Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Oktober 1993
Aktenzeichen: 7 U 47/93

(OLG Köln: Urteil v. 21.10.1993, Az.: 7 U 47/93)

Für eine fehlerhafte Prozeßführung ist der Verkehrsanwalt zwar neben dem Prozeßanwalt grundsätzlich nicht verantwortlich, er haftet aber für Fehler und Versäumnisse, die ihm aus der von ihm vermittelten Korrespondenz erkennbar waren und auf deren Beseitigung er hätte hinwirken können.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.12.1992 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 O 12/92 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:a)Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.b)Der Beklagte wird verurteilt, an den Klägeraa)71.664,43 DM nebst jeweils 4 % Zinsen von 60.346,34 DM seit dem 17.01.1992 und von 11.318,09 DM seit dem 01.07.1992,bb)monatlich 940,98 DM, beginnend mit dem 01.01.1993,zu zahlen.c)Die auf Zahlung gerichtete Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr für die Zeit bis zum 31.12.1992 - Berufungsantrag zu Ziff. I - eine über den Betrag von 85.250,89 DM nebst Zinsen hinausgehende Forderung geltend gemacht wird.d)Die auf Feststellung der Ersatzpflicht gerichtete Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit die Ersatzpflicht mögliche Steigerungen des vom Kläger aufgrund des Unfalls vom 10.03.1986 zu zahlenden Pflegesatzes seit dem 01.01.1993 betrifft.e)Im übrigen wird die Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen.2. Im Umfang der Klageabweisung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 90.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.

Gründe

T a t b e s t n d

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen

schuldhafter Verletzung eines Anwaltvertrags auf Schadensersatz in

Anspruch.

Der Beklagte war als Rechtsanwalt mit

der Regulierung von Schadensersatzansprüchen aus einem

Verkehrsunfall befaßt, der sich am 10.03.1986 im Bezirk des

Landgerichts T. ereignete. Er vertrat die Interessen des

Geschädigten Anton T., der infolge des Unfalls seit August 1986 in

einem Pflegeheim untergebracht ist. Für die Pflegekosten kommt der

Kläger als Sozialhilfeträger auf. Mit Schreiben vom 28.10.1986

ermächtigte er den Beklagten, die nach § 116 SGB X auf ihn

übergegangenen Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger und

dessen Versicherung geltend zu machen. Nach vergeblichen Bemühungen

um eine außergerichtliche Regulierung beauftragte der Beklagte die

in T. als Rechtsanwälte niedergelassenen Streithelfer des Klägers,

vor dem dortigen Landgericht für den Geschädigten T. Klage zu

erheben. Das Landgericht T. gab der Klage mit Urteil vom 31.03.1989

weitgehend statt. Die Geltendmachung der auf den Kläger

übergegangenen Ansprüche durch T. sah es unter dem Gesichtspunkt

der gewillkürten Prozeßstandschaft als zulässig an. Gegen das

Urteil legten die dortigen Beklagten Berufung beim

Oberlandesgericht K. ein, wo T. durch die Rechtsanwälte Prof. Dr.

K. und Dr. K. vertreten wurde. Diese wiesen den Beklagten, der

weiterhin den Schriftverkehr vermittelte, auf Bedenken gegen die

Zulässigkeit der Prozeß-standschaft hin. Der Beklagte forderte den

Kläger daraufhin mit Schreiben vom 02.03.1990 auf, die

übergegangenen Ansprüche an T. zurückabzutreten. Einige Tage

später, am 7. März, wandte sich Rechtsanwalt Prof. Dr. K.

unmittelbar an den Klä-ger und telefonierte mit dem zuständigen

Sachbearbeiter J., der auf seinen Wunsch folgende Erklä-rung

abfaßte:

"Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Prof.

Dr. K.,

wir sind damit einverstanden, daß ...

Herr T. auch die uns zustehenden Ansprü-che in seinem Namen geltend

macht."

Die Erklärung wurde unmittelbar an

Prof. Dr. K. übermittelt. Der Beklagte erhielt eine Druchschrift

zur Kenntnisnahme. Das OLG K. wies mit seiner Ladungsverfügung vom

09.04.1990 auf "Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage" hin,

soweit mit ihr Ansprüche des Sozialhilfeträgers geltend gemacht

würden. Mit Teilurteil vom 17.09.1990 hob es das Urteil des

Landgerichts T. teilweise auf und wies die Klage wegen der auf den

Kläger übergegangenen Ansprüche als unzulässig ab. Im übrigen wies

es die Berufung mit Schlußurteil vom 18.03.1991 zurück.

