Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 9. Juli 2010
Aktenzeichen: I-2 W 18/10

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 09.07.2010, Az.: I-2 W 18/10)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 08.03.2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 08.02.2010 - Az.: 4b O 90/08 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahingehend teilweise abgeändert, dass die Klägerin der Beklagten aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 09.06.2009 24.234,- € nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2009 zu erstatten hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin zu 6 % und die Beklagte zu 94 % zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 29.348,01 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit der von der Beklagten angemeldeten Kosten der Einbeziehung ihres Lieferanten (S) in das vorliegende Verfahren durch Anfertigung von Übersetzungen, mehrfache Anreise eines dortigen Mitarbeiters (Herr K.) zur Vorbereitung des Verteidigungsvorbringens und der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sowie Wahrnehmung derselben und Patentrecherchekosten, deren Festsetzung das Landgericht im angefochtenen Beschluss abgelehnt hat. Mit der Beschwerde begehrt die Beklagte die Festsetzung weiterer 29.348,01 € (Reisekosten K i.H.v. 5.936,17 €, Übersetzungs- und Dolmetscherkosten i.H.v. 19.226,84 €, Kosten der Recherche durch den Patentanwalt i.H.v. 4.185,- €).

Sie macht geltend, als deutsche Generalvertreterin habe sie zwar eigene Fachkenntnisse in Bezug auf die einzelnen von ihr vertriebenen S-Produkte. Bei technischen Detailfragen seien die Mitarbeiter der Forschungs- und Patentabteilung von S den Mitarbeitern der Beklagten aber weitaus überlegen. Insbesondere würden die Mitarbeiter der Beklagten durch die Schulungen seitens S. nicht über die Feinheiten und Vorteile der Produkte in Bezug auf Patente Dritter informiert. Zudem sei Herr K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht als Vertreter der Beklagten anwesend gewesen. Er sei schon deshalb in der Lage gewesen, im Termin anstelle der Partei die notwendigen Entscheidungen zu treffen, weil S. der Beklagten im Falle des Unterliegens im Innenverhältnis zur Freistellung verpflichtet sei. Da der Streitstoff komplex sei, sei es notwendig gewesen, dass Herr K. zur Vorbereitung mehrfach anreist. Von der Klägerin zu ersetzen seien außerdem jedenfalls die Recherchekosten ihres Patentanwalts i.H.v. umgerechnet 4.185,- €.

Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, Anreise und Übersetzungskosten seien nicht als notwendige Kosten i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO einzuordnen, da die Beklagte als Generalimporteurin und Betreiberin der von ihr beworbenen S. Service Center über eigene Kenntnisse die angegriffene Ausführungsform betreffend verfüge und zudem nicht nur durch einen Rechtsanwalt, sondern auch einen Patentanwalt vertreten gewesen sei. Die Recherchekosten hätten ersichtlich dem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt gedient und seien dort von der Beklagten selbst zu tragen. Die Aufwendung eines Betrages von umgerechnet 4.185,- € sei zudem nicht belegt und in dieser Höhe ohnehin nicht erstattungsfähig.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.

Die Beklagte kann von der Klägerin Patentrecherchekosten i.H.v. 1.753,33 € ersetzt verlangen. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht im Hinblick auf die streitgegenständlichen Positionen nicht.

1.)

Die Einbeziehung der Lieferfirma S. war nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO, so dass alle hiermit in Zusammenhang stehenden Kosten nicht erstattungsfähig sind.

