Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2011
Aktenzeichen: 29 W (pat) 157/10
(BPatG: Beschluss v. 12.01.2011, Az.: 29 W (pat) 157/10)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentund Markenamts vom 29. April 2010 und 1. Oktober 2009 werden aufgehoben.
Gründe
I.
Das farbige (schwarz, blau, grau, rot) Wort-/Bildzeichenist am 4. Oktober 2007 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register für Dienstleistungen der Klasse 35, nämlich Großund Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Zutaten, Aromen sowie Düfte für die Nahrungsmittelund pharmazeutische Industrieangemeldet worden.
Mit Beschlüssen vom 1. Oktober 2009 und 29. April 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass der angesprochene Verkehr die ersichtlich zusammengehörenden Wörter "Premium" und "Ingredients" als Gesamtbegriff im Sinne von "Premium-Zutaten/Premium-Bestandteile" verstehen werde, wohingegen der weitere Begriff "International" nicht unmittelbar damit verknüpft werde, da er viel kleiner, in anderer Farbe und getrennt davon angeordnet sei. Der Text des Anmeldezeichens erschöpfe sich somit ausschließlich in Bezeichnungen, die in werbeüblicher Weise Sachangaben hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen enthielten, nämlich dass die Großund Einzelhandelsdienstleistungen sich auf erstklassige, hochwertige Zutaten, Inhaltsstoffe bzw. Bestandteile für die im Verzeichnis genannten Einsatzbereiche beziehen und dass diese international angeboten würden. Auch die gestalterischen Elemente würden der Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft verleihen. Die Gestaltung der Wortbestandteile bewege sich im Rahmen der gängigen Schrifttypen und sonstigen werbeüblichen Hervorhebungsmittel. Auch die dargestellte Weltkugel, die lediglich den beschreibenden Aussagegehalt des Wortes "International" unterstreiche, und der in rot gehaltene umrahmende Bogen ("Swoosh") seien insgesamt zu üblich, um die Schutzfähigkeit der angemeldeten Kombination begründen zu können.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, die Beschlüsse des DPMA vom 29. April 2010 und 1. Oktober 2009 aufzuheben, und hilfsweise, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass der angemeldeten Wortverbindung eine noch hinreichend fantasievolle Aussage entnommen werden könne, um als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden zu können. Jedenfalls in der Kombination mit den verschiedenen Bildelementen sei das Gesamtzeichen schutzfähig. So weise insbesondere die dargestellte Weltkugel, die aufgrund der Schatten-Lichteffekte eine dreidimensionale Wirkung habe und innerhalb des Gesamtzeichens eine dominante Position einnehme, eine gewisse Gestaltungshöhe auf. Hinzu komme, dass der "Swoosh" auf der rechten Seite in rot dargestellt sei und zur linken Seite hin verlaufend langsam in eine blaue Farbe übergehe, um die Farbgebung der Kontinente im Globus aufzunehmen. Unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Merkmale sei dem angemeldeten Zeichen daher nicht jegliches Mindestmaß an Unterscheidungskraft abzusprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache Erfolg.
1. Der Eintragung des vorliegenden Wort-/Bildzeichens als Marke steht kein absolutes Schutzhindernis, insbesondere auch nicht das der fehlenden Unterscheidungskraft oder des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG, entgegen.
a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (BGH GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 -FUSSBALL WM 2006; 2008, 1093, 1094 Rdnr. 13 -Marlene-Dietrich-Bildnis I). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006; a. a. O. -Marlene-Dietrich-Bildnis I; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 -STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 -Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 -My World). Wortmarken besitzen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2001, 1153 -anti KALK; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 19 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 -DeutschlandCard) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Besteht eine Marke aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen (BGH GRUR 2001, 162, 163 -RATIONAL SOFTWARE CORPORA-TION; a. a. O. -anti Kalk). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den (geringen) Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt.
b) Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend -entgegen der vom DPMA vertretenen Auffassung -nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Wort-/Bildzeichen dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.