Der Kläger hat geltend gemacht, der

Beklagte sei in seiner Eigenschaft als Verkehrsanwalt verpflichtet

gewesen, die übergegangenen Ansprüche in der prozessual statthaften

Form durchzusetzen und alles erforderliche zu tun, um das

Prozeßurteil des Oberlandesgerichts K. zu vermeiden. Diese Pflicht

habe er verletzt. Insbesondere sei ihm vorzuwerfen, daß er die von

dem Sachbearbeiter J. verfaßte "Abtretungserklärung" nicht

überprüft und auf eine Korrektur gedrungen habe. Da die Ansprü-che

inzwischen verjährt seien, könnten sie nicht mehr im Wege einer

neuen Klage geltend gemacht werden. Der Schaden, den der Beklagte

zu ersetzen habe, umfasse die gesamten noch nicht von der

Versicherung des Schädigers erstatteten Aufwendungen

einschließlich der laufenden Pflegekosten. Mit seinen Klageanträgen

hat der Kläger Zahlung in Hö-he von 65.957,72 DM sowie monatlich

940,21 DM seit dem 01.10.1991 und Feststellung der Ersatzpflicht

für künftige Schäden begehrt. Der Beklagte hat Klageabweisung

beantragt. Er hat geltend gemacht, mit dem Kläger sei überhaupt

kein Anwaltvertrag abgeschlossen worden. Jedenfalls habe die

Verantwortung für die Prozeßführung allein bei den T.er und K.er

Anwälten gelegen. Er sei auch nicht als Verkehrsanwalt tätig

geworden. Im übrigen hat er die Höhe der vom Kläger behaupteten

Aufwendungen bestritten.

Das Landgericht hat die Klage mit

Urteil vom 18.12.1992 abgewiesen. Es hat gemeint, dem Beklagten

falle eine Pflichtverletzung nicht zur Last, weil er nur als

Verkehrsanwalt tätig gewesen sei. Die Nachteile, die der Kläger

erlitten habe, beruhten aber auf einem Fehler in der

Prozeßführung, die allein in den Verantwortungsbereich der in den

Rechtszügen vor dem Landgericht T. und dem Oberlandesgericht K.

tätigen Prozeßbevollmächtigten falle. Deren Tätigkeit habe der

Beklagte auch nicht zu überwachen gehabt.

Gegen das ihm am 04.01.1993 zugestellte

Urteil hat der Kläger mit einem am 04.02. eingegangenen Schriftsatz

Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 02.04.1993

verlängerten Frist begründet. Er rügt, daß das Landgericht den

Pflichtenkreis des Verkehrsanwalt zu eng gezogen habe, und

wiederholt dazu sein erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus

macht er dem Beklagten zum Vorwurf, ihn nach dem Erlaß des

Teilurteils des Oberlandesgerichts K. nicht auf die Möglichkeit

hingewiesen zu haben, den Eintritt der Verjährung durch erneute

Klageerhebung innerhalb der 6-monatigen Frist des § 212 Abs. 2 BGB

noch zu vermeiden. Im übrigen behauptet er, daß sich die für den

Heimaufenthalt maßgebenden Pflegesetze erhöht hätten, und legt

seinen Zahlungsanträgen eine neue Schadensberechnung zugrunde.

Der Kläger beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn

112.621,71 DM nebst 4 % Zinsen aus 64.957,27 DM seit dem 17.01.1992

und aus dem Restbetrag seit Zustellung zu zahlen, 2.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn

monatlich weitere 1.000,00 DM beginnend mit dem 01.01.1993 zu

zahlen,

3.

festzustellen, daß der Beklagte

verpflichtet ist, ihm den weiteren Schaden im Zusammenhang mit dem

Unfallereignis des Herrn Anton T. vom 10.03.1986 in E. in Höhe von

70 % zu erstatten,

4.

hilfsweise, das angegriffene Urteil

aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht

zurückzuverweisen.

Die Streithelfer unterstützen die

Anträge des Klägers.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, er sei im

Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht K. nicht mehr als

Verkehrsanwalt tätig gewesen. Soweit er noch Schriftsätze

weitergeleitet habe, sei dies ausschließlich aus Gefälligkeit

geschehen. Mit dem Kläger habe ohnehin kein Mandatsverhältnis

bestanden.

