Amtsgericht Bielefeld:
Urteil vom 2. April 2015
Aktenzeichen: 42 C 544/14
(AG Bielefeld: Urteil v. 02.04.2015, Az.: 42 C 544/14)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf bis zu 1.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche wegen unerlaubter Verwendung des Filmwerks "Niko - Ein Rentier hebt ab" in einer Internettauschbörse geltend.
Zum Zweck der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitungen von geschützten Werken beauftragte die Klägerin die Firma H. mit der Überwachung bestimmter Peerto-Peer-Netzwerke. Für den 25.12.2009 um 01:15:56 Uhr teilte die Firma H. der Klägerin mit, dass das streitgegenständliche Filmwerk zum Download angeboten worden sei über das Filesharing-System " BitComet 0.0.6.0" von einem unbekannten Nutzer mit der IP-Adresse xxx.
Die Klägerin erwirkte beim Landgericht Köln gegenüber der Deutschen Telekom AG die Gestattung, Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift der Nutzer, die den aufgeführten IP-Adressen zugewiesen waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Köln vom 22.01.2010 (13 OH 709/09), Anlage K3, Bezug genommen. Unter dem 19.02.2010 erteilte die Deutsche Telekom AG die Auskunft, dass die benannte IP-Adresse dem Beklagten als Anschlussinhaber zugewiesen gewesen sei.
Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2010 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und bot gleichzeitig an, Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin durch Zahlung eines Vergleichsbetrages i.H.v. 850,00 € abzugelten. Wegen der näheren Einzelheiten des Abmahnschreibens vom 07.06.2010 wird auf die Anlage K9 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, sie sei alleinige Lizenznehmerin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das Filmwerk "Niko - Ein Rentiert hebt ab". Diese Rechte habe sie von der Firma V. durch Lizenzvertrag vom 11.05.2007 erworben.
Der streitgegenständliche Film sei am 25.12.2009 um 01:15:56 Uhr über den Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse xxx zugewiesen worden sei, über das Filesharing-System "BitComet 0.0.6.0" zum Herunterladen angeboten worden. Der Beklagte sei der Anschlussinhaber der genannten IP-Adresse. Es bestehe ein Anscheinsbeweis bzw. eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass der Beklagte als Anschlussinhaber die Rechtsverletzung selbst begangen habe.
Der Klägerin stehe gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von mindestens 400 € zu. Die Klägerin habe ferner Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten der Abmahnung nach einem angemessenen Streitwert von 7.500 €, mithin in Höhe von 555,60 €.
Verjährung sei nicht eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 € betragen soll, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 555,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erhebt die Einrede der Verjährung.
Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und stellte die Zuverlässigkeit der Ermittlungsmethoden der Firma H. in Abrede.
Über die Weihnachtsfeiertage 2009 seien seine Schwester und deren Ehemann zu Besuch gewesen. Sowohl diese als auch die Ehefrau des Beklagten, die allesamt Zugang zum Internet hatten, hätten auf Nachfrage die behauptete Rechtsverletzung bestritten.
Auf Antrag der Klägerin ist am 25.11.2013 ein Mahnbescheid erlassen worden, der dem Beklagten am 28.11.2013 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat die Hauptforderungen wie folgt bezeichnet:
"1. Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandshonorar gem. Abmahnung K0052-0962033316 vom 19.05.10: 555,60 €
2. Schadensersatz aus Lizenzanalogie (Abmahnung v. 18.03.2010; Az: K0052-0962033316) vom 19.05.10: 400,00 €".
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenausdruck des Mahngerichts verwiesen. Der Beklagte hat am 29.11.2013 Widerspruch erhoben. Unter dem 10.07.2014 ist die Abgabe an das Amtsgericht Bielefeld erfolgt. Die Anspruchsbegründung vom 24.09.2014 ist dem Beklagten am 15.10.2014 zugestellt worden.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 400,00 € aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG. Ebenso wenig kann sie von dem Beklagten Ersatz von Abmahnkosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe von 555,60 € verlangen.
Etwaige Forderungen der Klägerin sind verjährt.
Dies gilt sowohl für den Schadensersatzanspruch wie auch für den Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten.
Die Klägerin erlangte Kenntnis von der (angeblichen) Zuwiderhandlung im Jahr 2010. Das Abmahnschreiben datiert vom 19.05.2010. Die Verjährung begann mithin mit dem Schluss des Jahres 2010.
Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Die dreijährige Verjährungsfrist gilt auch für den Schadensersatzanspruch.
