Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 10. Februar 2005
Aktenzeichen: 5 U 48/04

(OLG Hamburg: Urteil v. 10.02.2005, Az.: 5 U 48/04)

"Die gründlichste Rasur I"

1. Die werbliche Aussage : " Keiner rasiert so wie der MACH 3 Turbo. Es ist weltweit die gründlichste und komfortabelste Gillette-Rasur. Garantiert !" werden mindestens rechtlich beachtliche Teile des angesprochenen Verkehrs als Alleinstellungsberühmung verstehen.

2. Eine Alleinstellungsberühmung ist irreführend, wenn der Werbende seine Mitbewerber nicht deutlich und merklich überragt. Schneidet ein Nassrasierer innerhalb von 24 Stunden durchschnittlich 14,3 Mikrometer = 0, 0143 mm mehr Barthaare ab als ein Konkurrenzprodukt, handelt es sich nicht um einen hinreichend deutlichen und merklichen Vorsprung, um die werbliche Behauptung der gründlichsten Rasur zu rechtfertigen.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 12 - vom 2.3.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf EUR 500.000.- festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, es zu unterlassen, sich der Internet-Domain g..l24.net zu bedienen. Dabei streiten die Parteien im Wesentlichen über eine Störereigenschaft der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der eingetragenen deutschen Wortmarke "T 24" mit einer Priorität vom 23.09.1997 sowie der am 01.09.2000 eingetragenen gleichlautenden europäischen Wortmarke (Anlage AS 2). Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist die Organisation, Veranstaltung und Vermittlung von Reiseleistungen.

Die Antragsgegnerin vermittelt unter der Domain www.t...de Reisen. Zu diesem Zweck betreibt sie unter dem Namen "af.." ein Reisepartnerprogramm. Das Reisepartnerprogramm dient der Antragsgegnerin dazu, auf den Internetseiten ihrer Partner für Reisen zu werben, dadurch zu möglichst vielen potentiellen Kunden einen Kontakt herzustellen und Reisen zu vermitteln.

Zu diesem Zweck fügt der (Werbe-)Partner auf seiner eigenen Webseite einen Werbebanner der Antragsgegnerin ein. Hierbei kann sich der Werbepartner bestimmte Reisekategorien heraussuchen, die thematisch zu seiner Webseite passen. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein großes Banner mit dem kompletten "Reiseservice" einzubinden. Diese Werbebanner liegen als Daten auf den Servern der Antragsgegnerin. Die Grafiken werden durch einen automatischen Link in die Webseite des Werbepartners eingebunden. Der Werbepartner kann aber, auch ohne das Werbematerial der Antragsgegnerin zu nutzen, an dem "af..-Programm" teilnehmen, indem er eigene Banner, Grafiken oder einfache Textlinks verwendet.

Klickt ein Internet-Nutzer auf der Webseite des Werbepartners auf ein solches Banner der Antragsgegnerin oder eine vom Werbepartner selbst erstellte Grafik bzw. Text, wird der Kunde über einen von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten, hinter der Grafik bzw. dem Text stehenden Link auf die Webseite eines konkreten Reiseveranstalters oder einer veranstalterunabhängigen Buchungsmaschine (IBE - Internet Booking Engine) weitergeleitet. Sofern der Internet-Kunde dann auf der Webseite des Reiseveranstalters bzw. der IBE eine Reise bucht, erhält die Antragsgegnerin eine bestimmte Provision. Von dieser Provision kehrt sie einen Teil als "Werbekostenzuschuss" an den Werbepartner aus. Zur Erfassung und Verarbeitung der Werbekostenzuschüsse (WKZ) verfügt die Antragsgegnerin über ein Softwaresystem. Die Erfassung und Abrechnung der WKZ erfolgt über sogenannte Link-Codes, d.h. über in den Link eingebaute Informationen, wie z.B. die Partner-ID. Um später nachvollziehen zu können, über welchen Partner ein Reisekunde geworben wurde, enthält jeder Link die von der Antragsgegnerin zugeteilte, individuelle Partner-ID des Werbepartners sowie weitere Informationen.

