Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 246/03
(BPatG: Beschluss v. 15.11.2005, Az.: 33 W (pat) 246/03)
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Widersprechende trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I Gegen die am 30. Dezember 1999 veröffentlichte Eintragung der (farbigen) Wort-/Bildmarke 399 39 240 für Klasse 35: Werbungist mit Schriftsatz vom 30. März 2000 Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 396 18 990 WWS für Klasse 8: Werkzeuge und Einsätze mit Bestückung oder Beschichtung aus monokristallinem Diamant (MKD), aus polykristallinem Diamant (PKD), aus polykristallinem Kubischen Bornitrid (PKB) und aus Hartmetall für die spanende Bearbeitung, deren Verschleißschutz sowie deren Spann- und Befestigungsmittel, inklusive Teile der genannten Waren.
Der Widerspruchsschriftsatz ist im Original am 31. März 2000 eingegangen. Das auf Seite 1 unten des Schriftsatzes angekündigte Vorab-Telefax befindet sich nicht in den Akten. Entsprechend dem og Tag des Eingangs des Original-Widerspruchsschriftsatzes, der auch einen Abbuchungsauftrag enthält, weist die Zahlungsanzeige der Zahlstelle ebenfalls den 31. März 2000 als Tag der Zahlung der Widerspruchsgebühr aus.
Mit Beschluss vom 14. Mai 2003 hat die Markenstelle für Klasse 35 den Widerspruch zurückgewiesen und der Widersprechenden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt. Nach Auffassung der Markenstelle kommt eine Verwechslungsgefahr nicht in Betracht, da die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen völlig unähnlich seien. Die Kostenauferlegung zulasten der Widersprechenden sei nach § 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG gerechtfertigt, da die Widersprechende angesichts der eindeutigen und ständigen Rechtsprechung zur Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sowie der fehlenden Möglichkeit, die Vorschrift des § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG im Verfahren vor dem Patentamt geltend zu machen, ihre prozessualen Sorgfaltspflichten verletzt habe. Der Beschluss ist den Vertretern der Widersprechenden am 2. Juni 2003 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2003, beim Patentamt per Fax am selben Tag eingegangen, hat die Widersprechende sinngemäß beantragt, festzustellen, dass der Beschluss vom 14. Mai 2003 nichtig ist. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie die Widerspruchserklärung am 30. März 2000, gegen 15:55 Uhr, per Telefax eingereicht und noch am gleichen Tag, um 19:00 Uhr, mit einem weiteren Telefax den Widerspruch zurückgenommen habe. Dazu hat sie in Kopie einen Schriftsatz vom 30. März 2000 nebst einer Vorrechtsvereinbarung vom 29. März 2000 vorgelegt, in dem gebeten wird, den um 15:55 Uhr eingereichten Widerspruch im Hinblick auf eine außeramtliche Einigung der Beteiligten als gegenstandslos zu betrachten und den Abbuchungsauftrag nicht auszuführen. Zum Beleg dafür, dass dieser Schriftsatz gegen 19:00 Uhr beim Patentamt eingegangen ist, hat die Widersprechende eine Kopie hiervon vorgelegt. Darin sind folgende (mit kopierte) Einzelheiten zu erkennen: ein Perforationsstempel vom 30. März 2000, der handschriftliche Vermerk "zurück an" nebst einem auf die Sozietätsbezeichnung der Widersprechendenvertreter weisenden Pfeil sowie maschinelle Faxabsendungs- und -empfangsvermerke vom 30. März 2000, 19:00 Uhr und 19:01 Uhr.
