Verwaltungsgericht Aachen:
Urteil vom 17. Juli 2013
Aktenzeichen: 8 K 532/11
(VG Aachen: Urteil v. 17.07.2013, Az.: 8 K 532/11)
Erfolgreiche Klage eines Rechtsanwalts auf Zugang zu einem gerichtlichen Telefonverzeichnis
Tenor
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des W. -gerichts B. vom 8. März 2011 verpflichtet, dem Kläger ein Telefonverzeichnis des W. -gerichts B. vollständig zur Verfügung zu stellen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Überlassung eines Telefonverzeichnisses des W. B. einschließlich der Durchwahlnummern der Richterinnen und Richter.
Mit Schreiben vom 29. November 2010 teilte der Präsident des W. B. dem Kläger mit, ihm sei berichtet worden, dass er um die Überlassung eines vollständigen Telefonverzeichnisses des W. gebeten habe. Mit den Personalvertretungen habe er sich darauf verständigt, dass über die im Internetauftritt des Gerichts aufgeführten Telefonnummern hinaus keine weiteren Durchwahlnummern herausgegeben werden sollten. Am ehesten seien die Serviceeinheiten der Kammern in der Lage, Auskünfte zu erteilen und die jeweilige Richterin oder den jeweiligen Richter z. B. durch einen Vermerk über einen Anruf (und eine etwaige Rückrufbitte) zu unterrichten. Diese Handhabung habe sich bewährt, zumal es in der Regel sinnvoll sei, dass dem Richter zuvor die Akte zugeleitet werde. Mit Schreiben vom 30. November 2010 hielt der Kläger an seinem Begehren fest und führte aus, dass die Telefonverzeichnisse anderer B. Gerichte über die Homepage des B. Anwaltsvereins (passwortgeschützt) verfügbar seien. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 teilte der Gerichtspräsident dem Kläger mit, dass das Gericht bei der bisherigen Praxis verbleiben wolle. Er habe die Angelegenheit in der jährlichen Richterversammlung zur Sprache gebracht. Nach Erörterung sei der ganz überwiegende Teil der Richterschaft ‑ nach wie vor ‑ der Auffassung, dass die telefonische Kontaktaufnahme der Richterin/dem Richter über die Serviceeinheiten sinnvoll erscheine. Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass der Rückrufbitte eines Anwalts selbstverständlich baldmöglichst Rechnung getragen werden solle. Die Handhabung des W. decke sich mit der des Sozialgerichts und des Arbeitsgerichts B. , während das Landgericht, das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft die vom Kläger beschriebene Handhabung über den B. Anwaltsverein praktizierten.
Unter dem 11. Januar 2011 beantragte der Kläger förmlich unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW), ihm die Telefonliste des W. B. zur Einsichtnahme bzw. im Wege einer Fotokopie zur Verfügung zu stellen. Die nun offensichtlich aufgetretenen Schwierigkeiten könne er nicht nachvollziehen. Er habe seit 1984 anstandslos die Telefonverzeichnisse auch der B. Fachgerichte erhalten. Selbst die Telefonliste des W. B. habe er noch ganz offiziell kurz nach dem Umzug in das Justizzentrum erhalten. Hilfsweise beantragte der Kläger, ihm die Namen der Richterinnen bzw. Richter zu nennen, die sich in der Richterversammlung gegen die Herausgabe des Telefonverzeichnisses ausgesprochen hätten.
Mit Bescheid vom 8. März 2011 lehnte der Präsident des W. den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, eine Anspruchsgrundlage für dieses Begehren könne er dem Gesetz nicht entnehmen. Bei den Telefondurchwahlnummern der Richterinnen und Richter handele es sich um personenbezogene Daten im Sinne des § 9 Abs. 1 IFG NRW, deren Offenbarung ohne Einwilligung der betroffenen Person grundsätzlich abzulehnen sei. Abweichend hiervon solle zwar gemäß § 9 Abs. 3 Buchst. a) IFG NRW einem Antrag in der Regel stattgegeben werden, soweit sich die Angaben u. a. auf Namen und Rufnummer beschränkten und die betroffene Person als Amtsträger an dem jeweiligen Vorgang mitgewirkt habe. Dies gelte allerdings nach der Vorschrift nicht, wenn der Offenbarung schutzwürdige Belange der betroffenen Person entgegenstünden. Dies sei hier der Fall. Zu den schutzwürdigen Belangen zählten Belange der Organisation des persönlichen Arbeitsumfeldes einer Richterin/eines Richters. Abgesehen davon sei die Gestaltung seines organisatorischen Arbeitsumfeldes dem Zugriff des Gerichtspräsidenten entzogen, weil insoweit die richterliche Unabhängigkeit zu beachten sei. Insbesondere sehe er sich unter diesem Aspekt nicht in der Lage, ohne ausdrückliches Einverständnis einer Richterin oder eines Richters durch Herausgabe der Durchwahlnummer die telefonische Erreichbarkeit so zu beeinflussen, dass sie/er bei Anwesenheit am gerichtlichen Arbeitsplatz unerwünschten Störungen ausgesetzt sei. Hinzu komme, dass er für eine solche Freigabe der Durchwahlnummern personalvertretungsrechtlich die Zustimmung des Richterrats benötige, die ihm nicht vorliege. Er sehe keine Veranlassung, den Richterrat oder einzelne Richter/innen um Zustimmung zur Herausgabe von Durchwahlnummern zu bitten, weil die derzeitigen Kommunikationsmöglichkeiten (über die Serviceeinheiten) ausreichend und sachgerecht seien. Dabei lasse er sich von der Überlegung leiten, dass die Abschirmung gegen unerwünschte Anrufe ein durchgehendes Prinzip in der Arbeitswelt jedenfalls an solchen Arbeitsplätzen darstelle, an denen mit hohem Konzentrationsaufwand besonders qualifizierte Arbeit geleistet werden müsse. Daher sei es aus gutem Grund z. B. bei Rechtsanwälten, Ärzten, Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes usw. weitgehend üblich, sich durch Vorschaltung eines Sekretariats gegen Anrufe von außen so abzuschirmen, dass man in der Konzentration nicht gestört werde. Hierin liege eine Organisation des persönlichen Arbeitsumfeldes, die erst eine effiziente Erledigung der Arbeit ermögliche.