Um Werbepartner zu werden, muss man sich bei der Antragsgegnerin anmelden. Mit den einzelnen Werbepartnern schließt die Antragsgegnerin eine "Partnervereinbarung" (Anlage AS 11). In § 7 dieser Partnervereinbarung heißt es wie folgt:

"Der Vertragspartner ist verantwortlich für die Einrichtung, den Betrieb und die Pflege, sowie für die Richtigkeit und Korrektheit der Inhalte, die auf seiner Webseite erscheinen. Die Verantwortlichkeit bezieht sich auch auf den technischen Betrieb der Webseite, insbesondere der Links zur Webseite des Vertragsgebers sowie der Sicherstellung, dass die Inhalte der Webseite nicht Rechte Dritter verletzen oder in anderer Weise gegen Gesetze verstoßen.

Der Partner gewährleistet insbesondere

...

- dass der Inhalt seiner Webseite keine Rechte Dritter verletzt, insbesondere keine Patent-, Urheber-, Marken- oder andere gewerbliche Schutzrechte sowie allgemeine Persönlichkeitsrechte."

Nach der Registrierung bei der Antragsgegnerin erhält der Werbepartner die sogenannte Partner-ID sowie ein Passwort.

Derzeit nehmen ca. 15.000 Personen und Firmen an dem Partnerprogramm der Antragsgegnerin teil.

Am 01.04.2005 wurde der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auf die auf den Namen R. S. angemeldete Domain "g..l24.net" aufmerksam. R. S. ist ein Werbepartner der Antragsgegnerin, der an dem "af..-Programm" der Antragsgegnerin teilnimmt. Er hatte sich ursprünglich mit seiner Domain www.su...de bei dem Partnerprogramm der Antragsgegnerin angemeldet.

Mit Schreiben vom 07.04.2005 mahnte die Antragstellerin den Domaininhaber R. S. ab. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab er bisher nicht ab.

Ebenfalls am 07.04.2005 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab. Auch diese gab bisher keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 06.05.2005 hat die erkennende Kammer am 10.05.2005 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist,

sich im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Reisedienstleistungen der Internet-Domain zu bedienen:

g..l24.net

insbesondere im Rahmen eines Partnerprogramms für unter dieser Domain betriebenen Webseite Inhalte zur Verfügung zu stellen und den eingehenden Reise-Traffic in sonstiger Weise kommerziell zu nutzen/nutzen zu lassen .

Gegen die einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin am 05.07.2005 Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht,

dass die Antragsgegnerin geeignete Sicherungsmaßnahmen ergreifen könne, um künftige Markenverletzungen zu verhindern. Die Antragsgegnerin könne bei Anfragen, die über ihren Server liefen, erkennen, von welcher Domain die Buchungsanfrage komme. Zudem sei zumindest eine Auswertung des sogenannten Referers möglich. Eine solche Auswertung sei wirtschaftlich zumutbar, da eine solche Einrichtung nach Ansicht von Fachleuten relativ einfach vorgenommen werden könne. Auch könne über sogenannte log-files eine Nachprüfung vorgenommen werden.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 10.05.2005 den Antrag der Antragstellerin vom 02.05.2005 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor:

Entsprechend der aktuellen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts sei das Zeichen "trl24" für Reisedienstleistungen rein beschreibend und einem Markenschutz nicht zugänglich.

Sie, die Antragsgegnerin, sei keine Störerin. Sie könne nicht haftbar gemacht werden für Links von Dritten, die auf ihre Webseite führten und die ihr nicht bekannt seien. Die freie Verlinkbarkeit sei eine der - auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten - technischen Grundlagen des Internets, auf welche sie, die Antragsgegnerin, keinen Einfluss habe. Ohne die Nutzung von Links sei eine sinnvolle Nutzung des Internets praktisch ausgeschlossen, so dass das Setzen von Links nicht nur technisch nicht verhindert, sondern im Normfall auch rechtlich nicht untersagt werden könne.

Ihr seien die angeblichen Markenverstöße des Domaininhabers S. nicht bekannt gewesen. Er habe sich nicht mit der Domain "g..l24.net" bei dem Partnerprogramm der Antragsgegnerin angemeldet gehabt, sondern - unstreitig - mit der Domain "su...de". Herr S. habe das Werbematerial der Antragsgegnerin vertragsgemäß für die Domain "su...de" genutzt. Es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass er das Werbematerial darüber hinaus zusätzlich auch auf der Domain "g..l24.net" nutze bzw. diese Domain überhaupt existiere. Im Internet sei es weder systematisch noch vollständig möglich zu überprüfen, auf welchen fremden Internetseiten (weltweit derzeit ca.60 Millionen) Links auf die eigene Webseite enthalten seien.

