Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 10. Oktober 1996
Aktenzeichen: 4 U 112/96
(OLG Hamm: Urteil v. 10.10.1996, Az.: 4 U 112/96)
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 21. März 1996 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Bochum - Kammer für Handelssachen - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 1/10 der Antragstellerin und zu 9/10 der Antragsgegnerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Antragstellerin, ein 1979 gegründetes Unternehmen mit Sitz in ... Niederlande, befaßt sich u.a. mit der Herstellung von Software, Forschungsarbeit, Dienstleistungen sowie Ausführungen aller Handlungen, die direkt oder indirekt mit diesen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 4. November 1987 eingetragenen deutschen Marke "..." und der weiteren am 25. September 1992 eingetragenen gleichlautenden Marke für jeweils andere Waren und Dienstleistungen (vgl. Fotokopien Bl. 29 ff. d.A.).
Die Antragsgegnerin wirbt in ihren Preislisten und Zeitungsanzeigen für Boards mit einem "..."-Chip.
Die Antragstellerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte.
Die Antragstellerin hat deswegen gegen die Antragsgegnerin unter dem 11. Dezember 1995 eine Beschlußverfügung erwirkt, in der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,
die Kennzeichnung "..." im geschäftlichen Verkehr für Computer-Chips zu benutzen.
Soweit der Antragsgegnerin in dieser Beschlußverfügung zusätzlich noch aufgegeben worden ist, Auskünfte über Vorlieferanten zu erteilen, hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den zugrundeliegenden Verfügungsantrag zurückgenommen.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht durch Urteil vom 21. März 1996 die Beschlußverfügung bestätigt.
Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Abweisungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages behauptet die Antragsgegnerin weiterhin, daß ihre beanstandete Bezeichnung allgemein üblich für ganz bestimmte Anpassungsschaltungen des Pentium-Prozessors sei. Die Bezeichnung habe sich so zum Freizeichen entwickelt. Sie sei notwendig zur exakten Beschreibung und Abgrenzung von anderen Produkten. Deshalb könne ihr die Verwendung dieser Bezeichnung auch nicht verboten werden. Des weiteren fehle es schon an einer rechtserhaltenden Benutzung der Marken durch die Antragstellerin, so daß ihr Verbotsbegehren schon deshalb scheitern müsse.
Die Antragsgegnerin beantragt,
I.
Das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21. März 1996 wird aufgehoben.
II.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 11. Dezember 1996 wird aufgehoben.
III.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.
Die Antragstellerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vertrages,
die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 21. März 1996 zurückzuweisen.
Wegen des Inhalts der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Nachdem die Antragstellerin ihr Verfügungsbegehren hinsichtlich des Auskunftsanspruches zurückgenommen hat, geht es nunmehr in der Berufungsinstanz nur noch um das Verbotsbegehren der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, die Bezeichnung "..." im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung von Computerchips zu benutzen. Dieses begehrte Verbot hat das Landgericht zu Recht ausgesprochen.
Anspruchsgrundlage für dieses Verbot ist § 14 Abs. 2 Ziffer 2, Abs. 5 Markengesetz. Danach ist es Dritten verboten, zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen eine Bezeichnung zu benutzen, bei der Verwechslungsgefahr mit einer eingetragenen Marke besteht. Eine solche Verwechslungsgefahr zwischen der Marke "..." der Antragstellerin und der von der Antragsgegnerin gewählten Bezeichnung "..." ist hier gegeben, zumal beide Bezeichnungen in demselben Produktbereich, nämlich im Computerbereich eingesetzt werden.
Beide Zeichenwörter stimmen in der Lautfolge "..." überein; sie unterscheiden sich lediglich in der jeweiligen Wortmitte durch die Konsonanten "T", "C", die nicht zu den klangstarken Buchstaben des Alphabets gehören, vor allen Dingen, weil der Buchstabe "C" im Widerspruchswort "..." hier wie "K" artikuliert wird.
In diesem Zusammenhang muß auf den allgemeinen Erfahrungssatz hingewiesen werden, daß das Einschieben oder Weglassen von unbetonten Zwischensilben und sonstige Abweichungen im Wortinneren die zeichenrechtliche Übereinstimmung selten verhindern kann (vgl. Busse/Warenzeichengesetz, 5. Aufl. § 31, Rdn. 70). Die klangbestimmenden Lautfolgen "..." "..." prägen die Zeichen so stark, daß die Abweichungen für ein sicheres Auseinanderhalten nicht ausreichen.
