Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 6. September 2016
Aktenzeichen: 2 Ws 126/16

(OLG Hamburg: Beschluss v. 06.09.2016, Az.: 2 Ws 126/16)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der ..., ..., ..., gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer, vom 03. Juni 2016 gegen die Versagung der Zulassung der Zwangsvollstreckung durch das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer ... vom 25. März 2016 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit Anklageschrift vom 29. Dezember 2015 acht Beschuldigte, darunter zwei Geschäftsführer der Nebenbeteiligten ... am 05. Januar 2016 beim Landgericht Hamburg, Große Strafkammer ..., angeklagt. Die Eröffnungsentscheidung ist noch nicht ergangen.

Mit der Anklage wird den Angeschuldigten zu Last gelegt, in der Zeit von Juli 2013 bis November 2014 in 16 Fällen, davon 2 Fälle in Form des Versuchs, jeweils gemeinschaftlich, gewerbsmäßig und als Mitglieder einer Bande handelnd, tateinheitlich in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass durch Vorspiegelung falscher Tatsachen ein Irrtum erregt wurde (§ 263 Abs. 1, Abs. 5 StGB), entgegen § 8 Abs. 2 Arzneimittelgesetz gefälschte Arzneimittel in den Verkehr gebracht zu haben (§ 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG) und im geschäftlichen Verkehr widerrechtlich entgegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz ein Zeichen benutzt zu haben (§ 143 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG).

Der Anklage liegt € zum Zwecke sprachlicher Vereinfachung überwiegend in der Form des Indikativs formulierter € Geschehensablauf zugrunde:

Die Angeschuldigten waren gemeinsam mit drei gesondert Verfolgten Personen in ein Arzneimittelankauf-, Reimport- und Weitervertriebssystem eingebunden, durch das in jeweils monatlichem Zyklus Arzneimittel des deutschen Herstellers von Pharmaprodukten €...€ (hier Beschwerdeführerin) unter Vortäuschung einer geplanten Weiterlieferung in den afrikanischen Staat Sambia zur dortigen Verteilung günstig erworben wurden und die gekauften und nach Südafrika gelieferten Arzneimittel anschließend überwiegend unter Verschleierung des Lieferweges und der zugrunde liegenden Verkaufsgeschäfte nach Deutschland zurücktransportiert und innerhalb des Bundesgebietes zu gegenüber dem vergünstigten Einkaufspreis deutlich erhöhten und damit für das Gesamtsystem einen Gewinn generierenden Preisen weitervertrieben wurden.

Zusammenfassend stellte sich die Vorgehensweise der Tatbeteiligten wie folgt dar:

Das € in das Reimportsystem eingebundene € in Deutschland ansässige und im Medikamentenhandel tätige Unternehmen €...€ verkaufte regelmäßig Arzneimittel des deutschen Herstellers €...€ an das deutsche Unternehmen €...€ (nachfolgend: ...), das seinerseits Medikamente in Deutschland (weiter-)vertrieb. Monatlich wurde seitens der ... der Einkaufsbedarf der ... abgefragt und an die ebenfalls im Medikamentenhandel tätige in Hamburg ansässige €...€ (nachfolgend: ...) weitergegeben, die die Bestellung € insgesamt unter Beteiligung von drei gesondert Verfolgten in Südafrika und über die in Südafrika ansässige Gesellschaft €...€ (nachfolgend: ...) weiterreichte. Die ... kaufte der Bestellung entsprechende Medikamente bei der als Vertriebsgesellschaft der ... tätigen deutschen €...€ ein, wobei jedenfalls unter anderem aufgrund der im Rahmen dieser Geschäfte von Seiten der ... vorgetäuschten Absicht, die Medikamente zum Zweck ihres Weiterverkaufs nach Sambia zur dortigen Verteilung zu erwerben, ein günstiger Einkaufspreis erzielt wurde, der erheblich unter dem in Deutschland üblichen bzw. durch § 78 AMG i. V. m. den Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung geregelten Preisniveau lag.