Nach Erhalt der Abmahnung durch die Antragstellerin habe sie, die Antragsgegnerin, sich sofort an den Domaininhaber S. gewandt und ihn zur Überprüfung bzw. Änderung der Domain aufgefordert. Dieser Unterlassungsaufforderung sei der Domaininhaber S. - unstreitig - unverzüglich nachgekommen.

Es sei aus technischen Gründen unmöglich, die Verpflichtung aus der Verbotsverfügung zu erfüllen. Sie könne anhand des Link-Codes nicht feststellen, über welche Domain ein Buchungsauftrag weitergeleitet worden sei. Sie könne anhand der Partner-ID lediglich erkennen, welchem Werbepartner eine Buchungsanfrage zuzuordnen sei, nicht aber über welche Domain diese Anfrage gekommen sei. Dies sei technisch unmöglich. Auch mit dem sogenannten "Referer" ließen sich nur nachträgliche Links herausfinden. Es sei nach Auskunft des Providers, der Firma Schlund + Partner, nicht möglich, den "Referers" auszuwerten und eine "Sperre" für Besucher von bestimmten Domains zu errichten. Sie, die Antragsgegnerin, müsse extra eine Software programmieren lassen, die dies bewerkstellige. Dies sei ihr wirtschaftlich nicht zumutbar.

Gründe

I.

Beide Parteien stellen Nassrasierer her. Die Antragstellerin vertreibt u.a. den Nassrasierer "Quattro", die Antragsgegnerin den "MACH3 Turbo".

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen einer wettbewerbswidrigen Alleinstellungsberühmung in einem Fernsehspot im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch. Der Fernsehspot enthält folgende Äußerung:

"Keiner rasiert so wie der MACH3 Turbo. Es ist weltweit die gründlichste und komfortabelste Gillette-Rasur. Garantiert!".

Die Antragstellerin hält diese Werbung für irreführend. Sie behauptet, dass ihr Spitzenmodell "Quattro" dem "MACH3 Turbo" bezüglich der Gründlichkeit der Rasur überlegen sei. Sie hat eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg erwirkt, mit der der Antragsgegnerin die genannte werbliche Behauptung zu Zwecken des Wettbewerbs verboten worden ist. Die Antragsgegnerin hat sich zur Verteidigung vor allem auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie bezogen, aus der sich ergebe, dass der "MACH3 Turbo" bezogen auf einen Zeitraum von 24 Stunden durchschnittlich 14,3 Mikrometer (= 0,0143 mm) mehr Barthaare abschneide, mithin gründlicher sei. Dies bedeute bei einem durchschnittlichen Bartwuchs von 270 Mikrometern (= 0,27 mm) pro Tag, dass eine Rasur mit dem "MACH3 Turbo" im Durchschnitt 1,27 Stunden länger vorhalte als eine Rasur mit dem "Quattro".

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung mit dem Widerspruchsurteil bestätigt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie macht im Wesentlichen geltend:

Das Landgericht sei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen, da es eine Bartwuchsrate zwischen täglich 0,1 - 0,4 mm seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Antragsgegnerin habe glaubhaft gemacht, dass die durchschnittliche Rate 0,27 mm betrage. Auch habe die Antragsgegnerin entgegen der Meinung des Landgerichts glaubhaft gemacht, dass eine gründlichere Rasur von 14,3 Mikrometern durch ihr Produkt "MACH3 Turbo" einen deutlichen Vorsprung gegenüber den Wettbewerbern darstelle. Hierzu legt die Antragsgegnerin als weitere Mittel der Glaubhaftmachung einen in den USA im Herbst 2003 durchgeführten Verbrauchertest und einen von der Stiftung Warentest im Dez.2004 veröffentlichten Testbericht vor, nach dem der "MACH3 Turbo" Testsieger geworden ist (Anlagen BK 4 und BK 9). Ferner ergänzt sie die in erster Instanz eingereichte Teststudie Hancock (Anlagen Ag.4 und 5 = BK 14) um Angaben zu den Ergebnissen der einzelnen Testpersonen (Anlage BK 15).