Der Schutzanspruch der Antragstellerin ist hier auch nicht nach § 25 Markengesetz wegen mangelnder Benutzung ausgeschlossen. Für die Zweitmarke der Antragstellerin kommt es mangels Ablaufes der fünfjährigen Schutzfrist ohnehin nicht auf eine Benutzungshandlung an. Im übrigen hat die Antragstellerin durch Vorlage von Prospektmaterial und die eidesstattliche Versicherung des Zeugen ... vom 2. Juli 1996 in Verbindung mit dessen Zeugenaussagen vor dem Landgericht München vom 17. Oktober 1995 und 21. April 1993 (Bl. 401 f., 410, 17 f. d.A.) auch hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie ihre Marke "..." in rechtserhaltender Weise benutzt hat.
Die Antragsgegnerin hat auch nicht glaubhaft machen können, daß die Antragstellerin ihre Marken lediglich aus rechtlich zu mißbilligenden Gründen hat eintragen lassen.
Der begehrte Markenschutz der Antragstellerin scheitert auch nicht an § 23 Ziffer 2 oder Ziffer 3 Markengesetz. Nach dieser Vorschrift kann aus einer Marke nicht gegen solche verwechselbaren Bezeichnungen vorgegangen werden, die lediglich als Angabe über Merkmale und Eigenschaften der so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen oder als notwendiger Hinweis auf die Produktbestimmung verwandt werden. Allerdings darf eine solche Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstoßen.
Eine solche zulässige Verwendungsweise der Bezeichnung "..." durch die Antragsgegnerin läßt sich hier mit den begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht feststellen.
Nach § 16 WZG a.F. kam es für die Zulässigkeit verwechselbarer beschreibender Bezeichnungen entscheidend darauf an, daß der Gebrauch nicht warenzeichenmäßig erfolgte. Lag ein solcher Gebrauch vor, konnte sich der Verletzer von vornherein nicht darauf berufen, daß die gewählte Kennzeichnung auch zur näheren Beschreibung der Ware notwendig sei. Umgekehrt schied bei fehlendem warenzeichenmäßigen Gebrauch der beanstandeten Bezeichnung ein Schutzanspruch aus der Marke von vorn herein aus, ohne daß noch die Frage der Verwechslungsgefahr im einzelnen hätte geprüft werden müssen (vgl. zu diesem früheren Rechtszustand: BGH GRUR 1974, 220 Club-Pilsener; sowie zu den Beurteilungsregeln, ob eine zeichenmäßige Verwendung im Einzelfall vorliegt: Großkommentar/Teplitzky UWG § 16 Rdnr. 285 ff.). Nach altem Recht kam somit der Frage des zeichenmäßigen Gebrauchs die entscheidende Bedeutung zu, ob der Warenzeicheninhaber eine ihrer Natur nach beschreibende Kennzeichnung hinzunehmen hatte oder nicht. Danach wäre es für den vorliegenden Fall entscheidend darauf angekommen, ob der Verkehr die Bezeichnung "...", so wie sie von der Antragsgegnerin hier verwandt worden ist, nicht als markenmäßige Kennzeichnung aufgefaßt hätte, sondern als Typenbezeichnung für eine bestimmte Art von Chip, ähnlich einer Sortenbezeichnung oder eines Bestellzeichens (vgl. zu solchen Arten der Produktbezeichnungen: BGH GRUR 1968, 365 - praline; GRUR, 1988, 307 - Gaby). Angesichts der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung durch die Antragsgegnerin in Werbeschreiben hätte hier eine Vermutung für einen kennzeichenmäßigen Gebrauch gesprochen (BGH GRUR 1985, 41 - REHAB).
Nach § 23 Markengesetz kommt es für die Frage der Zulässigkeit beschreibender Kennzeichnungen im Hinblick auf entgegenstehende Markenrechte Dritter nun allerdings nicht mehr allein auf die markenmäßige Verwendung des Verletzerzeichens an (Bundestagsdrucksache 12/6581 Seite 80), sondern es ist eine umfassende Prüfung des Einzelfalles vorzunehmen, wobei insbesondere auch die Frage nach einer sittenwidrigen Benutzung einzubeziehen ist (vgl. dazu schon Heil in der Anmerkung GRUR 1985, 45 zum Urteil des BGH GRUR 1985, 41 - REHAB).
