Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juni 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 302/03

(BPatG: Beschluss v. 15.06.2005, Az.: 9 W (pat) 302/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 14,

- Beschreibung Seiten 1-4, 4a, 4b, 5-9, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2005,

- Zeichnungen Figuren 1-5 wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 04. April 2001 angemeldete und am 12. September 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Polsterelement mit Bezug"

ist von der G... GmbH & Co. und von der J... GmbH Ein- spruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs weist die Einsprechende I auf die Druckschriften EP 0 403 815 B1 und EP 0 252 783 A2 hin. Demgegenüber sei der Gegenstand des Streitpatentes in der erteilten Fassung nicht patentfähig.

Die Einsprechende II macht offenkundige Vorbenutzung geltend und legt dazu Zeichnungen sowie Lieferunterlagen vor. Zudem bietet sie Zeugenbeweis an. Dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 mangele es gegenüber der geltend gemachten Vorbenutzung an der Neuheit.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in beschränktem Umfang. Sie ist der Meinung, das beschränkte Patentbegehren sei zulässig und gegenüber dem druckschriftlich nachgewiesenen Stand der Technik patentfähig. Die behauptete Vorbenutzung sei nicht ausreichend substantiiert, insbesondere sei die Offenkundigkeit nicht nachgewiesen. Davon abgesehen stehe das aus den vorgelegten Zeichnungen entnehmbare Befestigungselement der Patentfähigkeit des Gegenstands nach dem beschränkten Patentanspruch 1 ohnehin nicht entgegen.

Der beschränkte Patentanspruch 1 lautet:

" Polsterelement mit einem Bezug, der einen Kern aus elastischem Material, vorzugsweise aus einem Schaumstoff, überdeckt und an diesem durch einen Profilkörper befestigt ist, wobeidie Oberfläche des Kerns zumindest eine schlitzartige Ausnehmung aufweist, deren vom Bezug wegweisendes Ende in eine Nut im Kern mündet oder bis zur Unterseite des Kerns durchgeht, am Bezug innenseitig ein Rand eines Materialstreifens befestigt ist, an dessen gegenüberliegendem Rand der formstabile Profilkörper angeordnet ist, der formstabile Profilkörper zumindest teilweise durch die Ausnehmung durchgesteckt ist und den Bezug am Kern befestigend das Kernmaterial hintergreift, dadurch gekennzeichnet, dass der Profilkörper (04, 16) einstückig aus Kunststoff hergestellt ist, wobei der Profilkörper (04, 16) aus einem sich in der Ausnehmung (05) erstreckenden und eine bestimmte Eigensteifigkeit aufweisenden Schaft (06, 17) und einem am Ende des Schafts (06, 17) mittels eines Filmscharniers (07) schwenkbar angelenkten Kippelement (08, 16) besteht, und wobei die Eigensteifigkeit gewährleistet, dass der Schaft am zum Bezug weisenden Ende gefasst und durch die Ausnehmung geschoben werden kann, und wobei das zweiarmige Kippelement (08, 16) bei der Montage derart verschwenkbar ist, dass die Arme (09 ,10) sich in Richtung der Ausnehmung (05) erstrecken, der erste Arm (09) dabei am Schaft (06, 17) zur Anlage kommen kann und der zweite Arm (10) über den Schaft (06, 17) in Richtung der Ausnehmung (05) hinausragt, wobei der Schaft (06, 17) zumindest zwei Abschnitte (11, 12) hoher Eigensteifigkeit aufweist, die durch jeweils einen Gelenkabschnitt (13, 19) miteinander verbunden sind."

Diesem Patentanspruch 1 schließen sich 13 rückbezogene Unteransprüche an.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 14,

- Beschreibung Seiten 1-4, 4a, 4b, 5-9, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2005,

- Zeichnungen Figuren 1-5 wie erteilt.

Die Einsprechende I stellt keinen Antrag.

Die Einsprechende II hat schriftsätzlich den Antrag gestellt, das Patent zu widerrufen.

An der mündlichen Verhandlung hat sie nicht teilgenommen, nachdem sie mit Telefax vom 13. Juni 2005 ihr Fernbleiben angekündigt hat. Der Berichterstatter des Senats hatte mit Zwischenverfügung vom 13. Juni 2005 (per Telefax) darauf hingewiesen, dass der Senat die Stellung der Zeugen für nicht notwendig erachtet.

Im Prüfungsverfahren war noch die DE 198 15 838 A1 in Betracht gezogen worden.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG §147 Abs.3 Satz 1 begründet.