Die Antragstellerin hält die angegriffene Werbung nicht für eine Alleinstellungsberühmung, sondern für einen zulässigen Eigenvergleich. Hierzu bezieht sie sich zunächst auf eine nach ihrer Meinung vergleichbare Werbebehauptung der Antragstellerin, die der 3. Senat des HansOLG in seinem Urteil vom 28.10.2004 (Aktz. 3 U 50/04) als einen zulässigen Eigenvergleich bewertet hatte. Die in dem dortigen Verfahren vorgelegte Verkehrsbefragung reicht die Antragsgegnerin als Anlage BK 11 ein. Ferner legt sie für die hier streitige Werbebehauptung ein im November/Dez. 2003 erstelltes Gutachten desselben Instituts vor, aus dem sich ihrer Meinung nach ergibt, dass der Werbespot als Eigenvergleich verstanden wird (Anlage BK 12).

Schließlich legt die Antragsgegnerin mit ihrem letzten Schriftsatz vom 18.1.2005 einen Werbespot der Antragstellerin für ihren "Quattro" vor, in dem die lang andauernde Wirkung der Rasur beworben wird (Anlage BK 16). Daraus ergebe sich, dass der durch die Gründlichkeit der Rasur bewirkte Zeitvorteil ein für den Verbraucher relevanter Vorteil sei.

Die Antragstellerin meint, dass die Antragsgegnerin auch mit den neuen Glaubhaftmachungsmitteln ihre Alleinstellung nicht ausreichend dargelegt habe. Außerdem legt sie eine im Mai 2003 in den USA durchgeführte weitere Studie vor, wonach der "Quattro" geringfügig besser abgeschnitten habe als der "MACH3 Turbo" (Anlage BB 1). Sie kritisiert die Untersuchungsmethode der Stiftung Warentest als nicht aussagekräftig, da nur 30 Testpersonen beteiligt gewesen seien und diese nur ihre subjektive Meinung wiedergegeben hätten (Anlage BB 3). Im Übrigen verteidigt sie im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache erfolglos. Der Senat folgt dem landgerichtlichen Urteil. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Hierzu ist im Einzelnen folgendes zu sagen:

1. Zu Recht hat das Landgericht den angegriffenen Werbespot als Alleinstellungsberühmung gewertet.

a) Auch wenn die Antragsgegnerin insoweit erst in der Berufungsinstanz vertieft vorträgt, ist ihr diesbezüglicher Vortrag nicht allein deshalb verspätet (§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO). Schon in der ersten Instanz hat die Antragsgegnerin mehrfach die Werbung als "angebliche" Alleinstellungsbehauptung bezeichnet und allein damit, dass sie ihre Rechtsverteidigung in der ersten Instanz auf die sachliche Richtigkeit der Werbung konzentriert hat, noch kein bestimmtes Verkehrsverständnis unstreitig gestellt oder gar ein entsprechendes Geständnis abgegeben (§ 288 ZPO).

b) Der Senat folgt jedoch der Auffassung des Landgerichts, dass jedenfalls beachtliche Teile des angesprochenen Verkehrs unter Zugrundelegung des Verständnisses eines situationsbedingt aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers die streitgegenständliche werbliche Behauptung als Alleinstellungsberühmung auffassen werden. Der erste Satz "Keiner rasiert so wie der MACH3 Turbo" wird zwar im nachfolgenden Satz "Es ist weltweit die gründlichste und komfortabelste Gillette-Rasur" relativiert, durch das Wort "weltweit" verliert diese Einschränkung aber wiederum ihre Eindeutigkeit und kann auch als Verstärkung des ersten Satzes begriffen werden. Das Wort "Gillette-Rasur" mag dann als bloße Hervorhebung des bekannten Herstellers "Gillette" anzusehen sein. Durch das nachfolgende Wort "Garantiert" wird ein mögliches Verständnis als Alleinstellungsberühmung ebenfalls nahe gelegt, denn eine "Garantie" ist für den Umworbenen von deutlich höherem Wert, wenn sie sich nicht nur auf eine Spitzenstellung innerhalb der Gillette-Produkte bezieht, sondern auf die Produktgattung Nassrasierer überhaupt.

