine Grenze aber an der zu erwartenden Erfolglosigkeit der notwendigen Ermittlungen. Wenn die zu ermittelnden Umstände überwiegend in der Sphäre der Einsprechenden liegen, diese aber durch die Rücknahme des Einspruchs oder wie hier durch einen mit der Patentinhaberin übereinstimmenden Antrag auf beschränkte Aufrechterhaltung des Patents zu erkennen gibt, dass sie an den zunächst aufgestellten Behauptungen nicht mehr festhält, so sind weitere Ermittlungen zur Vorbenutzung nicht erfolgversprechend. Solche Ermittlungen sind nur sinnvoll, wenn ein Mitwirken der Einsprechenden zu erwarten ist. Zieht sich diese aus dem Verfahren zurück oder befürwortet sie sogar eine Entscheidung im Sinne der Patentinhaberin, so erklärt sie damit konkludent, dass sie von ihren ursprünglichen Behauptungen abrückt und zu einer weiteren Sachaufklärung nicht beitragen möchte.
5. Infolgedessen haben sowohl der Patentanspruch 1 als auch der nebengeordnete Patentanspruch 8, eingereicht mit Schriftsatz vom 3. November 2005, Bestand. In Verbindung mit den Patentansprüchen 1 und 8 haben auch die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 12 Bestand, da diese vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Streitgegenstandes betreffen.
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BPatG:
Beschluss v. 20.10.2010
Az: 15 W (pat) 313/05
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