Bundespatentgericht:
Urteil vom 30. April 2002
Aktenzeichen: 4 Ni 17/01
(BPatG: Urteil v. 30.04.2002, Az.: 4 Ni 17/01)
Tenor
1. Das europäische Patent 0 483 242 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass an die Stelle der erteilten Ansprüche 1, 3 bis 5 die Ansprüche 1, 3 und 4 in folgender Fassung treten:
1. Pedikelschraube (2) mit einem Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) aufweisenden Schraube (2) mit einer Stange (16), wobei eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen ist und wobei das Aufnahmeteil (5) einen Aufnahmeraum (7) aufweist, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge und angrenzend an diesen einen hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzunehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschraubenden Schraube (2) besitzt und angrenzend an diesen einen hohlzylindrischen Abschnitt (11) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmeteil (5) einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) aufweist, und dass ein Druckelement (18) vorgesehen ist, welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hin gerichteten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist und welches durch die Öffnung (10) einführbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnahmeteil (5) eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.
3. Pedikelschraube nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Radien der hohlkugelsegmentförmigen Abschnitte (9, 19) im wesentlichen gleich sind.
4. Pedikelschraube nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Druckelement (18) einen zylinderförmigen Abschnitt aufweist, dessen Außendurchmesser im wesentlichen gleich dem Innendurchmesser des Aufnahmeraums (7) ist.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 250,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 483 242 (Streitpatent), das am 19. Juli 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 3 923 996 vom 20. Juli 1989 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 590 09 029.1 geführt wird, betrifft ein "Aufnahmeteil für eine Pedikelschraube und Pedikelschraube". Es umfasst 6 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut hat:
"1. Pedikelschraube (2) mit einem Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) aufweisenden Schraube (2) mit einer Stange (16), wobei eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen ist und wobei das Aufnahmeteil (5) einen Aufnahmeraum (7) aufweist, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) und angrenzend an diesen einen hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzunehmenden Schraube (2) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmeteil (5) einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) aufweist, und dass ein Druckelement (18) vorgesehen ist, welches durch die Öffnung (10) einführbar ist und in zusammengesetztem Zustand eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 3 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich ua auf folgende Druckschriften:
(1) US 4 805 602
(2) EP 0 242 708
(3) DE 37 11 013
(4) US 2 346 346 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 483 442 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 sowie 3 bis 5 für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, daß an die Stelle der eingetragenen Ansprüche 1, 3 bis 5 folgende Ansprüche 1, 3 und 4 treten:
1. Pedikelschraube (2) mit einem Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) aufweisenden Schraube (2) mit einer Stange (16), wobei eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen ist und wobei das Aufnahmeteil (5) einen Aufnahmeraum (7) aufweist, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge und angrenzend an diesen einen hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzunehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschraubenden Schraube (2) besitzt und angrenzend an diesen einen hohlzylindrischen Abschnitt (11) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dass das Aufnahmeteil (5) einstückig ausgebildet ist und auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) aufweist, und dass ein Druckelement (18) vorgesehen ist, welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hin gerichteten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist und welches durch die Öffnung (10) einführbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnahmeteil (5) eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.
3. Pedikelschraube nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Radien der hohlkugelsegmentförmigen Abschnitte (9, 19) im wesentlichen gleich sind.
4. Pedikelschraube nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Druckelement (18) einen zylinderförmigen Abschnitt aufweist, dessen Außendurchmesser im wesentlichen gleich dem Innendurchmesser des Aufnahmeraums (7) ist.
Sie sind dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und halten das Streitpatent, zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung, für bestandsfähig.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist teilweise begründet.
1. Das Streitpatent betrifft ein Aufnahmeteil für eine Pedikelschraube sowie eine Pedikelschraube zur Stabilisierung von Wirbelsäulensegmenten.
