Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Februar 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 354/03

(BPatG: Beschluss v. 06.02.2006, Az.: 9 W (pat) 354/03)

Tenor

Das im Umfang der Patentansprüche 1 bis 15 angegriffene Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 12, 13 und 15 gemäß Patentschrift, wobei Patentanspruch 15 auf Patentansprüche 12 oder 13 zurückbezogen ist, Beschreibung Sp. 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2006, Beschreibung Sp. 5 und 6 gemäß Patentschrift unter Streichung von Absatz [0039] in Sp. 5, Zeichnungen Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat nach Prüfung das am 10. Juli 2000 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Fahrzeugdachteil mit einer Kunststoff-Außenhaut, Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung desselben"

mit insgesamt 19 Patentansprüchen erteilt. Dabei bezeichnen die Patentansprüche 1 bis 11 ein Fahrzeugdachteil, die Patentansprüche 12 bis 15 ein Verfahren zum Herstellen eines Fahrzeugdachteils und die Patentansprüche 16 bis 19 ein Formwerkzeug zur Herstellung eines Fahrzeugdachteils. Gegen die Patenterteilung im Umfang der Patentansprüche 1 bis 15 richtet sich der Einspruch. Die Einsprechende meint, das Fahrzeugdachteil gemäß Patentanspruch 1 sei nicht neu gegenüber dem aus der DE 39 08 433 A1 bekannten Fahrzeugdach. Zumindest beruhe es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Fahrzeugdächern nach der FR 1 113 551 und der EP 0 995 667 A1 bzw. der WO 99/08852 A1. Eine Kombination der FR 1 113 551 mit der EP 0 995 667 A1 lege das Verfahren zur Herstellung eines Dachteils gemäß Patentanspruch 12 nahe. Sie beantragt, das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 15 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das im Umfang der Patentansprüche 1 bis 15 angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 12, 13 und 15 gemäß Patentschrift, wobei Patentanspruch 15 auf Patentansprüche 12 oder 13 zurückbezogen ist, Beschreibung Sp. 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2006, Beschreibung Sp. 5 und 6 gemäß Patentschrift unter Streichung von Absatz [0039], Zeichnungen Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Außerdem erklärt sie die Teilung des Patents.

Dem Einspruchsvorbringen tritt sie lediglich im Hinblick auf das angegriffene Verfahren zum Herstellen eines Fahrzeugdachteils gemäß den Patentansprüchen 12, 13 und 15 entgegen. Nach ihrer Meinung ist das damit definierte Herstellungsverfahren neu und durch den berücksichtigten Stand der Technik nicht nahegelegt.

Der Patentanspruch 12 lautet:

Verfahren zum Herstellen eines Fahrzeugdachteils mit einer Außenhaut (2) aus Kunststoff und wenigstens einer weiteren Schicht (10), die mit der Außenhaut (2) durch ein Haftmittel (3) verbunden ist, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:

12.1 Einlegen einer durch Tiefziehen verformbaren thermoplastischen Außenhaut (2) als Trägerschicht in eine untere Formhälfte (13), 12.2 Einlegen einer Glasfasermatte (10) in eine obere Formhälfte (17), 12.3 Aufbringen eines Haftmittels (3 bzw. 9) auf die Glasfasermatte (10) in der oberen Formhälfte (17) und auf die Rückseite der Außenhaut (2) in der unteren Formhälfte (13), 12.4 Einfügen eines Distanzteils (4) zwischen die beiden noch flüssigen Haftmittel-Schichten (3, 9), und 12.5 Schließen der oberen Werkzeug-Hälfte (13) und unteren Werkzeug-Hälfte (17) mit Aufprägen der endgültigen Form, Diffundieren des Haftmittels (3, 9) in das Distanzteil (4) und Aushärten des Haftmittels (3, 9).

Die Patentansprüche 13 und 15 sind auf den Patentanspruch 12 rückbezogen.

II.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat er in dem sich aus dem Beschlusstenor ergebenden Umfang Erfolg.

