Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2010
Aktenzeichen: 30 W (pat) 71/09
(BPatG: Beschluss v. 10.06.2010, Az.: 30 W (pat) 71/09)
Tenor
BPatG 152 Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung Audiosensogramm.
Das Waren-/ Dienstleistungsverzeichnis lautet:
"Tonträger; Ausbildung und Unterricht im Bereich Psychologie, Heilkunde, Alternativmedizin; Dienstleistungen eines Psychologen, Dienstleistungen eines Heilpraktikers, alternativmedizinische Dienstleistungen."
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil die Marke beschreibend auf eine Diagnosestellung durch Sensogramm im Hörbereich hinweise. Der Bestandteil "Audio-" (lateinisch: ich höre) werde im Zusammenhang mit dem Hören und der Tontechnik verwendet; der weitere Markenbestandteil "Sensogramm" sei ein Fachbegriff der Audiologie für eine Methode zur Anpassung von Hörgeräten; die Hörwahrnehmung werde dargestellt. Mit der Marke werde damit auf die Bestimmung der Tonträger sowie der Dienstleistungen hingewiesen.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen ist er der Auffassung, dass das Wort "Audiogramm" sich auf das Hörvermögen beziehe, aber keinerlei Bezug zu beanspruchten Waren/Dienstleistungen aufweise; der Begriff "Sensogramm" werde in völlig unterschiedlichen Bereichen verwendet und weise damit keinen klaren Bedeutungsgehalt auf, jedenfalls keinen mit beschreibendem Bezug zu hier maßgeblichen Produkten/Dienstleistungen. Damit ergäbe sich auch für die Gesamtbezeichnung kein beschreibender Bedeutungsgehalt.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Bezeichnung Audiosensogramm ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229, 230 [Nr. 27 ff.] -BioID; BGH GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 18] -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2008, 710 [Nr. 12] -VISAGE; GRUR 2009, 411 [Nr. 8] -STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 [Nr. 11] -Willkommen im Leben; GRUR 2009, 952 [Nr. 9] -DeutschlandCard). Keine Unterscheidungskraft kommt zunächst Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] -DeutschlandCard).
Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu der betreffenden Ware oder Dienstleistung hergestellt wird (BGH GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 411 [Nr. 9] -STREETBALL; BGH GRUR 2009, 949, 951 [Nr. 20] -My World). Die Eignung, Produkte ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, kommt schließlich auch solchen Angaben nicht zu, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] -DeutschlandCard). Nach diesen Grundsätzen muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.
Das aus der lateinischen Sprache stammende Markenelement "audio" ist in entsprechend gebildeten Fremdwörtern ein Wortbildungselement mit der Bedeutung "Gehör, Hör-, Ton-" und wird in diesem Sinn in Begriffen wie "Audiologie" (Teilgebiet der Medizin, das sich mit Funktion und Störungen des Gehörorgans befasst), "Audiometrie" (Verfahren zur Prüfung der Gehörfunktion) oder "Audiogramm" (Darstellung der Hörschwelle) verwendet, die Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben (vgl. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. S. 160). Im Bereich der Tontechnik bzw. Tonwiedergabe gibt es Begriffe wie "Audiotechnik" oder "Audioanlage".
Mit dem aus dem Lateinischen stammenden Wort "sensus" wird das Empfindungsvermögen eines bestimmten Sinnesorganes bezeichnet (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1230; Duden, Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe, 8. Aufl. S. 711). Daraus hergeleitet wird "Senso-" als Wortbildungselement verwendet, wenn es um die Sinnesorgane oder das Sinnesempfinden geht; mit dem Begriff "Sensomotorik" wird das Zusammenspiel von Empfindungen und Bewegungsabläufen bezeichnet, "sensorisch" bedeutet "die Aufnahme von Sinnesempfindungen betreffend" (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1229, 1230). Ein "Sensor" ist ein elektronischer Fühler zur Messung physikalischer Größen (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O. S. 1229).