Wegen der näheren Einzelheiten des

Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil und die in

der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie auf das

Protokoll der Senatssitzung vom 08.07.1993 und den Inhalt der

beigezogenen Akten 4 O 121/87 LG T. (12 U 744/89 OLG K.) Bezug

genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d

Die Berufung ist zulässig und hat

weitgehend auch in der Sache Erfolg. Dem Grunde nach steht dem

Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu. Die Berufung

führt daher, soweit der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist,

zunächst zum Erlaß eines Grund- und Teilurteils. Im übrigen bedarf

es zur Höhe des Anspruchs noch einer weiteren Sachaufklärung.

I.

Der Beklagte ist dem Kläger zum

Schadensersatz verpflichtet, weil er die ihm obliegenden

anwaltlichen Pflichten verletzt hat.

1)

Zwischen den Parteien ist ein

Anwaltvertrag zustandegekommen. Der Beklagte war, wie er nicht in

Abrede stellt, im Oktober 1986 an den Kläger herangetreten und

hatte dem zuständigen Sachbearbeiter im Sozialamt über seine

Tätigkeit in Bezug auf den Unfall vom 10.03.1986 berichtet. Dabei

hatte er sich bereit erklärt, neben den Ansprüchen des Geschädigten

T. auch die auf den Kläger übergegangenen Ansprüche gegen den

Schädiger und dessen Versicherung geltend zu machen. Die

Richtigkeit des vom Kläger als Anlage zur Klageschrift vorgelegten

Aktenvermerks vom 28.10.1986, aus dem sich dieser Gesprächsinhalt

ergibt, hat der Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Das Gespräch

endete dem Vermerk zufolge mit der Bitte des Beklagten, ihm das

Einverständnis mit der Regulierung der Ansprüche des Klägers noch

kurz in schriftlicher Form mitzuteilen. Das damit erbetene Mandat

erteilte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 28.10.1986

(Anlage 2 zur Klageschrift).

2)

Der Beklagte ist über die

außergerichtlichen Verhandlungen hinaus auch als Verkehrsanwalt

für den Kläger tätig gewesen.

Der Beklagte stellt in der

Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede, daß er jedenfalls während

des Rechtsstreits vor dem Landgericht T. noch als Verkehrsanwalt

für den Geschädigten T. tätig war. Insoweit hat er für seine

Tätigkeit, die unter anderem darin bestand, die für das Gericht

bestimmten Schriftsätze zu entwerfen, unstreitig auch eine Gebühr

nach § 52 Abs. 1 BRAGO berechnet und von den Zahlungen der

Versicherung einbehalten. Dem Beklagten kann aber auch nicht

gefolgt werden, soweit er meint, er sei während des

Berufungsverfahrens nicht mehr Verkehrsanwalt gewesen. Denn er

hat, wie er wiederum nicht in Abrede stellt, weiterhin den

gesamten Schriftverkehr der K. er Prozeßbevollmächtigten mit dem

Geschädigten bzw. dessen Gebrechlichkeitspfleger und dem Kläger

vermittelt. Dabei hat er auch nicht aus bloßer Gefälligkeit

gehandelt. Selbst wenn er einen dahingehenden inneren Willen gehabt

haben sollte, wäre dieser bei der Würdigung der objektiv für ein

Mandatsverhältnis sprechenden Umstände unbeachtlich.

Bedeutungslos ist insoweit auch, daß er für seine Tä-tigkeit

tatsächlich keine Gebühren berechnet hat. Dies kann schon im

Hinblick darauf unterblieben sein, daß der Kläger alsbald nach

Beendigung des Prozesses Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend

machte.

Gegenstand des Rechtsstreits waren in

beiden Rechtszügen Ansprüche des Geschädigten und Ansprü-che des

Klägers. Der Beklagte hatte deshalb als Verkehrsanwalt nicht nur

die Interessen des formell in der Parteirolle auftretenden

Geschädigten, sondern auch die Belange des materiell beteiligten

Klägers zu vertreten. Da der Kläger die Tätigkeit des Beklagten

über das Ende der vorprozessualen Verhandlungen hinaus zumindest

stillschweigend billigte, ist auch von einer entsprechenden

Mandatserteilung auszugehen.

