Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. September 2001
Aktenzeichen: 28 W (pat) 137/00
(BPatG: Beschluss v. 26.09.2001, Az.: 28 W (pat) 137/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 31 - vom 17. Februar 2000 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 394 10 425 angeordnet worden ist.
Der Widerspruch wird auch insoweit zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die seit 20. November 1995 für zahlreiche Waren der Klasse 31 eingetragene und nachfolgend in vier Darstellungen wiedergegebenen dreidimensionale Marke 395 11 272 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben aus der am 30. Dezember 1994 angemeldeten und seit dem 17. August 1995 für
"Tierfutter für Haustiere, einschließlich Ergänzungs- und Belohnungsfutter"
eingetragenen Marke 394 10 425 siehe Abb. 2 am Ende Die Widerspruchsmarke ist vom Deutschen Patent- und Markenamt zunächst als Bildmarke behandelt und so auch am 30. Oktober 1995 veröffentlicht worden. Ein Widerspruch gegen die Marke ging nicht ein. Mit Berichtigungsantrag vom 11. März 1996 (Bl 16 VA) hat die damalige Inhaberin der Widerspruchsmarke mit Erfolg beantragt, der Marke zuzuerkennen, daß es sich um eine 3D-Marke handele und dementsprechend die Eintragung im Register zu ergänzen. Anfang 1997 ist die Marke auf die jetzige Inhaberin übertragen worden.
Die Markenstelle für Klasse 31 hat dem Widerspruch teilweise stattgegeben und unter Zurückweisung des Widerspruchs im übrigen die Löschung der jüngeren Marke für die folgenden Waren angeordnet:
"Tierfutter, einschließlich Vogel- und Fischfutter sowie Biskuits, kleine Leckerbissen und Belohnungshappen; verdauliche Kauknochen und -stangen für Heimtiere; Sepiaschale (für Käfig-Vögel); sowie Zubereitungen aus diesen Waren zur Verwendung als nichtmedizinische Futterergänzungsmittel".
Zur Begründung führt die Markenstelle an, unabhängig davon, ob die Widerspruchsmarke als 3D- oder als Bildmarke zu werten sei, könne eine bildliche Verwechslungsgefahr zwischen einer sechseckigen und einer achteckigen Futterschale festgestellt werden, da der Verbraucher wegen der Vielzahl marktgängiger Schalen, diese im Einzelnen nicht auseinanderhalten könne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie erhebt die Einrede der Nichtbenutzung der älteren Marke und vertritt die Auffassung, bei der Widerspruchsmarke handele es sich um eine Markeneintragung kontra legem, da eine 3D-Marke mit Anmeldetag 30. Dezember 1994 im Register eingetragen sei, auf die ein Widerspruch nicht gestützt werden könne. Im übrigen fehle es an einer Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken.
Die Markeninhaberin beantragt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise den Widerspruch unter Verneinung der zeichenrechtlichen Übereinstimmung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie legt Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vor und tritt der Beschwerde in allen Punkten entgegen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet. Nach Auffassung des Senats besteht vorliegend jedenfalls keine Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der Beschluß der Markenstelle, soweit dem Widerspruch stattgegeben wurde, aufzuheben war.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob sich Wort-, Bild-, Wort/Bild- oder dreidimensionale Marken gegenüber stehen.
1. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die Widerspruchsmarke rechtserhaltend nach §§ 43, 26 MarkenG benutzt wird.
Bei dieser handelt es sich um eine Bildmarke, da sich dies für den Senat unzweifelhaft aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergibt, die keine Anhaltspunkte für eine von der anwaltlich vertretenen Anmelderin in Wirklichkeit beabsichtigte 3D-Markenanmeldung erkennen lassen. Gegen die Veröffentlichung und Registereintragung als Bildmarke hat die damalige Inhaberin der Widerspruchsmarke zunächst auch keine Einwände erhoben. Ihr Antrag auf Änderung der Markenkategorie datiert erst vom 11. März 1996 und hätte wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen werden müssen. Der dennoch vom Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommene Wechsel der Markenkategorie ist rechtswidrig, da er eine unzulässige nachträgliche Änderung des angemeldeten Zeichens darstellt (BGH WRP 2001, 31 Leitsatz - "Zahnpastastrang"). Bei der Beurteilung des vorliegenden Kollisionsfalls ist für den Senat daher nicht die (falsche) Registerlage maßgeblich, sondern von der Marke auszugehen, wie sie sich aus den Anmeldeunterlagen ergibt.
Handelt es sich daher bei der älteren Kennzeichnung um eine Bildmarke (Abbildung einer Futterschale), begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, daß diese in Form eines dreidimensionalen Gegenstands (Futterschale selbst) benutzt werden kann. Fraglich ist jedoch, was die widersprechende Bildmarke darstellt, insbesondere ob es sich um die Abbildung einer Futterschale handelt, über der der passende Deckel dargestellt ist oder ob es sich insoweit um eine Draufsicht der Futterschale selbst handelt. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden von einer Darstellung einer Schale mit Deckel ausgeht, weisen die von der Widersprechenden eingereichten tatsächlichen Benutzungsformen gegenüber der Markendarstellung zahlreiche Zusätze auf, die den kennzeichnenden Charakter der Marke verändern (§ 26 Abs. 2 MarkenG). So besitzen die vorgelegten Futterschalen Sicken, die jedenfalls in dieser konkreten Anordnung nicht technisch bedingt sind, und weisen darüber hinaus eine Falzung an der oberen Kante auf wie auch eine gänzlich von der eingetragenen Fom abweichende Bodengestaltung mit einer kreisrunden Stanzung. Zusammen mit den unschlüssigen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung, wer im nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG relevanten Benutzungszeitraum vom 26.9. 1996 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Marke benutzt hat, wobei sich eine Benutzung durch die seit Januar 1997 auch formell berechtigte jetzige Inhaberin der Widerspruchsmarke aus den Angaben auf den eingerechten Futterschalen gerade nicht ergibt, rechtfertigt es sich, den Widerspruch bereits mangels Benutzung der älteren Marke zurückzuweisen.
