Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 2 Ni 62/05

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 2 Ni 62/05)

Tenor

1. Auf die Erinnerung der Nichtigkeitsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 13. September 2006 dahin abgeändert, dass die von der Nichtigkeitsklägerin der Nichtigkeitsbeklagten zu erstattenden Kosten auf Euro 2.994,40 festgesetzt werden.

2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Nichtigkeitsbeklagte.

3. Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt Euro 2.994,40.

Gründe

I.

Die Erinnerungsführerin und Nichtigkeitsklägerin hatte gegen das Patent DE 196 33 899 der Erinnerungsgegnerin und Nichtigkeitsbeklagten am 7. November 2005 Nichtigkeitsklage erhoben und diese mit umfangreichen Vorbringen darauf gestützt, der Gegenstand des Patents sei weder neu noch erfinderisch. Mit Klageerwiderung vom 28. November 2005 hatte die Beklagte auf sämtliche Ansprüche aus dem Patent DE 196 33 899 für die Vergangenheit und für die Zukunft verzichtet und zugleich darauf hingewiesen, sie habe der Klägerin keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Vor Erhebung einer Nichtigkeitsklage hätte die Klägerin sie abmahnen müssen, dies sei jedoch unterblieben.

Mit Beschluss vom 9. März 2006 hat der Senat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert mit Beschluss vom 18. Mai 2006 auf 300.000 Euro festgesetzt.

Nachdem die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 13. September 2006 die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten des Nichtigkeitsverfahrens auf 5.988,80 Euro festgesetzt hatte (2.994,40 Euro Kosten des Patentanwalts und 2.994,40 Euro Kosten des Rechtsanwalts), hat die Klägerin am 11. Oktober 2006 hiergegen Erinnerung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, die Kosten einer Doppelvertretung durch Rechtsanwalt und Patentanwalt in voller Höhe seien vorliegend nicht erstattungsfähig, denn bei sofortigem Anerkenntnis sei die Notwendigkeit einer Mitwirkung je eines Vertreters beider Fakultäten nicht erforderlich. Eine gesetzliche Grundlage für die Erstattung der Kosten einer Doppelvertretung liege zudem nicht vor. Ein pauschaler Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundespatentgerichts berücksichtige die Gesetzesänderung nach § 143 Abs. 3 PatG nicht, der lediglich für Patentstreitsachen gelte und wonach nunmehr für Patentstreitsachen die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts entstehenden Gebühren nun ebenfalls in voller Höhe zu erstatten seien. Eine solche Regelung sei für das Nichtigkeitsverfahren gerade nicht getroffen worden. § 143 Abs. 3 PatG finde mithin auf Nichtigkeitsverfahren keine Anwendung. Zur Begründung verweist die Klägerin auf die Entscheidung des 4. Nichtigkeitssenats (4 ZA (pat) 36/06 zu 4 Ni 47/04 (EU) vom 24. Oktober 2006, veröffentlicht in www.bpatg.de: unter dem Stichwort "Entscheidung").

Die Nichtigkeitsklägerin beantragt sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. März 2006 dahingehend abzuändern, dass die erstattungsfähigen Kosten auf 2.994,40 Euro festgesetzt werden.

Die Nichtigkeitsbeklagte beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die bisher ständige Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, wonach gemäß § 143 Abs. 5 PatG a. F. gerade im Nichtigkeitsverfahren im Falle einer Doppelvertretung die Kosten von Rechtsanwalt und Patentanwalt erstattet worden seien.

Die Rechtspflegerin hat die Erinnerung mit Verfügung vom 19. Oktober 2006 nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet (§§ 84 Abs. 2 PatG, 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 RpflG).

1) Die erstattungsfähigen Kosten werden auf insgesamt 2.994,40 Euro festgesetzt. Die weiter geltend gemachten Kosten für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in Höhe von 2.994,40 Euro (1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, §§ 2 Abs. 2, 13 RVG) sind im vorliegenden Verfahren nicht erstattungsfähig.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens ist § 84 Abs. 2 PatG, wonach die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kosten entsprechend anzuwenden sind. Hinsichtlich Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht verweist § 84 Abs. 2 PatG auf §§ 91 ff. ZPO.

Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste (Herget in: Zöllner, ZPO § 91 Rdnr. 12, 25. Auflage 2005). Notwendig sind danach alle Kosten ohne die die zweckentsprechenden Maßnahmen nicht getroffen werden könnten (Herget, a. a. O.). Darauf folgt, dass die Kosten, die durch die Vertretung durch einen Rechtsanwalt neben der Hinzuziehung eines Patentanwalts entstanden sind, nur erstattungsfähig sind, soweit diese Doppelvertretung auch tatsächlich notwendig war.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Nichtigkeitsbeklagte hat unmittelbar nach Zustellung der Klageschrift auf das angegriffene Patent DE 196 33 899 mit Wirkung für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet und das Klagebegehren analog § 93 ZPO (vgl. BGH GRUR 2004, 138, 141 - Dynamisches Mikrophon) sofort anerkannt. Diesen Verzicht auf das Patent konnte sie ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts aussprechen.