Die Einsprüche sind zulässig. Sie haben im Rahmen der Beschlussformel Erfolg.

1. Die Patentansprüche sind zulässig.

Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen und auch in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Die Ausgestaltung nach dem Patentanspruch 1 ergibt sich aus der Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 1-3 und 7, 8 unter Hinzufügung von Merkmalen aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 2, Zeilen 33-38). Diese Ausgestaltung ergibt sich auch aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1-3 und 7, 8 iVm Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 4, Zeilen 9-13).

Die Merkmale nach den geltenden Patentansprüchen 2 bis 14 finden sich in den erteilten Patentansprüchen 4 bis 6 und 9 bis 18 und außerdem in den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 6 und 9 bis 18.

Die Zulässigkeit wurde auch nicht bestritten.

2. In der geltenden Beschreibungseinleitung ist sinngemäß ausgeführt, dass bei dem aus der DE 198 15 838 A1 bekannten Profilkörper eine relativ breite Ausnehmung im Kern zum Einführen des Profilkörpers in die Nut erforderlich sei. Außerdem stellten die aufzubringenden Montagekräfte ein Erschwernis für das Montagepersonal dar, und schließlich könne der widerhakenförmige Profilkörper bei der Demontage des Bezuges nur schwer aus der Nut zurückgezogen werden. Der Einzugstab nach der EP 0 403 815 B1 könne aufgrund der fehlenden Eigensteifigkeit der Annähfahne nur schwierig durch die schlitzförmige Öffnung im Polsterelement durchgesteckt werden.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, ein neues Polsterelement mit Bezug vorzuschlagen, dass die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile vermeidet.

Dieses Problem wird durch das Polsterelement mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3.1 Das ohne Zweifel gewerblich anwendbare Polsterelement nach dem Patentanspruch 1 ist unbestritten neu.

Weder aus den in Betracht gezogenen Druckschriften noch aus der behaupteten Vorbenutzung ist ein Polsterelement mit allen in Anspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere ist es nicht bekannt, an einem Polsterelement einen den Bezug befestigenden Profilkörper mit einem sich in der Ausnehmung erstreckenden, zwei durch einen Gelenkabschnitt verbundene Abschnitte hoher Eigensteifigkeit aufweisenden Schaft vorzusehen.

3.2 Das Polsterelement nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Maschinenbau-Ingenieur oder Techniker als Konstrukteur von Polstersitzen an, der bei einem Zulieferer für die Fahrzeug-Industrie mit der Konstruktion von Polstersitzen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Wie oben zur Neuheit ausgeführt, ist ein Profilkörper mit einem sich in der Ausnehmung erstreckenden Schaft mit zwei durch einen Gelenkabschnitt getrennten Abschnitten hoher Eigensteifigkeit nicht bekannt.

Bei einer Befestigungseinrichtung nach der EP 0 252 783 A2 ist ein einstückiges Verhakungselement 11 mit einer ankerförmigen Verhakung 15 unmittelbar am Polsterbezug 4 befestigt. Ein eigensteifer Schaft des Verhakungselements erstreckt sich in einem Bereich einer Ausnehmung 12. Das Verhakungselement wird offenbar an diesem Schaft durch diesen Bereich der Ausnehmung hindurchgedrückt (Spalte 4, Zeilen 13-26; Figur 6). Dabei weist der Schaft in einem der Sitzoberfläche zugewandten Abschnitt einen gegenüber dem des darunter liegenden Abschnitts geschwächten Querschnitt von 0.3 bis 0.4 mm Dicke auf, an den sich in Richtung zur Sitzoberfläche gesehen ein weiterer Abschnitt des Schafts mit wieder ungeschwächtem Querschnitt anschließt. Der geschwächte Abschnitt ermöglicht das Annähen an den Bezug mittels einer Nähmaschine (Spalte 2, Zeile 62 bis Spalte 3, Zeile 5; Ansprüche 1, 3; Figur 2, Pos.16). Er mag im nicht vernähten Zustand bei Aufbringen einer Druckkraft ein Ausknicken der beiden ungeschwächten Schaft-Abschnitte gegeneinander nach Art einer Gelenkstelle ermöglichen. Im zur Montage fertig vorbereiten Zustand, d.h. wenn der Schaft sich in der Ausnehmung erstreckt (wie es im geltenden Anspruch 1 gefordert ist), ist das Verhakungselement aber eben an dieser "Gelenkstelle" mit dem doppellagigen Bezug vernäht. Durch den doppellagig angenähten Bezug sowie auch durch die Naht als solche wird dieser an sich geschwächte Abschnitt des Schaftes für den Fachmann ohne weiteres erkennbar so versteift, dass ein Ausknicken der ungeschwächten Schaft-Abschnitte nicht stattfinden kann. Somit entnimmt der Fachmann dieser Druckschrift ein Verankerungselement mit einem über seine gesamte sich in der Ausnehmung erstreckenden Länge steifen Schaft. Eine Anregung, den sich in der Ausnehmung erstreckenden Schaft zwischen zwei Abschnitten hoher Eigensteifigkeit gelenkig auszubilden, erhält der Fachmann somit aus dieser Druckschrift gerade nicht.