Der Begriff "-gramm" weist in Wortzusammensetzungen auf eine Darstellung oder Abbildung hin (vgl. Duden Fremdwörterbuch a. a. O.); ein "Diagramm" ist die grafische Darstellung von Daten, Sachverhalten oder Informationen, ein "Piktogramm" ist ein Bildsymbol.
Das Wort "Sensogramm" wird, worauf der Anmelder zutreffend hinweist, in unterschiedlichen Bereichen verwendet, stets aber im Zusammenhang mit grafischen Darstellungen von Messungen, wie der Aufruf des Begriffs "Sensogramm" im Internet bei der Suchmaschine "Google" zeigt. So heißt es zum Beispiel in einer Untersuchung zur DNA: "Das Ergebnis einer Reihe solcher Messungen zeigt das Sensogramm in Abbildung 23" (vgl. http://deposit.dnb.de/cgibin/dokserv€idn=973166282&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=973166282.pdf). Ein Hörgerätehersteller bietet bei der Anpassung eines Hörgerätes im Rahmen einer Hörschwellenmessung ein Sensogramm an (vgl. den vom Erstprüfer übersandten Nachweis aus dem Internet, http://www.innovativin.de/p.2858.htm). Im Bereich der Audiopädagogik wird zur Nutzung optimaler technischer Hilfen auf ein Sensogramm Bezug genommen (vgl. http://www.usz.ch/non_cms/orl/cizentrum/Assets/images/veranstaltungen/cifobi_2009/Audiopaedagogik.pdf, dort S. 21). Ferner wird das Wort "Sensogramm" im Zusammenhang mit der Darstellung von Wahrnehmung durch die Sinnesorgane verwendet. In einem Bericht über Lebensmittelpräferenzen ist die Komplexität der sinnlichen Wahrnehmung in einem "Sensogramm" dargestellt (vgl. http://opus.hawhamburg.de/volltexte/2007/321/pdf/ern_y_526.pdf, dort S 6). Zur Prüfung der emotionalen Wirkung einer Marke bietet, worauf sich schon die Markenstelle bezogen hat, ein Marketing-Unternehmer die Aufstellung eines Sensogramms an (vgl. http://www.innovativin.de/p.2858.htm).
Insgesamt stellt sich die angemeldete Bezeichnung damit als Hinweis auf in einem Sensogramm dargestellte Messungen im Bereich "Audio" dar, sei es Audiotechnik oder das Gehör betreffend.
Mit Bezug auf das beanspruchte Waren-/Dienstleistungsverzeichnis, das Oberbegriffe verwendet, ergibt sich für die Ware "Tonträger" die zur Beschreibung beeignete Sachaussage, dass zum Nachweis der Tonqualität eine in einem Sensogramm dargestellte Messung erfolgt ist. Die Dienstleistungen der Klassen 41 und 44 können derartige Darstellungen von Messungen im Gebiet "Audio" (Gehör) zum Gegenstand haben, was für Heilkunde, Alternativmedizin, Dienstleistungen eines Heilpraktikers und alternativmedizinische Dienstleistungen ohne weiteres nahegelegt ist. Dies gilt entgegen der Auffassung des Anmelders aber auch für den Bereich der Psychologie, deren Anwendungsgebiet unter anderem das Gesundheitswesen und damit auch das Gebiet von Hörorganschäden sein kann, zum Beispiel im Bereich der Audiopädagogik angeboten bei Hörschäden von Kindern (vgl. http://www.usz.ch/non_cms/orl/cizentrum/Assets/images/veranstaltungen/cifobi_2009/Audiopaedagogik.pdf, dort S 4). Die Durchführung und Darstellungen von Messungen im Gebiet "Audio" (Gehör) kann demzufolge auch das Dienstleistungsangebot eines Psychologen umfassen.
Die Markenstelle hat die angemeldete Marke nach alledem zu Recht von der Eintragung ausgeschlossen.
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BPatG:
Beschluss v. 10.06.2010
Az: 30 W (pat) 71/09
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