Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 75/07

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2009, Az.: 33 W (pat) 75/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 11. Juli 2000 erfolgte Eintragung der Marke 399 24 481 KONTIV für Klasse 35: Marketing und Werbung vor allem in den Bereichen des Verkehrswesens und Verkehrsforschung und Marktforschung;

Klasse 42: wissenschaftliche und industrielle Forschung, vor allem auch im Bereich des Verkehrswesens und der Verkehrsforschung, Erstellen von Datenprogrammen und Auswertungen im Bereich der wissenschaftlichen Forschung; Erstellen von Berichten und Publikationen, Broschüren zu Themen aus dem Bereich des Verkehrswesens und der Verkehrsforschung sowie in den Bereichen des Marketingshat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Wohnungswesen (BMVBW), Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzunfähigkeit nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG gestellt.

Die Markeninhaberin hat dem ihr am 18. April 2005 zugestellten Löschungsantrag am 13. Juni 2005 widersprochen.

Die angegriffene Bezeichnung "KONTIV" ist nach Auffassung aller Beteiligten eine ursprünglich nicht geläufige bzw. nicht sprachüblich gebildete Kurzform für den Ausdruck "kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten". Mit diesem Ausdruck bzw. der angegriffenen Kurzform werden repräsentative Erhebungen von Daten zum Verkehrsverhalten der Verkehrsteilnehmer bezeichnet, deren Daten als Basis für Verkehrsplanung und für wissenschaftliche Mobilitätsuntersuchungen dienen. Die Erhebungen werden in unregelmäßigen Abständen von mindestens fünf Jahren von der Antragstellerin ausgeschrieben und vom Institut, das den Zuschlag erhält, in ihrem Auftrag durchgeführt.

Die ersten dieser vom Bund ausgeschriebenen Verkehrserhebungen (die Markeninhaberin trägt vor, dass es noch viele weitere von ihr durchgeführte KONTIVs im Auftrag Dritter gebe) wurden unter der Bezeichnung "KONTIV" von der Markeninhaberin durchgeführt, und zwar 1975, 1976, 1977 (im Nachhinein als Einheit gesehen) und 1982, wobei -wie die Markeninhaberin insoweit unbestritten vorträgt -das von ihrem Geschäftsführer entwickelte Verfahren einer schriftlichpostalischen Haushaltsbefragung nach dem Tagebuchprinzip mit telefonischer Motivation verwendet wurde (von ihr "KONTIV-Verfahren" bzw. "KONTIV-Design" genannt). Den weiteren Vortrag der Markeninhaberin, dass sie bzw. ihr Geschäftsführer den Begriff "KONTIV" seinerzeit "erfunden" und sogar der Antragstellerin als Bezeichnung für die ersten Erhebungen aufgedrängt habe, bestreitet die Antragstellerin.

Eine weitere Verkehrsdatenerhebung führte im Jahr 1989 erstmals ein konkurrierendes Unternehmen (EMNID) unter Anwendung einer anderen Erhebungsmethode durch. Die Markeninhaberin, die damals noch nicht über eine eingetragene "KONTIV"-Marke verfügte, und sich für die "KONTIV 1989" auch nicht beworben hatte, duldete die Verwendung der Bezeichnung durch EMNID (vgl. Schriftsatz der Markeninhaberin vom 18. November 2003, S. 5, zum Löschungsverfahren S 186/03). Den Umstand, dass die Markeninhaberin damals noch keine Marke innehatte, begründet sie mit falscher Rechtsberatung, wonach "KONTIV" nach dem damaligen Warenzeichenrecht nicht eintragbar gewesen sei.

Am 26. Januar 1998 meldete die Markeninhaberin zunächst die (nicht angegriffene) Marke 398 036 670 -"Neues KONTIV-Design" (u. a. für Verkehrsforschung) und am 28. April 1999 die angegriffene Marke 399 24 481 -"KONTIV" an. Die Hintergründe für die Anmeldung(en) zu diesem Zeitpunkt sind im Hinblick auf den Böswilligkeitsvorwurf streitig.

Nachdem zwei andere Institute (DIW und infas) gemeinsam den Zuschlag für die im Jahr 2002 im Auftrag des Bundes zu erstellende neue Verkehrserhebung erhielten, hat die Markeninhaberin die Verwendung der Bezeichnung "kontiv2002.de" durch infas als Internetdomain angegriffen und zunächst eine auf Unterlassung lautende einstweilige Verfügung des Landgerichts München I erwirkt, die später mit Urteil dieses Gerichts vom 18. Dezember 2002 aufgehoben worden ist. Der Rechtsstreit ist im Mai 2003 durch Vergleich beendet worden. Darin wird infas von der Markeninhaberin unter Anerkennung deren Markenrechte gestattet, die betreffende Studie "KONTIV 2002" zu benennen und die Domain "www.kontiv2002.de" bis 2010 zu nutzen. Ein zwischenzeitlich gestellter erster Löschungsantrag von infas gegen die angegriffene Marke ist im Zuge des Vergleichs zurückgenommen worden.

Daraufhin hat die Antragstellerin zunächst mit Antrag vom 18. August 2003 einen Löschungsantrag gegen die angegriffene Marke gestellt, der aus formalrechtlichen Gründen später nicht mehr weiter verfolgt worden ist (patentamtliches Löschungsverfahren S 186/03). Mit Datum vom 21. März 2005 hat die Antragstellerin erneut einen Löschungsantrag eingereicht (anhängiges Löschungsverfahren S 74/05). Beide Beteiligte nehmen Bezug auf ihr schriftsätzliches Vorbringen in der Sache S 186/03, das sie im Verfahren S 74/05 und im vorliegenden Beschwerdeverfahren ergänzt haben.