a) Soweit die Beklagte - von der Klägerin bestritten - geltend macht, Herr K. habe als Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, ist dies bereits nicht durch Vorlage einer entsprechenden Vollmacht glaubhaft gemacht (§ 104 Abs.2 S. 1 ZPO). Zudem kann selbst dann, wenn sich die in Deutschland ansässige Beklagte bei der Abgabe der evtl. gebotenen Erklärungen (§ 141 Abs. 3 ZPO) durch einen Dritten vertreten lassen wollte, es nicht als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden, dass dieser Dritte aus dem Ausland anreiste. Denn notwendig sind nur die Kosten, ohne die zweckentsprechende Maßnahmen nicht getroffen werden können. Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rdnr. 12). Die Anwesenheit von Herrn K. war im Hinblick auf das Innenverhältnis der Beklagten zu ihrem Lieferanten von Vorteil, nicht aber zur Führung des Rechtsstreits notwendig. Dass die Beklagte ein Anerkenntnis oder einen Vergleichabschluss intern mit der Firma S. abzustimmen haben wird, weil diese ihr im Falle des Unterliegens zur Freistellung verpflichtet ist, hat mit der Führung des Rechtsstreits durch die als Generalimporteurin verantwortliche Beklagte nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine betriebsinterne Angelegenheit, wie sie auch vorliegt, wenn eine Partei Rechtsstreitigkeiten an verschiedenen Orten durch eine Zentrale führt, anstatt eine Nebenstelle, Filiale, Zweigniederlassung usw. tätig werden zu lassen. Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Maßnahme nicht auf Kosten des Gegners mitfinanziert werden kann (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 91 Rdnr. 13 Stichwort: "Mehrkosten" m.w.N.). Nichts anderes kann in einer Konstellation wie der vorliegenden gelten.

b) Die Beklagte hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Kenntnis ihrer Mitarbeiter nicht ausreichte, ihre Bevollmächtigten im notwendigen Umfang vom tatsächlichen Aufbau der angegriffenen Ausführungsform zu informieren. Ob die angegriffene Ausführungsform aufgrund dieses Aufbaus das Klagepatent verletzt, ist eine Rechtsfrage, zu deren Beantwortung der Beklagten sowohl ein Rechtsanwalt als auch ein Patentanwalt zur Seite stehen. Letzterer bringt die notwendige technische Sachkunde ein. Beider Aufwand zur Einarbeitung ist durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten.

2.)

Patentrecherchekosten sind hingegen im Verletzungsprozess grundsätzlich erstattungsfähig, wenn eine verständige Partei die Recherche zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für notwendig halten durfte (vgl. OLG Frankfurt GRUR 1996, 967 - "Recherche-Kosten"). Da der aus der Recherche gezogene Schluss immer nur in einen Antrag auf Aussetzung des Verletzungsprozesses bis zur anderweitigen Entscheidung über den Bestand des Klagepatents münden kann, ist der diesbezügliche Einwand der Klägerin unbegründet. Ihr kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, eine Geltendmachung der Recherchekosten im Verletzungsprozess sei nur möglich, wenn das Klagepatent gleichzeitig in seinem Bestand mit einem Verfahren angegriffen werde, in dem ebenfalls eine Erstattung der Kosten des Gegners vorgesehen ist. Die Entscheidung, ob eine Recherche zum Rechtsbestand zur Rechtsverteidigung im Verletzungsprozess notwendig war, ist unabhängig davon zu fällen, wie die Kostentragung im Rechtsbestandsverfahren geregelt ist.

Dass die Beklagte bei Einleitung der Recherche diese für notwendig halten durfte, wird von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.

Zu Recht wendet sie sich jedoch gegen die Höhe der angemeldeten Kosten der Recherche durch den Patentanwalt der Beklagten. Auch wenn dieser die Recherche vorliegend vom Ausland aus durchgeführt hat, gilt für die Erstattung seiner Aufwendungen gem. § 143 Abs. 3 PatG das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen entsprechend (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 53 m.w.N.). Es handelt sich nicht um eine Fremdrecherche im Ausland, für die andere Grundsätze (vgl. BPatG GRUR 1980, 986) gelten. Da die Leistungen im Zusammenhang mit einer Patentrecherche aufgrund des grundsätzlich hohen Schwierigkeitsgrades in die Honorargruppe M 3 einzuordnen ist, beträgt das Stundenhonorar gem. § 9 JVEG 85,- €. Ausweislich der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.12.2009 vorgelegten Spezifizierung, sind bei der Patentrecherche durch den Patentanwalt und seine Mitarbeiter insgesamt 20 Stunden aufgewandt worden. Dies ergibt einen - wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten - allein anzusetzenden Nettobetrag von 1.700,- €. Hinzu kommen Kosten der Online-Suche i.H.v. 25 £, umgerechnet 34,- €.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Dr. T. K Dr. B S






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