Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Dezember 1997
Aktenzeichen: 6 U 128/97
(OLG Köln: Urteil v. 19.12.1997, Az.: 6 U 128/97)
1. Herabsetzende Àußerungen eines Verbandes über konkurrierende Unternehmen, die anderweitig organisiert sind, fallen auch dann in den Anwendungsbereich der §§ 1, 14 UWG, wenn sie (schriftlich) gegenüber einem eigenen Verbandsmitglied gemacht werden und damit zu rechnen ist, daß sie von diesem aus ,nach außen" gelangen.
2. Zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen im gesetzlich ungeregelten Bereich in Deutschland kann auch eine in einem EGMitgliedsstaat wirksam gegründete und registrierte private Akkreditierungsstelle berufen sein. Deren Qualifizierung als ,selbstgeschaffene, nicht europakonforme Akkreditierungsgesellschaft mit Namen..., die angeblich in der Nähe von Straßburg...sitzt" stellt daher ebenso eine wettbewerbswidrige Herabsetzung dieser Stelle dar wie die Behauptung, in Deutschland sei für Akkreditierungen eine andere, namentlich bezeichnete Trägergemeinschaft ,die einzige und...allein zuständige" Stelle.
3. Unwahre Tatsachenbehauptungen über Dritte im verbandsinternen Bereich sind durch Art. 5 I GG und Art. 9 I GG dann nicht gedeckt, wenn sie aus dem Verbandsbereich hinaus gelangen und hiermit gerechnet werden muß.
Tenor
Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 10. April 1997 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 12 O 31/97 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Unterlassungs- ausspruch der mit dem erwähnten Urteil aufrechterhaltenen einstweiligen Ver- fügung ( Beschluß )des Landgerichts Bonn vom 5. März 1997 folgende Neufassung erhält: Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 100.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Wochen, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in bezug auf die Antragstellerin zu äußern, " die ZAK-Z.ifizierungsstelle...(ist)... nicht durch die einzige und allein für Deutschland zuständige Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH T. in F. a. M. akkreditiert " und/oder " die ZAK-Z.ifizierungsstelle leitet eine 'Akkreditierung' von einer selbstgeschaffenen, nicht europanormkonformen Akkreditierungs- stelle mit Namen E. ab, die angeblich in der Nähe von S. in Frankreich sitzt, obwohl beim dortigen Registergericht die E. nicht registriert ist" wie nachstehend wiedergegeben:
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist zwar
insgesamt zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel des
Antragsgegners hingegen keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die im
Beschlußweg ergangene einstweilige Verfügung aufrechterhalten,
welche den Antragsgegner zur Unterlassung der in dem Schreiben vom
10. Juli 1996 enthaltenen Aussagen betreffend die Akkreditierung
der Antragstellerin bei der E. verpflichtet.
Das von der Antragstellerin geltend gemachte, in der nunmehrigen
Antragsfassung an die konkrete Verletzungshandlung angepaßte
Unterlassungsbegehren, dessen Dringlichkeit gemäß § 25 UWG zu
vermuten ist, erweist sich als begründet. Die Antragstellerin hat
in einer für den Erlaß und die Aufrechterhaltung der erstrebten
einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise die tatsächlichen
Voraussetzungen eines sich aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der
unzulässigen Anschwärzung und Geschäftsehrverletzung ergebenden
wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs glaubhaft gemacht.
Soweit der Antragsgegner demgegenüber von vorneherein in Abrede
gestellt hat, daß er - was allerdings materielle Voraussetzung des
Unlauterkeitstatbestands nach Maßgabe von § 1 UWG ist - bei der
Versendung des Schreibens vom 10. Juli 1996 an sein
Verbandsmitglied, den Landesverband der vereidigten
Sachverständigen B. und Br. e.V., im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwecken gehandelt habe, vermag das nicht zu
überzeugen.
Der Antragsgegner hat vielmehr ungeachtet seiner Verfassung als
Idealverein sowie ferner auch ungeachtet des Umstands, daß sich das
vorbezeichnete Schreiben an einen Mitgliedsverband richtete, im
geschäftlichen Verkehr gehandelt. Zum Bereich des "geschäftlichen
Verkehrs" zählt jede Tätigkeit, die irgendwie der Förderung eines
beliebigen - auch fremden - Geschäftszwecks dient (
Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 208 Einl.