Mit Beschluss vom 24. April 2007 hat die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patentund Markenamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Nach Auffassung der Markenabteilung ist der Löschungsantrag nach § 50 Abs. 1 MarkenG begründet, da der Marke zum Zeitpunkt ihrer Eintragung wie auch zum Zeitpunkt der Entscheidung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen gestanden habe. Der angegriffenen Marke "KONTIV" fehle die Unterscheidungskraft, weil sie zu diesen Zeitpunkten eine Sachabkürzung für den beschreibenden Begriff "kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten" gewesen und damit nicht geeignet sei, die für sie eingetragenen Marketing-, Werbe-, Forschungs-, Programmerstellungssowie Berichts-, Publikationsund Broschürenerstellungsleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden. Die Dienstleistungen umfassten solche, die zu einer kontinuierlichen Erhebung zum Verkehrsverhalten erforderlich seien.

Zwar sei "KONTIV" ursprünglich keine sprachüblich gebildete oder nahe liegende Abkürzung für "Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten" gewesen, so dass dieses Wort Mitte der 70er Jahre, als es noch nicht geschützt war, über Unterscheidungskraft verfügte. Zum Zeitpunkt der Eintragung im Jahr 2000 habe es sich jedoch zu einer Fachangabe entwickelt, die von den angesprochenen Verkehrskreisen in zwei miteinander zusammenhängenden, jeweils beschreibenden Bedeutungen verstanden werde. Als angesprochene Verkehrskreise seien neben den Erbringern gleichartiger Dienstleistungen und Forschungseinrichtungen (z. B.

Hochschulen) nur Fachverkehrskreise aus den Bereichen der Verkehrswissenschaften und Verkehrsplanung zu berücksichtigen, an die sich statistische Angaben zu verkehrswissenschaftlichen Zwecken oder Verkehrsplanungen richteten und die sie benötigten. Die breite Allgemeinbevölkerung gehöre nicht dazu. Sie werden bei den Erhebungen zwar befragt, sei aber nur das Mittel zur Erzielung von Ergebnissen.

Diesem Fachverkehr begegne "KONTIV" zum einen im Kontext mit einer Jahreszahl, so dass die Bezeichnung auf die von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Studien der Jahre 1976, 1982, 1989 und 2002 hinweise. Zum anderen werde die Bezeichnung "KONTIV" hauptsächlich von der Markeninhaberin selbst als Hinweis auf eine bestimmte, von ihr entwickelte Methode der Verkehrsdatenerhebung verwendet. In beiden Bedeutungen sei "KONTIV" ein beschreibender Inhaltshinweis, ohne dass eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit vorliege.

Die angegriffene Marke stelle auch nicht etwa deshalb einen betrieblichen Herkunftshinweis dar, weil die Bezeichnung stets auf die Antragstellerin hinweise. Diese sei nur Auftraggeberin, so dass insoweit keine betriebliche Herkunftszuordnung der Dienstleistungen erfolge. Dem begrenzten Fachpublikum sei bekannt, dass die Erhebungen von verschiedenen Anbietern erbracht würden, die zudem mit verschiedenen Methoden arbeiteten. Dementsprechend würden die Erhebungen nach dem Muster "KONTIV + Jahreszahl" bezeichnet, wobei "KONTIV" als Titel der Untersuchungen, möglicherweise als (beschreibender) Werktitel, verwendet werde. Die Hauptfunktion einer Marke, nämlich auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen von einem bestimmten Anbieter hinzuweisen, werde damit vorliegend nicht gewährleistet. Vielmehr verstehe der Fachverkehr die angegriffene Marke als Hinweis auf den Inhalt bestimmter Untersuchungen, nämlich Erhebungen zum Verkehrsverhalten, die in der Fachpresse diskutiert und ausgewertet würden. Der Verkehr spreche auch von "KONTIV-Wellen", ohne dass dies einen betrieblichen Herkunftshinweis darstelle. Ähnlich wie die Angaben "Bundestagswahl 1998" oder "Kommunalwahl 2004" stelle die angegriffene Marke nur einen Hinweis auf bestimmte Erhebungen und Ereignisse dar.

Auch soweit die angegriffene Bezeichnung "KONTIV" in einer zweiten Bedeutung als Hinweis auf eine bestimmte, vom Geschäftsführer der Markeninhaberin entwickelte Erhebungsmethode verstanden werde, folge daraus nicht die markenrechtliche Schutzfähigkeit. Das Markenrecht gewähre keinen Leistungsschutz, bei dem der "Erfinder" ein Verbietungsrecht erhalte. Sobald sich eine neue Bezeichnung, die der Entwickler einer Methode gewählt habe, zur Bezeichnung der Art der erbrachten Dienstleistungen entwickelt habe, sei der Begriff nicht mehr geeignet, auf eine bestimmte betriebliche Herkunft hinzuweisen. Aus den von der Markeninhaberin eingereichten Unterlagen lasse sich zwar entnehmen, dass die Fachkreise von der wissenschaftlichen Urheberschaft der Markeninhaberin an einer bestimmten Methode ausgingen, nicht jedoch, dass sie diesen Begriff als betrieblichen Herkunftshinweis ansähen.