Nach der Patentbeschreibung ist im Stand der Technik eine Pedikelschraube mit einem Gewindeteil und einem starr damit am kopfseitigen Ende vorgesehenen Aufnahmeteil mit Aufnahmeschlitzen bekannt. Durch diese Aufnahmeschlitze werde beidseitig der Wirbelsäule jeweils eine Gewindestange geführt und mit Hilfe von Fixierungsschrauben am jeweiligen Aufnahmeteil fixiert. Bei dieser Lösung sei es sehr schwierig, die Schrauben einerseits fest in die Wirbelkörper einzuschrauben und sie andererseits in zwei Ebenen gerade so zu stellen, dass man die Gewindestange ohne Verspannung der Schrauben durch die Aufnahmeschlitze hindurchführen könne. Eine genaue Ausrichtung lasse sich fast nicht erreichen, so dass auf die Gewindestangen erhebliche Scherkräfte wirkten, was dazu führe, dass die Gewindestangen bei späterer Benutzung abbrechen könnten.
Weiter gebe es Pedikelschrauben, die aus einer eigentlichen Schraube mit einem Gewindeschaftteil und einem kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf und einem gelenkig damit verbindbaren Aufnahmeteil bestünden, dessen beide Kopfhälften schwenkbar gehalten würden. Bei einer Operation würden erfahrungsgemäß Schrauben verschiedenster Längen und ggf. auch verschiedenster Durchmesser benötigt. Bei den bisher bekannten Schrauben sei es erforderlich, die kompletten Schrauben für die gewünschten Größen vorrätig zu halten. Wegen der hohen Präzision der hierfür erforderlichen Teile seien die Lagerkosten für solche kompletten Schrauben sehr hoch.
Schließlich sei eine Pedikelschraube mit einem einstückigen Aufnahmeteil bekannt, bei der die Schraube mit der Schaftseite durch das Aufnahmeteil eingeführt werden könne. Bei dieser Vorrichtung bestehe jedoch keine Möglichkeit, die Schraube gegen Lockern bzw. Verdrehen zu sichern.
Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, eine Möglichkeit zu schaffen, mit der die Kosten für die Vorratshaltung solcher Schrauben gesenkt werden.
2. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beschreibt demgemäß
a) eine Pedikelschraube (1), b) die eine einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) besitzende Schraube (2) aufweist.
c) Es ist ein Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der Schraube (2) mit einer Stange (16) undd) eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen.
e) Das Aufnahmeteil (5) weist einen Aufnahmeraum (7) auf, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) besitzt.
f) Angrenzend an den Aufnahmeraum (7) ist ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzunehmenden Schraube (2) vorgesehen.
g) Das Aufnahmeteil (5) ist einstückig ausgebildet.
h) Auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite ist eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) vorgesehen.
i) Ein Druckelement (18) ist vorgesehen, welches durch die Öffnung (10) einführbar ist und in zusammengesetztem Zustand eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird.
II.
1.) a) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften weist - wie sich aus den Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - eine Pedikelschraube mit sämtlichen in diesem Anspruch genannten Merkmalen auf.
b) Diese Pedikelschraube beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da sie sich für den Durchschnittsfachmann, einen mit der Herstellung und Entwicklung von Implantaten befassten Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Aus der Druckschrift (HE4) ist eine Pendikelschraube 25 mit einer Schraube und einem aus drei Einzelteilen 32,33,34 zusammengesetzten Aufnahmeteil bekannt, wobei die Schraube aus einem Gewindeschaftteil 26 mit kugelsegmentförmigem Kopf 29 besteht und das Aufnahmeteil zum Verbinden der Schraube mit einer Gewinde-Stange 39 dient (vgl. in (HE4) Fig. 4 in Verbindung mit Sp. 4, Z. 40 bis Sp. 5, Z. 29; entspricht Merkmalen a), b), c)). Das Aufnahmeteil wird aus den beiden Kopfhälften 32,33 und einem Ring 34 gebildet, der die beiden Kopfhälften im Bereich knapp unter dem Schraubenkopf 29 zusammenhält. Die Vorrichtung zur Sicherung der Schraube gegen Verdrehen besteht aus zwei als Fixierschrauben bezeichneten Muttern 48,49, die im Zusammenwirken mit Versenkungen 38 in den Kopfhälften 32,33 des Aufnahmeteils die Gewinde-Stange 39 mit dem Aufnahmeteil verbinden. Über die Form des Aufnahmeteils wird bei fest angezogenen Muttern 48,49 die Schraube 26,29 gegen Verdrehen im Aufnahmeteil gesichert (vgl. Fig. 4,7,8 in Verbindung mit Sp. 6, Z. 18-41; entspricht Merkmal d)). Weiter weist jede der Kopfhälften einen der anderen Kopfhälfte zugewandten Aufnahmeraum auf, der zusammengenommen kugelsegmentförmig ausgebildet ist und im unteren Bereich eine Öffnung zum Hindurchführen des Gewindeschaftteils enthält, die aus jeweils einem Halsabschnitt 36 in jeder Kopfhälfte 26 besteht (vgl. Fig. 4,8,9 und Sp. 5, Z. 8ff; entspricht Merkmale e) und f)).
