Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. September 2001
Aktenzeichen: 33 W (pat) 162/00
(BPatG: Beschluss v. 14.09.2001, Az.: 33 W (pat) 162/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Am 1. Juli 1999 ist unter der Rollennummer 399 11 946 die farbige Wort/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endeals Kennzeichnung für die Dienstleistungen Versicherungswesen, Finanzwesenin das Markenregister eingetragen worden. Die Schrift ist dunkelgrau, der Balken über dem Buchstaben M ist gelb. Die Anmeldung ist am 2. März 1999 erfolgt.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 398 29 892 siehe Abb. 2 am Endedie am 4. Mai 1999 für Dienstleistungen in den Bereichen Versicherungs- und Finanzwesen und Geldgeschäfteeingetragen worden ist.
Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die sich gegenüber stehenden Dienstleistungen seien zwar identisch, dennoch würden die Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand zueinander haben. Aufgrund der grafischen Ausgestaltung sei ein bildliches Verwechseln nicht möglich; im Klangvergleich scheitere eine Verwechslungsgefahr daran, daß keine der beiden Marken durch den übereinstimmenden Bestandteil "Renti" geprägt werde. In ihrer Gesamtheit aber könnten die Marken ohne weiteres auseinandergehalten werden.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, der Gesamteindruck beider Marken werde durch "Renti" bestimmt. Bei der jüngeren Marke nämlich sei der Endbuchstabe M ein erkennbarer Hinweis auf den Firmennamen der Markeninhaberin (was diese selbst vortrage) und bei der Widerspruchsmarke trete Renti schon allein aufgrund der grafischen Gestaltung hervor. Auch sei eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens gegeben, denn bei beiden Marken könne "Renti" als Stammbestandteil einer Markenserie dienen. Die Widerspruchsmarke Renti Top assoziiere, daß es daneben ein weiteres, "einfaches" Produkt dieser Serie gebe; durch die jüngere Marke RENTIM werde dies bestätigt.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß der Bestandteil "Renti" als Hinweis auf Rendite und Rente beschreibend sei und somit weder selbständig kollisionsbegründend noch Stammbestandteil sein könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1, 2 MarkenG), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die beiden Vergleichsmarken haben auch bei identischen Dienstleistungen sowohl in klanglicher, bildlicher als auch gedanklicher Hinsicht einen ausreichenden Abstand, um Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß zu verhindern (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).
Zur Entscheidung der Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, sind unter Berücksichtigung des Einzelfalles die Faktoren Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, Ähnlichkeit der Marken und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gegeneinander abzuwägen (stRspr zB EuGH MarkenR 1999, 20 - CANON; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN). Können wie hier mit den Marken identische Dienstleistungen gekennzeichnet werden, so bedarf es eines besonders deutlichen Abstandes der Marken. Die Dienstleistungen richten sich an die allgemeinen Verkehrskreise, so daß als Maßstab grundsätzlich der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher anzusetzen ist (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND). Häufig jedoch zielen Dienstleistungen in den Bereichen Versicherungsgeschäfte und Finanzwesen auf den Abschluß von langfristigen Verträgen (zB Kranken- und Lebensversicherung, Hypothekendarlehen usw), Geschäfte also, die für den Durchschnittsverbraucher nicht alltäglich sind und von ihm deshalb sorgfältig geprüft werden. Daraus ergibt sich, auch was die Kennzeichnungen der jeweiligen Dienstleistungen betrifft, eine gewisse gesteigerte Aufmerksamkeit. Dieser Gesichtspunkt wird möglichen Verwechslungsfällen entgegenwirken.
Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Die Wortbestandteile Renti und Top geben zwar einen durchaus erkennbaren Hinweis auf eine "Spitzenrente" oder "Spitzenrendite", wegen der Verfremdung der Fachbegriffe, der Wortkombination sowie der - geringfügigen - grafischen Gestaltung ist die Marke in ihrer Gesamtheit durchaus zur Identifikation der Dienstleistungen geeignet.