Indem die Markeninhaberin nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung "KONTIV" für die Erhebung 1989 durch ein Drittunternehmen vorgegangen sei, auch der Verwendung im Jahr 2002 durch ein anderes Institut zugestimmt habe, zudem (nach eigenem Vortrag in der Anhörung) anderen Anbietern die Verwendung ihrer Methode und damit auch der Bezeichnung "KONTIV" gestattet habe, sei von ihr, wenn auch in wohlwollender Absicht, selbst ein Beitrag dazu geleistet worden, dass die Bezeichnung von verschiedenen Anbietern verwendet und damit im Verkehr eben nicht als betrieblicher Herkunftshinweis bekannt geworden sei. Auch das Versäumnis des rechtzeitigen Markenschutzes habe hierzu beigetragen.

Die Entwicklung zum Fachbegriff sei bereits vor der Eintragung im Jahr 2000 erfolgt, was auch aus den von der Markeninhaberin selbst eingereichten Unterlagen hervorgehe. Die Verwendung mit einem ¨-Symbol ändere hieran nachträglich nichts. Aufgrund der früheren freien Verwendbarkeit der Bezeichnung werde sie vom Verkehr entweder als Titel der Studien oder als Methodenhinweis, jedoch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden.

Die Frage des Vorliegens weiterer Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 MarkenG könne ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage der bösgläubigen Anmeldung, wobei gegen letzteres das eigene Interesse der Markeninhaberin am Markenschutz und die eigene Nutzung spreche.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei der angegriffenen Marke nicht um eine beschreibende Angabe. Der Begriff "KONTIV" habe keine unmittelbare Bedeutung, sondern sei eine Wortschöpfung der Markeninhaberin und werde von ihr durchgängig seit 1974 verwendet.

Bis zum Jahr der Eintragung sei der Begriff lediglich ein einziges Mal von Dritten verwendet worden. Nur für die Studie des Bundes 1989 habe die Markeninhaberin seinen Gebrauch gestattet. Eine zweite Verwendung habe sie im Rahmen der vertraglich vereinbarten Nutzung durch ein weiteres Institut im Sinne einer Aufbrauchfrist für die Verwendung der Domain www.kontiv2002.de erlaubt. Weitere Gestattungen seien nicht erfolgt.

Im Gegensatz zur Auffassung der Markenabteilung und der vorläufigen Rechtsauffassung des Senats könne vorliegend nicht von einem engen, überschaubaren Verkehrskreis ausgegangen werden. Als beteiligte Verkehrskreise seien die Kreise zu verstehen, in denen das Zeichen Verwendung finden solle oder Auswirkungen zeige. Dies seien nicht nur die tatsächlichen Abnehmer, sondern alle als Abnehmer in Betracht kommenden Verbraucher. Verkehrsstudien könnten der Forschung und Entwicklung dienen, würden Gemeinden und Städten zur Verkehrsplanung zur Verfügung gestellt und könnten auch zur Verbraucherinformation genutzt werden. Dies zeigten auch verschiedene vom Senat ermittelte Belege. Damit könne nicht von einem eng begrenzten Verkehrskreis ausgegangen werden. Auftraggeber solcher Erhebungen seien nicht nur die Antragstellerin, sondern auch viele privatwirtschaftliche Unternehmen. Für diese sei die Bezeichnung "KONTIV" nach wie vor ein betrieblicher Herkunftshinweis. Zudem könne nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (BPatG GRUR 1964, 458 -Düssel; GRUR 1999, 722 -GILSONITE) von einer Umwandlung von einer Individualkennzeichnung zu einer Gattungsbezeichnung nur ausgegangen werden, wenn nachweislich kein rechtlich beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise damit noch betriebliche Herkunftsvorstellungen verbinde.

An der angegriffenen Marke bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis. Der Begriff "KONTIV" sei im allgemeinen Sprachgebrauch oder den Verkehrsgepflogenheiten auch nicht so üblich, dass Verkehrsstudien grundsätzlich als "KONTIV" bezeichnet würden. Das Ergebnis der Senatsrecherche belege nichts Gegenteiliges. Die Nutzung in Zusammenhang mit den Instituten Infas und DIW könne der Markeninhaberin nicht angelastet werden, da es sich um eine widerrechtliche Nutzung handele, gegen die sie sich erfolgreich verteidigt habe. Das Institut infas habe die Markenrechte der Markeninhaberin bei der rechtlichen Auseinandersetzung vollumfänglich anerkannt. Im Übrigen zeichne sich kein Freihaltungsbedürfnis ab, zumal die Antragstellerin bereits 2002 die Bezeichnung "Mobilität in Deutschland"/"MiD" für Verkehrserhebungen eingeführt und bisher daran festgehalten habe.

Auch die Erläuterung des Begriffs "KONTIV" in der freien Enzyklopädie Wikipedia als Oberbegriff für Verkehrsstudien belege kein Freihaltungsbedürfnis. Bei Wikipedia handele es sich nicht um ein offizielles Nachschlagewerk, sondern um eine freie Enzyklopädie, in der jedermann Eintragungen vornehmen könne. Diese müssten in keiner Weise richtig sein. Zudem stelle die Wiedergabe der Bezeichnung als Gattungsname in Fachlexika nur ein Indiz für die Entwicklung dar, bilde jedoch für sich allein keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, ob sie beim Verkehr noch betriebliche Herkunftsvorstellungen hervorrufe. Im Übrigen stellten rein beschreibende Benennungen der Marke in Zeitschriftenartikeln, Presseinformationen usw. keine Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr dar.

