Landgericht München I:
Urteil vom 11. Februar 2010
Aktenzeichen: 4 HK O 19942/08, 4 HK O 19942/08

(LG München I: Urteil v. 11.02.2010, Az.: 4 HK O 19942/08, 4 HK O 19942/08)

Tenor

I. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,

oder

einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für ein Gerät zur drahtlosen Mauertrockenlegung, insbesondere für das Gerät "HOTEC-System" mit einer Mauer entfeuchtenden Wirkung zu werben, insbesondere zu werben:

1.

"Die Wirkungsweise des HOTEC-Systems beruht auf der Wechselwirkung des vom Gerät erzeugten Feldes mit den Wassermolekülen in der Mauer ... Auf Dipole und somit auf Wassermoleküle kann mit Hilfe eines inhomogenen elektrischen Feldes eine Kraft ausgeübt werden, welche der kapillaraufsteigenden Bewegung der Wassermoleküle entgegenwirkt. Das HOTEC-Systems erzeugt im Mauerwerk ein solches Feld, welches die Wasserdipole im Mauerwerk nach unten zieht und somit die Feuchtigkeit des Mauerwerks senkt",

2.

"Sofort nach Inbetriebnahme des HOTEC-Systems wird die Feuchtigkeitszufuhr gehemmt",

3.

"Nach einem Jahr: Die Mauerfeuchte ist bereits merkbar und messbar zurückgegangen ... Sie können nun die Renovierung planen",

4.

"Nach zwei Jahren: Die Mauerfeuchte hat sich jetzt stark verringert ... Spätestens jetzt ist die Mauerfeuchte soweit zurückgegangen, dass Sie einen neuen Putz anbringen können",

5.

"Spätestens nach drei Jahren garantiert trockene Mauern",

6.

"Erfolgreich und dauerhaft trocken solange Ihr HOTEC-System in der ursprünglichen Original-Aufstellung in Betrieb ist",

7.

"Eine künstlich erzeugte Feldumkehrung bewirkt eine Bewegung der im Mauerwerk befindlichen Wassermoleküle hin zum elektrisch negativ geladenen Erdboden und somit die stetige Austrocknung der Mauern. Die Feldumkehrung im Mauerwerk wird durch den Aufbau eines schwachen, elektromagnetischen Feldes mittels des HOTEC-Systems erzeugt. Im nunmehr positiven Feld werden die vorhandenen Wassermoleküle neu orientiert und setzen sich ins negativ geladene Erdreich ab ...",

8.

"... HOTEC-Mauerentfeuchtungs-System ... Dieses System der sanften (bausubstanzschonenden) Mauertrockenlegung basiert auf der elektrophysikalischen Methode ohne Eingriff ins Mauerwerk ...".

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreit.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar: in Ziffer I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 50.000,00, in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

1.

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch geltend, den er auf die Verletzung von Wettbewerbsrecht stützt.

a) Der Kläger ist ein ..., zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Der Kläger ist gemäß § 1 Ziff. 4 UKlaV als branchenübergreifend und überregional tätiger ... im Sinne von § 13 Abs. 5 Nr. 2 UKLaV, § 13 Abs. 1 7 UWG festgestellt.

Auf dem Gebiet der Gebäudesanierung ergibt sich nach seinen Angaben die Prozessführungsbefugnis des Klägers aus der vom Kläger mitgeteilten Mitgliedschaft des ..., einem, wie der Kläger ausführt, "branchenangehörigen Schwergewicht", dem nach dem Vortrag des Klägers über seine elf Landesverbände flächendeckend innerhalb ganz Deutschland mehr als 500 Mitglieder angehören, die entweder Unternehmen sind, die sich auf Schutz- und Instandsetzungsarbeiten bei Neu- und Altbauten spezialisiert haben und dabei auf besondere Weise qualifiziert sind oder Sachverständige sind, die als freiberufliche Berater auf dem Gebiet der Bauwerkserhaltung, Bausanierung und/oder Baudenkmalpflege tätig sind oder Hersteller/Händler sind, die bauchemische Produkte oder bautechnische Produkte herstellen oder als Unternehmen mit bauchemischen oder bautechnischen Produkten handeln.