Den hilfsweise gestellten Antrag auf Mitteilung der Personen, die sich in der Richterversammlung vom 17. Dezember 2010 gegen die Herausgabe des Telefonverzeichnisses ausgesprochen hätten, lehne er ebenfalls ab. Hierzu sei er schon in tatsächlicher Hinsicht nicht in der Lage. Die Richterversammlung werde vom Richterrat einberufen, ohne dass ‑ soweit er wisse ‑ ein Protokoll geführt werde. Auch habe eine förmliche Abstimmung zu diesem Punkt nicht stattgefunden, sondern es sei lediglich ein Meinungsbild hergestellt worden.
Der Kläger hat gegen den ihm am 10. März 2011 zugestellten Bescheid am 18. März 2011 Klage erhoben.
Er trägt vor, die Rechtsgrundlage seines Anspruchs sei § 4 Abs. 1 IFG NRW. Das beklagte Land könne sich nicht auf einen gesetzlichen Ausschlusstatbestand berufen. Öffentliche Belange im Sinne des § 6 IFG NRW seien nicht berührt. Auch § 9 Abs. 1 IFG NRW finde keine Anwendung. Die Vorschrift ziele auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter ab. Dieser spezifische verfassungsrechtliche Schutz werde Amtsträgern, die lediglich in amtlicher Eigenschaft von einer Informationsweitergabe erfasst würden, nur sehr eingeschränkt zuteil. In der Weitergabe lediglich dienstlicher Kontaktdaten liege noch kein Eingriff in die Privatsphäre und auch kein Eingriff in das persönliche Erscheinungsbild des Betroffenen "im Amt". Wenn sie eine Aufgabe mit Öffentlichkeits- oder Publikumskontakt wahrnähmen, müssten sie die Weitergabe ihrer dienstlichen Kontaktdaten und die damit verbundene Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich dulden. Die betroffenen Daten reflektierten lediglich eine amtliche Eigenschaft der Betroffenen.
Jedenfalls aber sei der Informationszugang nach § 9 Abs. 1 e) Abs. 3 IFG NRW zu gewähren. Der Kläger habe als Organ der Rechtspflege ein rechtliches Interesse an dem Informationszugang. Er sei in seiner Funktion auch auf einen zügigen und effektiven Zugang zu den Entscheidungsträgern angewiesen.
Der Beklagte könne sich im Übrigen nicht auf eine fehlende Einwilligung der betroffenen Richterinnen und Richter berufen. Denn er habe die verfahrensrechtlichen Obliegenheiten nach § 9 Abs. 2 IFG NRW nicht beachtet, da er es unterlassen habe, solche Einwilligungen einzuholen.
Jedenfalls sei das Regelbeispiel des § 9 Abs. 3 a) IFG NRW hier erfüllt. Schutzwürdige Belange der Betroffenen stünden auch hier nicht entgegen.
Das Personalvertretungsrecht setze keine gleichsam neben dem Informationsfreiheitsgesetz stehende Bedingung für eine Informationsfreigabe. Vielmehr finde dort, wo der Beklagte eine gesetzlich gebundene Entscheidung zu treffen habe, keine personalvertretungsrechtliche Mitwirkung statt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8. März 2011 zu verpflichten, dem Kläger ein Telefonverzeichnis des W. B. vollständig zur Verfügung zu stellen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen
und lässt vortragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Information. Seinem Begehren stünde der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 IFG NRW entgegen. Dass es sich bei den dienstlichen Durchwahlnummern um personenbezogene Daten im Sinne des § 9 Abs. 1 IFG NRW handele, ergebe sich schon aus einem systematischen Argument. Denn Absatz 3 dieser Vorschrift enthalte u. a. für Rufnummern eine Spezialregelung und gehe dementsprechend davon aus, dass diese Rufnummern personenbezogene Daten sind. So verhalte es sich auch nach § 5 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG).
