Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 12. Juli 2012
Aktenzeichen: I-6 U 220/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 12.07.2012, Az.: I-6 U 220/11)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. September 2011 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (39 O 38/10) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der am 08. Juli 2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten unter Punkt VI TOP 3 gefasste Beschluss mit dem Inhalt

„Herr A. wird zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Er wird von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit“

wird für nichtig erklärt.

Der am 21. September 2010 in der Gesellschafterversammlung der Beklagten unter Punkt TOP 6 d) gefasste Beschluss mit dem Inhalt

„Ausschluss der Gesellschafterin B. aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund vorbehaltlich, dass die Gesellschaft für Leistungen einer Abfindung aus freiem Vermögen in der Lage ist und auch die sonstigen gesetzlichen Vorschriften erfüllt sind, hilfsweise, festzustellen, dass gemäß § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ein wichtiger Grund für die Ausschließung der Gesellschafterin B. vorliegt, sowie die gerichtliche Feststellung gemäß § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, dass ein wichtiger Grund in der Person der Klägerin vorliegt, um einen Ausschluss im Sinne des Gesellschaftsvertrages zu veranlassen“

wird für nichtig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,

die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn

nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des

jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt im Wege der Anfechtungsklage die Nichtigerklärung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen der Beklagten vom 08. Juli 2010 und vom 21. September 2010. Zum einen wendet sie sich gegen den Beschluss, durch den Herrn A. zum von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten weiteren Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden ist, zum anderen gegen den Beschluss, mit dem ihr Ausschluss als Gesellschafterin, hilfsweise das Vorliegen eines wichtigen Grundes für ihre Ausschließung festgestellt worden ist.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nur hinsichtlich des Beschlusses vom 21. September 2010 (Ausschluss der Klägerin) als begründet angesehen und sie hinsichtlich des Beschlusses vom 08. Juli 2010 (Bestellung des Herrn A. zum Geschäftsführer) abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht - soweit für den Berufungsrechtszug von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Einberufung der Gesellschafterversammlung vom 08.07.2010 sei ordnungsgemäß gewesen. Der Mitgesellschafter A. sei gemäß § 6 Nr. 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages und § 50 Abs. 3 GmbHG selbst zur Einberufung der Versammlung berechtigt gewesen, weil der Geschäftsführer der Beklagten auf sein Verlangen keine Gesellschafterversammlung einberufen habe. Das Einberufungsverlangen mit Anwaltsschreiben vom 21.05.2010 sei wirksam gewesen. Unschädlich sei, dass ihm keine schriftliche Vollmacht beigefügt gewesen sei, inhaltlich sei es ausreichend gewesen, da es alle erforderlichen Angaben enthalte. Eine Verpflichtung des Mitgesellschafters A., der Verlegungsbitte der Klägerin nachzukommen, habe nicht bestanden, es sei nicht ersichtlich, weshalb ihr eine Anreise unmöglich gewesen sein sollte. Die Gesellschafterversammlung sei auch am richtigen Ort durchgeführt worden. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Vertreterin des Mitgesellschafters A. nach dem - aus den im Urteil dargelegten Gründen maßgeblichen - Vortrag der Klägerin nicht um Einlass an der Geschäftsanschrift der Beklagten bemüht habe. Es wäre, so das Landgericht, eine sinnlose Förmelei gewesen, vor Durchführung der Gesellschafterversammlung an der Ausweichadresse sich um Einlass zu bemühen, weil niemand da gewesen wäre, das Teilnahmerecht der Klägerin wahrzunehmen. Die Gesellschafterversammlung sei schließlich auch beschlussfähig gewesen, auch einem Stimmrechtsausschluss habe der Mitgesellschafter A. nicht unterlegen.