Der Einwand der Patentinhaberin, dass die Öffnung nach der Druckschrift (HE4) auf ganz andere Weise hergestellt werde, als die Bohrung nach dem Streitpatent, kann nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben, da es für den Streitgegenstand nach Anspruch 1 als äquivalent angesehen werden muss, ob die Öffnung in Form einer Bohrung oder durch andere Bearbeitungsprozesse erzeugt wird. Das Merkmal e) ist somit ebenfalls als aus der Druckschrift (HE4) bekannt anzusehen.
Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ausführte, bestehe ein großes Interesse sowohl die Produktionskosten zu senken und Lagerkosten für die Kliniken zu reduzieren. Der Durchschnittsfachmann, dem aus seinem täglichen Umgang mit den aus drei Teilen zusammengesetzten Aufnahmeteil nach der Druckschrift (HE4) die Schwierigkeiten bei deren Zusammenbau bekannt sind, wird deshalb nach Vereinfachungen suchen. Hierbei wird er sich nicht nur auf das engere Fachgebiet der Herstellung von Implantaten beschränken, sondern ganz allgemein Lösungsprinzipien betrachten, die eine Schraube - und hier speziell den Schraubenkopf - und eine senkrecht zur Ausrichtung der Schraube verlaufende Stange mittels eines Aufnahmeteils fest verbinden. Hierbei fällt sein Blick auf die Druckschrift (HE8).
Diese Druckschrift beschreibt eine Schiene zum Ruhigstellen von Knochenbrüchen (vgl. die Bezeichnung). Zu diesem Zweck werden Fixierzapfen in den Knochen getrieben und jeweils zwei Fixierzapfen 3,4 mit einem Block 5 verbunden. Zwei dieser Blöcke werden über jeweils eine als "bolt shank" (vgl. S. 2, rechte Spalte, Z. 25) bezeichnete Schraube 13 in Verbindung mit einem Aufnahmeteil 6,10 mit einem Stab 8 verbunden (vgl. Fig. 1 und S. 2, linke Spalte, Z. 66 bis rechte Spalte, Z. 37). Diese Schraube 13 besteht aus einem kugelförmigen Kopf 14 und einem Schaftteil, welches an seinem dem Kopf gegenüberliegenden Ende ein Gewinde aufweist (vgl. Fig. 4 in Verbindung mit S. 2, rechte Spalte, Z. 30-32 und S. 3, linke Spalte, Z. 27-29; entspricht Merkmalen b) und c)).