Sei mithin gemäß § 9 Abs. 1 IFG NRW der Informationszugang grundsätzlich ausgeschlossen, komme ein solcher hier nur unter den Voraussetzungen der Buchstaben a) und e) in Betracht. Einwilligungen der betroffenen Personen lägen nicht vor. Auf der Richterversammlung vom 7. Dezember 2010 sei hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen, dass zahlreiche Richterinnen und Richter mit der Weitergabe der dienstlichen Durchwahlnummern nicht einverstanden seien. Eine förmliche Befragung der kompletten Richterschaft sei deswegen nicht erforderlich. Auch läge der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 1 e) IFG NRW nicht vor. Das von der Vorschrift verlangte "rechtliche Interesse" an der Kenntnis der begehrten Information liege vor, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit Rechtsverhältnissen des Auskunft Begehrenden besteht und setze voraus, dass die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich seien. Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen rechtlichen Interesses seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Sein als Organ der Rechtspflege vorgetragenes besonderes Interesse auf einen zügigen und effektiven Zugang zu den Entscheidungsträgern sei bereits durch die bestehenden Kommunikationsmöglichkeiten verwirklicht, sodass für eine Erweiterung der entsprechenden Zugangsmöglichkeiten kein Bedürfnis bestehe. Der Zugang zum jeweiligen Richter sei schriftlich, per Fax oder mündlich im Termin gewährleistet. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit des Zugangs per Telefon, wenn auch über die das Gespräch vermittelnde Serviceeinheit. Diese Verfahrensweise sei sogar vorteilhaft. Es entspreche der Regel, dass die Geschäftsstelle unmittelbar nach der Weiterleitung eines Gesprächs die jeweilige Akte heraussuche und dem Richter noch während des Gesprächs vorlege, sofern sie sich nicht ausnahmsweise ohnehin schon in seinem Dienstzimmer befände. Auf diese Weise werde der angerufene Richter ohne jeden Zeitverlust sofort in die Lage versetzt, mit dem Anrufer ein das konkrete Verfahren betreffendes konstruktives Gespräch zu führen, was ohne Einsicht in die Akte häufig nicht möglich sei, sodass es in einem solchen Fall zunächst der Anforderung der Akte und eines Rückrufs bedürfte. Dies wäre auch für den Anrufer mit einem Zeitverlust verbunden. Hinzu komme, dass durch einen Anruf bei der Serviceeinheit Mitteilungen des Anrufers den Richter auch dann erreichten, wenn er nicht selbst im Zimmer sei. Die Serviceeinheiten könnten auch den Anrufern mitteilen, wann der Richter voraussichtlich wieder erreichbar sei. Auch könne die Serviceeinheit eine Bitte um Rückruf weitergeben. Es sei auch sonst kein entscheidender Vorteil einer unmittelbaren Durchwahl gegenüber der Vermittlung durch die Serviceeinheit ersichtlich.
Selbst wenn man nach alledem gleichwohl ein rechtliches Informationsinteresse des Klägers annehmen würde, so seien durchaus überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen gegeben, die einer Offenbarung der Telefondurchwahlnummern entgegenstünden. Die Schutzwürdigkeit ergebe sich aus den Folgen einer Offenbarung der Durchwahlnummern. Der Kläger könne dann jederzeit jeden Richter unmittelbar kontaktieren und auf diese Weise nicht unerheblich in dessen jeweilige Arbeitsprozesse eingreifen. Ein solcher unangekündigter Anruf seit stets mit einer Störung verbunden. Es sei aber den Richtern zu überlassen, unter welchen Bedingungen sie durch Telefonat unmittelbar gestört werden wollten. Auch bestehe die Gefahr, dass Rechtsanwälte Richter mit Fragen angingen, deren Beantwortung allein in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsstelle falle. Für eine effektive richterliche Tätigkeit sei es daher sachgerecht, dass die Serviceeinheit insoweit als eine Art Filter fungiere und den Richter von der Beantwortung der in manchen Verfahren zahlreich eingehenden Telefonate so weit wie möglich entlaste. Dieses anzunehmende schutzwürdige Interesse der Richter würde ein rechtliches Interesse des Klägers, so ein solches denn überhaupt bejaht würde, deutlich überwiegen. Auch Behördenvertreter würden grundsätzlich die Serviceeinheit anrufen und von dieser weiterverbunden werden müssen. Im Übrigen stellten auch Rechtsanwälte in aller Regel selbst keine Durchwahlnummern zur Verfügung, sondern seien nur über ihr Sekretariat zu erreichen. Warum dies nicht umgekehrt auch gelten solle, erschließe sich nicht.
Darüber hinaus sei auf eine weitere Besonderheit hinzuweisen. Richter seien berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, Erörterungen über eine Streitsache außerhalb anberaumter Termine und in Abwesenheit der Gegenseite abzulehnen. Es sei nicht rechtsfehlerhaft, wenn ein Richter die Auffassung vertrete, Telefonate und persönliche Vorsprachen deswegen gänzlich abzulehnen. Würde man seine Durchwahl jedoch zur Verfügung stellen, könne er diese Auffassung nicht mehr verwirklichen. Insofern würde jedenfalls abstrakt ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit drohen. Dies gelte auch mit Blick darauf, dass ein Richter schon nicht verpflichtet sei, außerhalb von ihm selbst anberaumter Termine überhaupt im Gericht anwesend zu sein. Hiervon ausgehend könne auch keine Rechtspflicht bestehen, den fernmündlichen Durchgriff auf seinen Arbeitsplatz zu dulden.