Der gefasste Beschluss sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die dem Mitgesellschafter A. vorzuwerfende Pflichtverletzung stehe seiner Bestellung nicht entgegen, es sei in dem Urteil des Landgerichts München vom 08.04.2011 nicht festgestellt, dass er keine zu sichernden Ansprüche gegen die Beklagte gehabt habe, sondern lediglich, dass die Vollmacht zu weit gefasst gewesen sei. Die Bestellung des Mitgesellschafters A. sei vielmehr aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den beiden Gesellschaftern gerechtfertigt gewesen, da der Geschäftsführer D., wie der Ablauf des Rechtsstreit zeige, mit der Klägerin konform sei, wohingegen der Gesellschafter A. bei der Geschäftsführung nicht vertreten sei. Auch habe es zumindest Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Geschäftsführung von Herrn D. nicht ordnungsgemäß gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie ist zunächst der Ansicht, durch den Beschluss weiterhin beschwert zu sein, obgleich Herr A. nach dem Verkauf seiner Gesellschaftsanteile sein Geschäftsführeramt mit Schreiben vom 26.10.2010 mit sofortiger Wirkung niedergelegt habe. Zur Abgabe der von ihr geforderten Erklärung, keine Rechte aus seiner Geschäftsführerbestellung herzuleiten, habe sich Herr A. nicht in der Lage gesehen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Recht den Vortrag von Rechtsanwältin E. (für Herrn A.) nicht berücksichtigt, sie meint aber, dass ihr Vortrag vom Landgericht gleichwohl nicht durchgängig als zutreffend unterstellt worden sei. So habe das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, Herr D. habe die Einberufung einer Gesellschafterversammlung (pflichtwidrig) unterlassen, was sie, die Klägerin, im ersten Rechtszug bestritten habe und auch weiterhin ausdrücklich bestreite.

Das Einladungsschreiben vom 21.05.2010 sei inhaltlich nicht ausreichend gewesen, weil ihm keine schriftliche Vollmacht beigefügt worden sei und es nicht die nach § 50 Abs. 3 GmbHG erforderlichen Angaben enthalten habe. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht habe es entgegen der Ansicht des Landgerichts auch geboten, die Gesellschafterversammlung zu verlegen, da sie mitgeteilt habe, dass sie sich im Urlaub befinde. Die Gesellschafterversammlung sei nicht am richtigen Ort durchgeführt worden. Da sich niemand um Einlass in die Geschäftsräume der Beklagten bemüht habe, seien die Voraussetzungen dafür, dass die Gesellschaftversammlung an einem anderen Ort durchgeführt werden konnte, nicht erfüllt gewesen. Sich um Einlass zu bemühen, könne auch nicht als sinnlose Förmelei angesehen werden, weil die in den Räumen der Beklagten anwesende Frau C. sie, die Klägerin, telefonisch hätte informieren können, dass wider Erwarten doch jemand erschienen sei - sie, die Klägerin, sei immerhin davon ausgegangen, dass an dem besagten Tag gar keine Gesellschafterversammlung stattfinden werde. Auch sie hätte nach Information dann noch kurzfristig für eine Vertretung in der Versammlung sorgen können, diese Möglichkeit sei ihr aber genommen worden, da niemand an der Geschäftsadresse Einlass erbeten habe. Auch die Bevollmächtigung der Rechtsanwältin F. bleibe ebenso bestritten wie die Behauptung, dass am 08.07.2010 die Gesellschafterversammlung am genannten Ort stattgefunden habe. Möglicherweise sei alles von Herrn A. inszeniert und vorbereitet worden, einschließlich des nicht von Frau F., sondern offenkundig von diesem verfassten Protokolltextes.

Jedenfalls sei die Beschlussfassung aber deshalb unwirksam, weil Herrn A. ein Stimmrechtsmissbrauch vorzuwerfen sei, indem er sich trotz des inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vor dem Landgericht München in unberechtigter Weise eigenmächtig zum Geschäftsführer bestellt habe. Die Klägerin nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf den Inhalt des Urteils des Landgerichts München und vertritt die Auffassung, die darin festgestellten Pflichtverletzungen des Herrn A. stünden seiner Bestellung zum Geschäftsführer entgegen. Immerhin habe dieser nach den Feststellungen in jenem Urteil „mit der Grundschuld für sich selbst gegen die guten Sitten verstoßen und seine Interessen rücksichtslos zu Lasten der Gesellschaft durchgesetzt“. Demgegenüber hätten die vom Landgericht angenommenen Vorwürfe gegen Herrn D. nicht einmal den Charakter einer Pflichtverletzung, es handele sich um vom Finanzamt gesehene verdeckte Gewinnausschüttungen in sehr kleinem wirtschaftlichen Rahmen, Herr A. habe zu seinen Gunsten jedoch eine Grundschuld in Höhe von 1,8 Mio. Euro ohne Rechtsgrund bestellt.

