Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. August 2010
Aktenzeichen: 9 W (pat) 331/05
(BPatG: Beschluss v. 23.08.2010, Az.: 9 W (pat) 331/05)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Die Einsprechende hat gegen das am 5. März 2002 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Optimierung der Gasströmung innerhalb eines Membrankompressors"
Einspruch eingelegt. Zur Begründung ihres Einspruchs führt die Einsprechende aus, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgehe, in der sie ursprünglich eingereicht worden sei und dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei. Hierzu nennt sie zum Stand der Technik folgende Schriften:
D1 DE-OS 1 653 465 D2 DE-OS 1 132 285 D3 DE-AS 1 274 445 Außerdem verweist die Einsprechende auf offenkundige Vorbenutzungen, nämlich auf Schriftwechsel zwischen ihr und Abnehmern von Membrankompressoren anlässlich im Betrieb aufgetretener Probleme und auf eine Telefonnotiz, die verteilt worden sei.
D6 Prospekt "Hochdruck-Membranund Kolbenmaschinen" der A... GmbH in M... (R...)
von 1967 D7 DE 100 03 461 A1.
Aus dem angeführten Stand der Technik sei bereits ein Membrankompressor mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 bekannt, zumindest lege dieser Stand der Technik dem zuständigen Fachmann die mit dem Streitpatent beanspruchte Ausbildung eines Membrankompressors nahe.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Streitpatent zu widerrufen.
Der Patentinhaber stellt den Antrag, das Patent aufrecht zu erhalten.
Nach Auffassung des Patentinhabers ist der erteilte Patentanspruch zulässig. Außerdem sei die beanspruchte Vorrichtung patentfähig.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Pumpraum zur Optimierung der Gasströmung innerhalb eines Membrankompressors, mit einer durch einen Kolben hydraulisch angetriebenen auf der Deckelkurve von außen nach innen abrollenden Membran, gekennzeichnet durch eine mittels Kugelstrahlen erzeugten genarbten Oberfläche 10 der Deckelkurve."
Im Erteilungsverfahren wurden zum Stand der Technik noch die Entgegenhaltungen DE 100 56 708 C1, DE 1 132 285 B (Familienschrift zu D2) und DE 12 74 445 A (Familienschrift zu D3) berücksichtigt.
II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.
Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat der Einspruch keinen Erfolg.
1. Das Streitpatent betrifft einen Pumpraum zur Optimierung der Gasströmung innerhalb eines Membrankompressors.
Nach der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (SPS) arbeiten Membrankompressoren ähnlich wie normale Kolbenkompressoren, jedoch mit einer trennenden Membrane zwischen der Gasseite und der Ölseite. Die Ölseite wird durch die übliche Kolben-Zylindereinheit gebildet, deren Arbeitsund Tot-Volumen voll mit Öl gefüllt sind. Auf der Gasseite befinden sich die Gas-Saugund Druckventile. Durch die oszillierende Bewegung des Kolbens wird das durch ihn verdrängte Volumen auf die Membran übertragen, die dann ihrerseits das Ansaugen, die Verdichtung und das Ausschieben des Gases übernimmt (Absatz [0002] der SPS).
Um die unter dem Druck sich verformende Membran von außen nach innen auf ihrer Oberfläche abrollen zu lassen, ist die Kurvenform am Deckel als Anlage der Membran nach rein mathematischen Erfordernissen geformt. Das Problem besteht jedoch, dass sich zwischen der Membran und der Deckeloberfläche örtliche Gaspolster ausbilden können, die sowohl den Pumpraum verringern, als auch die Standzeit der Membran herabsetzen (Absatz [0004] der SPS).
Bekannt sind Maßnahmen zur Verbesserung des Gasabflusses aus den sich zwischen Deckeloberfläche und Membran bildenden Gaspolstern. Diese bestehen aus radial angeordneten kleinen Nuten, die sternförmig vom äußeren Kurvenbereich kommend in die Sieblöcher des Druckventilzugangs im Zentrum des Deckels führen. Dieses sternförmig angeordnete Nutenbild garantiert jedoch nicht ein bestimmtes Einzugsgebiet, aus dem Gaspolster noch sicher abgeleitet werden können. Der Hinzufügung einer größeren Anzahl von radial angeordneten Nuten stehen die Vergrößerung des nicht nutzbaren Pumpraums und die hohen Herstellkosten entgegen (Absatz [0006] der SPS).