Die ... lieferte die jeweils bestellten Medikamente durch ein von ihr beauftragtes Transportunternehmen auf dem Luftweg nach Kapstadt, Südafrika. Von Kapstadt aus wurde der überwiegende Teil der durch die ... an die ... gelieferten Arzneimittel per erneuter Luftfracht zum Flughafen Zürich-Kloten transportiert, wobei die begleitenden Frachtpapiere auswiesen, dass die Arzneimittel anschließend in die Stadt Port Louis auf Mauritius zu der dort ansässigen Empfängerin €...€ (nachfolgend: ...) verbracht werden sollten. Am Flughafen Zürich-Kloten befanden sich die Lieferungen zunächst in der Obhut der in Belgien ansässigen Spedition €...€. Durch dieses Unternehmen wurden die Arzneimittel mit zollrechtlichen Unterlagen versehen, die sie als Transitware ausgezeichnete, die für den Weitertransport auf dem Landweg nach Antwerpen in Belgien sowie zur anschließenden Verschiffung nach Mauritius vorgesehen war. Ein Transport der Medikamente an den Zielort Mauritius sollte nach dem Willen der Beteiligten allerdings zu keiner Zeit erfolgen.

Tatsächlich wurden die Arzneimittel anschließend zunächst nach Antwerpen verbracht, dort indes mit neuen Zollpapieren versehen, nach denen es sich nunmehr um aus der Schweiz stammende Ware handeln sollte, die an die in Antwerpen ansässige belgische Gesellschaft €...€ geliefert worden und zum Weitertransport nach Hamburg an die ... vorgesehen war. Hinweise auf die vorangehende Lieferung der Arzneimittel aus Südafrika ergaben sich aus diesen Unterlagen nicht mehr.

Auf Veranlassung der ... wurden die Arzneimittel nunmehr auf dem Landweg nach Hamburg zur Gesellschaft ... verbracht, die in Hamburg Lagerräume unterhielt, in denen die Waren zwischengelagert wurden. Seitens der ... wurden die Arzneimittel schließlich nach Umverpackung in neutrale Versandkartons entweder zunächst an die ... weitergeleitet und von dort im Rahmen der zwischen diesen Unternehmen geschlossenen Kaufverträge an die ... geliefert oder auch durch die ... in Abstimmung mit der ... direkt an Lagerstätten der ... angeliefert.

Begleitend zum Rücktransport der Medikamente und dem Zwecke der Verschleierung des Warenweges dienend, wurden ferner durch die vorgenannten und weitere Unternehmen Rechnungen erstellt, die den tatsächlichen Vertriebsweg und die zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen unzutreffend wiedergaben. Sachlich zutreffend wurden für die Arzneimittellieferungen zunächst von der nicht in das Reimportsystem eingebundenen ... jeweils Rechnungen gegenüber der ... ausgestellt. Die ... stellte sodann die Arzneimittellieferungen der auf Mauritius ansässigen ... in Rechnung, die ihrerseits entsprechende Rechnungen an die serbische Firma €...€ (nachfolgend: ...) ausstellte. Die ... stellte die Arzneimittellieferungen der belgischen €...€ in Rechnung, die ihre entsprechenden Rechnungen nunmehr an die ... richtete. Die ... stellte ihre Lieferungen sodann € nunmehr einem tatsächlichen Verkaufsgeschäft entsprechend € der ... in Rechnung, die anschließend der ... die dorthin erfolgten Lieferungen berechnete. Jedenfalls unter anderem über entsprechende Zahlungen auf die vorgenannten Rechnungen, hinsichtlich derer sich der ausgewiesene Rechnungsbetrag innerhalb der Kette stets erhöhte, wurden die durch das System generierten Gewinne, die sich aus der Differenz zwischen dem stark vergünstigen Arzneimitteleinkauf durch die ... und dem zu annähernd marktüblichen Preisen in Deutschland an die ... erfolgenden Verkauf ergaben, unter den verschiedenen Beteiligten verteilt.