Die Kostenentscheidung des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft, weil der Streitwert für den zweiten Antrag deutlich höher gewesen sei als derjenige für den ersten Antrag.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

unter Abänderung des am 30.09.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf - 39 O 38/10 - den Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 08.07.2010 unter Punkt VI TOP 3 mit dem Inhalt:

„Herr A. wird zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Er wird von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit“

für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Berufung nicht erwidert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 14. Juni 2012 und die in diesem Urteil getroffenen Feststellungen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Auch der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 08.07.2010 ist formell und materiell rechtswidrig.

A: Die Klage ist zulässig. Da eine Regelung im GmbHG fehlt, erfolgt die Geltendmachung von Beschlussmängeln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung im Schrifttum in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426). Soweit danach Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mangelhaft sind, können sie durch die kassatorisch wirkende Anfechtungsklage beseitigt werden.

1. Es ist auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage dadurch entfallen, dass Herr A. nach Verkündung des angefochtenen Urteils und Einlegung der Berufung die „Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung niedergelegt hat“. Der angefochtene Beschluss vom 08.07.2010 ist, wie jeder nicht an einem zur Beschlussnichtigkeit führenden schweren Mangel leidende Gesellschafterbeschluss, solange wirksam, wie nicht seine Nichtigkeit durch ein kassatorisches Urteil rechtskräftig festgestellt worden ist. Die von der Klägerin geforderte Erklärung, aus seiner eigenmächtigen Bestellung als Geschäftsführer keine Rechte herzuleiten und anzuerkennen, dass er nicht wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden ist, hat Herr A. nicht abgegeben. Zudem hat die Klägerin ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Herr A. als Geschäftsführer Handlungen für die Gesellschaft vorgenommen habe und schließlich auf das angefochtene Urteil verwiesen, in dem - wenn auch rechtsfehlerhaft - festgestellt worden sei, dass Herr A. zum Geschäftsführer bestellt worden sei.

2. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es ein bestimmtes Beschlussergebnis gibt, welches im Klagewege „kassiert“ werden soll, bis dahin aber vorläufig wirksam und für alle Beteiligten verbindlich ist. Fehlt es an einem festgestellten Gesellschafterbeschluss, bleibt den Betroffenen allein die Erhebung der nicht fristgebundenen, nur der Verwirkung unterliegenden Feststellungsklage (BGH, Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426).

Vorliegend ist mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass ein Beschluss vorliegt, der mit einem bestimmten Inhalt vorläufige Wirksamkeit erlangt hat. Die Klägerin hat als Anlage K 9 zur Klageschrift ein Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 08.07.2010 vorgelegt. In diesem ist der angefochtene Beschluss durch Rechtsanwältin F. als Versammlungsleiterin förmlich festgestellt worden, indem sie das Beschlussergebnis als wirksam verkündet hat. Zwar hat die Klägerin die Existenz dieses Beschlusses sowie die Durchführung der Gesellschafterversammlung bestritten. Dem ist das Landgericht aber mit Recht nicht nachgegangen. Die Klägerin geht ersichtlich sowohl von der (vorläufigen) Wirksamkeit dieses Beschlusses, als auch davon aus, dass seine Rechtmäßigkeit im Wege der Anfechtungsklage gerichtlich geklärt werden muss. Nichts anderes gilt für die Beklagte und den ehemaligen Mitgesellschafter A.. Zudem liegt ein - wenn auch von der Versammlungsleiterin nicht unterzeichnetes - Protokoll über eine Gesellschafterversammlung der Beklagten am 08.07.2010 vor, sodass auch nicht offenkundig ist, dass diese Versammlung nicht stattgefunden hat.

3. Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist gewahrt. Der Beschluss ist am 08.07.2010 gefasst worden, die Klage ist am 06.08.2010 per Telefax und am 09.08.2010 dann auch im Original beim Landgericht eingegangen.

B: Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Das ist dann der Fall, wenn der gefasste Beschluss gesetzes- oder satzungswidrig ist (BGH, Urt. v. 13. März 1980 - BGHZ 76, 191 ff. = WM 1980, 459; Urt. v. 20. Januar 1986 - BGHZ 97, 28 ff. = WM 1986, 456; Urt. v. 31. Mai 2011 - II ZR 109/10 - WM 2011, 1416 ff.). „Gesetz“ ist in diesem Zusammenhang jede privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Norm einschließlich der sogenannten Generalklauseln gemäß §§ 138, 242, 826 BGB, des Gebotes ordnungsgemäßen Stimmrechtsgebrauchs und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (Bayer a.a.O. Anh. Zu § 47 Rn. 43 m.N.). Anfechtbar sind demnach auch Beschlüsse, bei denen Gesellschafter einem Stimmverbot unterlegen oder ihr Stimmrecht treuwidrig oder missbräuchlich ausgeübt haben, sofern sich die Nichtberücksichtigung dieser Stimmen auf das Ergebnis des Beschlusses auswirkt (Bayer a.a.O.).

