Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. November 2000
Aktenzeichen: NotZ 16/00
(BGH: Beschluss v. 20.11.2000, Az.: NotZ 16/00)
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des Senats für Notarsachen bei dem Kammergericht vom 19. April 2000 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 1999 (-I-RAK 864 SH III -) aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die im gerichtlichen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird für beide Rechtszüge auf 100.000,--DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller war von 1972 bis 1986 als Rechtsanwalt bei dem Landgericht H. und von 1986 bis 1992 bei den Landgerichten M. I und II zugelassen. Seit dem 10. Dezember 1992 ist er bei dem Landgericht B. zugelassen; am 9. März 1993 wurde er ferner in die Liste der bei dem Kammergericht zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen. Am 22. Februar 1996 erfolgte seine Bestellung zum Notar in B. . Aufgrund seiner schlechten Vermögensverhältnisse widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. April 1999 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO und ordnete mit Verfügung vom 19. Mai 1999 die sofortige Vollziehung an. Durch weiteren Bescheid vom 19. April 1999 kündigte sie dem Antragsteller ihre Absicht an, ihn gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO seines Notaramtes zu entheben und verfügte gleichzeitig seine vorläufige Amtsenthebung gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO. Gegen alle vorbezeichneten Verfügungen stellte der Antragsteller Anträge auf gerichtliche Entscheidung. Der Anwaltsgerichtshof B. hat die seine Anwaltszulassung betreffenden Anträge mit Beschluß vom 1. Dezember 1999 zurückgewiesen; die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist bei dem Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs anhängig. Den die Ankündigung seiner Amtsenthebung sowie seine vorläufige Amtsenthebung als Notar betreffenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Senat für Notarsachen bei dem Kammergericht durch Beschluß vom 19. April 2000 zurückgewiesen; seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der beschließende Senat durch Beschluß vom heutigen Tage (NotZ 19/2000) zurückgewiesen, wobei er das Vorliegen der Voraussetzungen der endgültigen Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO festgestellt hat.
Mit Schreiben vom 22. Juni 1999 zeigte die V. Versicherung unter Hinweis auf § 158 c VVG an, daß infolge Mahnverfahrens gemäß § 39 VVG ab 16. April 1999 in der Berufshaftpflichtversicherung des Antragstellers -die auch seine Haftpflicht als Notar betrifft -kein Versicherungsschutz mehr bestehe.
Weil dieser Zustand fortdauerte, forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 22. September 1999 auf, binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens den Nachweis für das Bestehen einer ausreichenden Haftpflichtversicherung u. a. für das Notarrisiko zu führen, widrigenfalls seine Amtsenthebung als Notar erfolgen werde. Da der Antragsteller einen entsprechenden Nachweis nicht erbrachte, enthob ihn die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 19. Oktober 1999 gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO seines Amtes. Den gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Notarsenat des Kammergerichts "wegen Fehlens der Haftpflichtversicherung" zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die gemäß §§ 111 Abs. 4 BNotO, 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Auf den gemäß § 111 BNotO zulässigen Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist der Bescheid der Antragsgegnerin über seine Amtsenthebung vom 19. Oktober 1999 aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt.
1. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO ist der Notar seines Amtes zu entheben, wenn er nicht die durch § 19 a BNotO vorgeschriebene Haftpflichtversicherung unterhält. Diese Voraussetzung war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes über die Amtsenthebung durch die Landesjustizverwaltung (vgl. dazu Sen.Beschl. v. 13. Oktober 1986 -NotZ 9/86, Umdr.
S. 5 f., insoweit nicht abgedr. in DNotZ 1987, 442; v. 29. Oktober 1973 -NotZ 6/72, DNotZ 1975, 47) nicht erfüllt. Der Antragsteller hat eine den Vorschriften des § 19 a BNotO genügende Berufshaftpflichtversicherung bei der V. Versicherung AG abgeschlossen, die im Zeitpunkt der Amtsenthebung bestand und die sogar weitergehend bis zum heutigen Tage fortbesteht. Sie ist dadurch, daß der Antragsteller seit April 1999 in Zahlungsrückstand geraten ist und der Versicherer unter Beachtung der Förmlichkeiten des § 39 Abs. 1 VVG das Mahnverfahren eingeleitet hat, nicht aufgelöst worden. Das Versicherungsverhältnis im ganzen wird vielmehr bei entsprechendem Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers erst dann aufgelöst, wenn der Versicherer nach§ 39 Abs. 3 VVG kündigt. Eine solche Kündigung hat die V. Versicherung AG nach telefonischer Auskunft sowohl ihres Mitarbeiters P. alsauch der Antragsgegnerin bislang nicht ausgesprochen.
Wie der Senat in verfassungskonformer Auslegung des § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO bereits entschieden hat, ist der Tatbestand des "Nichtunterhaltens" der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung im Sinne des Gesetzes nicht schon dann erfüllt, wenn der Versicherer lediglich gemäß § 39 Abs. 2 VVG von der Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer frei geworden ist, ohne das Versicherungsverhältnis gemäß § 39 Abs. 3 VVG gekündigt zu haben (Sen.Beschl. v. 13. Oktober 1986, aaO, S. 444). Der Gesetzeszweck der §§ 19 a, 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO , den Rechtsuchenden bei Amtspflichtverletzungen des Notars unabhängig von dessen sonstiger Vermögenslage einen zahlungsfähigen Ersatzpflichtigen zu gewährleisten, bleibt in einem solchen Falle gewahrt, weil nach § 158 c Abs. 1 VVG in Ansehung des Dritten der durch § 19 a BNotO vorgeschriebene Mindestversicherungsschutz ohne zeitliche Grenze bestehen bleibt (vgl. § 158 c Abs. 3 VVG). Es ist deshalb zum Schutze der Rechtsuchenden nicht notwendig, den Notar schon in diesem Stadium zwingend seines Amtes zu entheben, zumal der Aufsichtsbehörde genügend andere Mittel -notfalls auch disziplinarischer Art -zur Einwirkung auf den Notar bleiben, der trotz Fristsetzung des Versicherers fällige Prämien nicht bezahlt. Die von einem Verschulden des Notars nicht abhängige Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO darf, da sie einen der schwersten Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufliche Stellung des Notars darstellt, als letztes Mittel der Landesjustizverwaltung erst dann stattfinden, wenn der Versicherungsschutz auch im Verhältnis zu einem geschädigten Dritten unmittelbar gefährdet ist (Senat aaO, S. 445). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Da der Antragsteller mithin die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung unterhielt, hat die auf § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO gestützte Amtsenthebung -anders als seine vorläufige Enthebung gemäß §§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO im Parallelverfahren NotZ 19/00 - keinen Bestand.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m. 201 Abs. 2, 42 Abs. 6 BRAO und 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.
Rinne Tropf Kurzwelly Grantz Lintz
BGH:
Beschluss v. 20.11.2000
Az: NotZ 16/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/131faef56bd6/BGH_Beschluss_vom_20-November-2000_Az_NotZ-16-00