Für diese im Rahmen des § 23 Markengesetz erforderliche Gesamtwürdigung fehlt es dem Senat an einer ausreichend sicheren Tatsachengrundlage. Denn für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 23 Markengesetz spielen die Art und die Notwendigkeit der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung eine entscheidende Rolle. Dazu gehört auch das Wissen darüber, welche Bedeutung die beteiligten Verkehrskreise dem beanstandeten Zeichen allgemein beimessen. Ein reines Phantasiezeichen kann von vorn herein nicht unter § 23 Markengesetz fallen. Um dem Zeicheninhaber Markenschutz versagen zu können, muß die beanstandete Bezeichnung in irgendeiner Weise beschreibende Wirkung entfalten können. In diesem Zusammenhang kann der Senat als gesicherten Umstand nur annehmen, daß die Bezeichnung "..." ursprünglich eine Kennzeichnung der Firma ... für eine bestimmte Art ihrer Computerchips gewesen ist. Es spricht aber einiges dafür, daß es sich dabei zunächst nur um eine interne Kennzeichnung der Firma ... gehandelt hat, mit der sie nicht auf den Markt gegangen ist. Die vorgelegten Zeitungsartikel (vgl. Bl. 316 f. d.A.) mögen nun dafür sprechen, daß sich "..." im Laufe der Zeit als Name - losgelöst von der Herstellerfirma - für diesen bestimmten, zunächst nur intern so gekennzeichneten Chip entwickelt hat. Wenn die Weiterentwicklung dahin gegangen wäre, daß dieser Chip nun gar nicht anders als unter der Bezeichnung "..." für den Verkehr verständlich angeboten werden konnte, weil dieser Name sich - etwa wie die Bezeichnung "Pils" beim Bier - zu einer Art Sortenbezeichnung entwickelt hätte, könnte die Verwendung dieses Namens nach § 23 Markengesetz wohl nicht verboten werden. Eine solche Bedeutungsentwicklung der angegriffenen Kennzeichnung kann der Senat aber nicht mit der ausreichenden Sicherheit feststellen.
Es liegen in diesem Zusammenhang lediglich Zeitungsartikel und Werbematerial vor. Daraus allein läßt sich aber nicht schon auf eine allgemeine Bedeutungsauffassung der angesprochenen Verkehrskreise schließen. Neben den gerichtlichen Verboten und den Unterlassungserklärungen, die die Antragstellerin erreicht hat, sprechen auch die neuen Werbeanzeigen, die die Antragstellerin vorgelegt hat, gegen eine solche Bedeutungsentwicklung. Dort taucht zur Bezeichnung des fraglichen Chip der Name "..." nicht mehr auf. Kann man den fraglichen Chip aber auf eine dem Verkehr verständliche Weise anbieten, bei der das Markenrecht der Antragstellerin nicht verletzt wird, kann nicht von einer Marktsituation ausgegangen werden, in der nach der Wertung des § 23 Markengesetz der Markenschutz hinter einer verkehrsüblichen Nutzung des Verletzerzeichens zurücktreten müßte.
Dabei ist vor allem auch noch zu beachten, daß offenbar auch die Firma ..., die ja als die Schöpferin der angegriffenen Bezeichnung "..." angesehen werden muß, nicht mit besonderer Zielstrebigkeit versucht hat, die angegriffene Bezeichnung als schlagwortartigen Begriff für ihren Chip am Markt durchzusetzen, was immer auch die Gründe hierfür gewesen sein mögen. Fehlt es aber bereits daran, daß die Bezeichnung "..." als "Geburtsname" des so bezeichneten Chips angesehen werden kann, läßt sich um so schwerer begründen, weshalb gleichwohl im weiteren Vertriebsweg zur sicheren Identifizierung des fraglichen Chip im Hinblick auf seinen Einsatzbereich die Kennzeichnung "..." notwendig ist.
Diese dargelegten Unsicherheiten im tatsächlichen Bereich über das, was die maßgeblichen Verkehrskreise mit der Bezeichnung "..." für Computerchips tatsächlich an Bedeutung verbinden, müssen zu Lasten der Antragsgegnerin gehen. Es handelt sich bei § 23 Markengesetz um eine Ausnahmeregelung für den an sich gegebenen Markenschutz, für deren Vorliegen den Verletzer die Beweislast trifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 10.10.1996
Az: 4 U 112/96
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