Ein Anspruch auf den begehrten Informationszugang komme auch nicht gemäß § 9 Abs. 3 IFG NRW in Betracht. Wie sich aus Vorstehendem ergebe, stünden der Offenbarung schutzwürdige Belange der betroffenen Personen entgegen. Überdies setze die in Rede stehende Vorschrift voraus, dass die betroffene Person als Amtsträger "an dem jeweiligen Vorgang mitgewirkt hat". Da nicht alle Richter von einem Verfahren betroffen seien, in dem der Kläger als Prozessbevollmächtigter in Erscheinung trete, fehle es somit jedenfalls hinsichtlich einiger Personen an diesem Tatbestandsmerkmal, sodass die Telefonliste im Ganzen auch deshalb nach dieser Ausnahmebestimmung nicht zur Verfügung gestellt werden müsse. Ergänzend werde noch angemerkt, dass keine Veröffentlichungspflicht gemäß § 12 IFG NRW bestehe. Die Durchwahlnummern seien von dieser Vorschrift nicht erfasst.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Ablehnungsbescheid des Präsidenten des W. B. vom 8. März 2011 wird aufgehoben; er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Überlassung des Telefonverzeichnisses des W. B.
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person nach Maßgabe des IFG NRW gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei dieser Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
Die handelnde Behörde, der Präsident des W. B. , ist eine öffentliche Stelle i. S. v. §§ 1, 2 Satz 1 IFG NRW. Für die Gerichte gilt das IFG NRW, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Dies ist hier der Fall; der Präsident des W. hat in Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben gehandelt.
Informationen i. S. d. IFG NRW sind nach § 3 IFG NRW alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden. Die Telefonliste stellt eine bei der öffentlichen Stelle vorhandene amtliche Information im Sinne dieser Begriffsbestimmung dar. Das Telefonverzeichnis des W. ist ‑ dies ist gerichtsbekannt - im Hausintranet in vier verschiedenen Versionen (nach Rufnummern, nach Kammern, nach Alphabet und als Gesamtübersicht) und ebenso in der Telefondatenbank der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vorhanden. Alle diese gespeicherten Telefonlisten können auch ausgedruckt werden. Sie sind in dienstlichem Zusammenhang erstellt worden, dienen der Erreichbarkeit der Bediensteten des Gerichts und sind daher als amtliche Information anzusehen,
vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 5. August 2011 ‑ 2 K 765/11 ‑; zu den dienstlichen Telefonnummern der Mitarbeiter eines Jobcenters VG Leipzig, Urteil vom 10. Januar 2013 ‑ 5 K 981/11 ‑, ZD 2013, 193, K&R 2013, 208, ZFSH/SGB 2013, 168, info also 2013, 124.
Hinsichtlich des Antrages des Klägers bestehen keine spezielleren Anspruchsgrundlagen, die nach der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW dem hier verfolgten Anspruch vorgehen.
Dem Anspruch auf Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW steht nicht die richterliche Unabhängigkeit der im Telefonverzeichnis aufgeführten Richterinnen und Richter entgegen.
Die durch Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte richterliche Unabhängigkeit umfasst die sachliche und die persönliche Unabhängigkeit. Die sachliche Unabhängigkeit verbietet Weisungen an die Richterinnen und Richter bezüglich der rechtsprechenden Tätigkeit und alle Einflussnahmen in einem weiten Sinn, die geeignet sind, die Entscheidung in Unabhängigkeit zu beeinträchtigten. Die persönliche Unabhängigkeit schützt vor Eingriffen in den amtsrechtlichen Status (etwa Entlassung, Versetzung),
Hilsgruber in Maunz-Düring, Kommentar zum Grundgesetz, Stand Nov. 2012, Art. 97, Rdnr. 19, 20, 98; Dienstgericht Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2002 ‑ DG1/02 ‑, DÖD 2003, 88
Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit kann dann vorliegen, wenn eine Tätigkeit oder Untätigkeit der dienstaufsichtsführenden Stelle sich auf die eigentliche Aufgabe des Richters auswirkt, etwa wenn die sachliche oder/und personelle Ausstattung so mangelhaft ist, dass die richterlichen Aufgaben nicht mehr erledigt werden können,
Bundesgerichtshof (BGH), Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 25.9.2002 - RiZ (R) 2/01 -, VG Würzburg, Beschluss vom 10. September 2008 ‑ W 1 E 08.1900 ‑:
Die richterliche Unabhängigkeit ist dagegen nicht tangiert, wenn es um Fragen geht, die dem Kernbereich der Unabhängigkeit so weit entrückt sind, dass für sie die Garantie des Art. 97 Abs. 1 GG nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn es also z. B. um zulässige organisatorische Maßnahmen des Arbeitsablaufs oder der Dienstaufsicht geht wie etwa die Durchführung von Geschäftsprüfungen, die faktische Pflicht zur Benutzung elektronischer Datenverarbeitung, die Erhebung von Erledigungsstatistiken und dergleichen,
vgl. Schmidt-Räntsch, Kommentar zum Deutschen Richtergesetz, § 26, Rdnr. 24.