Mit Ansprüchen gegen den Beklagten wäre

der Klä-ger aber selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der

Beklagte die Pflichten eines Verkehrsanwalts unmittelbar nur im

Verhältnis zu dem Geschädigten T. übernommen hätte. Wer als Anwalt

mit der Durchsetzung von Ansprüchen beauftragt ist, die von seinem

Auftraggeber im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten

geltend gemacht werden, hat dessen Belange in gleicher Weise zu

wahren und zu vertreten wie diejenigen seines Auftraggebers.

Verletzt er diese Pflicht, kann seine Inanspruchnahme auf

Schadensersatz nicht daran scheitern, daß zwischen ihm und dem

Geschädigten keine unmittelbare vertragliche Beziehung besteht.

Vielmehr kommt entweder eine Drittschadensliquidation oder ein

unmittelbarer Anspruch des Dritten aus dem Gesichtspunkt des

Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Da dem

Beklagten bekannt war, wessen Interessen er zu vertreten hatte,

wäre unter den hier gegebenen Umständen von einer Einbeziehung des

Klägers in den Schutzbereich des Anwaltvertrags auszugehen (vgl.

BGH NJW 1985, 2411).

3)

Die ihm aus dem Anwaltvertrag mit dem

Kläger obliegenden Pflichten hat der Beklagte schuldhaft

verletzt.

Zwischen den Parteien ist außer Streit,

daß die vor dem Landgericht T. erhobene Klage mangels eines eigenen

schutzwürdigen Interesses des dortigen Klägers an der

Geltendmachung der auf den klagenden Kreis übergegangenen Ansprüche

teilweise unzulässig war und daß sie insoweit in der

Berufungsinstanz mit Recht durch Prozeßurteil abgewiesen worden

ist. Verantwortlich für die fehlerhafte Prozeßführung waren in I.

Instanz die Streithelfer des Klägers und in II. Instanz die

Rechtsanwälte Prof. Dr. K. und Dr. K.. Daneben ist eine

Veranwortlichkeit des Klägers jedenfalls nach der Rechtsprechung

des Bundesgerichtshofs zu verneinen. Insoweit hat das Landgericht

zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bundesgerichtshof zwischen

den Pflichtenkreisen des Prozeßbevollmächtigten und des

Verkehrsanwalts unterscheidet und die richtige Prozeßführung allein

als Aufgabe des Prozeßanwalts ansieht, selbst dann, wenn der

Verkehrsanwalt die für das Gericht bestimmten Schriftsätze entwirft

(BGH NJW 1988, 1079, 1082).

Der Kläger macht dem Beklagten aber mit

Recht zum Vorwurf, daß er die "Abtretungserklärung" vom 07.03.1990

nicht als unzureichend beanstandete. Der Beklagte hätte erkennen

können und müssen, daß diese Urkunde, die statt der erforderlichen

Rückabtretung wiederum nur eine bloße Ermächtigung zur

Prozeßführung enthielt, nicht geeignet war, die Bedenken gegen die

Zulässigkeit der Klage auszuräumen. Insoweit entlastet es ihn

nicht, daß der Wortlaut der Erklärung unmittelbar mit dem für die

Prozeßführung verantwortlichen Rechtsanwalt Prof. Dr. K.

abgesprochen war. Der Verkehrsanwalt ist zwar nach der

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet, den

Prozeßbevollmächtigten bei seiner Tätigkeit zu überwachen (BGH

a.a.O.). Andererseits erschöpft sich sein Pflichtenkreis aber auch

nicht in der bloßen Entgegennahme oder Weiterleitung von

Schriftstücken (BGH NJW 1988, 3013, 3014). Zu einer Prüfung der ihm

übermittelten Urkunde war der Beklagte jedenfalls deshalb

verpflichtet, weil er sich selbst mit Schreiben vom 02.03.1990 an

das Sozialamt gewandt und darin ausdrücklich auf die Notwendigkeit

einer Rückabtretung der Ansprüche hingewiesen hatte (Anlage A 20

b, GA Bl. 47). Der damit übernommenen Vermittlerrolle handelte er

zuwider, als er nichts unternahm, um auf die gebotene Korrektur der

"Abtretungserklärung" hinzuwirken.