Dem Streitgegenstand liegt die Aufgabe zu Grunde, die genannten Nachteile bekannter Membranpumpen zu beseitigen, aber dennoch durch die Aufhebung des Dichteffekts zwischen der glatten Deckelkurve und der Membran die innere Polsterbildung stark zu reduzieren bzw. aufzuheben (Absatz [0007] der SPS).
Nach dem Patentanspruch 1 des Streitpatents ist vorgesehen, dass die genarbte Oberfläche der Deckelkurve mittels Kugelstrahlen erzeugt ist.
2. Der Patentanspruch 1 ist zulässig. Der mit ihm beanspruchte Gegenstand ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörig offenbart.
Zwar hat der Patentinhaber die Ansprüche in seiner ursprünglichen Anmeldung auf ein Verfahren abgestellt; doch nach ständiger Rechtsprechung sind die ursprünglichen Ansprüche nicht einschränkend, sondern lediglich Formulierungsversuche. Da in den ursprünglich eingereichten Unterlagen neben einem Verfahren auch eine Vorrichtung als zur Erfindung gehörig offenbart ist, liegt es in der Hand des Anmelders, an Stelle des Verfahrens die in den ursprünglichen Unterlagen offenbarte Vorrichtung zu beanspruchen.
Die Offenbarung der Merkmale der nunmehr beanspruchten Vorrichtung in den ursprünglichen Unterlagen bestreitet die Einsprechende lediglich hinsichtlich des Merkmals "Pumpraum". Ursprünglich offenbart seien lediglich ein "Gasraum" und ein "Ölraum".
Bei dieser Argumentation übersieht die Einsprechende, dass sich die Anmeldung an den auf diesem technischen Gebiet tätigen Fachmann richtet. Dieser Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau. Dieser kennt die Funktionsweise von Pumpen, nämlich gasförmige oder flüssige Medien zu fördern und dabei den Druck in diesen Medien zu erhöhen. Der Raum, in dem diese Erhöhung des Druckes erfolgt, wird fachüblich als Pumpraum bezeichnet. Somit erkennt der Fachmann ohne jedes Nachdenken aus der Funktionsweise des beanspruchten Membrankompressors, dass es sich bei dem zwischen dem Saugund Druckventil 6, 7, dem Deckel 2 und der Membran 4 liegenden Raum um einen Pumpraum handelt. Denn durch Hinund Herbewegung der Membran 4 wird Gas durch das Saugventil 6 in diesen Raum angesaugt und anschließend im Pumphub der Pumpe wird das sich in diesem Raum befindliche Gas durch das Druckventil 7 zur Druckseite der Membranpumpe gepumpt (Seite 1, Absatz 2, Seite 3, Absatz 1 und Figur 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen).
3. Der Pumpraum nach Patentanspruch 1 ist neu.
Zum Widerrufsgrund mangelnder Neuheit hat die Einsprechende auf die Schrift DE-AS 1 274 445 (D3) verwiesen.
Aus der DE-AS 1 274 445 (D3) ist eine Membranpumpe zum Fördern von reinen oder Feststoffe enthaltenden Flüssigkeiten bekannt (Titel der D3). Diese Membranpumpe weist eine durch einen Kolben 1 hydraulisch angetriebene und auf einer Deckelkurve von außen nach innen abrollende Membran 2 auf (Spalte 4, Zeilen 14 bis 16 mit Figur 1 der D3). Beim Pumpen von Suspensionen setzen sich Feststoffe zwischen der Membran und dem Pumpenkopf ab. Zur Vermeidung dieses Problems wird in der DE-AS 1 274 445 (D3) vorgeschlagen, an der Membranund Pumpenkopfinnenfläche eine Vielzahl kleiner narbenoder zylinderförmiger oder unregelmäßig geformter Hohlräume anzuordnen, die in Totlage der Membran von dieser abgeschlossen werden.