Auch Fragen der allgemeinen Organisation des Dienstbetriebes fallen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit. Die Organisation obliegt dem Dienstherrn Kraft seiner Organisationsgewalt. Richterinnen und Richter sind aufgrund ihres abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in Betriebsabläufe und Dienstabläufe eingegliedert, für deren Organisation grundsätzlich nicht sie selbst die maßgebliche Verantwortung tragen. Diese liegt vielmehr beim Dienstherrn, der auch die entsprechenden Befugnisse besitzt,
VG Frankfurt a. M. Urteil vom 30. November 1999 ‑ 9 E 1399/99 ‑ NJW 2000, 3730; Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 4. Auflage, § 1, Rdnr. 155.
Die Überlassung einer Telefonliste fällt in diesen Bereich des Justizverwaltungshandelns des Gerichtspräsidenten im Rahmen seiner Organisationsgewalt. Selbst wenn man unterstellt, dass die Überlassung dienstlicher Telefonnummern merkbare Auswirkungen auf den richterlichen Arbeitsalltag hätte, bewegten sich diese innerhalb des Rahmens anderer Verwaltungsentscheidungen wie z. B. der Zuweisung von Dienstzimmern, Art, Umfang und Qualität der sächlichen Ausstattung, der Zuweisung von Unterstützungskräften, der Veröffentlichung von Geschäftsverteilungsplänen. Beeinträchtigungen der sachlichen oder persönlichen richterlichen Unabhängigkeit liegen hierin nicht.
Entgegen der Ansicht des Beklagten steht dem Informationsbegehren auch nicht der gesetzliche Verweigerungsgrund des § 9 Abs. 1 IFG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden.
Nach § 3 Abs. 1 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (betroffene Person). Diese Definition, die wortgleich mit der in § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthaltenen Definition ist, umfasst alle Angaben über den Betroffenen selbst, seine Identifizierung und Charakterisierung oder einen auf ihn beziehbaren Sachverhalt; dazu gehören innerhalb eines sehr weiten Begriffsverständnisses auch die rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen des Betroffenen zur Umwelt,
vgl. Gola/ Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2005, § 3 Rdnr. 4 ff. ; Dammann in: Simitis (Hrsg.), Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. 2003, § 3 Rnrn. 7, 11.
Die in der hier streitgegenständlichen Telefonliste enthaltenen Namen und dienstlichen Telefonnummern stellen personenbezogene Daten in diesem Sinn dar,
so auch Schoch, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz (des Bundes) IFG, § 5, Rdnr. 15, 18.
Allerdings ist nach § 9 Abs. 1 IFG NRW die Offenbarung personenbezogener Daten u. a. zulässig, wenn
die betroffene Person eingewilligt hat ‑ § 9 Abs. 1 a) IFG NRW ‑ oder
die Offenbarung durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlaubt ist ‑ § 9 Abs. 1 b) IFG NRW ‑ oder
der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Information geltend macht und überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Personen der Offenbarung nicht entgegen stehen ‑ § 9 Abs. 1 e) IFG NRW ‑.
Ob die Voraussetzungen der ersten beiden o. g. Regelungen erfüllt sind, kann offen bleiben, weil eine Offenbarung jedenfalls gemäß § 9 Abs. 1 e) IFG NRW zu erfolgen hat.
Im Einzelnen:
Ob die bzw. ggf. welche Richterinnen und Richter des W. B. in die Offenbarung einwilligen und welche sie ggf. ablehnen, ist nicht bekannt. Die Richterschaft ist nicht in der nach §§ 5 Abs. 3, 9 Abs. 1 a), 10 Abs. 1 IFG NRW vorgesehenen Weise nach einer Einwilligung gefragt worden. Die Erstellung eines Meinungsbildes auf einer Richterversammlung genügt nicht. Dieser Frage muss aber im Hinblick darauf, dass jedenfalls § 9 Abs. 1 e) IFG NRW eingreift, nicht weiter nachgegangen werden.
Offen bleiben kann auch, ob hier § 9 Abs. 1 b) IFG NRW einschlägig ist. Danach werden personenbezogene Daten offenbart, wenn dies durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlaubt ist.
Zwar spricht Einiges dafür, dass die Erlaubnis aufgrund eines Gesetzes vorliegen könnte, nämlich in Gestalt allgemeiner Grundsätze, folgend aus der Organisationshoheit des Dienstherrn.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. März 2008,
‑ 2 B 131/07 -, Buchholz 237.8 § 102 RhPLBG Nr 2, DuD 2008, 696, vgl. hierzu Schoch, a. a. O., § 5, Rndr. 67,
ausgeführt:
"Soweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts befugt ist, ihre behördliche und organisatorische Struktur zu regeln, ist sie auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung befugt, dem außenstehenden Benutzer, für dessen Bedürfnisse sie eingerichtet worden ist, einen Hinweis darauf zu geben, welche natürlichen Personen als Amtswalter (Beamte, Angestellte) mit der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe betraut und damit in einer auf Außenkontakt gerichteten Behörde für das Publikum der zuständige Ansprechpartner sind,"
Für das Land Nordrhein-Westfalen folgt die Befugnis im Sinne dieser Entscheidung, die behördliche und organisatorische Struktur zu regeln, aus Art. 30 und 92 GG, §§ 2, 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); sie ist umgesetzt in den Vorschriften von Teil I, 1. Abschnitt (Aufbau der Justizverwaltung) des Gesetzes über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen - JustG NRW), hier insbesondere durch das Justizministerium (§ 1 JustG) und die Gerichte, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, als nachgeordnete Justizbehörden (§§ 2, 3, JustG), wobei gemäß § 4 Abs. 1 JustG die Leitung der Verwaltungsgerichte "durch eine Präsidentin oder einen Präsidenten" erfolgt.