Auch die übrigen Druckschriften können keine Anregung zu einer entsprechenden Ausgestaltung geben.

Bei dem Polsterelement nach der EP 0 403 815 B1 ist ein Bezug 12 an einem elastischen Kern 16 durch einen Profilkörper 11' aus Kunststoff befestigt. In der Oberfläche des Kerns ist eine schlitzartige Ausnehmung vorgesehen, die bis zur Unterseite des Kerns durchgeht. Am Bezug ist innenseitig ein Rand eines Materialstreifens (Annähfahne 8) befestigt, mit dessen gegenüberliegendem Rand der formstabile Profilkörper verschweißt ist. Der Profilkörper ist durch die Ausnehmung durchgesteckt und hintergreift den Bezug am Kern befestigend das Kernmaterial (Figur 4). Die Annähfahne erfüllt - zumindest im Hinblick auf die Übertragung der Zugkräfte zum Spannen des Bezugs - die Funktion des Schaftes im Sinne des Streitpatents. Diese Annähfahne weist aber über ihre gesamte Länge gleichbleibenden Querschnitt auf. Konstruktive Maßnahmen zur Bildung einer lagedefinierten Gelenkstelle sind nicht vorgesehen.

Die DE 198 15 838 A1 zeigt ein Polsterelement 13 mit einem Bezug 14, der mittels eines Verankerungselementes 1 an einem Kern 15 aus elastischem Material befestigt ist. Das Verankerungselement weist einen formstabilen Profilkörper 3 und einen mit diesem unlösbar verbundenen Materialstreifen 2 aus gummielastischem Material auf. Der Profilkörper besteht aus einem Widerhakenschaft 4 und zwei Widerhakenarmen 5, 6 und ist aus starrelastischem bzw steifem Kunststoff gebildet (Spalte 7, Zeile 52 bis Spalte 8, Zeile 14). Die Widerhakenarme sind am Widerhakenschaft durch jeweils ein Filmscharnier 11, 12 angelenkt. Um das Durchstecken des formstabilen Profilkörpers durch eine in eine Nut 16 im Kern mündende schlitzförmige Ausnehmung 17 zu erleichtern, ist der Widerhakenschaft zur Übertragung der relativ hohen Druckkräfte steif ausgebildet (Spalte 4, Zeilen 19-24). Gelenkig verbundene Schaft-Abschnitte hoher Eigensteifigkeit sind auch hier nicht vorgesehen.

Das Verankerungselement nach der behaupteten Vorbenutzung entspricht in seiner Bauweise dem nach der EP 0 403 815 B1 und kann dem Fachmann demnach ebenfalls keine Hinweise zu der besagten Ausgestaltung des Schaftes geben.

Nachdem für den Fachmann weder aus einer der genannten Druckschriften noch aus der behaupteten Vorbenutzung für sich die Ausgestaltung des sich in der Ausnehmung erstreckenden Schaftes mit zwei durch einen Gelenkabschnitt getrennten steifen Abschnitten entnehmbar ist, kann auch eine beliebig geartete Zusammenschau nicht auf eine entsprechende Ausgestaltung führen.

Mit dem Patentanspruch 1 haben die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14 Bestand, die zweckmäßige Ausgestaltungen des Polsterelements nach Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten enthalten.

4. Da die gemäß der Einsprechenden II angeblich vorbenutzten Polsterelemente, wie aus Vorstehendem entnehmbar, dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 weder die Neuheit nehmen noch die diesem zugrundeliegende erfinderische Tätigkeit in Frage stellen können und somit der Patentfähigkeit nicht entgegenstehen, brauchte der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungshandlung nicht nachgegangen zu werden.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Küstner Reinhardt Bb






BPatG:
Beschluss v. 15.06.2005
Az: 9 W (pat) 302/03


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