Der Beschluss, mit dem Herr A. zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden ist, ist sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht rechtswidrig und daher unwirksam. Die Gesellschafterversammlung hat unter Verstoß gegen § 51 GmbHG nicht am rechten Ort stattgefunden. Soweit sich der ehemalige Mitgesellschafter A. zum weiteren Geschäftsführer der Beklagten bestellt hat, erfolgte die Stimmabgabe - durch Rechtsanwältin F. als seine Vertreterin - missbräuchlich bzw. treuwidrig.

Formelle Mängel

1. Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es die Auffassung vertreten hat, die Gesellschafterversammlung vom 08.07.2010 sei am rechten Ort durchgeführt worden, obwohl die Vertreterin von Herrn A. sich zuvor nicht um Einlass an der Geschäftsanschrift bemüht habe.

Soweit der Gesellschaftsvertrag - wie hier - nicht anderes vorsieht, ist der ordnungsgemäße Versammlungsort grundsätzlich analog § 121 Abs. 4 AktG der Sitz der Gesellschaft, wobei die Räumlichkeiten der Gesellschaft im Fall ihrer Eignung als Versammlungslokal der Wahl angesehen werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 28. Januar 1985 - II ZR 79/84; OLG Düsseldorf NZG 2003, 975 f.; Zöllner//Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Auflage, § 51 Rn. 15 und Römermann/Michalski, GmbHG, 2. Auflage 2010, § 48 Rn. 18 m.N.). Dementsprechend hat Herr A. in dem Einladungsschreiben vom 23.06.2010 (Anlage K 6, Bl. 29-30 GA) zur Gesellschafterversammlung um 11 Uhr „am Sitz der Gesellschaft“ eingeladen und weiter ausgeführt, dass die Gesellschafterversammlung im „XY-Weg, 40764 Langenfeld“ stattfinden soll, „soweit zum Sitz der Gesellschaft kein Zugang gewährt wird“. Ob der „XY-Weg“ ein geeigneter Versammlungsort gewesen wäre, woran deshalb gezweifelt werden könnte, weil es sich um die private Wohnanschrift der Mutter des Herrn A. handelt, kann letztlich dahin stehen. Denn nach dem Inhalt des Einladungsschreibens durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass die Versammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden, jedenfalls dort Einlass begehrt werden würde.

Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts hat sich Rechtsanwältin F. jedoch nicht zunächst um Einlass in die Geschäftsräume bemüht. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - die Bestimmung des Versammlungsortes dazu dient, das Teilnahmerecht der Gesellschafter zu wahren (BGH a.a.O.). Gerade in einer Zwei-Personen-GmbH ist das Teilnahmerecht des Gesellschafters besonders schützenswert. Deswegen handelt es sich gerade nicht um eine sinnlose Förmelei, sich vor Durchführung der Gesellschafterversammlung am Ausweichort um Einlass in die Räume der Beklagten zu bemühen, zumal Herr A. diese Vorgehensweise selbst vorgegeben hat. Zu Recht macht die Klägerin insofern nämlich geltend, dass ihr durch die Vorgehensweise von Rechtsanwältin F. die Möglichkeit genommen worden ist, sich kurzfristig zumindest um einen Versammlungs-Vertreter zu bemühen, falls die Gesellschafterversammlung tatsächlich doch am 08.07.2010 stattfinden sollte. Immerhin hatte die Klägerin angekündigt, wegen ihres Urlaubs an der Versammlung nicht teilnehmen zu können, ohne dass Herr A. die Versammlung verlegt hätte. Weder Herr A. noch Frau F. konnten daher mit Sicherheit ausschließen, dass es sich die Klägerin anders überlegt und erscheinen oder aber einen Vertreter entsenden würde. Durch die Entscheidung, die Versammlung sofort unter der Ausweichadresse stattfinden zu lassen, ist es der Klägerin mithin erschwert worden, an dieser teilzunehmen. Gerade eine solche Beschränkung soll aber durch die Wahl des Versammlungsortes verhindert werden. Die Auswahl des Versammlungsortes durch Rechtsanwältin F. war mithin pflichtwidrig, was sich Herr A., der sie als seine Vertreterin entsandt hat, zurechnen lassen muss.