1. Zulässigkeit Die verteidigten Patentansprüche sind bis auf die angepasste Rückbeziehung des Patentanspruchs 15 wortidentisch mit den erteilten Patentansprüchen 12, 13 und 15, die unbestritten auf die Ursprungsoffenbarung zurückgehen.

2. Patentfähigkeit Das unstreitig gewerblich anwendbare Herstellungsverfahren des Patentanspruchs 12 ist neu. Denn das Einlegen einer Glasfasermatte in eine obere Formhälfte gemäß Verfahrensschritt 12.2 bei der Herstellung eines aus mehreren Schichten aufgebauten Fahrzeugdachteils mit einem Distanzteil zwischen einer Glasfasermatte und einer thermoplastischen Außenhaut zeigt der in Betracht gezogene Stand der Technik nicht.

Bei dem Verfahren zur Herstellung eines mehrschichtigen Fahrzeugdachteils gemäß der FR 1 113 551 werden sämtliche Schichten in eine untere Form 5 eingebracht. Dabei wird mit einer Spritzpistole in die untere Form 5 zunächst eine Deckschicht 4 eingespritzt, welche bei dem im Fahrzeug eingebauten Dachteil die sichtbare Dachaußenhaut darstellt, vgl. insb. S. 2 linke Spalte Abs. 3 i. V. m. Fig. 2. Anschließend wird darauf eine Lage Glasfasergewebe 3 aufgebracht. Im nächsten Schritt wird ein elastisches Distanzteil 1 darauf gelegt, vgl. insb. S. 1 linke Spalte letzter Abs. i. V. m. Fig. 1. Auf das Distanzteil 1 wird noch eine weitere Lage Glasfasergewebe 3« aufgelegt, bevor die untere Form 5 mit einem Deckel 9 verschlossen wird. Durch eine Kautschukblase 11, die zwischen dem Deckel 9 und dem Dachteil angeordnet ist, wird anschließend Druck auf das Dachteil ausgeübt, bis es in der Form ausgehärtet ist, vgl. insb. Fig. 2.

In der DE 39 08 433 A1 ist nur allgemein die "schichtenmäßige Erstellung" eines Kraftfahrzeugdaches beschrieben, wobei neben weiteren Schichten auch ein beidseitig mit Glasfasermatten 3, 4 versehenes Distanzteil 5 vorgesehen ist, vgl. insb. Ansprüche 4, 12 b) und 14 i. V. m. den Figuren 2 und 4 bis 6. Detaillierte Verfahrensschritte sind nicht offenbart. Gegenteiliges hat die Einsprechende auch nicht vorgetragen.

Das Verfahren zur Herstellung eines Fahrzeugdachteils gemäß der EP 0 995 667 A1 verwendet weder ein Distanzteil noch Glasfasermatten. Stattdessen wird auf die Innenseite einer tiefgezogenen, aus thermoplastischer Kunststofffolie bestehenden Dachaußenhaut 1 mit einer umlaufenden Randaufkantung 6 in einer zweiteiligen Schäumform 8, 9 eine glasfaserverstärkte Kunststoffschicht 2 aufgeschäumt, vgl. insb. Anspruch 1 i. V. m. den Figuren 1 und 2.

Ein beidseitig mit Glasfasermatten belegtes Distanzteil ist auch bei dem in der WO 99/08852 A1 offenbarten Herstellungsverfahren für eine Fahrzeugseitentür und dergleichen nicht vorgesehen. Dort wird vielmehr eine bahnartige thermoplastische Außenhaut 50 über die untere Formhälfte 12 eines Herstellungswerkzeuges 10 gespannt und mit einer heißen Plastikmasse 60 begossen, die bedarfsweise mit einer darin eingelegten Glasfasermatte zur Verstärkung versehen sein kann, vgl. insb. Ansprüche 1 und 10 sowie S. 12 Abs. 3 i. V. m. den Figuren 1 und 7. Die obere Formhälfte des Herstellungswerkzeuges 10 bildet einen Stempel 14, der die glasfaserverstärkte Plastikmasse 60 mitsamt der Außenhaut 50 in die untere Formhälfte presst und dem Bauteil dabei seine endgültige Form gibt.