Auch die Diskussion verschiedener Formen von Verkehrserhebungen in Fachaufsätzen belege kein Freihaltungsbedürfnis, da Fachkreise nicht mit Verkehrskreisen gleichzusetzen seien. KONTIV-Erhebungen würden nach einer bestimmten, vom Geschäftsführer der Markeninhaberin erfundenen Vorgehensweise durchgeführt. Daher würden verschiedene Erhebungsformen und deren Vergleichbarkeit in solchen Fachaufsätzen gegenübergestellt. Dies zeige lediglich, dass "KONTIV-Erhebungen" nach einem bestimmten Prinzip durchgeführt würden, das sich von anderen Verkehrserhebungen unterscheide. Eine Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr liege aber nicht vor.

Selbst wenn ein Freihaltungsbedürfnis anzunehmen wäre, so könne dies allenfalls an einzelnen Dienstleistungen, keineswegs aber am gesamten Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke bestehen. Jedenfalls die Dienstleistungen "Erstellen von Datenprogrammen und Auswertungen im Bereich der wissenschaftlichen Forschung" sowie das "Erstellen von Berichten und Publikationen" seien keine Dienstleistungen, die in Zusammenhang mit Verkehrserhebungen stünden.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 24. April 2007 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde inhaltlich nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenabteilung hat sie die Ansicht vertreten, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 -3 MarkenG eingetragen worden und dass die Markeninhaberin bei der Anmeldung bösgläubig gewesen sei (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 a. F. MarkenG). "KONTIV" sei eine Kurzbezeichnung für "Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten". Dabei handele es sich um repräsentative Erhebungen über Mobilität und Verkehrsmittelnutzung der Bevölkerung, die von ihr in Auftrag gegeben würden. Diese Studien dienten der Verkehrsplanung und der wissenschaftlichen Erforschung der Alltagsmobilität. Der Verkehr verstehe die angegriffene Bezeichnung als beschreibenden Hinweis auf diese Verkehrstudien, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft aus einem bestimmten Betrieb, insbesondere nicht dem der Markeninhaberin. Auch verstehe er sie nicht als Hinweis auf eine bestimmte Methode der Verkehrserhebung. Die Markeninhaberin habe lediglich die ersten dieser KONTIV-Erhebungen (1975 -77 und 1982) im Auftrag der Antragstellerin durchgeführt. Später seien damit andere Unternehmen beauftragt worden. Die angegriffene Marke sei daher eine freihaltungsbedürftige Angabe, der jegliche Unterscheidungskraft fehle. Zudem sei sie von der Markeninhaberin in Kenntnis eines bevorstehenden erneuten Ausschreibungsverfahrens angemeldeten worden, um Mitbewerber zu behindern.

Mit Zwischenbescheid vom 27. Mai 2009 hat der Senat den Beteiligten das Ergebnis der Senatsrecherche übersandt und ihnen seine vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist nicht begründet.

Zur Recht hat die Markenabteilung nach § 50 Abs. 1 MarkenG die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, weil sie jedenfalls entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft auch heute noch besteht, § 50 Abs. 2 MarkenG.

1. Bereits zum Zeitpunkt ihrer Eintragung am 11. Juli 2000 wurde die angegriffene Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die Herkunft der eingetragenen Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen angesehen, so dass die Eintragung entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfolgte.

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 -Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 -Henkel). Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 Nr. 24 -SAT.2) zu beurteilen.

Für die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke ist zum anderen auf die Wahrnehmung in ihrer Gesamtheit durch die angesprochenen Verkehrskreise abzustellen (s. Urteil des EuGH vom 16.9.2004, C-329/02 P -SAT.2, Rdn. 24; GRUR 2004, 943) Hier sind als angesprochene Verkehrskreise entgegen der Ansicht der Markeninhaberin nur Fachkreise, nicht aber breite Bevölkerungskreise zu berücksichtigen. Marketingund Werbedienstleistungen, Forschungsdienstleistungen sowie auf Verkehrswesen und -forschung bezogene Programmier-, Auswertungssowie Berichts-, Publikationsund Broschürenerstellung werden auf der Erbringerseite von Werbeagenturen, Forschungsunternehmen, einschließlich Hochschulen oder sonstiger Forschungseinrichtungen, und teilweise auch von Verlagen erbracht. Als Abnehmer, die solche Dienstleistungen entgeltlich in Auftrag geben, kommen betriebliche Werbekunden und staatliche Stellen, insbesondere die mit Verkehrsplanung befassten Behörden, in Betracht.

