Amtsgericht Köln:
Urteil vom 30. November 2005
Aktenzeichen: 147 C 143/05

(AG Köln: Urteil v. 30.11.2005, Az.: 147 C 143/05)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4315,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.10.2004 sowie weitere 229,04 EUR vorgerichtlicher Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.8.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Unter Vermittlung des Agenten der E. I. B.Versicherungs AG des Zeugen Singer beantragte der Kläger am 10.3.2003 (Antragskopie Bl. 70) als Geschäftsführer der im Handelsregister des Amtsgerichts Deggendorf (Bl. 35-38) unter HRB 2571 eingetragenen "C. + T. H. GmbH" bei der E. I. B. Allgemeine Versicherungs AG den Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages für Selbständige mit erweitertem Straf-Rechtsschutz für den Inhaber/Geschäftsführer. Die Prämienkalkulation der Beklagten wurde ausweislich der auf dem Antrag abgedruckten Tabelle nach der Mitarbeiterzahl vorgenommen. Die E. I. B. VersicherungsAG nahm den Antrag an und erteilte unter dem 16.4.2003 (Bl. 71 f.) den Versicherungsschein. Es wurde Anwendbarkeit der §§ 1-20, 28 Abs. 1,2,3,5,6 und 7 sowie der besonderen Vereinbarung Nr. 81 der AVB 2000 vereinbart (Bl. 71, 92-95).

Aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 28.10.2002 änderte die "C + T. H. GmbH" ihren Unternehmensgegenstand von "Gastronomie" um in "Abbruch und (Teil-)Renovierung von Gebäuden" und firmierte um in "C + T. B. GmbH".

Das Schadensabwicklungsunternehmen der E. I. B. Versicherungs AG war die E. I. Schadensservice GmbH. Diese wurde zwischenzeitlich von der Beklagten übernommen.

Mit Schreiben vom 4.12.2003 der QJ wurde der Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn wegen eines Eingehungs- oder Leistungskreditbetruges ermittelt werde, den er in seiner Funktion als Geschäftsführer der "C. T. B. GmbH" am 12.7.2003 begangen haben sollte. Der Beklagte beauftragte Rechtsanwalt I. aus Cham mit seiner Vertretung und vereinbarte einen Stundensatz von 250,00 EUR. Dieser suchte mit Schreiben vom 6.12.2003 um Deckungszusage nach (Bl. 24). Mit Schreiben vom 27.3.04 lehnte die Beklagte Deckungsschutz ab mit der Begründung, Versicherungsschutz bestehe nur für den Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer der "C + T H. GmbH" wogegen er aber ermittelt werde gegen ihn als Geschäftsführer der "C+ T. B. GmbH" .sei einer andere GmbH. Hieran hielt die Beklagte auch nach Übersendung einer Handelsregisterauszuges fest.

Das Ermittlungsverfahren wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 13.2.2004 Anl. K 12, Bl. 29 d.A.) nach § 154 d StPO vorläufig eingestellt.

Der Rechtsanwalt des Klägers bearbeitete das Mandat in dem aus der Rechnung vom 12.10.2004 (Bl. 47 f. ) ersichtlichen zeitlichen Umfang und berechnete hierfür der Beklagten 4315,78 EUR mit fruchtloser Zahlungsaufforderung zum 25.10.04.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ihre Versicherungsnehmerin sei die "C + T H. GmbH" und die "C + T B GmbH" sei einer andere GmbH, für die sie keinen Versicherungsschutz zu gewähren verpflichtet sei.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Es trat ein Versicherungsfall durch die Ermittlungen gegen den Kläger ein, weil Versicherungsnehmerin stets die unter HRB 2571 beim AG Deggendorf eingetragene GmbH war, betreffs derer Anfang 2003 wirksam ein Versicherungsvertrag zustandekam. Unbeschadet einer Änderung des Namens und des Geschäftszweiges blieb es dieselbe GmbH und demgemäß die Versicherungsnehmerin.

Die Rechtsauffassung der Beklagten zur Personenungleichheit der "C + T H. GmbH" und der "C + T B. GmbH" ist mit den Grundzügen des deutschen und europäischen Gesellschaftsrechts nicht zu vereinbaren.

Das Gericht sieht sich außerstande, dies zu begründen, ohne einen Vergleich zu der der Rechtskonstruktion der juristischen Person zugrundeliegenden Realität der natürlichen Person zu ziehen.

Auch die natürliche Person, oder sagen wir es noch anschaulicher, der Mensch, ist in seinem Leben Veränderungsprozessen unterworfen. Erinnern wir uns an unsere Kindheit und unser damaliges Aussehen - würden unsere Freunde der Kindheit uns heute ohne weiteres wiedererkennen € Erinnern wir uns auch daran, dass wir als Kinder bei unserem Vornamen gerufen wurden, wogegen wir heute ganz anders aussehen und auch anders gerufen werden. Wir sind wohl sicher auch "ganz anders" - und doch derselbe Mensch. Es kann gar auch dazu kommen, dass sich der Name ändert - oft bietet die Eheschließung hierzu einen Anlass, doch sind auch behördliche Wege zur Namensänderung gangbar und denken wir auch an den weiten Bereich der Künstlernamen. Gravierende Änderungen also in unserer äußeren Erscheinung, möglicherweise auch unserer Namen und freilich auch in der Art wie wir reden, handeln und leben, können eintreten und doch bleibt die eigentliche essentielle uns innewohnende Einzigartigkeit, unsere Identität oder gottgewollte Personalität unangetastet - wir sind und bleiben unentrinnbar derselbe Mensch.