Dem Beklagten fällt weiter eine

Verletzung der ihm obliegenden Beratungspflicht im Anschluß an den

Erlaß des Teilurteils des Oberlandesgerichts K. vom 17.09.1990 zur

Last. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß bei richtigem

Vorgehen der Eintritt der Verjährung noch hätte verhindert werden

können. Nach § 212 Abs. 2 BGB hätte die unzulässige Klage noch die

Wirkung einer Unterbrechung der Verjärhung erlangen können, wenn

innerhalb von 6 Monaten erneut Klage erhoben worden wäre. Dieser

Möglichkeit stand der Wortlaut des § 209 Abs. 1 BGB, wonach die

Verjährung nur unterbrochen wird, wenn der "Berechtigte" Klage

erhebt, nicht entgegen. Die Verjährung wird auch dann unterbrochen,

wenn der Anspruch im Wege einer Prozeßstandschaft geltend gemacht

wird, die - wie hier - deshalb unzulässig ist, weil das

erforderliche Interesse an der Erhebung der Klage im eigenen

Namen fehlt. Erforderlich ist nur, daß die Ermächtigung des

Rechtsinhabers vorliegt und daß für alle Beteiligten eindeutig klar

ist, welches Recht geltend gemacht wird und wem dieses Recht

zusteht (BGHZ 78, 1, 6). Das war hier der Fall. Der Beklagte war

daher verpflichtet, den Kläger auf die nach § 212 Abs. 2 BGB

bestehende Möglichkeit einer weiteren die Verjährung

unterbrechenden Klage hinzuweisen. Die allgemein für den

Rechtsanwalt bestehende Pflicht, den Auftraggeber umfassend zu

belehren und seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen, gilt

namentlich auch für den Fall, daß ein Rechtsverlust durch

Verjährung droht (BGH NJW 1993, 1779, 1780).

4)

Durch die Pflichtverletzung des

Beklagten ist dem Kläger ein Schaden entstanden, der darin besteht,

daß die mit der unzulässigen Klage vor dem Landgericht T. geltend

gemachten Ansprüche inzwischen verjährt und infolgedessen nicht

mehr durchsetzbar sind. Hierfür sind die Pflichtverletzungen des

Beklagten kausal geworden. Hätte der Beklagte den Kläger auf die

Unzulänglichkeit der "Abtretungserklärung" vom 07.03.1990

hingewiesen, so wäre eine entsprechend korrigierte Erklärung

vorgelegt und damit die Abweisung der Klage durch Prozeßurteil

vermieden worden. Ebenso hätte der Kläger von der Möglichkeit einer

neuen Klage mit der Wirkung des § 212 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht,

wenn ihn der Beklagte entsprechend belehrt hätte. Dem

dahingehenden Vorbringen des Klägers tritt der Beklagte nicht

entgegen. Im übrigen spricht für den Kausalzusammenhang die

allgemein bei der Verletzung vertraglicher Beratungs- und

Aufklärungspflichten geltende Vermutung, daß der Geschädigte sich

bei pflichtgemäßem Verhalten "aufklärungsrichtig" verhalten hätte

(vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 52. Aufl., § 282 Rn. 15). Diese

Vermutung hat der Beklagte jedenfalls nicht widerlegt.

5)

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden

des Klägers ist nicht feststellbar. Das Fehlverhalten seiner

Streithelfer und der K.er Prozeßbevollmächtigten braucht er sich

nicht nach § 278 BGB zurechnen zu lassen. Vielmehr haften alle für

den Schaden verantwortlichen Anwälte unabhängig davon, ob sie

gleichzeitig oder nacheinander tätig geworden sind, als

Gesamtschuldner (vgl. BGH NJW 1993, 1779, 1781).

II.

Für die Berufungsanträge gilt im

einzelnen folgendes:

1)

Der Berufungsantrag zu 1), mit dem der

Kläger einen bezifferten Anspruch für die Zeit bis zum 31.12.1992

geltend macht, ist bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts

überwiegend begründet.

Der Beklagte bestreitet nicht, daß der

vom Klä-ger für die Heimunterbringung des Geschädigten

aufzubringende tägliche Pflegesatz ursprünglich 98,80 DM betrug.

Streitig ist nur, ob sich der Pflegesatz inzwischen, wie der Kläger

behauptet, mehrfach erhöht hat. Dem Kläger steht deshalb schon

jetzt mindestens ein Anspruch in der Höhe zu, der sich rechnerisch

auf der Grundlage eines Tagessatzes von 98,80 DM ergibt.

