Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 7. Mai 2004
Aktenzeichen: 6 U 4/04
(OLG Köln: Urteil v. 07.05.2004, Az.: 6 U 4/04)
Tenor
1.) Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 19.12.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 164/03 - wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
B e g r ü n d u n g
Die Parteien stehen als Anbieter von Handys miteinander im Wettbewerb. Die Antragstellerin beanstandet ein Angebot der Antragsgegnerin im Internet, das den Erwerb eines Sony Ericsson Handys zum Preis von 99,95 Euro bei gleichzeitigem Abschluss eines Netzkartenvertrages zum Gegenstand hat, als Verstoß gegen § 1 PAngV. Gegenstand der Beanstandung im einzelnen ist der Vorwurf, die nach der PAngV notwendigen Angaben seien dem Angebot nicht im Sinne der Vorschrift eindeutig zugeordnet und nicht leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar gemacht worden.
Der Interessent erlangt Informationen über das Angebot auf einer Internetseite der Antragsgegnerin, die auf der nachfolgenden Seite 3 dieses Urteils wiedergegeben ist. Auf dieser Internetseite, die durch einen Button "Bestellen" die Möglichkeit der Bestellung des Handys vorsieht, befindet sich neben der Preisangabe und neben dem Text, der unter der Überschrift "Ihr Vorteil bei Online-Bestellung" steht, jeweils ein mit "i" gekennzeichneter Button, der angeklickt werden kann. Außerdem findet sich unter der Überschrift "Tarifvorteile" die mit einem Pfeil gekennzeichnete Angabe "mehr Tarif-Details". Klickt der Interessent den erwähnten Button ("i") an, so gelangt er auf eine Internetseite der Antragsgegnerin, die auf der nachfolgenden Seite 4 dieses Urteils wiedergegeben ist. Klickt er den Link "mehr Tarif-Details" an, so gelangt der Interessent auf eine weitere Internetseite der Antragsgegnerin, die auszugsweise auf den Seiten 5 und 6 dieses Urteils eingeblendet ist.
pp.
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung untersagt, Mobiltelefone, die in Verbindung mit dem Abschluss eines Netzkartenvertrages abgegeben werden, wie auf der Seite 3 dieses Urteils wiedergegeben mit Preisangaben zu bewerben, und diese einstweilige Verfügung durch die angefochtene Entscheidung bestätigt. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, es sei zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass die erforderlichen Angaben über einen Link gemacht würden, anderes gelte jedoch, solange der Nutzer nicht wisse, was ihn am Ziel der Verknüpfung erwarte, bzw. solange er meine, alle notwendigen Informationen bereits zu haben. So liege der Fall hier deswegen, weil das Handy mit 99,95 Euro aus der Sicht des Verbrauchers keineswegs verschenkt werde und deswegen auch ein aufgeklärter Verbraucher durchaus für möglich halten könne, dass bestimmte Fixpreisbestandteile nicht verlangt würden. Wenn es - wie im vorliegenden Falle - an jedem Hinweis darauf fehle, dass die Preisangaben, die sich in dem ersten Internetauftritt (oben S.3) befänden, nicht vollständig seien, genüge der lediglich optionale Hinweis darauf, dass mehr Tarif-Details über einen Link mitgeteilt würden, den Anforderungen der PAngV nicht. Im übrigen sei es auch so, dass der mit "i" erreichbare Link (oben S.4) bei flimmerndem Bildschirm "Augenpulver" und kaum erkennbar sei und die mit dem Link "mehr Tarif-Details" (oben S.5 und 6) zu erreichenden Angaben zwar inhaltlich ausreichten, aber nicht vollständig seien, weil die anfallenden Versandkosten nicht aufgeführt seien.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Antragsgegnerin vor, es treffe nicht zu, dass die Vermittlung von Informationen über einen Link nur dann ausreiche, wenn der Internetnutzer wisse, was ihn am Ende des Links erwarte, bzw. er nicht annehme, schon über alle notwendigen Informationen zu verfügen. Außerdem entnehme der durchschnittlich interessierte Internetnutzer der Angabe "mehr Tarif-Details", dass er durch Betätigen dieses Links eben mehr Detailinformationen über den Tarif erhalte. Im übrigen wisse der Verbraucher aber ohnehin, dass er bei einer günstigen Bewerbung eines Handys, wozu auch dessen Abgabe zu einem Preis von nur knapp 100 EUR gehöre, einen Netzkartenvertrag abschließen müsse, bei dem je nach Angebot auch ein bestimmter Mindestumsatz pro Monat getätigt werden müsse. Unrichtig sei auch die Auffassung, die bloß optionale Möglichkeit, über einen Link von den Informationen Kenntnis zu nehmen, genüge den Anforderungen der PAngV nicht. Ebenso wie es dem Leser einer Printwerbung freistehe, einem Sternchenhinweis zu folgen oder dies eben nicht zu tun, müsse es dem Internetnutzer freistehen, die angebotenen Informationen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Es treffe auch nicht zu, dass moderne Bildschirme noch flimmerten. Schließlich würden nicht nur die Versandkosten sondern - wie sich aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Anlagen EVB 8 und EVB 9 ergebe - auch die Tarifinformationen noch angegeben, sobald sich der Nutzer durch Betätigung des Links "Bestellen" zum Kauf entschließe.
Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Berufung ist zulässig aber nicht begründet. Die einstweilige Verfügung ist zu Recht erlassen und auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin bestätigt worden, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG nicht widerlegt ist und aus § 1 UWG i.V.m. § 1 Abs.1, 6 PAngV auch ein Verfügungsanspruch besteht.
Die Antragsgegnerin ist gem. § 1 Abs.1 S.1 PAngV bei dem Angebot des Handys mit Netzkartenbindung im Internet zur Angabe sämtlicher (End-) Preise verpflichtet, die für den Erwerb des Handys und im Rahmen des Netzkartenvertrages zu zahlen sind.
Die Angaben hat sie gem. § 1 Abs.6 PAngV n.F., der mit dem früheren, von dem Landgericht angeführten Absatz 5 der Vorschrift identisch ist, dem Angebot eindeutig zuzuordnen und sie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar zu machen. Diesen Anforderungen genügt der beanstandete Internet-Auftritt nicht.
Auf der Internetseite der Antragsgegnerin, die das Angebot zum Erwerb des Handys und Abschluss eines Netzkartenvertrages enthält und auf Seite 3 dieses Urteils wiedergegeben ist, sind die zu zahlenden Tarife nicht vollständig angegeben. Es fehlt der Hinweis auf den einmaligen Anschlusspreis von 24,95 EUR und auf die monatliche Grundgebühr in Höhe von 9.95 EUR, die ausweislich der auf S.5 dieses Urteils wiedergegebenen Tarife der Antragsgegnerin neben den Gesprächskosten anfallen. Zudem sind die Gesprächstarife mit "ab ..." nur unvollständig angegeben worden. Die Antragsgegnerin kann ihrer aus § 1 Abs.1 S.1 PAngV folgenden Pflicht zur vollständigen Angabe der Endpreise allerdings auch - vergleichbar einem Sternchenhinweis in der Printwerbung - dadurch nachkommen, dass sie die notwendigen Angaben auf einer anderen Internetseite macht, zu der der Nutzer über einen einfachen Link geführt wird. Das setzt aber im Hinblick auf die Anforderungen des § 1 Abs.6 PAngV voraus, dass hierauf klar und unmissverständlich hingewiesen wird (vgl. BGH GRUR 03, 889 f - "Internet-Reservierungssystem"). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dabei kann offenbleiben, ob der Antragsgegnerin darin zu folgen wäre, dass der maßgebliche durchschnittlich interessierte und durchschnittlich aufmerksame Interessent, anders als dies die Kammer angenommen hat, die Unvollständigkeit der Preisangaben in dem beanstandeten Internetauftritt (oben S.3) erkennen wird.
Der Internetauftritt genügt den Anforderungen jedenfalls deshalb nicht, weil in ihm nicht klar und unmissverständlich darauf hingewiesen wird, über welche elektronische Verknüpfung der interessierte Nutzer an die vollständigen Informationen gelangen kann.
Der Interessent wird zumindest in erster Linie erwarten, die vollständigen Tarifinformationen über den mit "i" gekennzeichneten Link erreichen zu können. Denn das "i" steht erkennbar für "Information" und der Link findet sich unmittelbar neben der Preisangabe von 99,95 EUR und darüber hinaus auf der selben Internetseite noch ein zweites Mal. Der Link führt auch zu Preisangaben, die die Anforderungen der Vollständigkeit erfüllen mögen, diese aus der Seite 4 dieses Urteils ersichtlichen Angaben sind aber nicht im Sinne des § 1 Abs.6 PAngV deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar. Der Interessent findet dort einen engzeiligen nicht gegliederten Text von 27 Zeilen in kleiner Schrift mit einer Fülle von Angaben über das zu erwerbende Gerät und die für den Netzkartenvertrag geltenden Tarife. Diese Gestaltung der Angaben ist von ihrer Aufmachung geeignet, den - auch den interessierten - Internetnutzer von der Lektüre abzuhalten. Es kommt hinzu, dass der Text inhaltlich mit ganz anderen, für den Erwerber weniger bedeutsamen Angaben wie denjenigen über Versandkosten in Höhe von 2,50 EUR beginnt und mit werbenden Anpreisungen durchsetzt ist, so dass der Leser aus den ersten Zeilen den Eindruck gewinnen muss, er könne die vollständigen dort vermuteten Preisangaben nur erfahren, wenn er den ganzen Text lese und sich die darin verstreuten Informationen dabei selbst zusammensuche. Auf diese Weise gemachte Angaben sind weder deutlich lesbar noch sonst gut wahrnehmbar.