Bei einer Gegenüberstellung der Marken in bildlicher Hinsicht scheiden Verwechslungen aus. Die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke ist so, daß insbesondere auch bei einer Verwendung in schwarz/weiß eine deutliche Abtrennung der Begriffe Renti und Top erkennbar bleibt, so daß ein Verwechseln mit der Ein-Wort-Marke auf der Gegenseite ausscheidet.
Werden die Marken klanglich in ihrer Gesamtheit gegenüber gestellt (bei beiden Marken wird die Grafik nicht benannt werden), so ist ebensowenig an Verwechslungen zu denken. Eine solche käme nur dann in Betracht, wenn in beiden Marken der übereinstimmende Markenteil Renti derart in den Vordergrund treten sollte, daß die weiteren Bestandteile für den Verkehr an Bedeutung verlieren und bei der Kennzeichnung außer Betracht bleiben (stRspr zB BGH MarkenR 2000, 20- RAUSCH/ELFI RAUCH). Die Bejahung einer solchen Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine Marke durch all ihre Bestandteile geprägt wird, bedarf gesicherter tatsächlicher Anhaltspunkte. Liegen diese nicht vor, so verbleibt es beim Grundsatz der Gesamtprägung. Bei Prüfung der notwendigen Voraussetzungen ist allein auf die jeweilige Marke selbst abzustellen; auf die Frage, wie die Marken anderer gestaltet sind, kommt es hierbei grundsätzlich nicht an (stRspr BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; aaO - RAUSCH/ELFI RAUCH). Das Gericht ist zumindest was die angegriffene Marke RENTIM betrifft, der Überzeugung, daß diese nicht durch Renti geprägt wird. Dagegen spricht schon die Gestaltung der Marke selbst. Obwohl der Buchstabe M mit einer anderen Schrifttype geschrieben ist, seine beiden Längsstriche verdickt sind und der mittige Abstrich durch einen gelben Balken verstärkt ist, bewirkt diese Grafik doch nicht, dass dieser Endbuchstabe - der im übrigen gleich groß wie die anderen Buchstaben ist und sich im gleichen Abstand zu ihnen befindet - herausgestellt und getrennt zu dem übrigen Wort gesehen wird. Diese zurückhaltende Gestaltung, die eher dazu führt, dass sich das M harmonisch in das übrige Schriftbild einreiht, wird den Verbraucher (im rechtserheblichen Umfang) nicht auf den Gedanken kommen lassen, die Marke wie "Renti Em" auszusprechen. Der Verkehr neigt ohnehin zu einer einfachen und naheliegenden Aussprache; wenn er ein einfaches zweisilbiges Wort trennen und dreisilbig aussprechen soll, bedürfte es schon einer deutlicheren grafischen Ausgestaltung. Er wird die leicht erfassbare Marke vielmehr wie "Rentim" benennen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Markeninhaberin nach ihrer eigenen Darstellung eine Markenserie von Wort/Bildmarken besitzt, bei denen das M bzw MA herausgestellt ist. Zum einen ist weder über die genaue Gestaltung dieser Marken etwas bekannt (nach dem von der Widersprechenden vorgelegten Rechercheergebnis scheinen diese Marken ebenso wie die angegriffenen Marke mit einem eher unauffälligen M versehen zu sein), zum anderen steht die Dauer und der Umfang der Benutzung dieser Markenserie nicht fest. Somit entfallen ausreichende Hinweise darauf, daß sich der Verkehr derart an das M als Herstellerhinweis auf die Markeninhaberin gewöhnt haben könnte, daß es diesen Buchstaben bei der Benennung der Marke hintanstellt. Es verbleibt damit bei dem Grundsatz, daß eine Marke durch all ihre Bestandteile bestimmt wird, womit eine klangliche unmittelbare Verwechslungsgefahr ausscheidet Für die Entscheidung kann deshalb insoweit dahinstehen, ob und inwieweit der Begriff "Renti" für Dienstleistungen, die eine Rendite oder Rentenzahlungen zum Inhalt haben, derart beschreibend ist, daß eine kollisionsbegründende Stellung dieses Bestandteils schon aus Rechtsgründen zu verneinen ist.