Auf die vorbeschriebene Weise führten die Beteiligten in den Monaten Juli 2013 bis September 2014 jeweils entsprechende Geschäfte durch, wobei die ... für die Arzneimittellieferungen insgesamt Nettobeträge von mehr als 13,6 Millionen EUR an die ... zahlte.

Darüber hinaus wurden auch für die Monate Oktober und November 2014 Arzneimittellieferungen veranlasst. Da im Rahmen der Ermittlungen Sicherstellungen der beiden Medikamentenlieferungen erfolgten, kam es hinsichtlich der den Oktober 2014 betreffenden Lieferung noch zu einer Rechnungsstellung der ... an die ..., ohne dass die Rechnung allerdings beglichen wurde; Im November 2014 unterblieb bereits die Rechnungsstellung der ... an die ...

Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens hat das Amtsgerichts Hamburg mit Beschluss vom 3. November 2014 zum Az.: 165 Gs 381/14 den dinglichen Arrest wegen Ansprüchen Verletzter € sog. Rückgewinnungshilfe € gegen die ... in Höhe von 7.229.561,52 € in deren Vermögen angeordnet unter Zugrundelegung eines Tatzeitraums von Juni 2013 bis November 2014, der mit Pfändungsanordnungen der Staatsanwaltschaft vom 27. November 2014 und 04. Dezember 2014 in deren Konten bei der Hypovereinsbank/Unicredit Bank AG seine Umsetzung erfuhr.

Eine daraufhin erhobene Beschwerde der ... hat im Ergebnis das Landgericht mit Beschluss vom 04. März 2015 als unbegründet verworfen.

Im Anschluss wurden verschiede Gespräche zwischen der Staatsanwaltschaft Hamburg, der ... und der ... unter anderem zu etwaigen Möglichkeiten einer Schadenswiedergutmachung geführt, die in einen zwischen den beiden genannten Gesellschaften, vertreten durch ihre Geschäftsführer/Rechtsanwälte, in Form eines für sofort vollstreckbar erklärten und mit notarieller Vollstreckungsklausel vom 03. März 2016 versehenen Anwaltsvergleich vom 18. / 29. Dezember 2015 / 11. Januar 2016 über eine Vereinbarung zur Außergerichtlichen Schadenswiedergutmachung mündeten. Darin verpflichtet sich die ... zur €Abgeltung sämtlicher Ansprüche€ (Ziff. 1 S. 3 des Vergleichs) €insbesondere auch für die von dem Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Hamburg... betroffenen Arzneimittellieferungen€ (Ziff. 3 S. 3 des Vergleichs) zum Zwecke der freiwilligen Schadenswiedergutmachung einen Betrag von 4,5 Millionen Euro an die ... zu zahlen, die im Wege eines Vorgehens nach § 111g StPO €zur Erlangung der in §§ 111g StPO vorgesehenen Rückgewinnungshilfe€ (Ziff. 12 S. 5 des Vergleichs) übertragen werden sollen, wobei mit der Bezahlung €sämtliche Ansprüche wie in Ziff. 1 beschrieben ... gleich aus welchem Rechtsgrund und gleich, ob bekannt oder unbekannt abgegolten€ sind (Ziff 3 S. 3 des Vergleichs). Ausweislich der Präambel des Vergleichs ist von den Parteien festgestellt worden, dass die €Ermittlungen der Staatsanwaltschaft...auf einen begrenzten Zeitraum€ bezogen sind, die €Parteien streben jedoch eine Gesamterledigung aller der 1 A Pharma möglicherweise gegen die ... ... zustehenden Ansprüche an.€

Den unter dem 09. März 2016 gestellten und durch Schriftsatz vom 24. März 2016 ergänzten Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung der ... hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer ... mit Beschluss vom 25. März 2016 zurückgewiesen und die Zulassung der Zwangsvollstreckung versagt.