Demgegenüber unterscheidet sich der Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents dadurch, dass es sich um den Pumpraum eines Membrankompressors für gasförmige Medien handelt und dass die genarbte Oberfläche der Deckelkurve mittels Kugelstrahlen erzeugt ist. Die Bearbeitung einer Oberfläche durch Kugelstrahlen führt nicht zu Hohlräumen, die, wie bei der Membranpumpe nach der DE-AS 1 274 445 (D3) bekannt, durch die Membran verschlossen werden können. Vielmehr führt eine derartige Oberflächenbearbeitung lediglich zu einer erhöhten Rauhigkeit der Oberfläche der Deckelkurve.
Die Einsprechende führt aus, dass die Art der Behandlung der Deckeloberfläche bei der Prüfung der Neuheit nicht zu berücksichtigen sei. Denn hierbei handele es sich um ein Verfahrensmerkmal, das bei einem Vorrichtungsanspruch nicht zu berücksichtigen sei.
Dem stimmt der Senat nicht zu. Denn ein Patentgegenstand wird mit allen Merkmalen eines Patentanspruchs beschrieben. Im vorliegenden Fall wird durch die Angabe "Kugelstrahlen" zum einen die Art der Herstellung der Deckeloberfläche angegeben, zum anderen ist hierdurch auch ein Hinweis auf die Beschaffenheit der Deckeloberfläche gegeben. Beides zusammen bestimmt den Patentgegenstand.
Eine Prüfung durch den Senat hat ergeben, dass die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften dem beanspruchten Gegenstand ebenfalls nicht neuheitsschädlich entgegen stehen. Denn keiner ist eine mittels Kugelstrahlen erzeugte, genarbte Oberfläche der Deckelkurve zu entnehmen.
4. Der Pumpraum nach Patentanspruch 1 wird dem zuständigen Fachmann durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahe gelegt.
Die Beteiligten stimmen darin überein, dass Membrankompressoren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 allgemein bekannt sind. Beispielsweise wird auf die DE-OS 1 653 465 (D1) oder die DE-OS 1 132 285 (D2) hingewiesen, aus denen ein Pumpraum eines Membrankompressors mit einer durch einen Kolben hydraulisch angetriebenen, auf einer Deckelkurve von außen nach innen abrollenden Membran bekannt ist (vgl. in der Figur der D1 den Kolben 6, die Membran 2 und die im Deckel 1 ausgebildete Deckelkurve oder in der Figur 2 der D2 den Kolben 12, die Membran 6 und die Innenfläche 7 des Pumpraums).
Außerdem ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das Problem der Ausbildung von örtlichen Gaspolstern zwischen der Membran und der Deckeloberfläche von Membrankompressoren seit langem bekannt ist. Als Maßnahme zur Abhilfe sei es seit langer Zeit üblich, in der Deckeloberfläche des Pumpraums kleine Nuten radial anzuordnen (vgl. Figur 2 des Streitpatents, die diesen Stand der Technik zeigt, oder Spalte 3, Zeilen 1 bis 3 der DE-AS 1 274 445 (D3), in der derartige Nuten als bekannt bei Membranverdichtern bezeichnet werden).
Sucht der Fachmann nach anderen Lösungen zur Vermeidung von Gaspolstern zwischen der Membran und der Deckeloberfläche von Membrankompressoren, so zieht er die DE-AS 1 274 445 (D3) bei seinen Überlegungen nicht in Betracht. Denn bei Membranpumpen zur Förderung von Flüssigkeiten kann dieses Problem der Entstehung von Gaspolstern überhaupt nicht auftreten, da der gesamte Pumpraum immer ausschließlich mit Flüssigkeit gefüllt ist.
Im Übrigen lehrt diese Schrift lediglich, in der Deckeloberfläche eine Vielzahl einzelner Hohlräume auszubilden, und nicht die Oberfläche mittels Kugelstrahlen aufzurauen.