Bei der Fixierung der Schraube 13 und des Stabes 8 liegt also ein zum Gegenstand nach (HE4) vergleichbares Grundprinzip vor. Die Fixierung dieser beiden Teile, Schraube und Stab, erfolgt nach der (HE8) auf folgende Weise: Das Aufnahmeteil 6,10, welches den Schraubenkopf und den Stab miteinander verbindet, ist im Falle der (HE8) einstückig ausgebildet und hat an seinem dem Block 5 zugewandeten Ende eine Öffnung zum Durchführen des Gewindeschaftes der Schraube 13 (entspricht Merkmalen e) und g)). An seinem gegenüberliegenden Ende ist eine Öffnung vorgesehen durch die zum einen die Schraube 13 inklusive Kopf 14 hindurchgeführt wird und in die zum andern ein Druckelement 15 eingeführt wird, das mittels einer Vorrichtung bestehend aus einer Kappe 18, einer Platte 20 und einer Schraube 19 in Verbindung mit dem Stab 8 das Druckelement so auf den Schraubenkopf presst, dass die Schraube 13 im zusammengesetzten Zustand gegen Verdrehen gesichert ist (vgl. S. 2, rechte Spalte, Z. 57-68; entspricht Merkmalen d), h) und i)).
Überträgt nun der Durchschnittsfachmann, in seinem Bestreben die Vorrichtung nach (HE4) zu vereinfachen, das aus der Druckschrift (HE8) bekannte Prinzip der festen Verbindung eines Schraubenkopfes mit einem Stab auf die aus der Druckschrift (HE4) bekannte Pedikelschraube, so bedeutet das, dass das Aufnahmeteil einstückig auszubilden (entspricht Merkmal g)) und auf der der Bohrung für das Hindurchführen des Schraubenschaftes gegenüberliegenden Seite eine Öffnung zum Einführen der Schraube und eines Druckelements vorzusehen ist (entspricht Merkmal h). Zur Fixierung der Schraube dient dann das durch die Öffnung einführbare Druckelement, welches im zusammengesetzten Zustand eine Kraft so auf den Kopf der Schraube ausübt, dass dieser gegen den bereits aus der Druckschrift (HE4) bekannten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt gedrückt wird (entspricht Merkmal i)).
Auch der Einwand der Patentinhaberin, wonach in der Druckschrift (HE8) das Druckelement mittels eines Splintes innerhalb des Aufnahmeteils fixiert sei (vgl. die Kerbe am rechten oberen Rand des Bauteils 15 in Fig. 5 zusammen mit dem rechteckig angedeuteten, das Aufnahmeteil durchdringenden Bauteil am oberen Rand des Bauteils 15 in Fig. 4) und die Schraube 13 mittels einer Anschlagplatte 13b nach dem Einbau in das Aufnahmeteil gegen eine Entnahme aus selbigem gesichert werde, führen zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit. Denn diese Ausgestaltungen fallen auch unter die sehr allgemeine Fassung des Anspruchs 1 und hindern den Fachmann daher nicht, aus der Druckschrift (HE8) das Prinzip des festen Verbindens von Schraubenkopf und Stange mit Hilfe eines einstückigen Aufnahmeteils in Verbindung mit einem Druckelement auf die Pedikelschraube nach (HE4) zu übertragen.
c) Die ebenfalls durch die Nichtigkeitsklage angegriffenen Ansprüche 3 bis 5 sind vor dem Hintergrund der Druckschriften (HE4) und (HE8) ebenfalls nicht patentfähig.
Das kennzeichnende Merkmal im Anspruch 3 ist durch die Druckschrift (HE8) vorweggenommen, denn das Druckelement 15 weist an seinem dem Kopf 14 zugewandten Ende einen hohlkugelsegmentförmigen Sitz 15' auf (in (HE8) als "spherically curved seat 15'" bezeichnet, vgl. Fig. 4 und S. 2, rechte Spalte, Z. 30-37).
Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 4, wonach die Radien der hohlkugelförmigen Abschnitte im wesentlichen gleich sein sollen, liegt für den Durchschnittsfachmann auf der Hand, da er nur durch diese Maßnahme genügend Reibung zwischen den beiden Teilen erzeugen kann, um eine formschlüssige und feste Verbindung beider Teile zu gewährleisten.
Das kennzeichnende Merkmal im Anspruch 5 ist ebenfalls aus der Druckschrift (HE8) nahegelegt, denn dort weist das Druckelement 15 einen zylinderförmigen Abschnitt auf (vgl. die perspektivische Zeichnung nach Fig. 5) dessen Außendurchmesser im wesentlichen gleich dem Innendurchmesser des Aufnahmeteils ist (vgl. das Bauteil 15 in Fig. 4).