Allerdings spricht auch ein gewichtiger Gesichtspunkt dagegen, dass hier eine Erlaubnis der Offenbarung personenbezogener Daten aufgrund eines Gesetzes i. S. d. § 9 Abs. 1 b) IFG NRW vorliegt.
In der o. g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ging es nämlich um einen Fall, in dem eine Behörde sich dazu entschieden hatte, die Kontaktdaten ihrer Mitarbeiter/innen im behördlichen Internetauftritt bekannt zu machen und sich ein Beamter hiergegen wehrte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Konstellation entschieden, Grundlage der behördlichen Entscheidung sei die aus der Organisationshoheit folgende Befugnis des Dienstherrn zur Offenlegung personenbezogener Daten. Die Befugnis ist nicht mit einer entsprechenden Verpflichtung des Dienstherrn gleichzusetzen. Vielmehr heißt es konkret zur Offenbarung von Kontaktdaten weiter im o. g. Urteil:
"Sie (die Behörde) kann bestimmen, ob und gegebenenfalls auf welche Weise sie die tatsächliche Erreichbarkeit ihrer Bediensteten durch Außenstehende sicherstellen will."
Vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung angesprochene Ansatzpunkte dafür, die Befugnis des Dienstherrn mittels einer "Ermessensreduzierung auf Null" in eine Verpflichtung umzukehren, sieht die Kammer nicht, zumal schon zum Ansatz dieses Gedankens zu bemerken ist, dass es hier nicht um die Nachprüfung einer Ermessensentscheidung i. S. d. § 114 VwGO, sondern um Inhalt und Reichweite der Organisationsgewalt des Dienstherrn geht.
Jedenfalls ist aber die Offenbarung der dienstlichen Telefonnummern der Richterinnen und Richter gemäß § 9 Abs. 1 e) IFG NRW erlaubt.
§ 9 Abs. 1 e) IFG NRW erfordert zunächst das Vorliegen eines rechtlichen Interesses, d. h. ein solches, das dem Antragsteller eine qualifizierte Rechtsposition verschafft. Er muss daher ein gerade ihm zustehendes subjektives Recht geltend machen können, in dessen Zusammenhang er die Informationserteilung begehrt.
Der Gesetzgeber verwendet im Bezug auf personenbezogene Daten den Begriff des rechtlichen Interesses auch in § 16 Abs. 1 Satz 1 c) Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (LDG NRW), der die Datenübermittlung an nicht öffentliche Stellen regelt und sich mit der Konzeption des § 9 Abs. 1 e) IFG NRW deckt. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 c) LDG NRW ist die Übermittlung personenbezogener Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs u. a. zulässig, wenn der Auskunftsbegehrende ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person überwiegt.
Ein rechtliches Interesse in diesem Sinn liegt vor, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit Rechtsverhältnissen des Auskunftsbegehrenden besteht. Die Datenanforderung (d. h. die Kenntnis der Daten) muss im Zusammenhang mit der Verfolgung von Rechten stehen, z. B. um die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs zu ermöglichen. Aus dem Vorbringen des Antragstellers muss sich die Überzeugung gewinnen lassen, dass die Tatsachen für ein rechtliches Interesse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen,
Stähler, LDG NRW, 3. Aufl., Erl. zu, § 16, Rdnr. 3 c).
Nach diesen auch hier heranzuziehenden Maßstäben ist ein rechtliches Interesse des Klägers, eines Rechtsanwalts, i. S. d. § 9 Abs. 1 e) IFG NRW aus seiner Stellung als Organ der Rechtspflege gegeben.
Der Rechtsanwalt ist nach § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Diese einfachgesetzliche Regelung sowie die weiteren Regelungen über das Berufsbild des Anwalts in §§ 2, 3, BRAO verfügen über eine verfassungsrechtliche Grundlegung in Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2, 4 und Art. 103 Abs. 1 GG,
Koch in Henssler/Prütting, Kommentar zur BRAO, Vor § 1, Rdnr. 4.
Der Beruf des Rechtsanwalts ist ein staatlich gebundener Vertrauensberuf, der eine auf Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtete amtsähnliche Stellung beinhaltet,
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 8. Oktober 1974 ‑ 2 BvR 747/73 ‑, BVerfGE 38, 105, NJW 1974, 103.
Der Rechtsanwalt übt seinen Beruf selbstbestimmt, frei und unreglementiert aus, soweit dies nicht durch verfassungskonforme Regelungen im Sinne des Grundrechts der Berufsfreiheit beschränkt wird,
BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 ‑ 1 BvR 589/72 ‑, BVerfGE 50, 16, DVBl 1979, 418; zur (anwaltlichen) Berufsfreiheit vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 1962 ‑ 1 BvR 163/56 ‑, BVerfGE 15, 226, DVBl 1963, 291.