Mit einem weiteren Beschluss vom 20. August 2003 hat die Markenstelle durch ein anderes Mitglied des Patentamts festgestellt, dass ihr Beschluss vom 14. Mai 2003 hinsichtlich seiner Ziffer 1. (Zurückweisung des Widerspruchs) wirkungslos ist, hingegen hinsichtlich seiner Ziffer 2. (Kostenentscheidung) "Rechtskraft erlangt". In der Entscheidungsbegründung führt die Markenstelle zur teilweisen Feststellung der Wirkungslosigkeit des ersten Beschlusses aus, dass die Widerspruchsfrist am Donnerstag, den 30. März 2003 abgelaufen sei, der Widerspruchsschriftsatz und die -gebühr jedoch erst am 31. März 2003 eingegangen seien. Die von der Widersprechenden genannten beiden Telefaxe vom 30. März 2000 seien nicht zur Akte gelangt. Dennoch sei der Beschluss der Markenstelle vom 14. Mai 2003 erlassen worden. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde hiergegen sei am Mittwoch, den 2. Juli 2003 abgelaufen und am 3. Juli 2003 sei der Feststellungsantrag der Widersprechenden eingegangen. Die vormals zuständige Prüferin habe damit nicht entscheiden dürfen, da der Widerspruch - jedenfalls nach Aktenlage - zu spät eingelegt worden und zudem am Tag seiner Erhebung zurückgenommen worden sei. Da die Rücknahme des Widerspruchs bis zur Unanfechtbarkeit einer Widerspruchsentscheidung möglich sei und dabei - ohne dass es der Aufhebung der Entscheidung bedürfe - nur die Wirkungslosigkeit der Entscheidung auszusprechen sei, könne im vorliegenden Fall festgestellt werden, dass der erste Beschluss vom 14. Mai 2003 hinsichtlich seiner Ziffer 1. wirkungslos sei. Entsprechend der insoweit auf § 268 Abs 3 Satz 1 ZPO verweisenden Kommentarliteratur bedürfe es hierfür nicht der Einlegung eines Rechtsmittels.
Hingegen sei die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 14. Mai 2003 nicht gegenstandslos. Zwar hätte der Beschluss im Falle der Einlegung einer Beschwerde förmlich aufgehoben werden müssen, da vorliegend jedoch schon wegen Versäumnis der Beschwerdefrist mangels Zahlung einer Beschwerdegebühr keine Beschwerde eingelegt worden sei, erlange der Beschluss in diesem Punkt Rechtskraft.
Gegen diesen (zweiten) Beschluss der Markenstelle vom 20. August 2003 richtet sich im Umfang der Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung des (ersten) Beschlusses vom 14. Mai 2003 die Beschwerde der Widersprechenden. Nach ihrer Auffassung hat die Markenstelle die Kostenentscheidung ihres ersten Beschlusses zu Unrecht aufrecht erhalten. Die von ihr dazu im angefochtenen Beschluss angeführte Kommentarstelle in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 42, Rdnr 70, beziehe sich auf Fälle, in denen der Widerspruch nach Erlass einer Entscheidung zurückgenommen werde, nicht jedoch auf Fälle, in denen die Rücknahme vor einer Entscheidung erfolge. In einem solchen Fall, wie er auch hier vorliege, werde nach Ströbele/Hacker, aaO, Rdnr 71 f, generell die Wirkungslosigkeit der erlassenen Entscheidung ausgesprochen, ohne dass die Kostenentscheidung hiervon ausgenommen sei. Im übrigen seien dem Markeninhaber offensichtlich keine zu erstattenden Verfahrenskosten erwachsen. Es sei davon auszugehen, dass ihm der Widerspruch und die am selben Tag eingegangene Rücknahme gleichzeitig zugestellt worden seien, so dass sich für ihn - was auch aus der außeramtlichen Einigung der Beteiligten folge - keine Notwendigkeit ergeben habe, eine Verfahrenshandlung vorzunehmen und einen Vertreter zu bestellen. Dies sei auch nicht geschehen. Vielmehr habe er keinerlei Aktivitäten entfaltet. Unter diesen Umständen müsse eine Kostenentscheidung unterbleiben, wie sich aus verschiedenen Entscheidungen ordentlicher Gerichte ergebe. Auch wenn der Widerspruch sachlich voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte, so habe die Widersprechende mit dem Hinweis auf eine außeramtliche Einigung der Beteiligten dennoch Umstände vorgetragen, die es billig erscheinen ließen, von einer Kostenauferlegung abzusehen. Die Widersprechende beantragt wörtlich,
"den Beschluss vom 20. August 2003 bezüglich der Kostenentscheidung aufzuheben und die Wirkungslosigkeit des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 35 vom 14. Mai 2003 bezüglich der Kostenentscheidung (Punkt 2) auszusprechen".
Außerdem beantragt sie, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Widerspruchsverfahren, einschließlich dem Beschwerdeverfahren, nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet.
Dabei kann es dahinstehen, ob entsprechend der Aktenlage erst am 31. März 2000 erstmalig ein Widerspruchsschriftsatz eingegangen ist oder entsprechend dem Vortrag der Widersprechenden bereits am 30. März 2000 ein Vorab-Telefax der Widerspruchserklärung samt einem Abbuchungsauftrag beim Patentamt eingegangen und wenige Stunden später mit einem weiteren Telefax die Bitte geäußert worden ist, den Widerspruch als gegenstandslos zu betrachten. Die Beschwerde ist in beiden Fällen unbegründet, so dass dem genauen Geschehensablauf nicht weiter nachgegangen zu werden braucht.