2.) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist neu und gewerblich anwendbar, er beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch folgende Ergänzungen:
Im Merkmal e) wurde zusätzlich aufgenommen "... einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge ..." (offenbart in Sp. 4, Z. 28,29 der Streitpatentschrift)
Im Merkmal f) wurde zusätzlich aufgenommen "... und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschraubenden ..." und "... und angrenzend an diesen einen hohlzylindrischer Abschnitt (11) besitzt." (offenbart in Sp. 4, Z. 33,34 und Sp. 2, Z. 56 bis Sp. 3, Z. 2 der Streitpatentschrift)
Im Merkmal i) wurde zusätzlich aufgenommen "... , welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hingerichteten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist und ..." und "... nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnahmeteil (5) ..." und "... und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird." (offenbart im Anspruch 3 und in Sp. 5, Z. 6-8 der Streitpatentschrift)
Die Unteransprüche 3 und 4 entsprechenden den erteilten Ansprüchen 4 und 5.
a) Wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt, weist die Pedikelschraube gemäß (HE4) kein einstückiges Aufnahmeteil auf und bei der Druckschrift (HE8) handelt es sich um keine Pedikelschraube. In der mündlichen Verhandlung wurde auch die Druckschrift (HE2) von den Parteien näher erörtert. Diese beschreibt eine Pedikelschraube, die keine feste Verbindung zwischen Schraubenkopf und Aufnahmeteil vorsieht. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist demnach gegenüber dem relevanten Stand der Technik neu.
In der schriftlichen Klagebegründung wurde noch die Druckschrift (HE5) genannt, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen wurde. Die in dieser Druckschrift beschriebene Pedikelschraube, vgl. Figuren 1-8, entspricht exakt der in den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 4-11 gemäß der Druckschrift (HE4) offenbarten Pedikelschraube, wobei in beiden Fällen dieselben Bezugszeichen verwendet werden. Ein näheres Eingehen auf die Druckschrift (HE5) ist deshalb entbehrlich.
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Durch das ergänzte Merkmal e), wonach der Aufnahmeraum eine Bohrung zum Hindurchführen eines Gewindeschaftteiles einer Schraube mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge aufweist, wird der speziellen Ausgestaltung des Aufnahmeteils, wie es sich aus dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents ergibt, Rechnung getragen. Ein wesentlicher Gedanke des Streitpatents liegt in der Trennung von Aufnahmeteil und eigentlicher Schraube, so dass erst zum Zeitpunkt der Operation, nach genauer Kenntnis der Operationsstelle, die Schraube mit der erforderlichen, also gewünschten Schaftlänge und des gewünschten Schaftdurchmessers und das Aufnahmeteil zusammengefügt werden (vgl. Sp. 1, Z. 51 bis Sp. 2, Z. 2 in Verbindung mit Sp. 2, Z. 20-24 und Sp. 4, Z. 27-36).
Wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt, sind bei der Pedikelschraube nach (HE4) die Schraube und das Aufnahmeteil zumindest für den Operateur unlösbar miteinander verbunden. Auch bei der festen Verbindung von Schraubenkopf und Stange nach der Druckschrift (HE8) wird dem Durchschnittsfachmann die Lehre vermittelt nach dem Einsetzen einer Schraube 13 in das Aufnahmeteil 10, diese gegen ein Herausnehmen sowohl durch eine Anschlagplatte 13b wie auch durch das Fixieren des Druckelements mittels eines Splintes zu schützen. Dies ergibt sich auch aus dem Verwendungszweck der Vorrichtung nach (HE8). So soll diese insbesondere unter schwierigen Bedingungen zur schnellen Fixierung von Knochenbrüchen dienen. Das bedeutet die einzelnen Komponenten müssen vor der Versorgung des Patienten so zusammengesetzt sein, dass beim Anlegen der Schiene keine komplizierten Montagearbeiten nötig sind. Der Druckschrift (HE8) sind demnach im Hinblick auf ein schnelles Entnehmen der Schraube aus dem Aufnahmeteil bzw. ein schnelles Zusammenfügen von Schraube und Aufnahmeteil während der Patientenversorgung ebenfalls keine Anregungen zu entnehmen.