Diese Anforderungen aus § 1 Abs.6 PAngV an die Lesbarkeit oder sonstige Wahrnehmbarkeit sind allerdings durch die Angaben erfüllt, auf die der Nutzer nach Betätigung des Links "mehr Tarif-Details" gelangt und die auszugsweise auf den Seiten 5 und 6 dieses Urteils wiedergegeben sind. Diese Angaben reichen indes deswegen nicht aus, weil auf der beanstandeten Internetseite auf diesen Link und die darin befindlichen Inhalte nicht klar und unmissverständlich hingewiesen wird. Der Interessent wird aus den bereits dargestellten Gründen erwarten, die gesuchten vollständigen Preisangaben über den mit "i" gekennzeichneten Link erreichen zu können. Er wird angesichts dessen nicht erwarten, dieselben Informationen auch über den mit "mehr Tarif-Details" gekennzeichneten Link erhalten zu können. Der Internetnutzer wird vielmehr annehmen, dort lediglich Einzelheiten zu den Gesprächstarifen zu finden. Denn der Link findet sich unter der Überschrift "Tarifvorteile" und unter dieser Überschrift sind die Gesprächstarife zunächst nur auszugsweise ("ab ...") angesprochen. Es liegt daher nahe, unter "mehr Tarif-Details" eben die vollständigen, bekanntermaßen oft sehr differenziert geregelten Gesprächstarife, aber nicht zusätzlich sämtliche nach der PAngV erforderlichen Preisangaben zu erwarten. Der Senat lässt die - zweifelhafte - Frage offen, ob der Link "mehr Tarif-Details" den Anforderungen genügen könnte, wenn die Internetseite nicht auch den mit "i" gekennzeichneten Link anbieten würde. Jedenfalls in der allein zu beurteilenden Seitengestaltung, die den Link "i" (sogar zweifach) enthält, genügt die Antragsgegnerin den Anforderungen des § 1 PAngV durch den zusätzlichen Link "mehr Tarif-Details" und die dadurch erreichbaren Informationen nicht.
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in zweiter Instanz auch darauf, dem zum Kauf entschlossenen Interessenten würden nach Anklicken des Buttons "Bestellen" über weitere Links, über die er zwangsläufig geführt werde, alle nach der PAngV notwendigen Angaben präsentiert. Der Senat lässt die Frage offen, ob die aus den hierzu angeführten Anlagen EVB 8 und EVB 9 ersichtliche Seitengestaltung den Anforderungen des § 1 Abs.6 PAngV genügt. Denn dieser erstmals im Berufungsverfahren gebrachte Vortrag der Antragsgegnerin kann gem. § 531 Abs.2 ZPO nicht berücksichtigt werden, weil neue Verteidigungsmittel grundsätzlich nicht zuzulassen sind und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung nicht vorliegen. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Antragsgegnerin unverschuldet gehindert gewesen wäre, in erster Instanz auf diese Angaben zu verweisen. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Entscheidung nicht einmal darauf an, dass die Antragsgegnerin ihren bestrittenen Vortrag, dass ihr Internetauftritt auch im Zeitpunkt des Verstoßes so ausgestaltet gewesen sei, wie dies aus den erst im Berufungsverfahren vorgelegten Anlagen EVB 8 und EVB 9 hervorgeht, nicht glaubhaft gemacht hat.
Stellt der beanstandete Internetauftritt damit einen Verstoß gegen § 1 PAngV dar, so resultiert hieraus gem. § 1 UWG der geltendgemachte Unterlassungsanspruch, weil Verstöße gegen die PAngV Wettbewerbsbezug haben (vgl. BGH GRUR 03, 971 f - "Telefonischer Auskunftsdienst").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 EUR.
OLG Köln:
Urteil v. 07.05.2004
Az: 6 U 4/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/15b22a805d6c/OLG-Koeln_Urteil_vom_7-Mai-2004_Az_6-U-4-04