Der Rechtsanwalt hat die Aufgabe, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen und das Gericht vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und diesen vor verfassungswidriger Beeinträchtigung oder staatlicher Machtüberschreitung zu schützen. Er soll insbesondere die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes bewahren,
BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1987, BVerfGE 76, 171, NJW 1979, 1159
In dieser Stellung des Rechtsanwalts spiegeln sich die Verfahrensgrundrechte der von ihm vertretenen Rechtssuchenden. Das Recht des Bürgers, sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen, ist eine wesentliche Folgerung aus dem Rechtsstaatsprinzip und grundsätzlich auch durch Art. 2 Abs. 1 GG bzw. durch in der Sache betroffene speziellere Grundrechte sowie durch Art. 103 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG gewährleistet,
Kopp/Schenke, VwGO, § 67 Rndr. 2 m. w. N.
In welcher Weise ein Rechtsanwalt seine berufliche Aufgabe umsetzt, insbesondere ob und in welchem Umfang er Telefonate mit Richterinnen und Richtern für hilfreich hält und versucht, diese telefonisch zu erreichen, ist im Rahmen des oben beschriebenen Berufsbildes ihm selbst überlassen. Zur Annahme eines rechtlichen Interesses i. S. d. § 9 Abs. 1 e) IFG NRW ist nicht der Nachweis und die gerichtliche Überprüfung erforderlich, dass, wie das beklagte Land annimmt, die Kenntnis der Daten (also hier des Telefonverzeichnisses) zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich sind.
Dem rechtlichen Interesse des Klägers stehen keine überwiegenden schutzwürdigen Belange Dritter, d. h. hier der betroffenen Richterinnen und Richter, entgegen.
Zwar gehören, wie bereits ausgeführt, Namen und dienstliche Telefonnummern zu den aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und gemäß § 3 Abs. 1 DSG NRW grundsätzlich geschützten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person. Bei der zwischen den beteiligten Interessen nach § 9 Abs. 1 e) IFG NRW vorzunehmenden Abwägung ist aber der Grad der Schutzwürdigkeit zu berücksichtigen. Gehen die Daten in Richtung des unantastbaren Persönlichkeitsbereichs, ist das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen tendenziell höher zu bewerten,
vgl. Fetzer in Fluck/Teurer, Informationsfreiheitsrecht, zu dem ähnlich konzipierten § 5 IFG, Rdnr. 35.
Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob es sich um nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (EG-Datenschutzrichtlinie) und daraus folgend nach § 4 Abs. 3 DSG NRW besonders geschützte Daten handelt (personenbezogene Daten über die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit, die Gesundheit oder das Sexualleben) oder ob die Daten nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) besonders geschützt sind,
vgl. Schoch, a. a. O., § 5 IFG, Rdnr. 41.
Um solche sensitiven Daten geht es hier nicht.
Zu betrachten ist weiter zur Ermittlung des Maßes der Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen und zur Interessenabwägung, welche Folgen sich aus der Offenbarung für den Dritten ergeben, also etwa, ob die Gefahr einer Stigmatisierung in der Öffentlichkeit oder sonstiger persönlichkeitsbeeinträchtigender Schäden droht,
vgl. Fetzer in Fluck/Teurer, a. a. O., § 5 IFG, Rdnr. 35.; Schock, a. a. O., § 5 IFG, Rdnr. 35.
Derartige Gefahren sind hier nicht im Ansatz erkennbar.
Es handelt sich bei den Namen der Richterinnen und Richter (die übrigens im Internetauftritt des W. in den Geschäftsverteilungsplänen zu finden sind) und ihren dienstlichen Telefonnummern um personenbezogene Daten, deren Schutzwürdigkeit am unteren Rand der denkbaren Möglichkeiten rangiert. Anders als die privaten Kontaktdaten sind die dienstlichen Telefonnummern den Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte zugeteilt worden; ihre Weitergabe stellt keinen oder keinen wesentlichen Eingriff in ihre private Lebensgestaltung dar.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem o. g. Beschluss vom 12. März 2008 den Grad der Schutzwürdigkeit definiert:
"Kein Bediensteter einer Behörde hat Anspruch darauf, von Publikumsverkehr und von der Möglichkeit, postalisch oder elektronisch von außen mit ihm Kontakt aufzunehmen, abgeschirmt zu werden, es sei denn, legitime Interessen z. B. der Sicherheit gebieten dies. Mit der Nennung des Namens, der Dienstbezeichnung, der dienstlichen Telefonnummer und der dienstlichen E-Mail-Adresse des Beamten werden keine in irgendeiner Hinsicht schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben, so dass sich die Frage einer für Eingriffe in individuelle Rechte erforderlichen Ermächtigungsgrundlage nicht stellt."