Ebenso wenig wird der Verkehr den Buchstaben M in der angegriffenen Marke deshalb vernachlässigen, weil er ihm als Herstellerhinweis bekannt oder doch als solcher erkennbar ist (vgl zur Herstellerangabe in Marken, BGH MarkenR 1999, 161 - LORA DI RECOARO; Kliems, Reduzierter Schutz für Unternehmenskennzeichen in kollidierenden Marken€, GRUR 2001, 635). Voraussetzung hierfür ist zunächst, daß die Markengestaltung selbst das Erkennen einer solchen Unternehmenskennzeichnung möglich macht. Dies ist in der Regel nur in mehrgliedrigen Marken möglich und unterliegt hier wegen des geschlossenen Gesamtwortes schon erheblichen Zweifeln. Auch muß auf dem betreffenden Waren- und Dienstleistungsgebiet die Übung bestehen, daß die Herstellerangabe eher in den Hintergrund tritt, woran bei Versicherungs- und Finanzdienstleistungen ebenfalls Zweifel bestehen, denn hier ist der Name des Anbieters wegen der langjährigen Vertragsbindung in der Regel von besonderer Bedeutung. Jedenfalls aber muß die "restliche" Kennzeichnung zur Identifikation geeignet sein, was bei beschreibenden Markenteilen nicht der Fall ist. Renti weist hier deutlich auf die beschreibenden Begriffe Rente und Rendite hin; dem Verbraucher wird dieser kennzeichnungsschwache Bestandteil daher nicht genügen, er wird vielmehr die Gesamtmarke verwenden, denn nur mit ihr kann er die eine Dienstleistung von der anderer Anbieter ausreichend unterscheiden.
Zwischen den Marken besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens. Eine solche kann nur dann angenommen werden, wenn Kennzeichnungen, die nicht unmittelbar verwechselbar sind, in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und der ihn deshalb veranlaßt, nachfolgende Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen Stamm aufweisen, dem selben Markeninhaber zuzuordnen (stRspr zuletzt BGH, MarkenR 2000, 359 - Bayer/BeiChem). Diese Art der Verwechslungsgefahr als ein gedankliches Inverbindungbringen der Kollisionszeichen liegt nahe, wenn ein Unternehmen bereits mit mehreren Zeichen aufgetreten ist, die jeweils den selben Wortstamm haben, denn nur dann kann sich der Verbraucher an diesen Stammbestandteil gewöhnt haben. Zwar ist das Entstehen einer solchen "Serie" auch beim erstmaligen Auftreten einer Marke nicht ausgeschlossen, die Voraussetzungen hierfür müssen aber immer bei der rangbesseren Marke vorliegen, womit eine vom Inhaber der jüngeren Marke - möglicherweise - verwendete Markenserie mit einem gemeinsamen Bestandteil niemals Grundlage für die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen einer Markenserie sein kann (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 183). Im vorliegenden Fall hat die Widersprechende weder eine eigene Markenserie mit dem Wortstamm "Renti" behauptet (dessen Geeignetheit als Stammbestandteil wegen seiner beschreibenden Anklänge im übrigen höchst zweifelhaft ist), noch eine solche bei der Markeninhaberin. Ihr Vorbringen, daß der letzte Buchstabe "M" in der jüngeren Marke isoliert zu sehen sei, weil eben dieser Buchstabe als Stamm einer Markenserie der jüngeren Marke diene, deckt sich im Ergebnis mit ihren Ausführungen zur selbständig kollisionsbegründenden Stellung des Markenteils "RENTI" und trifft aus den oben dargelegten Gründen nicht zu. Zudem muß das für einen Stammbestandteil fragliche Element in beiden Kennzeichnungen derart hervortreten, daß es vom Verkehr auch als solches erkannt werden kann. Das ist zumindest bei der jüngeren Marke nicht der Fall.
Da auch diese Art der Verwechslungsgefahr ausscheidet, war die Beschwerde ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG)
Winkler Dr. Hock Schwarz-Angele Mü/Wf Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)162-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/33W(pat)162-00.2.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 14.09.2001
Az: 33 W (pat) 162/00
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