1. Geht man zunächst von der Aktenlage aus und berücksichtigt nur die in der patentamtlichen Akte befindlichen Urkunden, so wären der Widerspruch und der Abbuchungsauftrag erst (durch Originalschriftsatz) am 31. März 2000 und somit außerhalb der Fristen für die Erhebung des Widerspruchs und Zahlung der Widerspruchsgebühr eingegangen. Denn die dreimonatige Frist zur Erhebung des Widerspruchs begann mit der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke am 30. Dezember 1999 und endete damit analog § 188 Abs 2, 1. Altern BGB am Donnerstag, 30. März 2000. Der Widerspruch wäre damit nicht nur wegen Verfristung unzulässig (§ 42 Abs 1 MarkenG) sondern mangels Gebührenzahlung gar nicht erst erhoben worden (§ 42 Abs 3 Satz 2 MarkenG a F).
In diesem Fall hätte der (erste) Beschluss der Markenstelle vom 14. Mai 2003 nicht ergehen dürfen. Denn sowohl die Zurückweisung des Widerspruchs als auch die Kostenauferlegung nach § 63 Abs 1 MarkenG setzen einen Widerspruch bzw ein "Verfahren" (§ 63 MarkenG) voraus. Die Durchführung eines Scheinwiderspruchsverfahrens durch das Patentamt hätte daran nichts geändert. Entsprechend den zivilprozessualen Grundsätzen wäre damit von der Nichtigkeit des ersten Beschlusses auszugehen, wobei ein solcher Beschluss jedoch formelle Rechtskraft entfalten kann und nur nach Einlegung eines Rechtsmittels von der dafür zuständigen Instanz aufgehoben werden kann (vgl Senatsbeschluss vom 20. November 1998, 33 W (pat) 232/98 - "S+B Technologie", zustimmend zitiert in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 42, Rdnr 72).
Soweit die Markenstelle mit dem (zweiten) Beschluss vom 20. August 2003 den formalen Bestand des ersten hinsichtlich dessen Ziffer 1. beseitigen wollte, kann dahingestellt bleiben, ob diese Verfahrensweise zulässig ist, denn dieser Teil des zweiten Beschlusses ist nicht mit der Beschwerde angefochten worden. Jedenfalls kann nicht beanstandet werden, dass die Markenstelle im zweiten Beschluss die Kostenentscheidung des ersten Beschlusses aufrechterhalten hat. Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat die Markenstelle wörtlich tenoriert:
"Es wird festgestellt:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 14. Mai 2003 ... erlangt bezüglich Punkt 2, die Kostenauferlegung auf die Widersprechende betreffend, Rechtskraft".
Dieser Entscheidungsausspruch ist - auch unter ergänzender Heranziehung der Entscheidungsgründe, Seite 3 unten - dahin auszulegen, dass die Markenstelle nur auf die inzwischen eingetretene Rechtskraft der in Ziffer 2. des (ersten) Beschlusses vom 14. Mai 2003 enthaltenen Kostenentscheidung hinweisen wollte. Sie wollte also letztlich überhaupt keine Entscheidung hierüber mehr treffen, sondern es beim von Gesetzes wegen eingetretenen Ablauf der Rechtsmittelfrist und Eintritt der Bestandskraft belassen. Darin liegt allerdings zugleich die Ablehnung des Gesuchs der Widersprechenden vom 3. Juli 2003 auf Feststellung der Nichtigkeit, zumal der erste Beschluss, wie oben unter Zugrundelegung der Aktenlage festgestellt, auch hinsichtlich seiner Kostenentscheidung nichtig wäre (vgl Senatsbeschluss, aaO). Allein dies ist der im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu entscheidende Streitgegenstand.
Die Markenstelle hat dieses Gesuch zu Recht abgelehnt. Auch wenn die Kostenentscheidung des ersten Beschlusses vom 14. Mai 2003 nichtig ist, so vermag sie - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - doch in formelle Rechtskraft zu erwachsen (s o). Sie hätte daher von der Widersprechenden mit der Beschwerde angefochten werden müssen, was diese aber unterlassen hat. Nur ausnahmsweise kommt im Zivilprozess eine Selbstkorrektur zur Beseitigung des Anscheins der formalen Wirksamkeit nichtiger Entscheidungen in Betracht, nämlich wenn keine Möglichkeit der Anfechtung durch Rechtsmittel besteht (vgl Senatsbeschluss aaO, mwN). Da hier aber für die Widersprechende einen Monat lang die Möglichkeit zur Beschwerdeeinlegung bestanden hatte, konnte eine Korrektur durch die Markenstelle nicht mehr in Betracht kommen.