Gegen diesen bei der ... am 30. Mai 2016 eingegangen Beschluss richtet sich deren beim Landgericht Hamburg per Fax am 03. Juni 2016 eingegangene sofortige Beschwerde vom gleichen Tage, mit der die Zulassung der Zwangsvollstreckung erstrebt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf kostenpflichtige Verwerfung der sofortigen Beschwerde angetragen.

II.

Die gemäß §§ 111g Abs. 2 S. 2, 311StPO statthafte sowie gemäß §§ 306, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde der ... vom 03. Juni 2016 gegen die Versagung der Zulassung der Zwangsvollstreckung durch das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer ..., vom 25. März 2016 ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Große Strafkammer ... des Landgerichts Hamburg ist als das nach Klageerhebung mit der Sache befasste Gericht gemäß § 162 Abs. 3 S. 1 StPO zuständig.

2. Der ... ist vorliegend die Zulassung der Zwangsvollstreckung zu versagen, weil es an der Feststellbarkeit des Zusammenhangs zwischen tituliertem Anspruch und zugrundeliegender Straftat, mithin dass der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, fehlt.

Die Beschlagnahme eines Gegenstandes nach § 111 c StPO und die Vollziehung des Arrestes nach § 111 d StPO wirken nicht gegen eine Verfügung des Verletzten, die auf Grund eines aus der Straftat erwachsenen Anspruches im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt; die Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung von Seiten des Verletzten bedarf dazu der gerichtlichen Zulassung, die (nur) zu versagen ist, wenn der Verletzte nicht glaubhaft macht, dass der Anspruch aus der Straftat erwachsen ist, § 111g Abs. 1, Abs. 2 S. 1 bis 3 StPO.

Hintergrund der Regelung (vgl. dazu Senat, Beschlüsse vom 16.12.2010, wistra 2011, 197, 198 und zuletzt 10.02.2011 € Az.: 2 Ws 13/11 €, jeweils m.w.N.) ist, dass durch die vorläufigen Maßnahmen nach §§ 111 c, d StPO die Durchsetzung von Ansprüchen des Verletzten nicht gefährdet werden soll; in Gemäßheit des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB soll der sichergestellte Gegenstand vorrangig zur Befriedigung des durch die Straftat Verletzten wegen seiner aus der Tat erwachsenen Ansprüche zur Verfügung stehen. Die Bestimmung des § 111 g Abs. 2 S. 1 StPO will daher nur die Feststellung des jeweils zuständigen Strafrichters ermöglichen, dass die titulierte Forderung aus der verfahrensgegenständlichen Straftat herrührt. Die Prüfung im Zulassungsverfahren nach § 111 g Abs. 2 StPO als lediglich strafprozessuale Zusatzprüfung erfolgt mithin unbeschadet der im Übrigen für die Durchsetzung des Anspruchs des Verletzten maßgeblichen Bestimmungen und Voraussetzungen und hat allein zum Gegenstand, ob der titulierte Anspruch des Verletzten aus derjenigen Tat erwachsen ist, die Anlass für die Anordnung von Beschlagnahme oder Arrest gewesen ist. Eine Zulassung der Zwangsvollstreckung setzt somit nur voraus, dass der Antragsteller €Verletzter€ ist und der Anspruch unmittelbar aus der Tat in Gestalt z.B. eines Herausgabe-, Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruches entstanden ist.

a. Grundsätzlich ist die ... als Verletzte mit einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch € jedenfalls aus der Verletzung ihrer Markenrechte € berechtigte Anspruchstellerin eines Antrags auf Zulassung der Zwangsvollstreckung als im Sinne der durch die Tat im prozessualen Sinne des § 264 StPO Geschädigte.