Bedeutungslos im Sinne der sog. Relevanztheorie war dies für die Beschlussfassung schon deshalb nicht, weil bei Anwesenheit der Klägerin bzw. eines Vertreters Herr A. nicht zum weiteren Geschäftsführer bestellt worden wäre. Nach dem hier mangels Regelung im Gesellschaftsvertrag der Beklagten allein maßgeblichen § 47 Abs. 1 GmbHG erfolgen Beschlussfassungen nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die Klägerin und Herr A. besaßen jeweils 50 % der Stimmen. Ob der Ladungsmängel zur Nichtigkeit gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog oder aber nur zur Anfechtbarkeit führt (vgl. zum Meinungsstand Zöllner a.a.O. § 51 Rn. 28 m.N.), kann der Senat offenlassen. Rechtsfolge dieses Verstoßes gegen § 51 GmbHG ist zumindest die Anfechtbarkeit des Beschlusses.

2. Die übrigen Einwände der Klägerin gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Gesellschafterversammlung greifen aus den vom Landgericht genannten Gründen nicht durch.

a) Nach § 6 Nr. 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten sind „Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen“. Diese Regelung entspricht im Übrigen § 50 Abs. 1 GmbHG. Herr A. war zum damaligen Zeitpunkt mit 12.500,00 € am Stammkapital der Beklagten von 25.000,00 € beteiligt. Das Schreiben des Rechtsanwalts G. vom 21.05.2010 genügt den an ein solches Verlangen zu stellenden Anforderungen. Ob dem Schreiben vom 21.05.2010 eine schriftliche Vollmacht hätte beigefügt werden müssen, mit welcher Rechtsanwalt G. von Herrn A. ermächtigt worden ist, die Einberufung zu verlangen, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, kann aber dahin stehen, weil zumindest Einigkeit darüber besteht, dass es treuwidrig wäre, sich auf die fehlende Vollmacht zu berufen, wenn die Erteilung einer solchen anderweitig bekannt ist (vgl. etwa BGH NJW 1968, 743 und KG NZG 2000, 787 f.). Das ist der Fall. Der Geschäftsführer D. hat nach Zugang des Einberufungsverlangens mit Rechtsanwalt G. korrespondiert, hätte er Zweifel an dessen Bevollmächtigung gehabt, so hätte er nachfragen sowie das Einberufungsverlangen wegen fehlender Vollmacht zurückweisen müssen. Auch die Klägerin hat Herrn A. Terminsvorschläge unterbreitet, ohne die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt G. zu thematisieren.

b) Richtig ist zwar, dass der Geschäftsführer D. das Verlangen des Herrn A., eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, nicht gänzlich abgelehnt hat. Einer Ablehnung steht es aber gleich, wenn der Geschäftsführer ankündigt, die Gesellschafterversammlung nicht unverzüglich einzuberufen, wobei eine Frist von einem Monat als angemessen angesehen wird (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 21. Februar 2000 - 7 W 2013/98/zitiert nach juris), zumindest muss die von dem die Einberufung verlangenden Gesellschafter selbst gesetzte Frist abgelaufen sein.

Gemessen an diesen Maßstäben ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer der Beklagten dem Einberufungsverlangen des Herrn A. nicht nachgekommen ist. Der Geschäftsführer D. hat zwar mit Schreiben vom 27.05.2010 angekündigt, einen Termin abstimmen zu wollen, was aber nach dem Vortrag der Klägerin erst per Mail vom 06.07.2010 geschah, ohne dass bis zu diesem Tag eine Versammlung einberufen worden wäre. Die Gesellschafterversammlung ist gemäß § 50 Abs. 3 GmbHG somit ordnungsgemäß von Herrn A. einberufen worden.

c) Das Einberufungsschreiben vom 23.06.2010 genügt den Anforderungen des § 51 GmbHG. Es ist von Herrn A. selbst verfasst und unterschrieben, der Klägerin mittels Einwurfschreiben ebenso zugegangen wie dem Geschäftsführer D., die gesetzliche Ladungsfrist wurde ebenfalls eingehalten. Inhaltlich ist es nicht zu beanstanden, es wird dargestellt, warum er berechtigt ist, die Versammlung selbst einzuberufen, § 50 Abs. 3 GmbHG, enthält die vorgesehene Tagesordnung und die Ankündigung, dass er sich zum weiteren Geschäftsführer bestellen lassen will. Das Fehlen der Darlegung der Eilbedürftigkeit ist unschädlich, weil sich diese schon aus dem Zweck der Versammlung (siehe die Tagesordnungspunkte) ergibt. Insofern sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Schließlich werden auch Zeit und Ort der Versammlung am 08.07.2010 angegeben.