Soweit die Aussage - wie in der konkreten Verletzungsform - im Rahmen eines Fernsehspots getroffen wird, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Durchschnittsverbraucher Fernsehwerbung mit nur geringer Aufmerksamkeit verfolgt, die zudem durch die gezeigten Bilder in Anspruch genommen und abgelenkt wird (vgl. HansOLG OLGRep. 2004, 311; OLG Frankfurt MD 2005,18). Aber auch bei Verwendung in anderen Medien - Hörfunk, Printmedien - ist es wegen der dargelegten Mehrdeutigkeit der werblichen Aussage mindestens überwiegend wahrscheinlich, dass zumindest rechtlich beachtliche Teile des Verkehrs sie als Alleinstellungsberühmung wahrnehmen werden. Dies kann der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, selbst beurteilen. Somit ist der Antrag, der auf ein uneingeschränktes Verbot der Behauptung zu Zwecken des Wettbewerbs gerichtet ist, nicht zu weit.

c) Soweit sich die Antragsgegnerin zum Verkehrsverständnis auf das Gutachten Anlage BK 12 beruft, ist ihr Vortrag schon deshalb unbeachtlich, weil sie dieses Mittel der Glaubhaftmachung erst in der Berufungsinstanz vorgelegt hat. Das Gutachten ist Ende des Jahres 2003 im Auftrag der Antragsgegnerin angefertigt worden. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, weshalb es nicht schon in der ersten Instanz eingereicht worden ist. Da Zulassungsgründe im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorgetragen oder sonst wie ersichtlich sind, kann dieses neue Verteidigungsmittel nicht berücksichtigt werden.

Im Übrigen ist das Gutachten aber auch nicht geeignet, die Glaubhaftmachung einer Alleinstellungsberühmung zu erschüttern. Auf die offene Frage nach der Aussage des Spots nach einmaligem Anschauen haben bereits 14,6 % der Befragten hierin eine Alleinstellungsbehauptung gesehen, nach zweimaligem Anschauen 19,2 %. Dies ist schon kein rechtlich unbeachtlicher Teil des Verkehrs. Nachdem die Umfrage mit geschlossenen Fragen fortgesetzt worden ist, kommt das Gutachten schließlich zu dem Ergebnis, dass rund ein Fünftel des Verkehrs den Spot im Sinne einer weltweiten Alleinstellungsberühmung versteht.

Ob diesem abschließenden Ergebnis zu folgen ist, mag dahingestellt bleiben. Der 3. Senat des HansOLG hat in dem von ihm beurteilten Fall (Aktz. 3 U 50/04) die Art der geschlossenen Fragestellung des für die von ihm zu beurteilende Werbung erstellten Gutachtens kritisiert und eine Irreführung verneint, obwohl das von demselben Institut und derselben Gutachterin erstellte Gutachten (Anlage BK 11) auch dort zu dem Ergebnis gelangt war, dass rund ein Fünftel des Verkehrs die Werbeaussage als Alleinstellungsberühmung verstehe. Die vorliegende werbliche Behauptung ist indessen nicht mit dem vom 3. Senat beurteilten Werbespot der Antragstellerin vergleichbar. Die angegriffene Aussage in dem dortigen Spot lautete "Der weltweit einzige Nassrasierer mit 4 Klingen und 2 Aktivstreifen. Für die gründlichste und sanfteste Rasur von Wilkinson". Der erste Satz bezog sich also auf eine ganz bestimmte technische Ausstattung des beworbenen Rasierers und enthielt nicht - wie hier - eine zunächst uneingeschränkte, wenn auch noch unspezifizierte Alleinstellungsberühmung bezüglich der Rasiereigenschaften, erst der zweite Satz bezog sich auf die Gründlichkeit und Sanftheit der Rasur. Die vom 3. Senat beurteilte Werbung enthielt somit zwei Informationen, während sich die vorliegende Werbung nur mit den Rasiereigenschaften befasst. Auch soweit in dem hier streitgegenständlichen Fernsehspot vor der angegriffenen Aussage die Worte "Es ist nicht nur die Spitzentechnologie oder die Weltklasse-Klingen. Es ist alles zusammen." gesprochen werden, handelt es sich nicht um eine konkrete Information über das beworbene Produkt, wie bei der vom 3. Senat zu beurteilenden Werbung.