Zwar weisen die Wortbestandteile der angemeldeten Kombinationsmarke einen für die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt auf, dieser wird jedoch durch die originelle grafische Ausgestaltung so weit überlagert, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abgesprochen werden kann.
aa) Der Text des angemeldeten Zeichens setzt sich aus den Wörtern "Premium", "Ingredients" und "International" zusammen.
Das vom Lateinischen "praemium" für "Prämie" abgeleitete, in die deutsche Sprache eingegangene englische Adjektiv "premium" bedeutet "von besonderer, bester Qualität" (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Pons - Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 2002, S. 687). Es zählt zum elementaren Grundwortschatz der Marketingund Werbesprache und ist dem deutschen Publikum in diesem Sinne seit langem bekannt. Mit "premium" werden in der Werbung und Produktbeschreibung in den unterschiedlichsten Bereichen Produkte und Dienstleistungen von außergewöhnlicher Qualität bzw. Spitzenqualität angepriesen (vgl. BPatG 28 W (pat) 503/10 -Premium PLUS; 28 W (pat) 308/04 -COOL PREMIUM; 29 W (pat) 104/10 -PRE-MIUMPARK).
Das Wort "Ingredients" ist die Pluralform des englischen Substantivs "ingredient" mit den Bedeutungen "Zutat, Bestandteil, Ingredienz" (vgl. Pons - Großwörterbuch Englisch-Deutsch a. a. O. S. 454; Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) und wird von den inländischen Verkehrskreisen wegen der Nähe zur entsprechenden deutschen Pluralform "Ingredienzien" ohne weiteres in diesem Sinne verstanden.
Das ebenfalls aus dem Englischen stammende Wort "International" entspricht in seiner Schreibweise dem geläufigen deutschen Adjektiv "international" mit den Bedeutungen "zwischenstaatlich, nicht national begrenzt, überstaatlich, weltweit" (vgl. Pons - Großwörterbuch Englisch-Deutsch a. a. O. S. 462; Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch a. a. O.; Duden -Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.).
Auch die -bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind -vorzunehmende Gesamtbetrachtung (EuGH GRUR 2004, 943 Rdnr. 28 -SAT 2; a. a. O. Rdnr. 96 -Postkantoor; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 13 -VISA-GE) führt vorliegend nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile der Wortkombination hinausgehen würde.
Nach dem Ergebnis der Internetrecherche des Senats ist eine beschreibende Verwendung der Wortfolge "Premium Ingredients" im Sinne von "beste Zutaten" im deutschen Sprachraum belegt, so unter -www.australianhomemade.com/philosophy_premium_de.html: "PREMIUM INGREDIENTS -Nur die besten Zutaten der Welt kommen für Produkte von Australian Homemade in Betracht. ....", und -www.forsten. sachsen.de/lfulg/download/Getraenke_zum_Wohlfühlen_Teil1.pdf: "OPPACHER Mineralquellen ... Exklusivität, Fruchtstücke, Superfruits, Premium Ingredients, Lifestyle ...".
Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise werden die Wortfolge "Premium Ingredients International" ohne weiteres als Sachhinweis auf erstklassige, hochwertige Zutaten bzw. Bestandteile, die weltweit bezogen oder angeboten werden, verstehen. Damit erschöpft sich der Markentext in Bezeichnungen, die in werbeüblicher Weise Sachangaben über den Gegenstand und den Angebots-/Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen enthalten. Denn die angemeldeten Großund Einzelhandelsdienstleistungen können sich auf erstklassige, hochwertige Zutaten bzw. Bestandteile für die im Verzeichnis genannten Einsatzbereiche beziehen und weltweit angeboten bzw. erbracht werden.
bb) Dies allein reicht aber nicht aus, um dem angemeldeten Zeichen die Schutzfähigkeit abzusprechen.
