Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 175/01
(BPatG: Beschluss v. 17.10.2002, Az.: 25 W (pat) 175/01)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2001 wird aufgehoben.
G r ü n d e:
I.
Die am 19. Oktober 1998 angemeldete Bezeichnung Netmarkersoll für
"Computersoftware; Druckschriften und Bedienerhandbücher für Computersoftware; Erstellen und Aktualisieren von Computersoftware, Softwareunterstützung und Beratung"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke mit Beschluss vom 19. Februar 2001 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Bei der sprachüblich aus den Bestandteilen "Net" und "Marker" zusammengesetzten angemeldeten Marke handele es sich um eine beschreibende Angabe. Dabei werde "Net" allgemein im Sinne von "Netz, Netzwerk" verwendet und verstanden. Da eine Marke stets in ihrer Gesamtheit und im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen sei, stehe hier trotz unterschiedlicher Bedeutungen des Wortes "Marker" die Bedeutung "Stift zum Markieren" im Vordergrund. Der Gesamtbegriff weise damit lediglich beschreibend auf den Zweck und die Funktion der Computerprogramme dergestalt hin, dass diese dafür geeignet und bestimmt seien, in einem Datennetzwerk bestimmte Bereiche von Dateien zu markieren. In Bezug auf die beanspruchten Druckschriften und Dienstleistungen weise das Markenwort nur beschreibend darauf hin, dass sich diese jeweils auf Software mit der dargelegten Markierungsfunktion beziehen. Der Umstand, dass zur Bezeichnung der Markierungsfunktion in Datennetzwerken bereits der Fachausdruck "redlining" bestehe, könne das Freihaltungsbedürfnis, das sich nicht auf unersetzliche Angaben beschränke, nicht beseitigen. Wegen des ohne weiteres erkennbaren Begriffsinhalts werde die Bezeichnung auch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst, so dass ihr auch die erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Die Eintragung angeblich identischer oder vergleichbare Marken begründe keinen Anspruch auf Eintragung der vorliegenden Bezeichnung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2001 aufzuheben und die angemeldete Marke in das Markenregister einzutragen.
Der angemeldeten Marke fehle nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Computernetzwerke seien Systeme aus miteinander verbundenen Computern und Peripheriegeräten und ermöglichten zB die gemeinsame Nutzung der angeschlossenen Peripheriegeräte und den gemeinsamen Zugriff auf Datenbestände. Es sei zwar möglich, bestimmte Textabschnitte in einer Datei zu markieren, jedoch nicht verständlich, wie ein Netzwerk oder bestimmte Bereiche eines Netzwerks markiert werden sollten. Die angemeldete Marke sei als sprachregelwidrige Wortneuschöpfung anzusehen, die damit auch keinem Freihaltungsbedürfnis unterliege.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats lässt sich mit der erforderlichen Sicherheit weder feststellen, dass der Eintragung der angemeldeten Marke das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegensteht noch dass es sich dabei um eine beschreibende freihaltungsbedürftige Angabe iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt.
Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, den betrieblichen Ursprung der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st BGH GRUR 2002, 64 - INDI-VIDUELLE; BGH WRP 2002, 455 - OMEPRAZOK; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22 - Bravo). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22, 29 - Bravo). Nicht unterscheidungskräftig sind Ausdrücke, bei denen ein auf die Ware oder Dienstleistung bezogener Sinngehalt so stark im Vordergrund steht, dass der Gedanke fern liegt, es könnte sich um einen Herkunftshinweis handeln.
Unter diesen Voraussetzungen kann aufgrund der ermittelten Tatsachenbasis der angemeldeten Marke als Gesamtbezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, zumal es zur Begründung von Unterscheidungskraft auch keines weiteren Phantasieüberschusses, sonstiger besonderer Auffälligkeiten oder Besonderheiten der Markenbildung bedarf (BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUEL-LE; vgl auch zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c GMV: EuG MarkenR 2001, 181, 184 Tz 39 und Tz 40 - EASYBANK) und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (vgl BGH MarkenR 2001, 368, 369 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" mwN).
Zwar können die einzelnen Markenbestandteile, nämlich "Net" als allgemein übliche Bezeichnung für "Netz, Netzwerk" und gerade im Zusammenhang mit den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen im EDV-Bereich als gängige Kurzbezeichnung für "Internet", sowie "Marker" in der von der Markenstelle zugrundegelegten Bedeutung "Stift zum Markieren" jeweils beschreibenden Charakter haben und für sich genommen wohl auch nicht eintragungsfähig sein. Dieser Umstand spricht aber weder unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Unterscheidungskraft noch unter dem eines Freihaltungsbedürfnisses für sich zwingend gegen die Eintragungsfähigkeit der Gesamtbezeichnung.