UWG m. w. N. ). So liegt der Fall aber hier: Denn der Antragsgener
hat mit dem die angegriffenen Àußerungen enthaltenden Schreiben
eindeutig die geschäftliche Position der bei der T. akkreditierten
Z.ifizierungsstellen im Bereich des KFZ-Sachverständigenwesens -
letzlich konkret diejenige der IfS-Z. GmbH als einziger
Konkurrentin der Antragstellerin - gestützt. Entgegen der
Auffassung des Antragsgegners fielen die beanstandeten Àußerungen
dabei auch nicht lediglich im rein verbandsinternen bzw. insoweit
"privaten" Bereich. Zwar ist es richtig, daß sich das Schreiben auf
eine Anfrage des vorstehenden Mitgliedsverbands bezog und
unmittelbar nur an diesen adressiert war. Der Kläger mußte jedoch
ohne weiteres damit rechnen, daß das Schreiben bzw. die in ihm
enthaltenen hier zu beurteilenden Àußerungen über die Grenzen des
verbandsinternen Bereichs hinaus an Dritte, mithin in den
geschäftlichen Verkehr gelangen werde. Denn der Kläger beantwortete
mit dem Schreiben vom 10. Juli 1996 eine Anfrage seines
Mitgliedsverbands betreffend um dortige Aufnahme ersuchende
Sachverständige, die sich von der Antragstellerin hatten
Zertifizieren lassen. Dies berücksichtigend, mußte es dem
Antragsgegner aber als naheliegend vor Augen stehen, daß der
anfragende Landesverband gerade die Ausführungen und Passagen zur
Qualität und Qualifizierung der Antragstellerin, die maßgeblich für
die Ablehnung der um Aufnahme ersuchenden, von ihr Zertifizierten
Sachverständigen war, wiederum zur Begründung der Ablehnung des
jeweiligen Aufnahmeantrags weitergegeben würde. Denn gerade die
verfahrensbefangenen Textpassagen sind es, welche die für die
Weigerung der Aufnahme von durch die Antragstellerin Zertifizierte
Sachverständige maßgeblichen Erwägungen enthalten und die daher als
Begründung der Ablehnung eines Aufnahmeantrags wiederum durch den
Landesverband naheliegen. Mußte der Antragsgegner danach aber von
vorneherein damit rechnen, daß seine, den geschäftlichen Interessen
u. a. der einzigen Konkurrentin der Antragstellerin dienenden
Àußerungen betreffend die Akkreditierung an außerhalb des Verbandes
und seiner Mitglieder stehende Dritte gelangen werden, liegt ein
Handeln im "geschäftlichen Verkehr" vor. Eine abweichende
Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den vom
Antragsgegner vorgebrachten Einwand, wonach es ihm nicht nur
freigestellt bleiben müsse, seinen Verbandsmitgliedern gegenüber
bestimmte Einstellungen und Haltungen in deutlichen Worten
klarzustellen, sondern daß er darüber hinaus bei Einordnung des
vorbezeichneten Verhaltens als Handeln im "geschäftlichen Verkehr"
die Einhaltung einer Vertraulichkeit aufgebürdet bekomme, die er
nicht einzuhalten vermöge. Denn im vorliegenden Fall geht es nicht
darum, die Möglichkeiten des Antragsgegners zur verbandsinterenen
Kommunikation und Festlegung von Aufnahmekriterien zu kontrollieren
oder zu beschneiden. Maßgeblich ist vielmehr allein, daß der
Antragsgegner vorliegend - eben weil er mit der Weitergabe der in
Rede stehenden Àußerungen an Dritte rechnen mußte - diese Grenzen
der " geschützten " verbandsinternen Sphäre verlassen hat und sich
aus diesem Grund den an ein Handeln im geschäftlichen Verkehr
anzulegenen Maßstäben stellen muß. So lange er dabei keinerlei
Maßnahmen - wie beispielsweise Hinweise auf die " Vertraulichkeit"
des Schreibens oder dessen Gebrauch allein zu verbandsinternen
Zwecken - ergriffen hat, um die Weitergabe an Dritte möglichst zu
verhindern, haftet er dabei auch allein für eigenes
Verhalten und nicht etwa für ein angeblich seinem Einflußbereich
entzogenes Verhalten seiner sich über derartige Hinweise ggf.
hinwegsetzende Landesverbände.