2.

a) Die Beklagte vertreibt Geräte zur Gebäudetrockenlegung mit der Bezeichnung "HOTEC" und wirbt für diese Geräte und die elektrophysikalische Methode, nach der die Geräte wirken sollen im Internet unter ... gemäß dem als Anlagenkonvolut K 4 zur Klage vom 12.11.2008 fotokopiert vorgelegten Ausdruck u. a. mit den Angaben, die mit der vorliegenden Klage im einzelnen angegriffen werden und wie sie im Anlagenkonvolut K 4 entsprechend der Bezifferung in der Antragstellung markiert sind.

b) Wegen der nach seiner Meinung wettbewerbswidrigen Inhalte dieser Werbung, mahnte der Kläger die Beklagte ab und erwirkte nach erfolgloser Abmahnung mit Datum vom 04.08.2008 beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung € Az.: 4 HK O ... gemäß der Anlage K 5.

c) Weil die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung eine Abschlusserklärung zur einstweiligen Verfügung nicht abgab, ließ der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12.11.2008 Hauptsacheklage erheben, die der Beklagten am 19.12.2008 zugestellt wurde.

3.

a) Der Kläger ist der Ansicht, dass mit sämtlichen der angegriffenen Werbeaussagen zu den HOTEC-Geräten irreführend und damit unter Verstoß gegen die Regeln zur Einhaltung des lauteren Wettbewerbs geworben werde.

Bei der von der Beklagten angepriesenen Methode zur Gebäudetrockenlegung handle es sich nämlich um eine Verfahren, welches zur Trockenlegung von Gebäuden gänzlich ungeeignet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Sachvortrags wird insbesondere auf die Ziffer III. der Klagebegründung vom 12.11.2008 verwiesen.

b) Die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten, die diese bereits als Antwort auf die vorgerichtliche Abmahnung vorgetragen hatte, sind nach Ansicht des Klägers sämtlich unbelegte Behauptungen, die auch keine Bestätigung durch den Verweis auf das Gerät des Wettbewerbers ... finden können, dem die Werbung für dieses Gerät umfänglich mit dem Urteil des Landgerichts München I vom 23.10.2008 € Az.: 4 HK ... € gemäß der Anlage K 13 verboten worden ist.

Der Kläger beantragt,

wie tenoriert.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

4.

a) Die Beklagte trägt vor, dass es sich bei der elektrophysikalischen Methode um eine anerkannte naturwissenschaftliche Methode handle.

Ausschlaggebend dafür, dass entgegen der Ansicht des Klägers in der Werbung für diese Methode zur Mauertrockenlegung keine unlautere Irreführung liege, sei die tatsächlich evidente Wirkung in der praktischen Anwendung der von der Beklagten beworbenen Geräte. Dabei komme es auf eine naturwissenschaftliche Nachweisbarkeit der Wirkungsweise dieser Geräte bei der Beurteilung der Diskrepanz zwischen der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise und der Wirklichkeit nicht an.

Ein Unterlassungsanspruch wegen unlauterer Werbung ist nach Ansicht der Beklagten nicht gegeben.

Bezüglich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Akteninhalt, nämlich die gewechselten Schriftsätze und die mitübergebenen Anlagen und das Protokoll vom 03.12.2009 Bezug genommen.

Gründe

Auf die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im Klageantrag im einzelnen benannten Werbeaussagen zu den vom Beklagten in Deutschland angebotenen "HOTEC"-Geräten.

1.

a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt bzw. aktivlegitimiert.

Die grundsätzliche Klagebefugnis des Klägers ist durch die herrschende Rechtsprechung allgemein anerkannt.

Auch im konkreten Fall liegt die Klagebefugnis vor. Dem Kläger gehört der Deutsche Hol- und Bautenschutzverband an und damit auch die in diesem Branchenfachverband bundesweit organisierten Mitgliedsbetriebe.