Die überwiegende Rechtsprechung des Bundespatentgerichts hat die anwaltliche Doppelvertretung in Nichtigkeitsverfahren bislang als "grundsätzlich" notwendig angesehen in Abgrenzung zu Gebrauchsmuster - Löschungsverfahren, bei denen die Vertretung durch einen die patentrechtlichen Fragen hinreichend beherrschenden Patentanwalt hingegen in der Regel für ausreichend gehalten wird (vgl. BGH GRUR 1965, 621, 626; BPatG, Beschluss vom 18. September 2006, 5 W (pat) 422/05, s. www.batg.de unter dem Stichwort "Entscheidungen"). Als Begründung wurde angeführt, dass die juristische Anforderungen bei der Ausarbeitung einer Nichtigkeitsklage "regelmäßig ungleich höher" (BPatG a. a. O., 5. Senat, a. a. O.) seien. Dem folgt der Senat insoweit, als die durch Doppelvertretung in Nichtigkeitsverfahren entstandenen Kosten "in der Regel" (in Gebrauchsmuster - Löschungsverfahren "in der Regel nicht") zu erstatten sind, jedoch dann nicht, wenn die vorangegangene patentrechtliche Prüfung durch den Patentanwalt etwa ergibt, dass - wie vorliegend - ein Verteidigungsbegehren ohne Aussicht auf Erfolg und mithin das klägerische Begehren sofort anzuerkennen ist oder aber die Nichtigkeitsklage ersichtlich oder absehbar keine über die patentrechtliche Problematik hinausgehenden besonderen rechtlichen Fragen aufwirft.

In solchen Fällen ist der Patentanwalt als hinreichend vorgebildet anzusehen, das Verfahren allein durchzuführen und ggf. ein prozessuales Anerkenntnis als verfahrensrechtliche Folge seiner patentrechtlichen Prüfung abzugeben. Dies entspricht seiner in § 3 Abs. 2 PatAnwO normierten beruflichen Aufgabe, in Angelegenheiten der Erlangung, Aufrechterhaltung, Verteidigung und Anfechtung eines Patents zu beraten und z. B. in Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder Zurücknahme des Patents vor dem Bundespatentgericht oder dem Bundesgerichtshof zu vertreten.

Kosten der Doppelvertretung in Nichtigkeitsverfahren sind nach Ansicht des Senats nicht in jedem Fall als notwendig anzusehen. Die Feststellung der Erforderlichkeit verlangt eine Prüfung im Einzelfall, wie sie auch durch § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG bereits vorgegeben ist, denn danach sind die Vorschriften der ZPO über die Prozesskosten entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert. Diese Prüfung führt dazu, dass bei deutlichem Abweichen vom Regelfall auch Ausnahmen zulassen sind, d. h. Kosten der Doppelvertretung im Einzelfall nicht als erforderlich angesehen werden können.

Aus den dem Senatsbeschluss vom 9. März 2006 zugrunde liegenden Unterlagen ergibt sich für den Senat nicht, dass die Entscheidung der Nichtigkeitsbeklagten, auf Rechte aus dem Streitpatent DE 196 33 899 zu verzichten und die Nichtigkeitsklägerin auch aus der Vergangenheit hieraus nicht in Anspruch zu nehmen, durch besondere rechtliche Schwierigkeiten beeinflusst gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass der Senat wegen der von beiden Parteien übereinstimmend abgegebenen Erledigungserklärung seine Kostenentscheidung auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 a ZPO gestützt und in diesem Zusammenhang ständiger Rechtsprechung entsprechend (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Auflage, § 84 Rdnrn. 25-27) den Rechtsgedanken des § 93 ZPO angewendet hat, ist für den Senat auch nicht erkennbar, welche besonderen rechtlichen Schwierigkeiten sich für die Nichtigkeitsbeklagte aus der von Amts wegen zu entscheidenden Frage der Kostentragungspflicht ergeben haben könnten.