b. Die zwischen den Parteien geschlossene €Vereinbarung zur Außergerichtlichen Schadenswidergutmachung€ in vorliegender Form stellt zwar einen geeigneten Titel dar, jedoch regelt diese vorliegend nicht nur aus der Tat stammende Schadenswiedergutmachungsansprüche sondern enthält auch Vereinbarungen über die aus der Tat stammenden Ansprüche hinaus, die nicht erkennbar abtrennbar sind, so dass die Beschwerdeführerin den Nachweis, dass der titulierte Anspruch aus der diesem Verfahren zugrundliegenden Tat stammt, nicht geführt hat.

aa. Grundsätzlich stellt ein für sofort vollstreckbar erklärter Anwaltsvergleich einen Titel im Sinne des § 111g StPO dar (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 01. März 2005 € Az.: 5 W 37/05 - 13, 5 W 37/05 €, juris; LR-Johann § 111g Rn. 8). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anspruch € wie vorliegend - nicht erst durch den Vergleich entstanden ist, sondern dieser € wie regelhaft der Fall € den Anspruch lediglich modifiziert, indem er streitige oder ungewisse Punkte regelt und das ursprüngliche Rechtsverhältnis dem Inhalt sowie seiner Rechtsnatur nach bestehen lässt. Denn es ist allgemein anerkannt, dass der Anspruch des Verletzten aufgrund der Tat als solcher und nicht erst durch nachträgliche Absprachen zur Entstehung gekommen sein muss (Senat, Beschlüsse vom 10. Dezember 2010 € Az: 2 Ws 149/10 und 16. Dezember 2010 € Az.: 2 Ws 148/10 -, jeweils m.w.N.; zur Rechtsnatur des Vergleichs: Palandt € Sprau § 779 Rn. 2 und 11).

bb. Unerheblich ist darüber hinaus, ob der Anspruch bereits zivilgerichtlich überprüft ist, vielmehr muss es sich um einen zivilrechtlichen Titel im Sinne einer Vollstreckungsgrundlage handeln, dessen inhaltliche Überprüfung € mit Ausnahme der Frage, ob der titulierte Anspruch aus der Straftat stammt € weder dem Grunde noch der Höhe nach materiell-rechtlich dem Strafrichter im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach § 111g StPO obliegt (Senat, Beschlüsse vom 10. Dezember 2010 € Az.: 2 Ws 147, 148, 149/10, vom 16. Dezember 2010 € Az.: 2 Ws 150/10 und vom 10. Februar 2011 € Az.: 2 Ws 13/11 €, jeweils m.w.N.), es sei denn, die Vollstreckungszulassung ginge nach maßgeblichem Zivilrecht € beispielsweise im Falle von eingetretener Erfüllung € offensichtlich ins Leere (Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 € Az.: 2 Ws 148/10), was vorliegend jedenfalls nicht der Fall ist.

cc. Der vorliegend geschlossene Anwaltsvergleich lässt jedoch nicht erkennen, dass darin lediglich bzw. abtrennbar und damit hinreichend konkretisiert Ansprüche, die aus der Tat stammen, tituliert sind. Stellt sich im Rahmen der Zulassungsprüfung heraus, dass die titulierten Ansprüche nur teilweise auf der Straftat beruhen, etwa, weil sie auf noch andere Sachverhalte gestützt sind, muss der Verletzte seine Ansprüche nach allgemeinen Regeln glaubhaft machen (LR-Johann Rn. 14). Da dieser Nachweis nicht geführt worden ist und mit dem streitgegenständlichen Anwaltsvergleich auch nicht geführt werden kann, ist die Zwangsvollstreckung nicht zuzulassen.