d) Ohne Erfolg muss auch die Rüge der Klägerin bleiben, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Herr A. zur Verlegung der Versammlung nicht verpflichtet gewesen sei. Dem Landgericht ist zuzustimmen, soweit es gemeint hat, dass Herr A. eine solche Pflicht nicht traf. Zwar ist das Teilnahmerecht der Gesellschafter, vor allem derjenigen einer Zwei-Personen-Gesellschaft, von überragender Bedeutung und der Gesellschafter deshalb - wie schon erwähnt - besonders schutzwürdig. Anerkannt ist aber auch, dass es den Gesellschaftern obliegt sicherzustellen, dass sie ihr Teilnahmerecht auch ausüben können. Daraus folgt, dass ein Gesellschafter eine Verlegung der Gesellschafterversammlung nur aus nachvollziehbaren Gründen verlangen kann, also solchen, die ihn unverschuldet daran hindern, zu einer anberaumten Gesellschafterversammlung zu erscheinen. Dies gilt natürlich vor allem für die typischen Urlaubszeiten. Auch wenn man, anders als das Landgericht, den Vortrag der Klägerin nicht als bloß vorgeschoben ansieht, ist weiter zu beachten, dass eine Pflicht zur Verlegung bei einer personalistischen GmbH nur dann besteht, wenn ein gleichwertiger Ausweichtermin möglich ist (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Urt. v. 10. Oktober 2006 - 4 U 382/05/zitiert nach juris). Nach dem Vortrag der Klägerin ist aber eine zeitnahe und Herrn A. zuzumutende Verlegung gerade nicht in Aussicht gestellt worden, da sie einen Termin frühestens am 10.08.2010 vorgeschlagen hat. Herr A. hat aber schon unter dem 21.05.2010 die Einberufung verlangt, ein Zuwarten von noch einmal mehr als 4 Wochen war ihm nicht abzuverlangen, zumal er seine Interessen angesichts der Konstellation - die Mitgesellschafterin ist die Ehefrau des alleinigen Geschäftsführers - ohnehin nicht in angemessener Weise vertreten sah. Nicht von der Hand zu weisen ist letztlich auch die Begründung des Landgerichts, das darauf abgestellt hat, die Klägerin lebe nun einmal auch an ihrem Urlaubsort (Norderney), sodass nicht ersichtlich sei, weswegen sie ihren Urlaub nicht unterbrechen könne.

Materieller Mangel

Der Beschluss vom 08.07.2010 leidet zudem an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden inhaltlichen Mangel. Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnte sich der damalige Mitgesellschafter der Klägerin nicht zum weiteren Geschäftsführer bestellen, ohne dabei einen Stimmrechtsmissbrauch bzw. einen Treuepflichtverstoß zu begehen.

Treuwidrig ist die Bestellung eines Geschäftsführers nach der Rechtsprechung dann, wenn in dessen Person wichtige Gründe vorliegen, die seine Tätigkeit für die Gesellschaft unzumutbar machen (BGH NJW-RR 1993, 1253 f.; NJW 1991, 846; Zöllner a.a.O. Anh § 47 Rn. 99 m.N.). Ob ein solcher wichtiger Grund vorliegt, ist anhand einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wobei insbesondere die Schwere vergangener Verfehlungen, deren Folgen für die Gesellschaft, das Ausmaß des Verschuldens und die Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen sind.

Gemessen hieran kann nicht angenommen werden, dass in der Person des Herrn A. kein seiner Bestellung zum Geschäftsführer entgegen stehender wichtiger Grund vorgelegen hat. Die gleichwohl erfolgte Bestellung mit den Stimmen des Herrn A. ist nicht wirksam erfolgt, Rechtsfolge treuwidriger Stimmabgabe ist nach ganz h.M. deren Nichtigkeit (statt aller Zöllner a.a.O. § 47 Rn. 108 unter Hinweis auf BGHZ 105, 212 ff. u. m. w. N.).