Vor diesem Hintergrund waren bereits die Ausgangswerte auf die offene Frage "Was entnehmen Sie dieser Werbung€ Was sagt sie aus€" im Fall des 3. Senats deutlich geringer. Nach einmaligem Anschauen des Spots hatten ihn nur 6,8 % als Alleinstellungsberühmung verstanden, nach zweimaligem Anschauen 10,9 %. Insoweit lagen also schon deutlich niedrigere Ausgangswerte vor, die zusammen mit der problematischen Fragestellung bei den geschlossenen Fragen den 3. Senat dazu geführt haben, entgegen dem Gutachten die Irreführung rechtlich beachtlicher Teile des Verkehrs zu verneinen.

Wie ausgeführt, handelt es sich vorliegend sowohl hinsichtlich Werbeaussage als auch hinsichtlich der in der Umfrage ermittelten Ausgangswerte um eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Der Senat würde somit auch bei Berücksichtigung der nunmehr eingereichten Anlage BK 12 dem Landgericht darin folgen, dass die Werbung der Antragsgegnerin mindestens überwiegend wahrscheinlich von rechtlich erheblichen Teilen des Verkehrs als Alleinstellungsberühmung verstanden wird.

2. Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass es die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Alleinstellungsberühmung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung geprüft hat, jetzt § 5 UWG. Eine vergleichende Werbung gemäß § 6 UWG liegt nicht vor, da die Rasierer der Antragstellerin weder unmittelbar noch mittelbar erkennbar gemacht werden (§ 6 Abs. 1 UWG). Auch wenn die Parteien über 90 % des deutschen Nassrasiermarktes unter sich aufteilen, gibt es doch eine ganze Reihe entsprechender Produkte anderer Hersteller, die z.B. über die großen Drogerieketten vertrieben werden. Hierzu kann auch auf den Test der Stiftung Warentest von Dezember 2004 Bezug genommen werden (Anlage BK 9). Damit bezieht sich eine Werbung der Antragsgegnerin nicht quasi "automatisch" auf die Produkte der Antragstellerin. Auch für eine mittelbare Erkennbarmachung reicht die bloße Tatsache, dass die Antragstellerin die zweitgrößte Anbieterin von Nassrasierern ist, noch nicht aus.

3. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Alleinstellungsberühmung nur dann zulässig und nicht irreführend, wenn sie

1. der Wahrheit entspricht,

2. der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern hat, was beinhaltet, dass er seine Mitbewerber merklich überragt und

3. der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet (z.B. BGH GRUR 63,34, 36 "Werkstatt und Betrieb"; GRUR 91,680,681 "Porzellanmanufaktur"; GRUR 98, 951,952 "Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung"; GRUR 2002,182,183 "Das Beste jeden Morgen").

Auch bei Alleinstellungsberühmungen trägt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich derjenige, der die Werbung als irreführend angreift (BGH GRUR 85,140,142 "Größtes Teppichhaus"). Allerdings gibt es hier eine erhebliche Einschränkung, da es jemandem, der eine Alleinstellung für sich in Anspruch nimmt, zugemutet werden kann, dies nicht leichtfertig, sondern auf einer jedenfalls in gewissem Umfang abgesicherten Tatsachengrundlage zu tun. Daher kann es dem Werbenden nach Treu und Glauben abverlangt werden, substantiiert darzulegen, auf welcher Grundlage er zu einer solchen Berühmung gelangt ist (s. dazu im Einzelnen Harte/Henning/Weidert, UWG, § 5 Rn. 710 m.w.N. sowie die von der Antragsgegnerin eingereichte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13.6.1995, Anlage BK 8, S. 3 f.).

Von diesen Grundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen. Dabei hat es zugunsten der Antragsgegnerin einen Gründlichkeitsvorteil von 14,3 Mikrometer Haarlänge pro Tag entsprechend der sog. Hancock-Studie unterstellt, diesen im Sinne der zitierten Rechtsprechung aber nicht als hinreichend deutlichen Vorsprung gewertet. Diesem Ergebnis folgt auch der Senat.