Denn es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke -unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente -als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (BGH GRUR 1991, 136, 137 -NEW MAN; a. a. O. -anti Kalk; EuGH GRUR 2006, 229, 233 Rdnr. 73, 74 -BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des Schriftbildes, an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen (BGH a. a. O. -anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 -VISAGE). Dies ist vorliegend der Fall:
Während die linksbündig untereinander stehenden Wörter "Premium" und "Ingredients" in schwarzer Schrift ausgeführt sind, ist das darunter -nicht bündig mit den obigen Wortbestandteilen, sondern weiter rechts -angeordnete Wort "International" in blauer und deutlich kleinerer Schrift gehalten. Links von den Wortelementen befindet sich die dreidimensional wirkende Darstellung einer Weltkugel, die aufgrund ihrer Größe und begrenzenden Position am linken Rand der Gesamtdarstellung hervorsticht; auf dieser Globusdarstellung sind die Weltmeere in einer Grauschattierung abgebildet, von der sich die Kontinente -gut erkennbar sind Nordund Südamerika -in einem dunkleren Blau abheben. Eine geschwungene Linie (sog. "Swoosh") unterstreicht und umrahmt im unteren Bereich ausgehend von der Weltkugel die Wortelemente, wobei sie im Bereich der Weltkugel die blaue Farbgebung der Kontinente aufnimmt und zur rechten Seite verlaufend in eine rote Farbe übergeht. Die einzelnen Bildelemente -die Weltkugel, der "Swoosh", die Anordnung der Wortbestandteile und die Farbgebung -mögen zwar für sich gesehen wegen ihrer Werbeüblichkeit bzw. der Hervorhebung der beschreibenden Angaben nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens ausreichen. In ihrer konkreten Kombination verleihen sie der Gesamtdarstellung jedoch eine in sich geschlossene Form und vermitteln einen unverwechselbaren, charakteristischen Gesamteindruck, der geeignet ist, das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisender Funktion zu beeinflussen.
Darüber hinaus ist auch bei der zur Kennzeichnung der gegenständlichen Dienstleistungen praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendung des Wort-/Bildzeichens auf Briefbögen, Rechnungen, Broschüren, Flyern u. Ä. anzunehmen, dass der angesprochene Verkehr das Zeichen ohne weiteres als Marke verstehen wird (BGH GRUR 2010, 825 Rdnr. 21 -Marlene-Dietrich-Bildnis II).
cc) Diese Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zu den vom DPMA in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen des Bundespatentgerichts zu den -jeweils für schutzunfähig erachteten -Wort-/Bildzeichenfür die Klassen 3 und 5), für die Klassen 38, 42), (30 W (pat) 165/97, für die Klassen 9, 35,
(33 W (pat) 183/04, für die Klassen 36, 42), für Klasse 42) und
(33 W (pat) 66/04, für die Klassen 35, 36, 38). Die den Entscheidungen 30 W (pat) 79/06, 24 W (pat) 23/04, 33 W (pat) 183/04 und 25 W (pat) 264/01 zugrundeliegenden Zeichen sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil sie für andere Waren und Dienstleistungen beansprucht wurden. Die den Entscheidungen 30 W (pat) 165/97 und 33 W (pat) 66/04 zugrundeliegenden Wort-/Bildzeichen wurden zwar u. a. für Dienstleistungen der Klasse 35 beansprucht, die Grafik dieser Zeichen umfasst aber nur entweder einen "Swoosh" oder die stilisierte Abbildung einer Weltkugel, nicht jedoch die hier gegenständliche konkrete Kombination dieser Elemente, die noch dazu in vier Farben ausgestaltet ist.
2. Im Hinblick auf die markante grafische Gestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen ungeachtet seiner nicht unterscheidungskräftigen Wortelemente auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortfolge "Premium Ingredients International" in jedweder Form, sondern nur in der gegebenen grafischen Gestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung (vgl. BGH GRUR a. a. O. -NEW MAN).
Grabrucker Kortge Dorn Hu
BPatG:
Beschluss v. 12.01.2011
Az: 29 W (pat) 157/10
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