Alles andere wäre eine Umgehung der Vorschriften über die Bestandskraft patentamtlicher Beschlüsse (§ 318 ZPO analog) und des gesetzlichen Rahmens, innerhalb dessen eine Korrektur solcher Entscheidungen zulässig ist (§ 66 ff MarkenG), im Widerspruchsverfahren zudem zu Lasten des Verfahrensgegners, der nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ein rechtlich geschütztes Interesse an der Bestandskraft einer für ihn günstigen Entscheidung hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies stets auch im einseitigen Anmeldeverfahren gilt, das nach seinem Charakter wesentlich stärker einem reinen Verwaltungsverfahren mitsamt innerbehördlichen Überprüfungsmöglichkeiten angenähert ist. Im kontradiktorischen Widerspruchsverfahren ist es den Markenstellen grundsätzlich nicht gestattet, nach Eintritt der Bindungswirkung die eigenen Beschlüsse aufzuheben, auch wenn deren Nichtigkeit für die erlassende Markenstelle ersichtlich sein mag. Es braucht hier auch nicht entschieden zu werden, ob diese Grundsätze selbst in solchen Fällen stets angewendet werden müssen, in denen die nichtige Entscheidung, etwa wegen zwischenzeitlichen Verzichts bzw Löschung der streitgegenständlichen Marke, schlicht nicht ausführbar und damit ersichtlich gegenstandslos ist. Sie müssen jedenfalls aber dann gelten, wenn die formelle Aufhebung der (möglicherweise) nichtigen Entscheidung dem Verfahrensgegner einen rechtlichen Nachteil bringen würde. Dies ist bei der Ziffer 2. des (ersten) Beschlusses vom 14. Mai 2003 der Fall, da sie dem Inhaber der angegriffenen Marke einen grundsätzlichen Anspruch auf Kostenerstattung verschafft hat. Der im angefochtenen Beschlusses vom 20. August 2003 enthaltene Hinweis auf den Eintritt der Rechtskraft der Kostenentscheidung des ersten Beschlusses und die darin liegende Zurückweisung des Antrags der Widersprechenden auf Aufhebung dieser Entscheidung ist damit schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
Geht man also von der Aktenlage aus, so ist die Beschwerde nicht begründet.
2. Legt man hingegen den Vortrag der Widersprechenden zugrunde, so ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Danach ist die Widerspruchserklärung samt Abbuchungsauftrag bereits mit Vorab-Telefax vom 30. März 2000, gegen 15:55 Uhr, eingereicht worden. Sodann ist mit Fax vom selben Tag, gegen 19:00 Uhr, die Bitte eingereicht worden, den Widerspruch als "gegenstandslos zu betrachten" und den Abbuchungsauftrag nicht auszuführen.
In diesem Fall wäre der Widerspruch am 30. März 2000 gegen 15.55 Uhr, somit innerhalb der Widerspruchsfrist, wirksam erhoben worden, einschließlich der rechtzeitigen Zahlung der Widerspruchsgebühr durch Einreichung eines Abbuchungsauftrags. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden hätte das gegen 19.00 Uhr eingereichte Gesuch auf Betrachtung des Widerspruchs als gegenstandslos an der rechtlich bereits erfolgten Widerspruchserhebung auch nichts mehr geändert. Die Widerspruchserklärung ist unter Zugrundelegung des Widersprechendenvortrags als fristgebundene, somit per Fax einreichbare Verfahrenserklärung gegen 15.55 Uhr auf einer dafür von der Behörde eingerichteten Telekommunikations-Empfangseinrichtung eingegangen. Damit ist der Zugang der Erklärung bewirkt worden, so dass die Widerspruchserklärung wirksam geworden ist (§ 130 Abs 1 Satz 1, Abs 3 BGB).