In der von den Parteien noch erörterten Druckschrift (HE2) ist eine Pedikelschraube mit einem zugehörigen Aufnahmeteil beschrieben, wobei die Schraube 21 aus einem kugelsegmentförmigen Schraubenkopf 30 und einem Gewindeschaft besteht (vgl. Fig. 2 in Verbindung mit Sp. 4, Z. 30ff; entspricht Merkmalen a) und b)) und ein einstückiges Aufnahmeteil 23 zum Verbinden der Schraube mit einer Stange 18 dient (vgl. Fig. 2 in Verbindung mit Sp. 4, erster und vorletzter bis letzter Absatz; entspricht Merkmalen c) und g)). Das Aufnahmeteil 23 weist einen Aufnahmeraum 49 auf, der an seinem einen Ende eine Öffnung 40 zum Durchführen der Schraube mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge sowie an seinem anderen Ende eine Öffnung 43 zur Durchführung des Gewindeschaftes aufweist (Fig. 2 in Verbindung mit Sp. 4, vorletzter Absatz; entspricht Merkmalen h) und e)).
Der Schraubenkopf, der in den jeweiligen Winkelkörper einzuschraubenden Schraube, liegt dabei an einem abgeschrägten Abschnitt 42,44 an, welcher im unteren Bereich des Aufnahmeraums 49 liegt, also an die Öffnung 43 angrenzt. Anschließend an den abgeschrägten Abschnitt 42,44 weist das Aufnahmeteil 23 einen hohlzylindrischen Abschnitt auf (Fig. 4,5 und Sp. 4, vorletzter Absatz; entspricht Merkmal f) ohne den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt). Zur Fixierung der Stange 18 ist eine Vorrichtung bestehend aus einer Klammer 25 und einem Ring 27 vorgesehen (vgl. Fig. 1 und Sp. 4, vierter Absatz). Die Klammer 25 umgibt hierbei das Aufnahmeteil und wird durch ihr Außengewinde in Verbindung mit einem entsprechenden Innengewinde am Ring 27 so verbunden, dass diese beiden im zusammengesetzten Zustand die Stange 18 fest und unverrückbar mit dem Aufnahmeteil verbinden (vgl. Sp. 5, letzter kompletter Absatz). Indirekt wird hierdurch auch die Schraube 21 in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, aber sie ist nicht fest mit dem Aufnahmeteil verbunden. Der Druckschrift (HE2) ist in Sp. 6, Z. 17-31 und Fig. 5 vielmehr zu entnehmen, dass auch nach Beendigung der Operation Schraube und Stange noch gegeneinander leicht verschoben und verdreht werden können, um durch Körperbewegungen verursachte Kräfte besser ausgleichen zu können. Die Pedikelschraube nach der Druckschrift (HE2) ist demnach für andere Anwendungszwecke als die Pedikelschraube nach (HE4) geeignet.
Der Pedikelschraube gemäß (HE2) fehlen mithin ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt (Teil des Merkmals f)), eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube gegen Verdrehen (Merkmal d)) und ein Druckelement, welches durch die Öffnung 40 einführbar ist (Merkmal i)).
Bei der Pedikelschraube nach der Druckschrift (HE2) können zwar Schrauben mit verschiedenen Schaftlängen und Schaftdurchmessern noch während der Operation in das Aufnahmeteil eingesetzt werden, aber der Durchschnittsfachmann bekommt keine Anregungen, wie er diese Schauben im Aufnahmeteil fixieren kann. Er wird schon aus diesem Grund die Druckschrift (HE2) nicht näher in Betracht ziehen.