Und nach diesem Vorbild hat die europäische Rechtstradition die Figur der juristischen Person geschaffen - auch sie kann sich verändern, es kann Kapitalerhöhungen geben, Gesellschafter können ein- und austreten, Geschäftsführer berufen und abberufen werden, Prokura erteilt und widerrufen werden , und es kann auch der Geschäftszweig und der Name geändert werden - es bleibt eben doch dieselbe juristische Person. Dies ist freilich nicht einer zweifelhaften Realität geschuldet, erscheint doch die juristische Person nach derartigen Änderungen vielleicht wirklich als eine ganz andere, sondern stand zur Disposition des regelnden und gesetzgebenden Souveräns, der sich für das Treffen ebensolcher Regelungen entschieden hat. §§ 53, 54 GmbHG erlauben Änderungen des Gesellschaftervertrages und setzen auf diese Weise voraus, dass diese die Identität der Gesellschaft nicht berühren. Ebenso setzen die §§ 33, 34 HGB voraus, dass derartige Änderungen den Bestand und die Identität der Gesellschaft nicht berühren, indem sie regeln, dass Änderungen ausdrücklich auch der Firma, also des Namens der GmbH, und des Geschäftszwecks bei der jeweiligen (also identischen) GmbH einzutragen sind.

Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Geschäftszweigänderung gemäß § 31 Abs. 3 c RVB 2000 mitzuteilen gewesen wäre. § 68 VVG ist indes nicht einschlägig, weil das versicherte Interesse der gewerblichen Tätigkeit stets gegeben war, eine bloße Änderung dadurch, dass statt der einen nun eine andere gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, fällt hingegen ebensowenig unter § 68 VVG, wie es den Versicherungsschutz im Rahmen der Hausratversicherung entfallen lässt, wenn der Versicherungsnehmer ein Fahrrad verkauft und ein anderes erwirbt. Vorliegend kann dahinstehen, ob die Mitteilung über die Geschäftszweigänderung wie vorgetragen an den Zeugen Singer erfolgte. Vorliegend würde auch bei einer unterbliebenen Mitteilung die Beklagte hieraus keine Rechte geltend machen können, weil der eingetretene Versicherungsfall ohnehin keinen spezifischen Bezug zum Geschäftszweig aufweist - es liegt der Vorwurf eines Eingehungsbetruges vor, der im Rahmen der Gastronomie in keiner Weise als fernliegender erscheint als im Rahmen ein es Abbruchtechnikbetriebes. Sinn des § 31 Abs. 3 c RVB 2000 ist es aber lediglich, dem Versicherer betreffs solcher Risiken zur Leistungsverweigerung zu berechtigen, die er bei Abschluss des Vertrages nicht hat voraussehen können, weil sie erst durch eine ihm verschwiegene Geschäftszweigänderung ins Blickfeld traten. Dass aber ein Gewerbetreibender in den Verdacht geraten kann, Verpflichtungen begründet zu haben, obschon er gewusst haben soll, diese nicht erfüllen zu können, ist Risiko jeder gewerblichen Tätigkeit, taucht doch dieser Vorwurf mit einer gewissen Regelmäßigkeit in Situationen auf, wo ein gewerbetreibender in Liquiditätsprobleme gerät. Es kann nun nicht Aufgabe der Obliegenheit zur Mitteilung von Änderungen sein, den Versicherer vor solchen Risiken zu schützen, die er unabhängig von derartigen Änderungen stets bei der Versicherung Gewerbetreibender zu erwarten hat.

Zum Umfang der Versicherungsleistung ist auf die zu den Akten gereichte Rechnung des Klägers zu verweisen (Bl. 47 f.). Die Angemessenheit des berechneten Stundensatzes sowie des berechneten Aufwandes mit Rücksicht auf die Bedeutung der Angelegenheit wird beklagtenseits auch nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte wehrt sich dagegen, überhaupt einstandspflichtig zu sein, wehrt sich aber nicht gegen die Höhe der berechneten Beträge.

Im Rahmen der solchermaßen allein vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung erachtet das Gericht den Anspruch als gegeben. Insbesondere ist dem Gericht der Streit um die Anwendbarkeit des § 31 RVB 2000 bzw. des besonderen "I.-Rechtsschutzes" unverständlich. Bereits aus der unstreitig vereinbarten Vereinbarung Nr. 81 (Bl. 74 unten und Bl. 73 oben) ergibt sich, dass bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens einen Rechtsschutzfall darstellt und dass abweichend von der Vergütung nach BRAGO die angemessene Vergütung geschuldet wird, die der Versicherer in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 BRAGO prüfe, wonach Grenze die unangemessen hohe Vergütung ist. Insoweit ist nichts dafür ersichtlich und wird eben auch beklagtenseits nichts dafür vorgetragen, weshalb vorliegend ein Strafverteidigerhonorar von 250,- EUR je Stunde unangemessen hoch sein sollte. Allgemein bekannt ist, dass auch deutlich höhere Stundensätze bei Angelegenheiten entsprechender Bedeutung zur Anwendung gelangen.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ergibt sich als Verzugs-, bzw. Rechtshängigkeitszins aus den §§ 286, 288, 291 BGB, der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten als Verzugsschaden aus den §§ 280, 286 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Der Klägerschriftsatz vom 21.11.2005 rechtfertigte keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil seine Berücksichtigung nicht zu einem anderen Ergebnis würde führen können. Der Vortrag blieb unberücksichtigt.

Streitwert : 4315,71 EUR






AG Köln:
Urteil v. 30.11.2005
Az: 147 C 143/05


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