Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 279/99

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2000, Az.: 29 W (pat) 279/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Bezeichnung Stadtbummelsoll für die Waren und Dienstleistungen

"Erstellen von Datenverarbeitungs-Programmen, Werbung"

als Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 42 hat die Eintragung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen, weil es sich bei der angemeldeten Marke hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen um einen unmittelbar beschreibenden Begriff handele. In der aktuellen Tagespresse würden bereits Begriffe wie "virtueller Stadtrundgang" oder Onlineeinkaufsbummel verwendet. Unter Hinweis auf weitere Beispiele, auf die Bezug genommen wird, weise die angemeldete Bezeichnung für den Verkehr unmittelbar beschreibend darauf hin, daß die erstellte Software einen (virtuellen) "Stadtbummel" ermögliche bzw daß die Werbung im Rahmen eines (virtuellen) "Stadtbummels" erfolge.

Hiergegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Zur Begründung macht der Anmelder geltend, daß nach der Begründung zum Markengesetz und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis zu überwinden. Unter dem Wort "Stadtbummel", das bereits sehr lange im deutschen Sprachgebrauch existiere, verstehe man im allgemeinen etwas Gemütliches wie Schaufenster ansehen, Kaffeetrinken etc. Bei den beanspruchten Dienstleistungen handele es sich aber um Tätigkeiten, die im Zuge von Computern und den übrigen neuen Medien entstanden seien. Der Verkehr werde die bei dem Begriff "Stadtbummel" üblichen Assoziationen haben, die jedoch in keinem Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen stünden. Es liege ein erheblicher phantasievoller Überschuß vor. Der Verkehr werde keinen beschreibenden Anklang in der angemeldeten Bezeichnung finden, für die eine Vielzahl theoretischer Deutungsmöglichkeiten existiere. Außerdem fehle es an konkreten Anhaltspunkten für ein bestehendes oder künftiges Freihaltebedürfnis.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angemeldeten Marke steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen, da ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Die Unterscheidungskraft ist einer als Wortmarke angemeldeten Bezeichnung - wie der Anmelder zutreffend anführt - zwar nicht abzusprechen, wenn ihr kein für die in Rede stehenden Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort handelt, das - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr. BGH MarkenR 1999, 351, 353 - FOR YOU). Auch bei Anlegen des nach der Begründung des Gesetzgebers und der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebotenen großzügigen Maßstabs weist die angemeldete Bezeichnung einen die beanspruchten Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt auf.

Einen beschreibenden Sinngehalt besitzen auf einem Gebiet, das dem Abnehmer der Dienstleistung "Erstellen von Datenverarbeitungs-Programmen" wenig Sichtbares oder Greifbares bietet, nicht nur technische Daten, Fachausdrücke oder sonstige fachspezifische Begriffe, sondern auch solche allgemein geläufigen Ausdrücke, die die Art oder die Wirkungsweise des zu erstellenden Software-Programms eindeutig und leicht verständlich veranschaulichen. Auch bei einer Dienstleistung wie der Werbung wird häufig auf vertraute Wörter zurückgegriffen, um mit deren Sinngehalt die Art und Weise der Werbeleistung näher zu beschreiben.

Für den angesprochenen Verkehr steht mit dem Wort "Stadtbummel" die beschreibende Aussage im Vordergrund, daß das Programm so beschaffen ist, daß es einen entspannten Rundgang durch eine virtuelle Stadt nach eigenem Zeitmaß wie bei einem realen Stadtbummel ermöglicht und ein geruhsames oder gar gemütliches Betrachten von Auslagen, Angeboten an Waren, Dienstleistungen und Sehenswürdigkeiten oder von Informationen über sonstige Attraktionen, Einkaufs-, Genuß- und Unterhaltungsmöglichkeiten zuläßt, ohne in die Stadt fahren zu müssen und sich etwa der Hektik oder dem Gedränge in belebten Einkaufsstraßen aussetzen zu müssen. Zu dieser Annahme besteht um so mehr Veranlassung, als in den zahlreichen Zeitungsberichten, die die Markenstelle herangezogen hat, mehrfach von "Streifzügen durch virtuelle Städte, von einem virtuellen Stadtrundgang, von virtuellen Messehallen, einem virtuellen Marktplatz, von virtuellen Online-Reisen durch Ferienorte und Hotels, von virtuellen Einkaufstouren, Warenhäusern, Rathäusern sowie vom virtuellen München und der virtuellen Stadt Berlin" ua gesprochen wird.