Eine gegenwärtige beschreibende Verwendung der Wortkombination "Netmarker" für die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen konnte von der Markenstelle nicht belegt werden. Eine vom Senat aktuell durchgeführte Recherche im Internet hat ergeben, dass die angemeldete Bezeichnung zwar als solche benutzt wird. Die Fundstellen lassen jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf eine unmittelbare Verwendung des Ausdrucks in Verbindung mit diesen Waren und Dienstleistungen als eine im Vordergrund stehenden Sachangabe oder als beschreibenden Hinweis auf deren Art, Funktion oder Zweck zu, sondern können auch als marken- bzw firmenmäßige Kennzeichnung verstanden werden.
Allerdings bedarf es zur Zurückweisung der Anmeldung des Nachweises einer bereits erfolgten beschreibenden Verwendung der angemeldeten Marke dann nicht, wenn deren Sinngehalt feststeht oder eine Wortverbindung eine verständliche beschreibende Gesamtaussage vermittelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 74 mwN). Dies ist hier ebenfalls nicht der Fall. Unter Berücksichtigung der auch nach der og Rechtsprechung des BGH für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG maßgeblichen Grundsätze kann nämlich eine im Vordergrund stehende Sachaussage der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen nicht hinreichend sicher belegt werden.
Die angemeldete Wortkombination mag aufgrund der Bedeutung der einzelnen Bestandteile "Net" und "Marker" im Zusammenhang mit den beanspruchten softwarebezogenen Produkten und Dienstleistungen durchaus in dem Sinne verstanden werden, dass etwas in einem "Computernetz(-werk") markiert, also besonders gekennzeichnet werden soll und dem angesprochenen Verkehr dadurch eine gewisse, wenn auch eher vage Vorstellung über die Art, Eigenschaften bzw die Funktion und Bestimmung der Waren und Dienstleistungen vermitteln. Der sich bei einer wortgetreuen Übersetzung ergebende Sinngehalt "Netzmarkierer" erscheint jedoch als Sachangabe ungeeignet und für sich unverständlich, da - worauf auch die Anmelderin hingewiesen hat - zwar das Markieren von Dateien und deren Abschnitten, nicht aber von Computernetzwerken oder bestimmten Bereichen davon vorstellbar ist. Der Ausdruck "Netmarker" stellt für die relevanten Waren und Dienstleistungen damit eine ungewöhnliche Wortkombination dar, die einen hinreichend konkreten beschreibenden Aussagehalt über deren Merkmale aber nicht ohne weiteres und nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit erkennen lässt. Jedenfalls ergäbe sich eine - von der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss angenommene - im Vordergrund stehende beschreibende Sachaussage zumindest nicht ohne gedankliche Ergänzungen, Zwischenschritte oder eine gewisse analysierende Betrachtung, die aber bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit nicht zum Maßstab gemacht werden kann. Die Bezeichnung "Netmarker" vermittelt damit einen noch hinreichend phantasievollen Gesamteindruck, um über einen beschreibenden Anklang hinaus als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden.
Stellt die angemeldete Bezeichnung danach keine sprachübliche, konkrete und unmittelbar beschreibende Sachangabe dar, steht der Eintragung auch das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht entgegen. Die angemeldete Wortfolge besteht nicht im Sinne dieser Vorschrift ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können (vgl WRP 2000, 1140, 1141 "Bücher für eine bessere Welt" mwN). Anhaltspunkte dafür, dass die beanspruchte Wortkombination von Mitbewerbern zur Beschreibung der in Rede stehenden Dienstleistung gegenwärtig oder im Hinblick auf eine künftige beschreibende Verwendung benötigt bzw bereits tatsächlich verwendet wird, sind nicht ersichtlich, wobei - wie die Markenstelle zu Recht ausgeführt hat - insoweit unerheblich ist, dass zur Bezeichnung der Markierungsfunktion in Datennetzwerken bereits der Fachausdruck "redlining" existiert.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 auf die Beschwerde des Anmelders aufzuheben.
Kliems Engels Brandt Ko
BPatG:
Beschluss v. 17.10.2002
Az: 25 W (pat) 175/01
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