2.

a) Mit den werblichen Wirkaussagen gemäß dem Klageantrag zu den Ziffern I.1. bis I.8. verstößt die Beklagte wegen Irreführung gegen die §§ 3 und 5 Abs. 1 Nr. 1 und 5 a Abs. 2 UWG und handelt damit unlauter mit der Folge eines Unterlassungsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten zu den jeweiligen Äußerungen gemäß § 8 Abs. 1 UWG.

Die Irreführung ergibt sich wesentlich daraus, dass die Beklagte für die von ihr vertriebenen "HOTEC"-Geräte mit den im Einzelnen im Tenor benannten Wirkaussagen wirbt, obwohl schon nach dem Vortrag der Beklagten selbst wissenschaftlich gesicherte Ursache-Wirkungsnachweise für die den Geräten in der Werbung zugesprochene elektrophysikalische Methode nicht vorliegen.

Die Werbung der Beklagten benennt schlagwortartig zum Teil die angebliche Wirkweise der verwendeten Methode und zum anderen Teil die angeblichen Erfolge der Mauerentfeuchtung bei Anwendung des "HOTEC"-Systems und setzt diese Wirkungen in direkten Bezug zu dem beworbenen Gerät, ohne die kontroverse wissenschaftliche Diskussion dazu zum Ausdruck zu bringen.

b) Wie der Kläger nämlich substantiiert auch durch Vorlage fachbezogener Äußerungen Dritter dargelegt hat, ist die durch die Werbung bei den angesprochenen durchschnittlich interessierten und informierten Verbraucher- und Verkehrskreisen erweckte Vorstellung, mit dem angepriesenen Gerät bzw. System könne eine Wirkung gegen Mauerfeuchte u. a. "ohne Eingriff ins Mauerwerk" bei Betrieb "in Originalaufstellung" erzielt werden, möglicherweise falsch aber auf jeden Fall umstritten.

c) Der Beklagte beschreibt mit den beanstandeten Äußerungen werblich konkrete Wirkungen des Geräts aus dem Bereich Naturwissenschaft, ohne zu einem der Punkte über angebliche Referenzäußerungen hinaus eine substantiierte Darstellung zum wissenschaftlichen Nachweis der Richtigkeit dieser Aussagen zu geben bzw. offenbar geben zu können.

d) Die Beklagte räumt selbst ein, dass sich "aus dem derzeitigen Stand der Diskussion um den Einsatz der elektrophysikalischen Methode zum Zeck der Mauertrocknung lediglich ergibt, dass dieser Einsatz wissenschaftlich umstritten ist".

Die Beklagte ist aber der Meinung, dass trotzdem nicht der Schluss gezogen werden darf, dass die Aussagen über die Wirkungsweise des streitgegenständlichen Geräts objektiv falsch sind.

Nach Aussage der Beklagten ergebe sich nämlich aus den Messprotokollen zahlreicher Fälle, in denen das Gerät über einen Zeitraum von drei Jahren aufgestellt und regelmäßig Messungen nach anerkannten Messmethoden durchgeführt worden seien, dass das Gerät in der praktischen Anwendung mehrheitlich entfeuchtende Wirkungen zeige.

Diese praktische Wirkung, nämlich die messbare Feuchtigkeitsabsenkung erwarte der durchschnittlich informierte Verbraucher von dem Gerät, nicht aber einen unstreitig gesicherte naturwissenschaftlichen Nachweis der Wirkungsweise.

e) Für das von der Beklagten beworbene Gerät wird werblich behauptet, dass es durch das verwendete Verfahren mittels Stromfluss bzw. Magnetfeld und ohne Kontakt zum bzw. Eingriff in das Mauerwerk wirken soll.

Die dahinterstehende Methode, nämlich die sogenannte Elektroosmose, wird, wie sich aus der substantiierten Darlegung des Klägers ergibt und wie es auch die Beklagte einräumt, in der wissenschaftlichen Literatur aber nachhaltig und substantiiert angegriffen bzw. in Frage gestellt.

f) Dagegen genügt es für eine von Irreführung freie Werbung der Beklagten nicht, wenn sie sich auf die Dokumentation praktischer Fälle bezieht, in denen nach ihrer Behauptung während des Einsatzes des streitgegenständlichen Geräts die Trocknung von Mauern gemessen worden sein soll und dazu der Meinung ist, dass die Mitteilung dieses praktischen Ergebnisses den Verbrauchern genüge und sie damit ihren Interessen genügend über das Gerät der Beklagten informiert werden.