Gegen eine Übertragung dieser Einordnung der Schutzwürdigkeit auf die entsprechenden Daten von Richterinnen und Richter sind keine Gründe erkennbar. Soweit das Bundesverwaltungsgericht, wie bereits oben zitiert, zu einer auf Außenkontakt gerichteten Behörde (Landesbibliothek) entschieden hat, ist zwar festzustellen, dass die Häufigkeit von Außenkontakten eines Gerichts und insbesondere von Richterinnen und Richtern gegenüber einer Landesbibliothek oder gar einem Jobcenter,
vgl. hierzu VG Leipzig, Urteil vom 10. Januar 2013 ‑ 5 K 981/11 ‑, a, a. O.,
geringer ausfallen mögen. Ein Verwaltungsgericht ist aber hinsichtlich seiner Kommunikation mit Verfahrensbeteiligten, vor allem Rechtsanwälten und Behördenvertretern durchaus auf Außenkontakte angelegt und sogar angewiesen. Dies bezieht sich auch auf eine schnelle telefonische Erreichbarkeit jedenfalls bei Terminsverlegungen und dergleichen.
Sicherheitsbedenken, die gegen eine Offenbarung des Telefonverzeichnisses sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
Auch die vom Präsidenten des W. geltend gemachten Erwägungen tragen eine überwiegende Schutzwürdigkeit nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass diese im Rahmen des § 9 Abs. 1 e) IFG NRW nur gehört werden können, soweit zu unterstellen ist, dass es sich um Begründungen handelt, die von den betroffenen und einer Offenbarung ablehnend gegenüber stehenden Richterinnen und Richtern geteilt werden. Denn nach § 9 Abs. 1 e) IFG NRW geht es ausschließlich um die Belange der betroffenen Personen, deren personenbezogene Daten in Rede stehen. Belange der Gerichtsleitung als solcher sind von § 9 IFG NRW nicht geschützt.
Inwieweit insoweit gleichgerichtete Auffassungen der Betroffenen und der Gerichtsleitung vorliegen, muss hier nicht geklärt werden. Denn die gegen eine Offenbarung geltend gemachten Gründe tragen die Annahme überwiegender schutzwürdiger Belange i. S. v. § 9 Abs. 1 e) IFG NRW nicht.
Bei den geltend gemachten Einwänden handelt es sich um Praktikablitätserwägungen, zu denen es jeweils Gegenargumente gibt und hinsichtlich derer es vor allem den Richterinnen und Richtern frei steht, sich im Wege verschiedener Möglichkeiten gegen nicht erwünschte Anrufe zu schützen.
Die Angerufenen haben die Möglichkeit, einen Anruf gar nicht anzunehmen, dem Anrufer mitzuteilen, dass er momentan störe und später zurückrufen möge oder zurückgerufen werde, Telefonate auf die Serviceeinheit umzuleiten. Sie können außerdem ohne Weiteres einen Anrufbeantworter einrichten und so eine "Barriere" gegen unerwünschte Störungen aufbauen. Die "Störungsmenge" und die jeweilige Störungsdauer am richterlichen Arbeitsplatz bleibt unter Nutzung der oben genannten Möglichkeiten im Wesentlichen identisch, gleich, ob ein Rechtsanwalt zunächst bei der Serviceeinheit anruft, die das Gespräch dann bei der Richterin/dem Richter anmeldet, oder ob er direkt am Richterarbeitsplatz anruft. Nur ein sehr geringer Teil der ausdrücklich an den Richter /die Richterin gerichteten Anrufbegehren würde von der Serviceeinheit bereits abgefiltert werden.
Seitdem Gerichtsakten auch vom Richterarbeitsplatz aus elektronisch eingesehen werden können, ist es kein entscheidender praktischer Vorteil, dass kurz nach einer Durchleitung eines Anrufs Mitarbeiter/innen der Serviceeinheit mit der Akte das richterliche Dienstzimmer aufsuchen bzw. diese Möglichkeit besteht. Davon abgesehen ist diese Praktikabilitätserwägung wohl kein rechtlich tragfähiger schutzwürdiger Belang i. S. d. § 9 Abs. 1 e) IFG NRW, weil er nicht im Zusammenhang mit dem in der Vorschrift gemeinten Datenschutzinteresse der Betroffenen am Schutz der dienstlichen Rufnummer an sich in Zusammenhang steht.
Dass Richterinnen und Richter mit dem anrufenden Beteiligten keine Erörterungen ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs führen, haben sie kraft ihrer richterlichen Kompetenz selbst im Auge. Dafür bedarf es einer von der Gerichtsleitung durchgeführten Verknappung direkter Gespräche mit Rechtsanwälten durch die diskrete Behandlung einer Telefonliste nicht. Abgesehen davon ist dieses Problem, dem die Richterinnen und Richter - bis hin zur generellen Ablehnung solcher Gespräche ‑ in vielfältiger Weise begegnen können, auch bei durch die Serviceeinheit durchgestellten und angenommenen Anrufen im Raum.
Auch zeigt die offenbar andere Handhabung bei Landgericht, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft in B. jedenfalls, dass die geltend gemachten Bedenken nicht zwingend sind und die Offenlegung der betreffenden Daten auch praktisch keinen Schwierigkeiten begegnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 709, 711 Zivilprozessordnung.
VG Aachen:
Urteil v. 17.07.2013
Az: 8 K 532/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/13c493224bfc/VG-Aachen_Urteil_vom_17-Juli-2013_Az_8-K-532-11