Die Markenstelle ist auch zu Recht von einem unmittelbaren Bezug der angemeldeten Bezeichnung zu der Dienstleistung "Werbung" ausgegangen. Sie besteht darin, daß die Werbeleistung im Rahmen eines (virtuellen) Stadtbummels erfolgt bzw in einer Weise integriert ist, daß sie beispielsweise beim Durchstreifen von selbst, in Sprechblasen oder auf ein Anklicken mit der Maus hin erscheint. Es gibt bereits Konzepte für Programme auf Chips, die z.B. in Einkaufswagen angebracht, beim Passieren entsprechender Produkte die gewünschte Werbeaussage aktivieren. Vergleichbare verkaufsfördernde Maßnahmen und Einsatzmöglichkeiten beim echten wie beim virtuellen Stadtbummel in Kombination mit Programmen für Handys, Internet und sonstigen Medien liegen im Trend der Zeit.

Der Begriffsinhalt der angemeldeten Bezeichnung, wie er vom Anmelder zutreffend mit "Spaziergang durch die Stadt" wiedergegeben wird, ist eindeutig. Die Vielfalt theoretischer Deutungsmöglichkeiten oder einen vagen Bedeutungsinhalt vermag der Senat nicht zu erkennen. Sie sind vom Anmelder auch nicht weiter erläutert worden. Soweit die vielfältigen inhaltlichen Möglichkeiten gemeint sind, die Anlaß und Gegenstand eines (realen wie virtuellen) Stadtbummels sein können, ist dies für die Beurteilung der Schutzfähigkeit unerheblich (vgl BGH WRP 2000, 1140 - "Bücher für eine bessere Welt").

Ebensowenig ist die Verwendung des Wortes "Stadtbummel" auf dem Gebiet von Computerprogrammen oder der neuen Medien als phantasievoller Überschuß zu bewerten. Ähnlich wie bei den Wörtern "Datenautobahn, Papierkorb, Einkaufskorb, Virus, Menü etc." erscheint es dem angesprochenen Verkehr gerade auf dem vorliegenden Gebiet nicht ungewöhnlich oder eigenartig, Begriffen aus dem täglichen Sprachgebrauch zur unmittelbar bildlichen Verdeutlichung von Sachinformationen zu begegnen. Denn es handelt sich bei der angemeldeten Bezeichnung um einen geläufigen, keinesfalls veralteten oder auf die Vergangenheit bezogenen Begriff, dem der Verkehr in Verbindung mit Werbung, Software und neuen Medien ohne weiteres Nachdenken oder analytische Betrachtung lediglich beschreibende Sachhinweise entnimmt und keine kennzeichnende Wirkung beimißt.

Aber selbst wenn mit dem Anmelder unterstellt wird, der Verkehr verbände mit der angemeldeten Bezeichnung allein die Vorstellung an einen traditionellen Stadtbummel, so fehlte der angemeldeten Marke doch jede Unterscheidungskraft. Denn dann versteht der Verkehr das geläufige Wort stets nur als solches und hat auch noch weniger Veranlassung, an ein Kennzeichen zu denken, weil die angemeldete Bezeichnung begrifflich in einer Weise besetzt wäre, die Gedanken an ein betriebliches oder ein produktidentifizierendes Unterscheidungsmerkmal überhaupt nicht aufkommen ließe. Hinzu kommt, daß sich die Dienstleistungen in erster Linie an Auftraggeber und Abnehmer richten, die der Erschließung neuer Markt-, Absatz- und Informationsstrategien aufgeschlossen gegenüberstehen und Metaphern vertrauter Verhaltensmuster ohne weiteres als beschreibende Aussage auffassen.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die angemeldete Marke darüber hinaus auch gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung auszuschließen war, wofür die den genannten Zeitungsberichten zu entnehmenden konkreten Anhaltspunkte sprechen.

Meinhardt Pagenberg Richter Guth ist durch Urlaub verhindert zu unterschreiben.

Meinhardt Cl






BPatG:
Beschluss v. 18.10.2000
Az: 29 W (pat) 279/99


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