a) Eine wettbewerbswidrige Alleinstellungswerbung liegt allerdings nicht schon deshalb vor, weil die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt hat, dass der "MACH3 Turbo" gegenüber allen auf der Welt erhältlichen Nassrasierern die gründlichste und komfortabelste Rasur bietet. In diesem Punkt ist dem Landgericht nicht zuzustimmen. Denn da sich auch bei einer irreführenden Alleinstellungsberühmung die Darlegungs- und Beweislast nicht umkehrt, sondern für den Angreifer nur erleichtert ist, bestimmt sich der Umfang der von dem Werbenden darzulegenden Tatsachen nach dem Umfang des Angriffs. Die Antragstellerin hat die Irreführung der Alleinstellungsbehauptung allein mit ihrem Konkurrenzprodukt "Quattro" begründet und ist zudem dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht entgegengetreten ist, unstreitig bestünde zwischen diesen beiden Nassrasierern und sämtlichen Wettbewerbern ein deutlicher Abstand in punkto Gründlichkeit und Komfort. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Antragsgegnerin mit substantiiertem Vortrag zum "MACH3 Turbo" Im Verhältnis zum "Quattro" begnügen.

b) Der von der Antragsgegnerin für den "MACH3 Turbo" gegenüber dem "Quattro" dargelegte Gründlichkeitsvorsprung von durchschnittlich 14,3 Mikrometern (oder 0,0143 mm) unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen täglichen Bartwuchses von 270 Mikrometern (0,27 mm) ist jedoch zu minimal, um sie zu der streitgegenständlichen Alleinstellungsberühmung zu berechtigen. Rein rechnerisch mag sich damit zwar für den "MACH3 Turbo" ein durchschnittlicher Zeitvorteil von 1, 27 Stunden über 24 Stunden ergeben. Entscheidend ist jedoch, ob dieser Zeitvorteil für den Verbraucher überhaupt sicht- oder fühlbar ist.

Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der rechnerische Zeitvorteil von 1,27 Stunden zu dem Zeitpunkt, wenn sich die Frage stellt, ob für den Rest des Tages noch eine zweite Rasur erforderlich ist - nämlich am späten Nachmittag oder frühen Abend -, noch gar nicht voll realisiert hat, denn es geht ja um einen Durchschnittswert über 24 Stunden zwischen zwei morgendlichen Rasuren. Damit schrumpft ein etwaiger Zeitvorteil bereits um die Hälfte, da man davon ausgehen kann, dass sich die weit überwiegende Zahl der Verbraucher früh morgens rasiert und sich etwa 12 Stunden später die Frage einer erneuten Rasur erhebt. Das Landgericht hat insoweit unter Bildung verschiedener Fallbeispiele die Irrelevanz für Personen mit überdurchschnittlichem, unterdurchschnittlichen und durchschnittlichem Bartwuchs durchaus lebensnah dargelegt. Daran ändert auch die Rüge der Antragsgegnerin nichts, das Landgericht sei zu Unrecht von einem durchschnittlichen Bartwuchs zwischen 0,1 und 0,4 mm ausgegangen, während sie einen durchschnittlichen Bartwuchs von 0,27 mm glaubhaft gemacht habe. Denn auch bei den 0,27 mm handelt es sich nur um einen Durchschnittswert, von dem es nach oben und nach unten Abweichungen gibt. Dieser Einwand nimmt den Überlegungen des Landgerichts daher nicht ihre Überzeugungskraft.

Selbst wenn man aber die 14,3 Mikrometer vollen Umfangs als Vorsprung des Produkts der Antragsgegnerin anerkennen wollte: Es geht hier um eine Differenz von ca. 1/5 der Dicke eines Haares (0,7 mm). Bei so geringen Differenzen hätte es der Antragsgegnerin oblegen, näher zu begründen und glaubhaft zu machen, dass sie überhaupt sicht- oder wenigstens fühlbar sind. Dies hat sie nicht getan. Für das Verfügungsverfahren ist somit davon auszugehen, dass selbst bei Richtigkeit der von der Antragsgegnerin vorgelegten Studie überwiegend wahrscheinlich der Gründlichkeitsvorsprung des "MACH3 Turbo" nicht so deutlich ist, dass er die angegriffene Alleinstellungsberühmung rechtfertigt.