Die sonstigen Berechnungsfaktoren sind

außer Streit. Sie ergeben sich aus der Schadensberechnung des

Landgerichts T. (Urteil vom 31.03.1989 Seite 9, Beiakten Bl. 151),

die das Oberlandesgericht K. gebilligt hat (Urteil vom 18.03.1991

Seite 7, Beiaten Bl. 320). Danach hat sich der Kläger auf die

Pflegekosten an ersparten Aufwendungen monatlich 360,00 DM

anrechnen zu lassen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß der

Schädiger und seine Versicherung für die Unfallfolgen nur mit einer

Quote von 70 % haften. Der verbleibende Betrag ist nach Maßgabe des

§ 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X auf den Geschädigten und den Kläger zu

verteilen, wobei auf den Kläger eine Quote von 50,78 %

entfällt.

Die Heimunterbringung begann am 28.

August 1986 und erreichte bis Ende 1992 eine Dauer von insgesamt

2.318 Tagen bzw. 76,133 Monaten. Daraus ergibt sich bei

Zugrundelegung eines täglichen Pflegesatzes von 98,80 DM folgender

Schaden:

2.318 Tage à 98,80 DM 229.018,40 DM

abzüglich 76,133 Monate à 360,00 DM

27.408,00 DM

verbleiben 201.610,40 DM

davon 70 % 141.127,28 DM

davon 50,78 % 71,664,43 DM

Zu verzinsen ist hiervon ab

Klagezustellung (17.01.1992) der bis Ende 1991 aufgelaufene

Teilbetrag, der sich wie folgt errechnet:

1.952 Tage à 98,80 DM 192,857,60 DM

abzüglich 64,133 Monate à 360,00 DM

23.087,88 DM

verbleiben 169,769,72 DM

davon 70 % 118,838,80 DM

davon 50,78 % 60.346,34 DM

Mit der Zahlung des restlichen

Teilbetrags von 11.318,09 DM ist der Beklagte jeweils zum

monatlichen Fälligkeitstermin in Verzug geraten (§ 284 Abs. 2 Satz

1 BGB). Insoweit hat der Senat aus Vereinfachungsgründen (§ 287

ZPO) für die Verzinsung als mittleren Zinstermin den 01.07.1992

festgesetzt.

Der darüberhinaus mit dem

Berufungsantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch ist schon nach dem

eigenen Vorbringen des Klägers teilweise unbegründet.

Der Kläger verkennt, daß ihm der

Beklagte nicht - anteilig - für sämtliche durch die Unterbringung

und Pflege des Geschädigten entstandenen Kosten haftet, sondern nur

in Höhe der Forderungen, die infolge der Pflichtverletzungen des

Beklagten verjährt sind. Das trifft nur auf die Ansprüche zu, mit

deren außergerichtlicher und gerichtlicher Geltendmachung der

Beklagte beauftragt war. Nach dem Inhalt des Auftragsschreibens vom

28.10.1986 war das Mandat des Beklagten ausdrücklich auf den

Schadensersatz "in Form der Heimpflegekosten" beschränkt.

Weitergehende Ansprüche waren auch nicht Gegenstand des

Rechtsstreits vor dem Landgericht T. und dem Oberlandesgericht K..

Den Beklagten trifft deshalb für die mit dem Berufungsantrag zu 1)

geltend gemachten Krankentransportkosten und Versicherungsbeiträge

keine Haftung. Die vom Beklagten zu ersetzenden Heimpflegekosten

können bei Zugrundelegung der vom Kläger selbst vorgetragenen

Pflegesätze maximal folgende Höhe erreichen:

Zeitraum bis 30.04.1989

(Pflegesatz 98,80 DM):

977 Tage à 98,80 DM 96.527,60 DM

Zeitraum bis 30.09.1991

(Pflegesatz 125,80 DM):

883 Tage à 125,80 DM 111.081,40 DM

Zeitraum bis 31.12.1992

(Pflegesatz 130,20 DM):

458 Tage à 130,20 DM 59.631,60 DM

Heimpflegekosten insgesamt 267.240,60

DM

abzüglich 76,133 Monate à 360,00 DM

27.408,00 DM

verbleiben 239.832,60 DM

davon 70 % 167.882,82 DM

davon 50,78 % 85.250,89 DM

Ein weitergehender Anspruch auf Ersatz

von Heimpflegekosten für die Zeit bis zum 31.12.1992 steht dem

Kläger nicht zu.

