Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 140/03

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2005, Az.: 32 W (pat) 140/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 41 vom 14. Januar 2003 aufgehoben.

Die Marke 300 54 936 wird gelöscht.

Gründe

I.

Gegen die am 24. Juli 2000 angemeldete und seit dem 18. April 2001 für die Dienstleistung

"Betrieb eines Callcenters für Life-Telefonate mit aufgeschlossenen Frauen zu Unterhaltungszwecken"

eingetragene Wortmarke Venus-Lineist aus der prioritätsälteren deutschen Wortmarke 397 45 665 (Anmeldetag 24. September 1997)

Venus Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt u.a. Schutz für die Dienstleistungen

"Unterhaltung; Zusammenstellung von Internet-, Intranet- und Chatfähigen Multimediaprogrammen; Unterhaltungsvorstellungen (sämtliche vorgenannten Dienstleistungen für den Erotikbereich)".

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Beschluss vom 14. Januar 2003 zurückgewiesen. Zwischen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die wechselseitigen Dienstleistungen lägen nur im mittleren Ähnlichkeitsbereich. Die Telekommunikationsdienstleistung der jüngeren Marke habe eher einen technischen Bezug, während die Unterhaltungsdienstleistung der Widerspruchsmarke eher einen inhaltlichen Bezug habe. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei für Dienstleistungen mit Bezug zur Erotik nur gering, da "Venus" u.a. der Name einer Liebesgöttin sei und sich im Erotik-Bereich erkennbar an eine bloße Sachangabe anlehne. Den bei dieser Ausgangslage erforderlichen geringen Markenabstand halte die Marke ein. Phonetisch scheitere eine Verwechslungsgefahr daran, dass der Bestandteil "Venus" auf Seiten der jüngeren Marke wegen seiner Kennzeichnungsschwäche keine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung habe. Die Bestandteile "Venus" und "Line" seien jeweils kennzeichnungsschwach und gleichgewichtig. Gegen eine Reduzierung auf einen Bestandteil spreche auch der Sinngehalt der Wortkombination "Venus-Line", nämlich Telefonverbindung zum Thema Liebe/Erotik/Sexualität. Die Vergleichsmarken würden wegen der Kennzeichnungsschwäche des Wortelements "Venus" auch nicht gedanklich in Verbindung gebracht, da sich dieser Zeichenteil nicht als Stammbestandteil einer Markenserie eigne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 14. Januar 2003 aufzuheben und die Marke 300 54 936 aufgrund des Widerspruchs aus dem Markenregister zu löschen.

Zwischen den wechselseitigen Dienstleistungen bestehe eine hochgradige Ähnlichkeit, da Telefondienstleistungen und Dienstleistungen mittels eines Computers jeweils Kommunikationsmittel beträfen, die eine branchenmäßige Nähe aufwiesen. Die jüngere Marke werde allein durch den mit der Widerspruchsmarke identischen Wortteil "Venus" geprägt, da dem beschreibenden Bestandteil "Line" keine eigenständige Kennzeichnungskraft zukomme. Die Widerspruchsmarke habe aufgrund intensiver Benutzung eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit. Unter diesem Namen finde in Berlin jährlich eine internationale Erotikmesse statt. In einem von der Widersprechenden eingereichten Interview mit dem Veranstalter der Messe ist davon die Rede, die Messe habe einen extrem hohen Stellenwert in der Branche. Bei der fünften Venusmesse 2001 sei es im Bereich TV-, Presseberichterstattung und Internet zu insgesamt ca. 200 Millionen Werbekontakten gekommen.

Die Markeninhaberin ist dem entgegengetreten. Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zwischen den wechselseitigen Dienstleistungen bestehen keine hochgradige Branchennähe, da "Chats" eine andere Form der Kommunikation seien als Telefonate. Was die Markenähnlichkeit anbelange, sei auf den Gesamteindruck der jüngeren Marke abzustellen. Die gleichgewichtigen Wortteile "Venus" und "Line" bildeten eine untrennbare Einheit. Die Widerspruchsmarke habe nur eine geringe Kennzeichnungskraft. Eine Erhöhung der Kennzeichnungskraft durch Verkehrsgeltung komme allenfalls im Zusammenhang mit der Erotikmesse in Betracht.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angegriffene Marke ist wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke zu löschen.

Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

a) Die für die jüngere Marke beanspruchte Dienstleistung "Betrieb eines Callcenters für Life-Telefonate und aufgeschlossenen Frauen zu Unterhaltungszwecken" ist mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke "Unterhaltung; Zusammenstellung von Internet-, Intranet- und Chatfähigen Multimediaprogrammen; Unterhaltungsvorstellungen (sämtliche vorgenannten Dienstleistungen für den Erotikbereich)" entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht nur durchschnittlich, sondern hochgradig ähnlich. Den von der Markenstelle aufgezeigten Unterschied, wonach die jüngere Marke eher einen technischen Bezug, die Widerspruchsmarke dagegen einen eher inhaltlichen Bezug habe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwischen den Dienstleistungen besteht eine branchenmäßige Nähe, da die jeweils angesprochenen Verkehrskreise vergleichbare Erwartungen und eine ähnliche Motivation bei der Inanspruchnahme der jeweiligen Dienstleistungen haben. Diese branchenmäßige Nähe hat eine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen.

Auch die Art der Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen spricht eher für eine hochgradige Ähnlichkeit. In beiden Fällen bedienen sich die Dienstleistungsempfänger technischer Mittel zur Kommunikation. In Verbindung mit einem Mikrophon ist es technisch ohne weiteres möglich, einen Computer als Telephon zu benutzen. Ein Computer ermöglicht nicht nur eine visuelle, sondern auch eine akustische Wahrnehmung, wenn er - wie üblich - mit einer Soundkarte ausgestattet ist. Dienstleistungen, die mittels eines Computers angeboten werden, sind daher mit entsprechenden Dienstleistungen, die mit Telekommunikationsgeräten angeboten werden, hochgradig ähnlich (ebenso Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 104f).

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen leicht geschwächt. Die Widerspruchsmarke "Venus" bezeichnet u.a. - wie allgemein bekannt - eine römische Liebesgöttin an. Soweit die Widersprechende eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke aus der Bekanntheit der von ihr unter dem Namen "Venus" veranstalteten Erotikmesse ableitet, ergibt sich daraus noch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft für die hier zu beurteilenden Dienstleistungen, sondern allenfalls für die nicht streitgegenständliche Dienstleistung "Veranstaltung von Messen".

c) Die sich gegenüberstehenden Marken sind zumindest durchschnittlich ähnlich. Es kann dahinstehen, ob die Marken bereits deshalb unmittelbar verwechselbar sind, weil der Bestandteil "Line" der angegriffenen Marke als glatt beschreibend bei der Benennung unberücksichtigt bleibt. Jedenfalls besteht die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht und unter diesem Aspekt verwechselt werden. Bei dieser sog. assoziativen Verwechslungsgefahr erkennt der Verkehr zwar, dass zwei unterschiedliche Marken vorliegen, ordnet diese aber wegen Übereinstimmungen in prägenden Markenteilen irrtümlich ein und derselben betrieblichen Herkunft zu bzw. schließt auf sonstige wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen zwischen den Markeninhabern.

Das Markenwort "Venus" der Widerspruchsmarke ist in der jüngeren Marke identisch enthalten und ist der eigentlich kennzeichnende Teil. Der zweite Markenbestandteil "Line" ist in der Bedeutung Telefonverbindung für Livekontakte glatt beschreibend und daher dem Eingangsbestandteil "Venus" nicht gleichgewichtig. Erhebliche Teile des Verkehrs werden die jüngere Marke in dem Sinn verstehen, das es sich um die Line von Venus handelt. Ein entscheidungserheblicher Teil des Verkehrs wird deshalb, unbeschadet des Umstands, dass auch Venus - wie ausgeführt - leicht kennzeichnungsschwach ist, den überstimmenden Markenbestandteil als den eigentlich kennzeichnenden Teil der angegriffenen Marke ansehen und beide Marke demselben Unternehmen zuordnen. Dem Eingangsbestandteil Venus kommt innerhalb der angemeldeten Wortkombination die Eignung zu, als Stammbestandteil einen Herkunftshinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden zu geben. Dies gilt auch dann, wenn die Widersprechende bisher über keine Zeichenserie mit diesem Wort verfügen sollte, weil es sich hierbei um keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer assoziativen Verwechslungsgefahr handelt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn 486).

d) Bei hochgradig ähnlichen Dienstleistungen, nur leicht geschwächter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und vorhandener Ähnlichkeit der Marken kann die Gefahr von Verwechslungen (assoziativer Art) nicht ausgeschlossen werden.

Für die Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Viereck Dr. Albrecht ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.

Viereck Kruppa Hu






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2005
Az: 32 W (pat) 140/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1561116b2c9c/BPatG_Beschluss_vom_6-Juli-2005_Az_32-W-pat-140-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share