Breite Endverbraucherkreise zählen hingegen nicht zu den Abnehmern derartiger Dienstleistungen. Endverbraucher suchen sie nicht aus, nehmen insbesondere keine Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern vor und vergeben auch keine Aufträge. Auch nehmen sie derartige Dienstleistungen nicht selbst entgeltlich ab. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass etwa der Staat die von ihm abgenommenen Forschungsdienstleistungen bzw. deren Ergebnisse und Auswertungen z. B. im Rahmen des Bürgerservice, statistischer Berichte oder Informationen über staatliches Handeln der breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, sei es aus Gründen der Fürsorge oder um Transparenz für staatliche Planung und staatliches Handeln herzustellen. Dies ist eine Frage der Verwertung der Dienstleistungsergebnisse durch den Abnehmer. Eine solche Information der Öffentlichkeit kann keine Erweiterung der Abnehmerkreise bewirken, ähnlich wie breite Endverbraucherkreise ebenfalls nicht zu den Verkehrsteilnehmern von Werbung zählen, obwohl sie letztendlich mit der von ihnen gar nicht in Auftrag gegebenen Werbung konfrontiert und davon sogar angesprochen werden. Wie die Markenabteilung zu Recht festgestellt hat, gehören Endverbraucher auch nicht deshalb zu den Verkehrskreisen von Verkehrsforschungsdienstleistungen, weil sie bzw. ein repräsentativer Ausschnitt von ihnen bei der Erbringung der Dienstleistungen befragt werden. Insoweit sind Endverbraucher nur Probanden bzw. Befragte, aber ebenfalls keine Verkehrsteilnehmer in Bezug auf die eingetragenen Dienstleistungen. Es ist demnach von spezialisierten und fachlich orientierten Verkehrsteilnehmern auszugehen.

Diese sind über die in unregelmäßigen Abständen von der Bundesrepublik Deutschland in Auftrag gegebenen Verkehrserhebungen gut informiert, und zwar auch, wenn sie auf regionaler Ebene als kommunale Verkehrsplaner an deren Ergebnissen interessiert sind bzw. auf solchen Erhebungen des Bundes aufbauende kommunale Ergänzungsstudien in Auftrag geben. Solchen Verkehrsteilnehmern, erst recht aber den konkurrierenden Forschungsinstituten und -einrichtungen auf dem Gebiet des Verkehrswesens, musste schon seit 1989, jedenfalls aber zum Eintragungszeitpunkt im Jahr 2000 klar sein, dass mit "KONTIV" bezeichnete Verkehrserhebungen oder damit bezeichnete flankierende Werbe-, Programmierund Dokumentationserstellungsdienstleistungen keineswegs aus einem ganz bestimmten Betrieb entstammen müssen.

Neben dem Umstand, dass 1989 erstmalig ein weiteres, mit der Markeninhaberin nicht verbundenes Institut im Auftrag des Bundes eine Erhebung unter der Bezeichnung "KONTIV" durchführte, belegen vor allem Literaturund Presseauszüge aus der Zeit vor der Eintragung, in denen die Erhebungen nebeneinander aufgeführt werden, ein solches Verkehrsverständnis. Zur Anschauung werden folgende Beispiele genannt und auszugweise zitiert (von der Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 13. August 2003 und vom 29. Januar 2007 eingereicht):

-Zumkeller/Chlond/Lipps: "Das Mobilitäts-Panel (MOP) -Konzept und Realisierung einer bundesweiten Längsschnittbeobachtung", September 1998: "... Die im Prinzip weitgehend anerkannten KONTIV-Erhebungen aus den Jahren 1976, 1982 und 1989 waren aufgrund des allseits bekannten Debakels der KONTIV 1989 und ... Dabei muss an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, ..., dass ein Mobilitätspanel und eine KONTIV nicht als Substitute zu verstehen sind, sondern einander ergänzen.";

-Kloas/Kuhfeld: "Entwicklung des Personenverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland", DIW-Wochenbericht 37/96, "... Vergleichbare Erhebungen haben 1982 und 1989 stattgefunden. Die Ergebnisse dieser drei KONTIV-Erhebungen bilden eine wesentliche Grundlage zur ... Um die weitere Verkehrsentwicklung differenziert zu erfassen, ... sind in regelmäßigen Abständen weitere Verkehrserhebungen des KONTIVTyps notwendig. Die letzte Erhebung in Westdeutschland fand 1989 statt, ... Fßn. (6): Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten (KONTIV); durchgeführt 1975/76 und 1982 von Sozialforschung Brög/Socialdata, München; 1989 von EMNID, Bielefeld; jeweils im Auftrag des Bundesministers für Verkehr. ...";

-Kloas/Kunert, "Die zeitliche Entwicklung der Bedeutung von Personenmerkmalen für das Verkehrsverhalten", Verkehr und Technik 1994, 487: "Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Beitrag die Daten der KONTIV Erhebungen von 1976, 1982 und 1989 analysiert. ... Über die methodischen Aspekte des Vergleichs der drei KONTIV-Erhebungen wurde bereits in einem früheren Beitrag berichtet. ...";

-Kloas/Kunert, "Über die Schwierigkeit, Verkehrsverhalten zu messen -Die drei KONTIV-Erhebungen im Vergleich Teil I, Verkehr und Technik 1994, 91: Die kontinuierlichen Erhebungen zum Verkehrsverhalten sind mit ähnlichem Design in den Jahren 1976, 1982 und 1989 durchgeführt worden. ... Die drei KONTIVS sind schriftliche Haushaltsbefragungen. ...";

-Zängler/Karg/Sumpf, "Mikroökonomischer Ansatz zur Analyse der Mobilität privater Haushalte", in VDI-Berichte 1372 (1998), S. 1 -11: "Abstract ... Art und Umfang des Verkehrs, der durch Wege für Arbeit und Ausbildung verursacht wird, sind aus den KONTIV-Erhebungen bekannt. ...";

Grüber, Röhr, Zängler, "Freizeitmobilität in Bayern", veröffentlich in DER NAH-VERKEHR Heft 9/1999: "... 2. Mobilität «97 -Datengrundlage und Methodik ... Eine Teilauswertung von 1161 Wegen von 115 Teilnehmern der ersten Erhebungswelle nach der Systematik der KONTIV ergibt eine gute Übereinstimmung der Wegezwecke an der Gesamtmobilität im Vergleich mit der KONTIV «89. ...".