Das nach alledem zu bejahende Handeln des Antragsgegners im
geschäftlichen Verkehr diente weiter auch Zwecken des Wettbewerbs.
Unerheblich ist dabei von vorneherein, ob zwischen den Parteien des
vorliegenden Verfahrens selbst objektiv ein Wettbewerbsverhältnis
besteht. Denn ein solches existiert jedenfalls zwischen der
Antragstellerin und den durch die beanstandeten Àußerungen in ihrer
wettbewerblichen Position unzweifelhaft geförderten anderen
Z.ifizierungsstellen für KFZ-Sachverständige, konkret also der
IfS-Z. GmbH als einziger Mitbwerberin der Antragstellerin auf dem
deutschen Markt. Aber auch in subjektiver Hinsicht ist von einem
Handeln zu Wettbewerbszwecken auszugehen. Es ist zwar richtig, daß
die reine Mitgliederwerbung von Fachverbänden mit ideeler
Zielsetzung kein Handeln zu Wettbewerbszwecken darstellt ( vgl.
Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Rdn. 243 Einl. UWG m. w. N. ). Um
einen solchen Fall der ( negativen ) "reinen Mitgliederwerbung "
handelt es sich hier aber nicht. Denn die beanstandeten Aussagen
haben nicht allein dazu gedient, auf die Mitgliedschaft von
Verbänden bzw. wiederum von deren Mitgliedern einzuwirken. Aus den
oben dargestellten Gründen dienten sie vielmehr darüber hinaus
zumindest auch dazu, Interessenten für eine Mitgliedschaft bei den
Landesverbänden auf eine bestimmte Zertifizierungsstelle
hinzuweisen und dieser zuzuführen.
Es liegen auch im übrigen die materiellen Voraussetzungen des
Unlauterkeitstatbestandes der Anschwärzung und
Geschäftsehrverletzung i.S. von § 1 UWG vor. Denn die
inkriminierten, zur Unterlassung begehrten Aussagen sind als
Tatsachenbehauptungen geschäftsehrverletzenden und anschwärzenden
Charakters einzuordnen, deren Verbreitung zu Zwecken des
Wettbewerbs aber grundsätzlich wettbewerbswidrig ist (
Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Rdn. 318 zu § 1 UWG m. w. N. ).
Als eine Tatsachenbehauptung ist eine Àußerung dann einzuordnen,
wenn ihr Inhalt auf seinen Wahrheitsgehalt hin objektiv nachgeprüft
werden kann ( Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdn. 4 zu § 14 UWG m. w.
N. ). Das aber ist bei den hier in Rede stehenden Aussagen
unzweifelhaft der Fall. Denn auch wenn sie jeweils subjektive
Bewertungselemnte erkennen lassen, enthalten sie sämtlich einen der
objektiven Óberprüfung zugänglichen Tatsachenkern. Letzterer steht
bei den Ausagen sogar eindeutig im Vordergrund. Denn Kern und
Zielrichtung der Àußerungen ist jeweils die Aussage über einen
bestimmten, konkret feststellbaren Lebenssachverhalt ( "...einzig
und allein für Deutschland zuständige T..."; "...nicht
europanormkonforme Akkreditierungsstelle...E..."; "...beim
dortigen Registergericht die E. nicht registriert ist " ). Steht
aber, so wie hier, der tatsächliche Gehalt einer daneben auch
subjektive Wertungen enthaltenden Àußerung im Vordergrund, ist
letztere insgesamt als "Tatsachenbehauptung" zu qualifizieren (
Baumbach-Hefermehl, a. a. O. ).