(1) Vorliegend wurde die Zahlungsverpflichtung der ... in Höhe von 4,5 Millionen aus dem Anwaltsvergleich ausweislich seiner Präambel sowohl auf die den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zugrundeliegenden Sachverhalte gestützt, als auch auf den Handel mit Arzneimitteln der ... durch die ... in zeitlich nicht exakt bestimmten, jedoch vorausgegangenen Zeiträumen, wobei der Umfang insoweit mangels getroffener Feststellungen nicht benannt werden konnte. Mangels eindeutiger Angaben ist der im Vergleich vorhandenen Zahlungsvereinbarung nicht zu entnehmen, welcher Anspruch in welcher Höhe sich aus den dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalten ergibt und ob € ggf. welcher Teil € der Zahlungsvereinbarung auf etwaige darüber hinausgehende Zeiträume, mithin andere zivilrechtliche Ansprüche aus nicht dem Ermittlungsverfahren zugrundliegenden Taten, entfällt. Ziff. 1 des Vergleichs besagt lediglich, dass die Zahlung zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche erfolgt, ergänzt durch Ziff. 3 des Vergleichs, die die damit verbundene Abgeltung sämtlicher Ansprüche, €gleich aus welchem Rechtsgrund und ob bekannt oder unbekannt€ ergänzend regelt. Damit haben die Parteien dem Wortlaut nach eindeutig alle gegenseitig bestehenden etwaigen Ansprüche € unter ausdrücklicher Einbeziehung über den Verfahrensgegenstand hinausgehender Sach- und Rechtsgrundlagen € in den Vergleich einbezogen. Ob damit der Zahlungsanspruch in Höhe von 4,5 Millionen Euro aus der diesem Verfahren zugrunde liegenden prozessualen Tat stammt und sich die Parteien im Übrigen lediglich Generalquittung im Sinne eines Verzichts auf alle anderen gegenseitig bestehenden Ansprüche erteilt haben oder aber ein € ggf. fiktiver € Anteil der zu zahlenden Summe zur Abgeltung weiterer Ansprüche, die dem Verfahren nicht zugrundeliegenden Vorgängen und mithin nicht der Tat im Sinne des § 111 g StPO entstammen, entzieht sich einer Feststellbarkeit.

(2) Insoweit ist der Vergleich auch nicht einer zivilrechtlichen Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der ergänzenden nachträglichen Stellungnahmen der Vertragsparteien zugänglich. Denn vorliegend ist dieser als Mittel der Glaubhaftmachung für die Tatsache, dass der Anspruch aus der Tat stammt, in solchem Maße unkonkret, dass der nachträglich erklärte Parteiwille (Schriftsatz der ... vom 19. Mai 2016), der in der Vereinbarung festgelegte Schadensersatzbetrag stelle eine angemessene Kompensation des der ... durch die durch den Ermittlungszeitraum eingegrenzten Handlungen zustehenden Schadensersatzanspruches dar, den Mangel nicht heilen kann. Denn das Mittel der Glaubhaftmachung muss im Rahmen des hier vorzunehmenden kursorischen Prüfverfahrens € dem Zweck der Vorschrift des § 111g StPO entsprechend im Sinne einer lediglich strafprozessualen Zusatzprüfung € aus sich heraus und den Voraussetzungen des § 294 ZPO entsprechend geeignet sein, das Herstammen des Anspruches aus der Tat hinreichend zu belegen. Für eine Berücksichtigung etwaiger nachträglicher Erläuterungen, die dem Wortlaut der als Beweismittel zur Glaubhaftmachung dienenden Urkunde konträr sind und damit faktisch eine weitere Ebene der Glaubhaftmachung des der Glaubhaftmachung dienenden Mittels eröffnen würden, bleibt mithin kein Raum.

(3) Über den Vergleich hinaus sind keine weiteren Mittel der §§ 111g Abs. 2 S. 4 StPO, 294 ZPO, zur Glaubhaftmachung, dass der in dem Anwaltsvergleich titulierte Schadensersatzanspruch in Höhe von 4,5 Millionen Euro aus der diesem Verfahren zugrundliegenden Tat stammt, zur Akte gelangt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.






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