Im Übrigen können auch neuere Literaturbeiträge, soweit sie rückschauend oder vergleichend über die entsprechenden Verkehrserhebungen des Bundes aus der Zeit vor 2000 berichten, mittelbar als Belege herangezogen werden. Dabei werden die Verkehrserhebungen in der Fachliteratur naturgemäß häufig nach ihren Methoden und Ergebnissen miteinander verglichen, um Entwicklungen aufzeigen und diskutieren zu können. Es gibt sogar Fachaufsätze, die die Vergleichbarkeit und Kompatibilität verschiedener Verkehrserhebungen zum wesentlichen Thema haben (z. B. Kloas/Kunert: "Über die Schwierigkeit, Verkehrsverhalten zu messen" (Untertitel: "Die drei KONTIV-Erhebungen im Vergleich"); Badrow: "KONTIV und SrV-Kompatibilität von Verkehrserhebungen, Vorschläge für künftige Erhebungen in Städten"; Holz-Rau/Scheiner: "Die KONTIVs im Zeitvergleich"; Badrow/Follmer/Kunert/Ließke: "Die Krux der Vergleichbarkeit"). In solchen Gegenüberstellungen werden auch die durchführenden Institute der verschiedenen "KONTIV"-Erhebungen genannt, die bei den Fachverkehrsteilnehmern ohnehin bekannt sind. Gerade angesichts des Bedürfnisses an gesamtbetrachtenden Vergleichen der Erhebungen untereinander konnte die angegriffene Marke seit spätestens 1989 keinen Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Forschungsdienstleistungen aus einem bestimmten Betrieb mehr darstellen.

Dies zeigt sich auch darin, dass in solchen Veröffentlichungen zwar einerseits die Unterschiede zwischen den Verkehrserhebungen herausgearbeitet und unter Nennung der beauftragten Unternehmen besprochen werden, alle Verkehrserhebungen eines bestimmten Typs jedoch (zumindest auch) mit "KONTIV" benannt werden. Als Beispiele seien genannt:

-Holz-Rau/Scheiner: "Die KONTIVs im Zeitvergleich", Internationales Verkehrswesen 11/2006, S. 519: "Der Beitrag diskutiert methodische Probleme bei Längsschnittanalysen der KONTIV 1976 bis 1989 und der MID 2002 ... Mit den KONTIV-Untersuchungen von 1976 bis 1989 sowie Mobilität in Deutschland 2002 (im Folgenden zusammenfassend: KONTIV 1976 bis 2002) stehen Befragungen zum Verkehrsverhalten über eine längeren Zeitraum zur Verfügung. ... Die KONTIV zählt zu den wichtigsten Verkehrverhaltenserhebungen in Deutschland. ... Als im Jahr 2002 erstmals seit der Wiedervereinigung eine KONTIV-Welle durchgeführt wurde, wurde die Erhebung mit besonders großem Aufwand vorbereitet. Eine eigene Methodenstudie (...) diente dazu, das "alte" KONTIV-Design der 1970er und 1980er Jahre gründlich zu überarbeiten und

... anzupassen. Gleichzeitig sollte die neue KONTIV -inzwischen als "Mobilität in Deutschland" (MID) bezeichnet -mit den alten KONTIVs der Jahre 1975 bis 77 (...) 1982 und 1989 vergleichbar bleiben. ..." (vgl. a. Übersicht auf S. 519 unten mit einem tabellarischen Vergleich der "KONTIV 1976" bis zur "KONTIV 2002" jeweils unter Nennung des Erhebungsinstituts in der ersten Tabellenzeile); ähnlich Scheiner: "Zeitstrukturen und Verkehr: Individualisierung der Mobilität€", Internationales Verkehrswesen 12/2006, S. 576 ff.;

-Badrow/Follmer/Kunert/Ließke: "Die Krux der Vergleichbarkeit", Der Nahverkehr 9/2002: "... Neben zahlreichen kleinen und adhoc durchgeführten Erhebungen gibt es auch größere Erhebungsreihen, die seit mehreren Jahren kontinuierlich stattfinden. Dazu gehören u. a. die bundesweite KONTIV-Erhebung und das stadtorientierte "System repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV)".

Berücksichtigt man weiter, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der angegriffenen Marke die von Emnid durchgeführte "KONTIV 1989" die letzte und damit aktuellste der Erhebungen war, so spricht dies umso mehr dafür, dass dies dem Verkehr auch bekannt war.