Soweit die Antragsgegnerin schließlich auf den Fernsehspot der Antragstellerin verweist, der die Relevanz der lang andauernden Wirkung einer Rasur belege, verhilft auch dieses Argument ihr nicht zum Erfolg. Dass eine lang andauernde Wirkung einer Rasur grundsätzlich einen relevanten Vorteil darstellt, ist unbestritten. Entscheidend ist, ob der Vorsprung des "MACH3 Turbo" gegenüber dem "Quattro" so deutlich ist, dass er eine Alleinstellungsberühmung rechtfertigt. Dies ist - wie ausgeführt - überwiegend wahrscheinlich nicht der Fall.

c) Soweit sich die Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz für ihren Gründlichkeitsvorsprung zusätzlich auf die Verbraucherumfrage gemäß Anlage BK 4 beruft, ist dieses Mittel der Glaubhaftmachung schon wegen Verspätung unbeachtlich. Die Umfrage ist im Herbst 2003 durchgeführt worden und die Auswertung datiert von Januar 2004. Die Antragsgegnerin hatte aus der Umfrage auch schon in der ersten Instanz zitiert, allerdings nur zur Frage des Komforts der Rasur. Weshalb die Umfrage nicht spätestens im Termin vor dem Landgericht am 2.3.2004 vorgelegt worden ist, ist nicht nachvollziehbar. Gründe für eine Zulassung dieses Glaubhaftmachungsmittels hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen (§ 531 Abs. 2 ZPO).

Aber auch inhaltlich vermögen die Umfrageergebnisse keine ausreichende Klarheit darüber zu verschaffen, dass das Produkt "MACH3 Turbo" den "Quattro" deutlich im Sinne der obigen Rechtsprechung überragt. Zwar haben etwas mehr als die Hälfte der Befragten (54 %) die Aussage "Giving a close shave" für den "MACH3 Turbo" bejaht, während 32 % für den "Quattro" votiert und 14 % sie als ebenbürtig eingestuft haben (S.19). Bei den inhaltlich gleichen Aussagen "The length of time the shave lasts" und "Giving a long lasting shave" haben sich jedoch weniger als die Hälfte der Befragten für den "Mach3 Turbo" ausgesprochen (44 % und 46 %), während der Rest den "Quattro" bevorzugte bzw. die Produkte als gleichwertig ansah. Gerade bezüglich des von der Antragstellerin in ihrer Rechtsverteidigung besonders herausgestellten Zeitvorteils belegt die Umfrage damit keine deutliche Überlegenheit des "MACH3 Turbo" gegenüber dem "Quattro".

Berücksichtigt man weiter, dass die Probanden nach ihren subjektiven Einschätzungen gefragt wurden und objektive Messungen nicht stattgefunden haben, vermag im Ergebnis damit auch diese Umfrage der Antragsgegnerin nicht zum Erfolg zu verhelfen.

d) Gleiches gilt schließlich für den Test der Stiftung Warentest (Anlage BK 9). Dieses neue Mittel der Glaubhaftmachung ist zwar nicht verspätet, da es erst im Dezember 2004 verfügbar war und somit nicht in der ersten Instanz vorgelegt werden konnte.

Zunächst basiert der Test der Stiftung Warentest auf einer Umfrage von lediglich 30 Testpersonen, die sich mit jedem der getesteten 19 Rasierer zwei Tage rasiert haben: Die Ergebnisse des Tests beruhen also auf einer sehr schmalen Tatsachengrundlage und es wird auch nicht deutlich, wie die hier maßgebende Gründlichkeit der Rasur gewichtet worden ist.

Vor allem aber liegen die beiden Rasierer der Parteien in der Sparte "Normalrasur" gleichauf, nur für den "Drei-Tages-Bart" erzielt der "MACH3 Turbo" einen besseren Wert. Auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist die übliche Verbrauchergruppe der Verwender von Nassrasierern jedoch nicht diese, sondern diejenige, die sich täglich rasiert (S.15 des Schriftsatzes vom 21.6.2004).

Nach alledem hat das Landgericht die Werbung zu Recht als wettbewerbswidrig angesehen, weil sie eine Irreführung bezüglich der in Anspruch genommenen Alleinstellung hinsichtlich der Gründlichkeit enthält. Ob die Werbung ferner auch deshalb irreführend ist, weil die Antragsgegnerin für ihr Produkt die "komfortabelste" Rasur in Anspruch nimmt, kann dahingestellt bleiben. Denn da die Werbung insgesamt angegriffen ist, ist ein Verbot schon dann gerechtfertigt, wenn die Werbung nur in einem Aspekt wettbewerbswidrig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.






OLG Hamburg:
Urteil v. 10.02.2005
Az: 5 U 48/04


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