Die analoge Anwendung von § 143 Abs. 3 PatG kommt nicht länger in Betracht. Insofern folgt der erkennende Senat der Entscheidung des 4. Nichtigkeitssenats in Sachen - 4 ZA (pat) 36/06 zu 4 Ni 47/04 (EU) vom 24. Oktober 2006. § 143 Abs. 3 PatG ist gegenüber §§ 84 PatG, 91 ff. ZPO eine Ausnahmevorschrift und regelt die Kosten in Patentstreitsachen. Dies sind nach der Legaldefinition des § 143 Abs. 1 PatG alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im PatG geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird und für die die Zivilkammern der Landgerichte zuständig sind. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (vgl. dazu BGHZ 149, 165, 174] = GRUR 2002, 238 = LM H. 9/2002 SortenschutzG Nr. 4; Larenz/Canaris, Methodenlehre d. Rechtswissenschaft, 3. Aufl. [1995], S. 194 ff.; Canaris, Festschr. f. Bydlinski, 2002, S. 47 [82 ff.] und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, NJW 2003, 1932 unter II 2b bb; vgl. auch BGHZ 105, 140 [143] = NJW 1988, 2734; BGHZ 110, 183 [193] = NJW 1990, 2546; BGHZ 120, 239 [252] = NJW 1993, 925; BGHZ 135, 298 [300] = NJW 1997, 2683). Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zu Grunde liegenden - Regelungsplan ergeben.

Wäre möglicherweise eine derartige Regelungslücke aus den von der bisherigen Rechtsprechung des BPatG angenommen Gründen für die frühere Gesetzeslage (§ 143 Abs. 5 PatG a. F.) zu bejahen gewesen, so ist sie jedoch bei der jetzigen, durch § 143 Abs. 3 PatG in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung geschaffenen Rechtslage nicht mehr vorhanden. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 143 Abs. 3 (Bundestagsdrucksache 342/01 zu Nr. 37) wird ausdrücklich die Rolle des im Verletzungsverfahren mitwirkenden Patentanwalts gestärkt und die bisher bestehende Einschränkung der Erstattungsfähigkeit auf eine Gebühr nicht mehr für vertretbar erachtet, da sie die tatsächliche Arbeitsleistung in den jeweiligen Verfahren und die Rolle des Patentanwalts (§§ 3, 4 Patentanwaltsordnung) nicht berücksichtigt.

Da dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen ist, er habe die von der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts hierzu entwickelten Grundsätze nicht erwogen oder nicht gekannt, sich aber dennoch bewusst gegen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dergestalt, in Nichtigkeitsverfahren immer eine Doppelvertretung zuzulassen, entschieden, bleibt für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke und die dadurch eröffnete Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG kein Raum (vgl. erg. Benkard/Rogge, PatG 10. Aufl., § 84, Rdnr. 31).

Die von der Nichtigkeitsbeklagten herangezogene Entscheidung des BGH vom 3. April 2003 - I ZB 37/02 - kann zu keiner abweichenden Beurteilung durch den Senat führen. Dort war die Frage zu klären, ob in einem im Markenrecht angesiedelten Verletzungsverfahren dem beauftragten Rechtsanwalt, der zugleich Patentanwalt ist, nach § 140 Abs. 5 MarkenG a. F. zwei Gebühren zustehen. Der Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt liegt darin, dass es sich hier gerade nicht um einen Verletzungsstreit i. S. d. mit § 140 MarkenG (§ 150 MarkenG n. F.) vergleichbaren § 143 PatG handelt, auf den die genannte Vorschrift direkt und ohne weitere Prüfung der - insoweit unterstellten - Notwendigkeit der Mitwirkung anwendbar ist.

Zugunsten der Nichtigkeitsbeklagten kann schließlich auch nicht angenommen werden, dass es sich bei der bislang praktizierten Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG (bzw. § 143 Abs. 5 PatG a. F.) um Gewohnheitsrecht handelte, das einen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der Kosten auch des mitwirkenden Rechtsanwalts zur Folge hätte. Wie das Bundespatentgericht bereits in seiner Entscheidung vom 14. September1992 - 2 ZA (pat) 7/92; BPatGE 33, 160, 162 - dargelegt hat, liegen die Voraussetzungen hierfür weder für den dort behandelten Sachverhalt noch für den hier zu entscheidenden Fall vor. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das BPatG in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 1989 - 3 ZA (pat) 4/89; BPatGE 31, 75 - darauf abgestellt hatte, dass es zwar die Notwendigkeit einer Doppelvertretung jeweils im Einzelfall zu prüfen nicht für sinnvoll halte, demgegenüber die Begrenzung der Erstattungsfähigkeit im Nichtigkeitsverfahren auf eine Gebühr aber als angemessen ansehe, da die Erstattung der gesamten, durch eine Doppelvertretung entstandenen Kosten beider Instanzen den jeweils Unterliegenden unvertretbar belaste.

2) Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren der Erinnerungsgegnerin und Nichtigkeitsbeklagten aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war, § 84 Abs. 2, § 99 Abs. 1 PatG, §§ 104 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO.

3) Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus den von der Nichtigkeitsbeklagten beanspruchten Kosten.

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BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 2 Ni 62/05


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