Ein Widerruf der Widerspruchserklärung hätte das Wirksamwerden der Widersprucherklärung nur dann verhindern können, wenn er vorher oder gleichzeitig mit dieser eingegangen wäre (§ 130 Abs 1 Satz 2 BGB). Dies war auch nach dem Widersprechendenvortrag nicht der Fall, da hiernach das spätere Telefax erst gegen 19:00 Uhr eingegangen ist. Es ist damit nicht mehr vorher oder gleichzeitig iSd § 130 Abs 1 Satz 2, Abs 3 BGB eingegangen. Unmaßgeblich ist dabei, worauf aber die Widersprechende abstellen will, ob die beiden Erklärungen am selben Tag eingegangen sind. § 130 BGB enthält keine Sonderregelung, die - wie etwa § 6 Abs 4 MarkenG - Erklärungen, die am gleichen Tag eingehen, als zeitlich gleichrangig fingiert. Die Verwendung des Begriffs "gleichzeitig" in § 130 Abs 1 Satz 2 BGB stellt vielmehr auf den konkreten Zeitpunkt, also den Augenblick ab, nicht hingegen auf ganze Tage. Angesichts der sofortigen Wirksamkeit einer bürgerlichrechtlichen Willenserklärung mit ihrem Zugang, der auch mündlich bewirkt werden kann, und der vielfältigen Rechtswirkungen, die Willenserklärungen auslösen können, insbesondere wenn sie rechtsgestaltender Natur sind oder zB auf innerhalb eines Tages abzuwickelnde Geschäfte gerichtet sind, kommt eine andere Auslegung des § 130 Abs 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Der Senat hat der Kommentarliteratur zum Bürgerlichen Gesetzbuch insoweit auch nichts Gegenteiliges entnehmen können. Unter Zugrundelegung des Widersprechendenvortrags ist damit am 30. März 2003 ein Widerspruchsverfahren anhängig geworden. Allerdings ist in dem Fax von 19:00 Uhr eine Rücknahme des Widerspruchs zu sehen, so dass das Verfahren ab dessen Eingang wieder beendet war.
Geht man von dieser Sach- und Rechtslage aus, so hätte der (erste) Beschluss der Markenstelle vom 14. Mai 2003 hinsichtlich seiner Ziffer 1. nicht ergehen dürfen, da der Widerspruch bereits zurückgenommen worden ist. Dies kann hier mangels Streitgegenständlichkeit jedoch dahingestellt bleiben (s o). Die in Ziffer 2. des ersten Beschlusses getroffene Kostenentscheidung konnte jedenfalls auch nach der Rücknahme des Widerspruchs noch ergehen (§ 63 Abs 1 Satz 2 MarkenG). Wenngleich die Markenstelle dabei - bei Zugrundelegung des Widersprechendenvortrags - von der falschen Voraussetzung der Anhängigkeit des Widerspruchs ausgegangen ist, so erscheinen hier selbst ihre Billigkeitserwägungen tragfähig, zumal die sofortige Rücknahme des Widerspruchs zwar einen mittelbaren Einfluss auf die Höhe der erstattungsfähigen Kosten haben kann, die grundsätzliche Kostentragungspflicht jedoch nicht zu beeinflussen vermag.
Letztlich kann selbst dies dahinstehen, denn die Markenstelle hat auch bei Zugrundelegung des Widersprechendenvortrags verfahrensrechtlich wiederum inhaltlich richtig gehandelt, als sie in Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses vom 20. August 2003 den Antrag auf Aufhebung der Kostenauferlegung des ersten Beschlusses zurückgewiesen und sich mit einem Verweis auf die eingetretene Rechtskraft begnügt hat. Somit ist die Beschwerde auch bei Zugrundelegung des tatsächlichen Vorbringens der Widersprechenden nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen.
3. Die Widersprechende trägt nach § 71 Abs 1 MarkenG auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Dies entspricht schon deshalb der Billigkeit, weil es im vorliegenden Beschwerdeverfahren letztlich um die Aufrechterhaltung der ursprünglich von der Markenstelle getroffenen Kostenentscheidung geht, so dass ein Fall vorliegt, der dem einer reinen Kostenbeschwerde entspricht. In solchen Nebenverfahren entspricht es in der Regel der Billigkeit, dem Obsiegenden die ihm entstandenen Kosten zu erstatten. Nur auf diese Weise werden wirtschaftlich akzeptable Ergebnisse erzielt, da ansonsten der in einem Nebenverfahren Obsiegende durch die Belastung mit seinen eigenen Kosten letztlich gleichwohl einen wirtschaftlichen Schaden erleiden würde, was ihn von der Durchsetzung oder Verteidigung berechtigter Ansprüche abhalten könnte (vgl Ströbele/Hacker, aaO § 71, Rdn 38). Ob der Inhaber der angegriffenen Marke hierbei überhaupt eigene Kosten zu tragen hatte und entsprechende Ansprüche geltend machen kann, wird erst im Kostenfestsetzungsverfahren eine Rolle spielen.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.11.2005
Az: 33 W (pat) 246/03
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