2. Jedenfalls fehlt es nach Ansicht des Senats an einer Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen, wobei es für deren Beurteilung dahingestellt bleiben könnte, ob die Widerspruchsmarke als Bildmarke oder als 3D-Marke anzusehen ist, da auch zwischen einer zweidimensionalen Marke und einer 3D-Marke Verwechslungsgefahr bestehen kann (BGH MarkenR 2000, 140, Leitsatz1 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Bereits nach der Registerlage ist vorliegend von teilweiser Warenidentität auszugehen, da sich die Marken im Bereich der Tiernahrung bzw des Tierfutters begegnen können. Die Waren richten sich an breiteste Verkehrskreise, so daß an den Zeichenabstand eher strenge Anforderungen zu stellen sind, zumal es sich um billige Waren des täglichen Bedarfs handelt, die erfahrungsgemäß vom Verbraucher mit einer gewissen Flüchtigkeit den Kennzeichnungen gegenüber erworben werden.
Den danach zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr notwendigen Abstand der Zeichen hält die angegriffene Marke vor dem Hintergrund des äußerst geringen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke allerdings noch ein. Wird der Verkehr mit einer dreidimensionalen Marke in Form einer Warenverpackung konfrontiert, kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, daß er diese primär nicht als Herkunftshinweis auf die darin enthaltenen Waren erfaßt und versteht, sondern zunächst einmal nur als bloßes Behältnis wahrnimmt. Dem entspricht die Übung und Gewöhnung des Verkehrs, der Verpackung im Rahmen der Herkunftsfunktion grundsätzlich geringere Bedeutung beizumessen als etwa der Etikettierung mit der markenmäßigen Benennung des Produkts (vgl BGH Mitt 2000, 506 - Likörflasche -, BGH GRUR 2000, 888 - MAG-LITE-, BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta-). Orientiert sich der Verkehr aber vordergründig eher an solchen Merkmalen, tritt für ihn die Form der Verpackung als Herkunftshinweis in den Hintergrund und findet nur geringere Beachtung. Formmarken, die eine dreidimensionale Verpackung zum Gegenstand haben, können damit von Haus aus zunächst nur ein äußerst geringer Schutzumfang beanspruchen, der letztlich auf identische oder nahezu identische Nachahmungen beschränkt ist (vgl Erdmann GRUR 2001, 609, 612 "Reduzierung auf 1:1-Schutz").
Hinzu kommt folgendes: Erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen von Marken letztlich im beschreibenden oder dem Markenschutz nicht zugänglichen Bereich, scheidet eine Verwechslungsgefahr von vornherein bereits aus Rechtsgründen aus (so schon BGH GRUR 1990, 453 L-Thyroxin). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, daß eine Formmarke einer Bildmarke, die eine dreidimensionalen Darstellung einer Warenverpackung zeigt, gegenübersteht, wobei beide Markenformen ihre augenscheinlichen Gemeinsamkeiten allein aus dem Umstand herleiten, daß sie - wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung - beide die Abwandlung eines nicht markenschutzfähigen Prototypen der Verpackung von Tierfutter zum Gegenstand haben. Der Senat hat durch Recherchen in Katalogen und Werbeprospekten für Tierfutter sowie im Internet festgestellt, daß Naßfutter vor allem für Katzen und Hunde ganz überwiegend in "quadratischen" Schalen mit "abgerundeten Ecken" angeboten wird, was von der Industrie offensichtlich als die ökonomischste Verpackungsart hinsichtlich Transport und Lagerung betrachtet wird. Diese Form kann auf dem vorliegenden Warengebiet daher als Prototyp bezeichnet werden und ist wegen des Freihaltungsinteresses der Mitbewerber deshalb einem markenrechtlichen Schutz nicht zugänglich. Das schließt aber nicht aus, diese Grundform - wie bei Wort- oder Bildmarken allgemein üblich - unter Verwendung charakteristischer Merkmale in nunmehr kennzeichnender Weise abzuwandeln und für diese neue Gestaltungsform Markenschutz zu erlangen, falls sich die Abwandlung nicht lediglich in reiner Ornamentik oder sonstigen unbedeutenden Zusätze erschöpft. In allen diesen Fällen erstreckt sich der Schutzumfang solcher Marken jedoch in keinem Fall auf die abgewandelte freizuhaltende Grundform, sondern allein auf die Art und Weise der Abwandlung und der dabei verwendeten charakteristischen Merkmale. Vorliegend steht bereits eine Sechseckfutterschale seitens der Widersprechenden dem acht Ecken aufweisenden Futterbehältnis der Markeninhaberin gegenüber. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung weiterer kennzeichnender Unterschiede in der Form des Bodens und der seitlichen Gestaltung sind beide Markenformen so weit vom Prototypen abgewandelt, daß eine Markenkollison aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt.
Mangels Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hatte die Beschwerde der Markeninhaberin damit Erfolg, so daß der angefochtene Beschluß aufzuheben war. Anlaß zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nicht (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Der von der Markeninhaberin gestellte Antrag, das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung über den gegen die Widerspruchsmarke gestellten Löschungsantrag auszusetzen, hat sich durch die vorliegende Entscheidung erledigt.
Stoppel Martens Voitprö
Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)137-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)137-00.2.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 26.09.2001
Az: 28 W (pat) 137/00
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