Die Antragstellerin hat ferner glaubhaft gemacht, daß die
vorliegend zu beurteilenden Tatsachenbehauptungen, welche - da sie
der Antragstellerin im Ergebnis die Qualifikation als
Zertifizierungsstelle absprechen - eindeutig auch anschwärzenden
und geschäftsehrverletzenden Charakter haben, unwahr sind. Denn
nach den in dem Anlagenkonvolut zum Schriftsatz vom 4. März 1997
der Antragstellerin enthaltenen Unterlagen trifft es nicht zu, daß
im hier betroffenen gesetzlich unreglementierten Bereich allein die
T. für die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen in Deutschland
zuständig ist. Vielmehr ist es danach nicht ausgeschlossen, daß
zumindest eine in einem EG-Mitgliedsstaat wirksam gegründete und
registrierte private Akkreditierungsgesellschaft auch in
Deutschland ansässige Zertifizierungsstellen akkreditieren darf. Es
ist ebenfalls nicht erkennbar, daß und inwiefern die die
Antragstellerin akkreditierende E. nicht "europanormkonform" ist.
Allein der Umstand, daß - was allerdings entegen der Auffassung des
Antragsgegners nicht ohne weiteres aus der von der Antragstellerin
vorgelegten Anlage ASt 2 hervorgeht - die Antragstellerin
Gründungsgesellschafterin der E. sein soll, läßt dabei nicht ohne
weiteres auf eine der einschlägigen Europanorm angeblich
widersprechende persönliche Verflechtung von Akkreditierungs- und
Zertifizierungsstelle schließen. Bei der vom Antragsgegner in
diesem Zusammenhang vorgelegten Stellungnahme der C. ( Bl. 91 f
d.A. )darf nicht übersehen werden, daß es sich um die Bewertung
einer unmittelbaren Konkurrentin der E. handelt, die daher in der
Tat - wie dies in der genannten Stellungnahme der C. in anderem
Kontext beanstandet wird - insoweit eine Aussage zugleich als
"Richter und Partei" trifft. Daß die E. im übrigen - was aber
ohnehin für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch
offenbleiben kann - bereits am 10. Juli 1996 und nicht erst am 22.
Juli 1996 registriert war, hat die Antragstellerin weiter durch
Vorlage des das Datum des 16. Juni 1996 tragenden Mitteilungs- und
Anzeigenblattes ( Anlage BB 2 zum Schriftsatz der Antragstellerin
vom 14. August 1997 ) glaubhaft gemacht.
Der Antragsgegner kann sich gegenüber dem nach alledem seinen
Voraussetzungen nach zu bejahenden Unterlassungstatbestand
schließlich zu seinen Gunsten auch weder auf Art. 5 Abs. 1 GG
berufen, noch widerspricht das begehrte Verbot der beanstandeten
Àußerungen der in Art. 9 Abs. 1 GG garantierten
Vereinigungsfreiheit. Denn die Verbreitung unwahrer
Tatsachenbehauptungen können durch das Recht zur freien
Meinungsäußerung nicht gedeckt sein. Auch berührt das Verbot, die
beanstandeten unwahren Tatsachenbehauptungen aufzustellen, nicht
die Freiheit des Antragsgegners, sich unter Wahrung und
Klassifizierung eines bestimmten Mitgliederkreises
zusammenschließen. Wie vorstehend bereits dargestellt kann der
Antragegner vielmehr ohne weiteres im verbandsinternen Bereich
definieren, welche Mitglieder für ihn und die Landesverbände
akzeptabel erscheinen bzw. daß - soweit es sich um
KFZ-Sachverständige handelt - lediglich solche Sachverständige
aufgenommen werden sollen, die von der IfS-Z. GmbH oder einer
anderen, bei der T. akkreditierten Zertifizierungssstelle
Zertifiziert worden sind. Die Verbreitung einer Aussage betreffend
die Einordnung der von der E. akkreditierten Zertifizierungsstellen
über den verbandsinternen Bereich hinaus ist dafür nicht
erforderlich.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtkräftig ( § 545 Abs. 2
ZPO ).
OLG Köln:
Urteil v. 19.12.1997
Az: 6 U 128/97
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