Im Übrigen muss es selbstverständlich sein, dass die Bundesrepublik Deutschland, wenn sie mit "KONTIV" bezeichnete Verkehrserhebungen nach Ausschreibung durchführen lässt, den Zuschlag -je nach Angebot und Vergabekriterien ohne weiteres auch an ein anderes Unternehmen als das mit der Vorgängererhebung beauftragte vergeben kann. Daher muss gerade auch die Ausschreibung einer neuen "KONTIV" vom März 2000, also fünf Monate vor der Eintragung der angegriffenen Marke, besonders deutlich gegen eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Unterscheidungskraft der angegriffenen Bezeichnung sprechen (vgl. Ausschreibung vom 31. März 2000, Titel: "Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb für die Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten (KONTIV) 2001 (VOF, Anhang II B)", aus dem Text: "... Es ist vorgesehen, eine repräsentative Haushaltsbefragung zur Alltagsmobilität vom Typ der "kontinuierlichen Befragung zum Verkehrsverhalten" (KONTIV) durchzuführen. ... Als Ergebnis des Vorhabens wird ... eine inhaltlich und methodisch aktualisierte KONTIV erwartet, die ...").

In der Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Anhaltspunkte ist für den Senat belegt, dass die angegriffene Marke bereits zum Zeitpunkt ihrer Eintragung keine Eignung aufwies, Verkehrsforschungsdienstleistungen und darauf bezogene flankierende Werbe-, Marketing-, EDV-und Publikationserstellungsdienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden, so dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlte.

Dem steht nicht entgegen, dass die Markeninhaberin außer den o. g. Erhebungen 1976/77 und 1982 zahlreiche weitere Forschungsvorhaben und Gutachten unter Verwendung der Bezeichnung "KONTIV" und/oder "KONTIV-Design" durchführte. Jedenfalls für die Ebene bundesweiter Verkehrserhebungen muss den maßgeblichen Fachverkehrskreisen zum Eintragungszeitpunkt bewusst gewesen sein, dass die Aufträge zur Durchführung einer mit "KONTIV" bezeichneten Erhebung ausgeschrieben und je nach Bewerbungslange und Zuschlag von verschiedenen Unternehmen erbracht werden konnten. Da es sich bei diesen Bundes-KONTIVs um die wichtigsten Erhebungen handelt, die dementsprechend -wie belegt -auch in der Fachpresse diskutiert werden, während regionale Verkehrserhebungen häufig darauf aufbauen und insoweit vielfach Ergänzungen darstellen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Markeninhaberin zum Eintragungszeitpunkt durch ihre Aktivitäten dem Verständnis des Verkehrs als beschreibende, nicht unterscheidungskräftige Angabe erfolgreich entgegengewirkt hat. Vielmehr sprechen die tatsächlichen Anhaltspunkte insgesamt gegen ihre Auffassung.

Im Gegensatz zur Auffassung der Markeninhaberin können vorliegend für die Feststellung eines Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG auch nicht die strengen Anforderungen gestellt werden, die nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung BPatG GRUR 1998, 722 -GILSONITE an die Feststellung der Umbildung einer Marke zur beschreibenden bzw. Gattungsbezeichnung zu stellen sind. Bei dieser Entscheidung ging es um eine Bezeichnung, die vom betreffenden Unternehmen von Anfang an (seit etwa 100 Jahren) zur markenmäßigen Kennzeichnung verwendet worden und zudem Bestandteil ihres Firmennamens war. Vor allem war die Bezeichnung bereits seit langem als (auch nationale) Marke eingetragen. Unter diesen Umständen, "vor allem im Hinblick auf den im Inland bestehenden Markenschutz" (BPatG, a. a. O., S. 723, li. Sp.) waren bei der Feststellung der Entwicklung der Bezeichnung "GILSONITE" in einen gebräuchlichen, den Mitbewerbern freizuhaltenden Warennamen strenge Maßstäbe anzulegen. Um zu verhindern, dass eine eingetragene Marke ihren Schutz verliert, kann die Umbildung zu einem freien Warennamen daher nur dann festgestellt werden, wenn feststeht, dass kein rechtlich beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der betreffenden Kennzeichnung noch betriebliche Herkunftsvorstellungen verbinden (Senat a. a. O m. w. N.). Über einen derartigen Markenschutz verfügte die Inhaberin der vorliegend angegriffenen Marke aber gerade nicht. Insoweit kann auch die am 21. April 1998 eingetragene weitere Marke 398 03 670 -"Neues KONTIV-Design" nicht herangezogen werden, selbst wenn man die Marken als identisch unterstellen würde. Denn auch bereits zu diesem Zeitpunkt lagen die oben erörterten tatsächlichen Anhaltspunkte im Wesentlichen vor (im Gegensatz zur 1895 eingetragenen Wort-/Bildmarke 12 812 im GILSONITE-Fall) und der kurze Zeitraum des Markenschutzes vom 21. April 1998 bis zum 11. Juli 2000 als dem Eintragungstag der angegriffenen Marke kann jedenfalls unter diesen Umständen ebenfalls nicht die Anwendung der Grundsätze der GILSONITE-Entscheidung rechtfertigen.

Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass die angegriffene Marke am 11. Juli 2000 entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, möglicherweise auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingetragen worden ist.

2. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG besteht auch noch zum jetzigen Zeitpunkt. Auch hierfür sind zahlreiche Belege vorhanden, die zeigen, dass sich das bereits für das Jahr 2000 festzustellende Verkehrsverständnis in der Zwischenzeit nicht gewandelt, sondern allenfalls gefestigt hat. Neben den teilweise bereits oben genannten Literaturstellen aus jüngerer Zeit (z. B. Rau/Scheiner: "Die KONTIVs im Zeitvergleich", Internationales Verkehrswesen 11/2006, S. 519) ist hierbei vor allem auf das Ergebnis der Senatsrecherche zu verweisen. Dabei wurden aktuelle Verwendungen der Bezeichnung "KONTIV" aufgefunden, die ein beschreibendes Verständnis belegen. Teilweise sind diese Verwendungen erläuternd, z. B.

Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Kontiv): "KONTIV (Kontinuierliche Erhebung zum VerkehrsVerhalten) ist der Oberbegriff für eine Serie von Umfragen, die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durchgeführt wurden. ...";

www.statistik.badenwuerttemberg.de/Veroeffentl/Monatshefte/...:

"... 3 KONTIV steht für Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten", teilweise geht aus ihnen hervor, dass unterschiedliche Unternehmen (insbesondere die für die Erhebung 2002 beauftragten Unternehmen) mit "KONTIV" benannte Erhebungen durchführen, etwawww.eifelzeitung.de:

"... Mit der Durchführung der Studie wurde die infas GmbH -Institut für angewandte Sozialwissenschaft -in Zusammenarbeit mit dem DIW -Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung -beauftragt.

www.taz.de/...:

"... Für die Durchführung der "kontinuierlichen Erhebung zum Verkehrsverhalten" (Kontiv) zeichnen das infas-Institut in Bonn und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin verantwortlich. ...".

Zudem fanden sich auch wiederum zahlreiche Besprechungen und Berichte, in denen die verschiedenen mit "KONTIV" bezeichneten Erhebungen zwecks Darstellung der Entwicklung des Verkehrsverhaltens (z. B. tabellarisch) gegenübergestellt worden sind. Durch die inzwischen hinzu gekommene Erhebung des Jahres 2002 und die Nennung der mit ihrer Durchführung genannten Institute hat sich der Mangel an Unterscheidungskraft eher noch intensiviert.

Zwar ist die letzte Verkehrserhebung 2002 jedenfalls auch unter dem Namen "Mobilität in Deutschland (MiD)" durchgeführt worden. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der inzwischen erfolgten Eintragung der angegriffenen Marke und den kurze Zeit danach beginnenden Rechtstreitigkeiten um die Verwendung der Bezeichnung "KONTIV" zu sehen. Insbesondere tauchte der Begriff "Mobilität in Deutschland (MiD)" in der o. g. Ausschreibung vom März 2000 noch nicht auf. In zahlreichen der vom Senat ermittelten Veröffentlichungen wird jedenfalls darauf hingewiesen, dass die Erhebung des Jahres 2002 (sofern sie nicht ohnehin allein mit "KONTIV 2002" bezeichnet wird) die Reihe der bisherigen "KONTIV"-Erhebungen fortsetzen und damit letztlich eine "KONTIV" sein soll, z. B.:

www.statistik.badenwuerttemberg.de:

"... Datengrundlage für die Verkehrsleistung bildete die Untersuchung "Mobilität in Deutschland" aus dem Jahr 2002. Die Studie setzt die Tradition der 1976 begonnenen KONTIV-Untersuchungen fort und wird deswegen auch KONTIV 2002 genannt. ...";

www.tatzentrum.de/...:

"... laut "Kontiv" Studie "Mobilität in Deutschland 2002". ...";

www.ruhrunibochum.de/verkehrswesen/...:

"Nach Veröffentlichung der neuesten KONTIV-Erhebung unter dem Namen "Mobilität in Deutschland 2002" ...".

Soweit die Markeninhaberin hierbei einzelne Belege, wie etwa das Internetlexikon Wikipedia, als nicht objektive oder unzuverlässige Quelle kritisiert, kann dies hier dahingestellt bleiben. Aus der Gesamtheit der in das Verfahren eingeführten Veröffentlichungen, die oben keineswegs erschöpfend genannt sind, ergibt sich jedenfalls ein Mangel an Unterscheidungskraft, auch noch zum jetzigen Zeitpunkt. Unmaßgeblich ist im Übrigen die Auffassung der Markeninhaberin, dass es sich bei den Belegstellen nicht um Markennutzungen im geschäftlichen Verkehr handele und sie deshalb nicht oder weniger verwertbare Belege für das Vorliegen von Schutzhindernissen seien. Denn gerade beschreibende Verwendungen und/oder Erläuterungen geben Aufschluss über die Verkehrsauffassung.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke war damit zurückzuweisen.

3. Es bestand kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.

Insbesondere folgt der Senat der Markenabteilung auch darin, dass die angegriffene Marke nicht böswillig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (entspricht § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F.) angemeldet worden ist, was regelmäßig zu einer Kostenauferlegung zu Lasten des Markeninhabers führen würde (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rdn. 14). Von der Markeninhaberin ist der Begriff "KONTIV", jedenfalls "KONTIV-Design" bereits vor der Eintragung für Zwecke des eigenen Betriebs verwendet worden, was auch aus zahlreichen der von ihr vorgelegten Unterlagen hervorgeht (insbesondere Anlagen W 15 -W 20 zum Schriftsatz vom 18. November 2003 und Anlagen W 24 ff. (für das Ausland: W 32 ff.) zum Schriftsatz vom 9. August 2005. Die Anmeldung der angegriffenen Marke kann unter diesen Umständen nicht als bösgläubig angesehen werden. Weitere Umstände, die abweichend von der Regel des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG eine Kostenauferlegung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Bender Knoll Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2009
Az: 33 W (pat) 75/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/15cb7f99a408/BPatG_Beschluss_vom_1-Dezember-2009_Az_33-W-pat-75-07




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