Der übrige, bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Stand der Technik (DE 198 47 804 C1, EP 0 825 066 A2, EP 0 214 138 B1, WO 99/16657 A1, FR 2 576 862 A1) kommt dem streitpatentgemäßen Verfahren nicht näher und ist deshalb von der Einspruchsargumentation zu Recht nicht mehr aufgegriffen worden. In der Streitpatentschrift sind die entsprechenden Druckschriften zudem zutreffend erläutert, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Absätze [0004] bis [0008] der Streitpatentschrift verwiesen wird.

Der erst in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2006 von der Einsprechenden zum Stand der Technik vorgelegten DE 32 02 594 A1 kommt - wie die Prüfung durch den Senat ergeben hat - eine für die Patentfähigkeit relevante Bedeutung ebenfalls nicht zu. Das verspätete Vorbringen ist deshalb unerheblich und nicht zu berücksichtigen (Schulte PatG 7. Aufl. Einleitung Rdn. 173).

Das Einlegen einer Glasfasermatte in eine obere Formhälfte gemäß Verfahrensschritt 12.2 des Streitpatents ist somit im einschlägigen Stand der Technik nicht bekannt. Folglich kann es durch denselben Stand der Technik auch nicht in nahegelegt sein.

Demgegenüber vertrat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung die Auffassung, weil aus der EP 0 995 667 A1 zumindest das Einlegen eines dekorativen Formteils (Dachhimmel) in das Oberteil 9 der Schäumform bekannt sei, führe eine Zusammenschau dieser Druckschrift mit der FR 1 113 551 zu dem Verfahren zur Herstellung eines Dachteils gemäß Patentanspruch 12 des Streitpatents. Davon konnte sie den Senat jedoch nicht überzeugen. Würde nämlich an dem Deckel 9 der Herstellungsform gemäß Fig. 2 der FR 1 113 551 das fahrzeuginnenseitige Glasfasergewebe 3« nach dem Beispiel der EP 0 995 667 A1 angebracht werden, würde dieses Formteil beim Aufblasen der Kautschukblase 11 von dem geschichteten Dachteil in der unteren Form 5 weg und gegen den Deckel 9 gepresst werden. Ein Verbund käme damit nicht zustande. Und wenn anstelle des Kunststoffschaumes der EP 0 995 667 A1 ein Verbundbauteil, bestehend aus einem beidseitig mit Glasfasermatten belegten Distanzteil, verwendet würde, müsste dieses Distanzteil mitsamt den Glasfasermatten vollständig in die tiefgezogene Außenhaut 1 eingelegt werden. Das Einlegen einer der Glasfasermatten in der oberen Formhälfte käme nicht ohne weiteres in Frage, weil dort bereits das dekorative Formteil 3 angebracht ist. Damit ist offensichtlich, dass die von der Einsprechenden reklamierte Zusammenschau objektiv nicht zum streitpatentgemäßen Verfahren führt und nur in Kenntnis des streitpatentgemäßen Verfahrens geltend gemacht werden konnte.

Das in Rede stehende Merkmal 12.2 liegt für einen Durchschnittsfachmann, z. Bsp. einen Maschinenbauingenieur, der bei einem Kfz-Hersteller oder -Zulieferer in der Dachkonstruktion tätig ist, auch nicht ohne weiteres auf der Hand. Jedenfalls hat der Senat dafür keinerlei Hinweis, und derartiges ist auch von der Einsprechenden nicht geltend gemacht worden.

Mithin ist der Patentanspruch 12 bestandsfähig. Mit ihm sind es die rückbezogenen Patentansprüche 13 und 15.






BPatG:
Beschluss v. 06.02.2006
Az: 9 W (pat) 354/03


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