Die Voraussetzungen einer 10jährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB liegen nicht vor. Nach diesen Vorschriften unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung als drei Jahre, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen. Dies kann die ersparte Lizenzgebühr sein. Für den Fall, dass ein legaler Erwerb durch Zahlung von Lizenzgebühren möglich ist, hat der BGH diesen Fall bereits entschieden ("Bochumer Weihnachtsmarkt", BGH, Urteil v. 27.10.2011, I ZR 175/10, BeckRS 2012, 09457).
Filesharing-Fälle unterscheiden sich jedoch davon grundlegend. Es besteht keine Möglichkeit, einen entsprechenden Lizenzvertrag abzuschließen.
Der Beklagte hat mithin gerade keine Lizenzgebühr für einen möglichen Lizenzvertrag erspart. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es Benutzern von Filesharing-Systemen darauf ankommt, die fragliche Datei zum eigenen Gebrauch für sich herunterzuladen und zu nutzen. Dass damit notwendigerweise auch verbunden ist, dass während des eigenen Uploadvorganges gleichzeitig Dritten ein Download der übertragenen Datenfragmente vom eigenen Computer ermöglicht wird, ist eine notwendige Folge, die die Nutzer der Filesharingbörsen billigend in Kauf nehmen. Insoweit liegt jedoch gerade kein bewusster Eingriff in den Zuweisungsgehalt der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte vor. Darüber hinaus fehlt es an jeglicher Bereicherung des Beklagten in Höhe der geltend gemachten Lizenzgebühr i.H.v. 400,00 €, da es gerade das Wesen von Filesharing-Systemen ist, diese Leistungen kostenfrei an Dritte weiter zu verteilen. Dem Wesensmerkmal nach handelt es sich bei Urheberrechtsverstößen im Rahmen einer P2P-Tauschbörse um unerlaubte Handlungen, für die gerade nicht die Grundsätze eines bereicherungsrechtlichen Schadensersatzanspruches anwendbar sind.
Die Verjährung trat ein mit Ablauf des 31.12.2013.
Eine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Ziffer 2 BGB durch Zustellung des Mahnbescheides am 28.11.2013 liegt nicht vor.
Zwar erfolgte die Zustellung in unverjährter Zeit. Jedoch genügte der Mahnbescheid nicht den Anforderungen, die an einen Bescheid mit verjährungshemmender Wirkung zu stellen sind.
Der Bescheid muss den geltend gemachten Anspruch bezeichnen (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Wird eine Mehrheit von Forderungen geltend gemacht, so muss jeder einzelne von ihnen individualisiert werden (BGH NJW 2001, 305). Wie § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG verdeutlicht, handelt es sich bei dem Schadensersatz und dem Ersatz von Abmahnkosten nicht nur um Rechnungspositionen eines einheitlichen Anspruchs, sondern um dem Wesen nach unterschiedliche Ansprüche auf Grund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen. Der Abgemahnte muss im Mahnverfahren beurteilen können, ob er sich gegen die Forderung zur Wehr setzen will (ganz oder teilweise) oder nicht (BGH NJW 2013, 3509). Dies erscheint bereits deshalb zweifelhaft, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Abmahnschreiben dem Beklagten überhaupt zugegangen ist. Darauf kommt es jedoch nicht an. Selbst wenn man das Abmahnschreiben zu einer Konkretisierung heranzieht, so ergibt sich daraus keine Aufschlüsselung der im Mahnbescheid genannten Beträge. Diese Beträge sind im Abmahnschreiben nicht einmal genannt. Die Summe von 850,00 € ist die einzige konkrete Summe, hinsichtlich derer im Abmahnschreiben zur Zahlung aufgefordert wird, allerdings als pauschaler Gesamtbetrag zur Abgeltung beider Forderungen. Aus diesem pauschalen Abgeltungsbetrag ist kein Rückschluss darauf möglich, welche Ansprüche der Höhe nach verfolgt werden sollen. Hinsichtlich des Schadensersatzes ist überhaupt kein konkreter Betrag genannt. Hinsichtlich der Abmahnkosten wird der Betrag von 1.359,80 € netto zuzüglich 20,00 € Auslagenpauschale genannt, verbunden mit dem Hinweis, dass sich dieser Betrag noch erhöhen kann. Ein Bezug zu der im Mahnbescheid genannten Summe von 955,60 € ist nicht herzustellen.
Die mit der Anspruchsbegründung vom 24.09.2014 erfolgte Individualisierung der klägerischen Ansprüche erfolgte erst nach bereits eingetretener Verjährung. Sie entfaltet lediglich Wirkung ex nunc, nicht ex tunc (BGH NJW 2009, 56).
Mangels Hauptforderung entfallen die Nebenforderungen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
AG Bielefeld:
Urteil v. 02.04.2015
Az: 42 C 544/14
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