Herr A. hat in der Vergangenheit seine aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit herzuleitenden Pflichten gegenüber der Gesellschaft bereits in so erheblichem Maße verletzt, dass er der Beklagten als Geschäftsführer nicht zuzumuten war. Es war daher zu erwarten, dass er auch als Geschäftsführer seine eigenen Interessen über die der Gesellschaft stellen würde (vgl. dazu etwa OLG Karlsruhe, Urteile v. 28. Juni 2007 - 15 U 397/06 und 15 U 82/05/zitiert nach beck online; Senat, Urt. v. 14. März 1996 - 6 U 119/94).

Herr A. ist vom Landgericht München durch rechtskräftiges Urteil vom 08. April 2011 (Az. 23 O 10122/10) dazu verurteilt worden, der Löschung der von ihm am 02.03.2009 zu seinen Gunsten bestellten Grundschuld auf dem (einzigen) der Beklagten gehörenden Grundstück zuzustimmen. Dabei hat das Landgericht München zwar, insofern ist dem Landgericht Düsseldorf Recht zu geben, nicht explizit festgestellt, dass Herr A. gegenüber der Beklagten keine zu sichernden Ansprüche hatte. Dass er solche Ansprüche gehabt habe, ist indes ausweislich der Urteilsgründe von Herrn A. in jenem Rechtsstreit auch gar nicht behauptet worden. Das Landgericht München ist im Übrigen nicht nur von einem Missbrauch der Vollmacht durch den Beklagten ausgegangen, sondern hat außerdem ausgeführt, dass die Sicherungsabrede zu der Bevollmächtigung gemäß § 138 BGB nichtig sei, weil der Inhalt der Sicherungsabrede mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar sei. Der (dortige) Beklagte sei übersichert und habe offensichtlich seine faktische Machtstellung bei Gesellschaftsgründung genutzt, um seine Interessen rücksichtslos durchzusetzen. Die Sicherungsvereinbarung berücksichtige einseitig die Interessen des Beklagten (Herr A.) und nehme keine Rücksicht auf die Belange der dortigen Klägerin, der hiesigen Beklagten. Der Beklagte habe Zugriff auf das gesamte zukünftige Vermögen der Klägerin erhalten und mißbilligenswert sowie rücksichtslos gehandelt.

Diesen Wertungen des Landgerichts München I ist im vorliegenden Rechtstreit von der Beklagten nichts Entscheidendes entgegen gehalten worden, sodass der Senat die in jenem Verfahren festgestellten Tatsachen zugrunde legen konnte. Gewichtige Gründe, welche die Bestellung des Herrn A. zum Geschäftsführer der Beklagten gleichwohl rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Gründe der Waffengleichheit können zwar unter Umständen die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers aus dem Lager des anderen Gesellschafters notwendig machen. Derartige Umstände liegen hier jedoch gerade nicht vor, sodass sich auch unter diesem Aspekt kein anderes Ergebnis ergibt. Abgesehen davon, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung hier jedenfalls deshalb nicht eingreift, weil die Klägerin selbst nicht auch Geschäftsführerin ist, wiegt die Pflichtverletzung des Herrn A. so schwer, dass eine Abwägung der Gesamtumstände ergibt, dass sein Interesse daran, in der Geschäftsführung vertreten zu sein, deutlich geringer zu gewichten ist als das Interesse der Beklagten, vor künftigen Pflichtverletzungen geschützt zu werden. Immerhin hat Herr A. die Beklagte anlässlich der Grundschuldbestellung über 1,8 Mio. € der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, was die Beklagte, die über ein Stammkapital von nur 25.000,00 € und weiteres Vermögen lediglich in Gestalt des belasteten Grundstücks verfügt, erheblichen wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt hat.

Auch der Umstand, dass Herr A. an der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Herrn D. zweifelte, fällt im Rahmen der Abwägung nicht entscheidend ins Gewicht. Solchen Zweifeln ist nicht allein durch die Bestellung der eigenen Person zum weiteren Geschäftsführer zu begegnen, Herr A. hatte schon aufgrund seiner Position als Gesellschafter Kontroll- und Einflussmöglichkeiten, die er, soweit ersichtlich, auch zu nutzen wusste.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, § 543 ZPO, liegen nicht vor.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird in Abänderung der vorläufigen Festsetzung mit Beschluss vom 24. November 2011 auf 72.000,00 € festgesetzt.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 12.07.2012
Az: I-6 U 220/11


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