Bei den von der Einsprechenden angeführten offenkundigen Vorbenutzungen soll nach Angaben der Einsprechenden zur Vermeidung von Gaspolstern zwischen der Membran und der Deckeloberfläche die Deckeloberfläche aufgeraut worden sein, indem die Deckeloberfläche mittels eines groben Sandpapiers (36er bis 40er Korn) sternförmig von außen nach innen, angefangen bei etwa 2/3 des Membrandurchmesser, geschliffen wurde. Zu dieser Maßnahme des Schleifens sei für den Fachmann die Bearbeitung durch Kugelstrahlen der Oberfläche eine naheliegende, kostengünstige Alternative.
Dem stimmt der Senat nicht zu. Denn Kugelstrahlen ist ein Verfahren zur Behandlung von Oberflächen, das zur Reinigung, zum Verfestigen und zum Glätten eingesetzt wird. In allen Fällen geht es um eine Verbesserung der Oberflächengüte. Kugelstrahlen jedoch zur gezielten Erhöhung der Rauhigkeit einer Oberfläche einzusetzen ist nicht fachüblich. Daher zieht der Fachmann das Kugelstrahlen zur entsprechenden Bearbeitung der Deckeloberflächen von Membranpumpen nicht in Betracht.
Hinzu kommt, dass die angeführten Vorbenutzungen die Lehre vermitteln, mit dem groben Sandpapier gezielt von außen nach innen zu schleifen. Damit wird dem Fachmann die Lehre vermittelt, dass es auf ein radiales, sternförmiges Schleifen ankommt, um -in Anlehnung an die radiale, sternförmige Ausrichtung der bekannten Nuten in der Deckeloberfläche -gerade durch radiale, zum Druckventilzugang im Zentrum des Deckels führende Schleifriefen Gaspolster zu vermeiden. Eine derartige Ausrichtung von Riefen in Oberflächen ist für den Fachmann offensichtlich mit dem Verfahren des Kugelstrahlen nicht erreichbar, da die einzelnen Kugeln jeweils lediglich punktuell wirken und sich daher ein ungeordnetes Oberflächenbild ergibt.
Der zuständige Fachmann zieht bei der Suche nach Lösungen zur Vermeidung von Gaspolstern zwischen der Membran und der Deckelkurve eines Membrankompressors auch die Lehre der DE 100 03 461 A1 (D7) nicht in Betracht. Denn diese Druckschrift betrifft eine Lagerung für einen Festplattenantrieb. Derartige Lagerungen werden in Speichergeräten, in Kopiermaschinen oder in Laserdruckern eingesetzt (Seite 2, Zeilen 3 bis 9 der D7). Festplatten sind dem Bereich der Elektronik/Informatik zuzuordnen. Demgegenüber sind Membranpumpen dem Bereich des Maschinenbaus zuzuordnen. Beide Gebiete weisen kaum technische Überschneidungen auf, so dass der auf dem Gebiet der Membranpumpen tätige Fachmann auf dem Gebiet der Informatik keine Anregungen zur Lösung seines ausschließlich pumpenbezogenen Problems erwartet.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften, die von der Einsprechenden nicht zur Begründung mangelnder erfinderischer Tätigkeit herangezogen wurden, können ebenfalls nicht zum Streitgegenstand führen. Denn keiner ist eine Deckelkurve zu entnehmen, die eine mittels Kugelstrahlen genarbte Oberfläche aufweist. Bei dieser Prüfung ist die Lehre der DE 100 56 708 C1 nicht zu berücksichtigen, da diese Schrift erst nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht wurde.
5. Bei diesem Sachverhalt kann dahin stehen, ob die von der Einsprechenden angeführten offenkundigen Vorbenutzungen in der behaupteten Art stattgefunden haben.
Pontzen Gutermuth Bülskämper Dr. Höchst Ko
BPatG:
Beschluss v. 23.08.2010
Az: 9 W (pat) 331/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/12ec20c72a4e/BPatG_Beschluss_vom_23-August-2010_Az_9-W-pat-331-05