Unbegründet ist auch der mit den

Berufungsantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung

des Honorars, das der Beklagte für seine Tätigkeit als

Verkehrsanwalt im Verfahren vor dem Landgericht T. berechnet hat.

Da der Beklagte den Geldbetrag von den Zahlungen der Versicherung

an den Geschädigten T. einbehalten hat, ist dem Kläger insoweit

kein Schaden entstanden. Ihm steht der Anspruch aber auch nicht aus

abgetretenem Recht des Geschädigten zu. Hierfür fehlt es an der

erforderlichen Kausalität. Denn der fragliche Schaden wäre auch

dann eingetreten, wenn der Beklagte den Anwaltvertrag ordnungsgemäß

erfüllt hätte. Den Honorarbetrag machte der Beklagte nur deshalb

gegen seinen Auftraggeber geltend, weil das Landgericht T. im

Kostenfestsetzungsverfahren einen Erstattungsanspruch hinsichtlich

der Verkehrsanwaltskosten verneint hatte (Beschluß vom 06.09.1989,

Beiakten Bl. 196). Dabei wäre es auch dann geblieben, wenn das

Oberlandesgericht K. die Berufung der dortigen Beklagten in vollem

Umfang zurückgewiesen hätte.

Im Ergebnis kann der Berufungsantrag zu

1), auch wenn der Kläger den Beweis für die von ihm behaupteten

Pflegesatzerhöhungen erbringt, nur in Höhe von maximal 85.250,89 DM

Erfolg haben. Soweit er darüber hinausgeht, ist er als unbegründet

abzuweisen.

2)

Der mit dem Berufungsantrag zu 2)

geltend gemachte Anspruch ist ebenfalls nur teilweise zur

Entscheidung reif, da die Höhe des derzeit gültigen Pflegesatzes

nicht feststeht. Der Anspruch besteht aber mindestens in dem

Umfang, der sich bei Zugrundelegung des ursprünglichen Pflegesatzes

von 98,80 DM ergibt. Er errechnet sich wie folgt:

jährlich 365,25 Tage à 98,80 DM

36.086,70 DM

davon 1/12 (monatliche Kosten) 3.007,22

DM

abzüglich Ersparnis 360,00 DM

verbleiben 2.667,22 DM

davon 70 % 1.853,06 DM

davon 50,78 % 940,98 DM

In diesem Umfang ist die Klage

begründet.

3)

Der Feststellungsantrag ist teilweise

unzulässig und im übrigen unbegründet.

Der Kläger begehrt die Feststellung,

daß der Beklagte ihm für schlechthin jeden Schaden haftet, der ihm

infolge des Unfalls vom 10.03.1986 entstanden ist. Eine so

weitgehende Schadensersatzpflicht des Beklagten besteht nicht.

Vielmehr hat der Beklagte, wie bereits ausgeführt, nur für die

Ansprüche einzustehen, die infolge der von ihm zu verantwortenden

fehlerhaften Prozeßführung und anwaltlichen Beratung verjährt

sind. Dies trifft, da der Beklagte mit sonstigen Ansprüchen nicht

befaßt war, nur auf die in dem früheren Rechtsstreit geltend

gemachten Heimpflegekosten zu, die bereits Gegenstand der

Berufungsanträge zu 1) und 2) sind. Die Feststellungsklage ist

daher hinsichtlich der Kosten und sonstigen Nachteile, die nicht

Heimpflegekosten sind, unbegründet.

Soweit der Antrag die Mehrkosten

betrifft, die durch künftige Erhöhungen des Pflegesatzes eintreten

können, fehlt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Auf

ein Feststellungsurteil ist der Kläger zur Wahrung seiner Rechte

nicht angewiesen, weil er mit seinem Berufungsantrag zu 2) einen

Titel erlangt, der auf künftig fällig werdende wiederkehrende

Leistungen gerichtet ist und damit künftigen Ànderungen des

Pflegesatzes im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO angepaßt

werden kann. Die Feststellungsklage ist daher insoweit

unzulässig.

Die Entscheidung über die Kosten des

Rechtsstreits muß dem Schlußurteil vorbehalten bleiben.

Die Entscheidung über die vorläufige

Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wert der Beschwer:

a) für den Kläger: 32.380,82 DM;

b) für den Beklagten: 212.811,43

DM.






OLG Köln:
Urteil v. 21.10.1993
Az: 7 U 47/93


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