Die Beklagte verkennt dabei nämlich bzw. übersieht, dass ihre Werbeformulierungen gerade so gestaltet sind, dass der Adressat der Werbung von einem absolut gegeben Wirkerfolg des Geräts ausgeht, der dann bei der Überlegung, ob er für dieses Gerät konkretes Kaufinteresse zeigen will und dann gegebenenfalls eine Kaufentscheidung dafür trifft von wesentlicher Bedeutung ist.

Die Beklagte teilt nämlich werblich nicht nur mit, dass "aus den Messprotokollen zahlreicher Fälle, in denen das Gerät über einen Zeitraum von drei Jahren aufgestellt war und regelmäßig Messungen nach anerkannten Messmethoden durchgeführt worden seien, sich ergebe, dass das Gerät in der praktischen Anwendung mehrheitlich entfeuchtende Wirkungen zeige, sondern suggeriert mit allen streitgegenständlichen Werbeaussagen darüber hinaus, dass die "in zahlreichen Fällen gemessene Mauertrocknung" bewirkt worden sei durch die für das streitgegenständliche Gerät verwendete Methode.

Diese eben ist aber nach dem selbst von der Beklagten eingeräumten Stand der Diskussion wissenschaftlich nicht erwiesen, sondern und damit € jedenfalls derzeit € eher "Glaubenssache".

g) Dies gilt sowohl für die Aussagen betreffend die Punkte I.1. ("... Das HOTEC-System erzeugt im Mauerwerk ein solches Feld, welches die Wasserdipole im Mauerwerk mach unten zieht und somit die Feuchtigkeit des Mauerwerks senkt."), 7. ("Eine künstlich erzeugte Feldumkehrung bewirkt eine Bewegung der im Mauerwerk befindlichen Wassermoleküle hin zum elektrisch negativ geladene Erdboden und somit die stetige Austrocknung der Mauern ...") und 8. ("... Dieses System der sanften (bausubstanzschonenden) Mauertrockenlegung ...").

Dies gilt aber auch für die weiteren ganz konkreten und ohne jede die heftige Diskussion in den Fachkreisen ansprechende Relativierung zum Ausdruck bringenden Werbeaussagen zu dem streitgegenständlichen Gerät gemäß den Ziffern im Klageantrag zu I. 2. ("Sofort nach Inbetriebnahme des HOTEC-Systems wird die Feuchtigkeitszufuhr gehemmt."), 3. ("Nach einem Jahr: Die Mauerfeuchte ist bereits merkbar zurückgegangen ..."), 4. ("Nach zwei Jahren: Die Mauerfeuchte hat sich jetzt stark verringert ..."), 5. ("Spätestens nach drei Jahren garantiert trockene Mauern") und 6. ("Erfolgreich und dauerhaft trocken ...").

h) Durch die fehlenden Hinweise auf die kontroverse Diskussion zur Effektivität und tatsächlichen Herbeiführung einer Mauertrocknung durch Elektroosmose, wie sie das beworbene Gerät verwendet, ist auch § 5 a Abs. 2 UWG verletzt.

Dagegen kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg mit dem Hinweis verteidigen, dass "es unwahrscheinlich ist, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht davon Kenntnis hat, dass die elektrophysikalische Methode hinsichtlich des Einsatzes zur Trockenlegung von Bauwerken naturwissenschaftlich umstritten ist".

Damit war der Unterlassungsklage in vollem Umfang und zu allen beanstandeten Äußerungen stattzugeben.

3.

a) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, ergibt sich aus § 709 ZPO.






LG München I:
Urteil v. 11.02.2010
Az: 4 HK O 19942/08, 4 HK O 19942/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/13696e90c5b0/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_11-Februar-2010_Az_4-HK-O-19942-08-4-HK-O-19942-08




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