Würde er dies doch tun, so bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit um zum Gegenstand nach Anspruch 1 zu gelangen. Ausgehend von der Pedikelschraube nach (HE4) ist der Druckschrift (HE2) nur die Anregung zu entnehmen, ein einstückiges Aufnahmeteil vorzusehen, in das noch während der Operation die gewünschte Schraube eingesetzt werden kann. Der Fachmann steht bei dieser Zusammenschau aber vor dem Problem, wie er die aus (HE4) bekannte Fixierung der Schraube im Aufnahmeteil bei dem einstückigen Aufnahmeteil nach (HE2) realisieren solle. Hierzu werden ihm in den Druckschriften (HE4) und (HE2) keine Anregungen gegeben. Berücksichtigt er für die Fixierung weiter die Druckschrift (HE8), so werden dem Durchschnittsfachmann drei unterschiedliche Befestigungsvorrichtungen für die Stange aufgezeigt, wobei jede für einen bestimmten Anwendungsfall geeignet ist. Mit der Befestigungsvorrichtung nach der Druckschrift (HE2) wird die Schraube im Aufnahmeteil nicht fixiert und mit den aus den Druckschriften (HE4) und (HE8) bekannten Befestigungsvorrichtungen sind die Schraube nach der Montage für den Arzt nicht mehr aus dem Aufnahmeteil entnehmbar.
Erst durch das über das handwerkliche Können hinausgehende, selektive Herausgreifen einzelner Merkmale aus dem jeweiligen Gesamtzusammenhang der Gegenstände nach (HE2), (HE4) und (HE8) und dem anschließenden auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhenden Kombinieren dieser Merkmale gelangt man zum Gegenstand des Anspruchs 1.
c) Die Unteransprüche 3 und 4 betreffen vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 dieses Antrags und werden von diesem Anspruch 1 getragen.
III.
Die Kostenfrage beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Müllner Klosterhuber LokysSchuster Dr. Strößner 3. Demgegenüber hat Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung Bestand. Er enthält folgende Merkmale:
a) eine Pedikelschraube (1), b) die eine einen Gewindeschaftteil (3) und einen kugelförmigen bzw. kugelsegmentförmigen Kopf (4) besitzende Schraube (2) aufweist.
c) Es ist ein Aufnahmeteil (5) zum gelenkigen Verbinden der Schraube (2) mit einer Stange (16) undd) eine Vorrichtung zur Sicherung der Schraube (2) gegen Verdrehen vorgesehen.
e) Das Aufnahmeteil (5) weist einen Aufnahmeraum (7) auf, der an seinem einen Ende eine Bohrung (8) zum Hindurchführen des Gewindeschaftteiles (3) einer Schraube (2) mit gewünschtem Schaftdurchmesser und gewünschter Schaftlänge besitzt.
f) Angrenzend an den Aufnahmeraum (7) ist ein hohlkugelsegmentförmiger Abschnitt (9) zum Anliegen des Kopfes (4) der aufzunehmenden und in den jeweiligen Wirbelkörper einzuschraubenden Schraube (2) und angrenzend an diesen ein hohlzylindrischen Abschnitt (11) vorgesehen.
g) Das Aufnahmeteil (5) ist einstückig ausgebildet.
h) Auf der der Bohrung (8) gegenüberliegenden Seite ist eine Öffnung (10) zum Einführen der Schraube (2) vorgesehen.
i) Ein Druckelement (18) ist vorgesehen, welches auf seinem dem Kopf (4) zugewandten Ende einen zu dem Kopf (4) hin gerichteten hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (19) aufweist und welches durch die Öffnung (10) einführbar ist und in zusammengesetztem Zustand nach dem Einstellen der Winkelposition zwischen Schraube (2) und Aufnahmeteil (5) eine Kraft so auf den Kopf (4) ausübt, dass dieser gegen den hohlkugelsegmentförmigen Abschnitt (9) gedrückt wird und so eine feste Arretierung der Winkelposition erreicht wird.
BPatG:
Urteil v. 30.04.2002
Az: 4 Ni 17/01
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