Oberlandesgericht Bremen:
Urteil vom 12. Februar 2010
Aktenzeichen: 2 U 116/09

(OLG Bremen: Urteil v. 12.02.2010, Az.: 2 U 116/09)

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen, 9. Zivilkammer, vom 1. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Verfügungsklägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung vermeintlicher Wettbewerbsverstöße durch die Erbringung so genannter qualifizierter Krankentransportleistungen ohne Genehmigung nach § 34 Abs. 1 des bremischen Hilfeleistungsgesetzes (BremHilfeG) in Anspruch.

Die Verfügungsklägerin ist ein in W. ansässiges Krankentransportunternehmen, welches über eine Genehmigung für den qualifizierten Krankentransport nach dem BremHilfeG verfügt. Die Verfügungsbeklagte betreibt ein Mietwagenunternehmen mit einer Genehmigung nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und führt regelmäßig auch Krankenfahrten aus. Inhaberin einer Genehmigung nach § 34 BremHilfeG ist sie nicht.

Am 13. Juli 2009 holten Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten eine ältere Patientin von der Geriatrie des Klinikums B. ab. Sie schoben dabei diese Patientin, die mit einem Nachthemd bekleidet unter einer Bettdecke auf einer mit einem Fahrgestell versehenen Krankentrage lag, sowie auch deren Rollstuhl in den Mercedes-Transporter der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsklägerin hat behauptet, die Patientin sei unqualifiziert behandelt worden. Sie sei schwerkrank und hilflos gewesen und habe deshalb offensichtlich während des Transportes einer medizinisch fachlichen Betreuung bedurft. Die Verfügungsbeklagte habe somit einen qualifizierten Krankentransport durchgeführt und sich damit wettbewerbswidrig verhalten. Eine einfache Krankenfahrt setze eine jedenfalls noch eingeschränkte Gehfähigkeit der beförderten Person voraus, an der es hier gefehlt habe.

Das Landgericht Bremen hat durch Beschluss vom 07.08.2009 der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs in dem Gebiet der Freien Hansestadt Bremen Beförderungen mit Krankenkraftwagen durchzuführen, wenn damit kranke, verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Personen befördert werden, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtung des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist. Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht durch Urteil vom 01.10.2009 die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf deren Erlass zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines qualifizierten Krankentransportes nicht glaubhaft gemacht seien. Auf dem von der Verfügungsklägerin vorgelegten Videofilm sei lediglich zu erkennen gewesen, dass die Patientin auf einer Krankentrage liegend in das Fahrzeug der Beklagten gebracht worden sei. Einen hinreichenden Schluss auf den Gesundheitszustand ließen die Bilder nicht zu. Es sei auch nicht vorgetragen, dass ein Arzt etwa die Notwendigkeit fachgerechter Hilfe oder Betreuung angeordnet hätte. Die Unterscheidung zwischen Liegend- oder Sitzend-Transport allein sei kein taugliches Abgrenzungskriterium.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Verfügungsklägerin, die ihren Tatsachenvortrag erster Instanz aufrechterhält und ihren Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um einen der landesgesetzlichen Regelung des § 24 Abs. 3 BremHilfeG unterfallenden, in § 1 Abs. 2 PBefG ausdrücklich von der Beförderung nach jenem Gesetz ausgenommenen qualifizierten Krankentransport oder aber um eine einfache Krankenfahrt handele, sei nach dem Willen des Gesetzgebers auf die für Kassenärzte und Krankenkassen verbindlichen Krankentransportrichtlinien zurückzugreifen. Bereits die Tatsache, dass ein Patient mittels einer Krankentrage transportiert werde, erfordere medizinisch fachliche Betreuungsleistungen, für die es darüber hinaus der besonderen Einrichtung eines Krankenkraftwagens bedürfe. Die Frage der €ärztlichen Beurteilung€ bzw. einer ärztlichen Verordnung könne dabei kein Tatbestandsmerkmal sein. Krankentragen seien wie Krankentragestühle Medizinprodukte, die nur in Krankenkraftwagen, nicht aber in gewöhnlichen Transportern verwendet würden. Ein Liegendtransport sei stets dann ein qualifizierter Krankentransport, wenn der beförderte Patient auf einer Krankentrage bewegt werden müsse und er nicht in der Lage sei, die Einrichtungen des Fahrzeuges zu benutzen. Das geschulte und ordnungsgemäße Benutzen von Krankentragen und Fahrtragen sei immerhin Gegenstand der Ausbildung zum Rettungssanitäter. Wenn ein solcher oder ein Rettungshelfer einen nicht gehfähigen Patienten auf einem solchen Hilfsmittel transportiere, liege eine nichtärztliche medizinisch fachliche Hilfeleistung vor.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet unqualifiziertes Verhalten ihrer Mitarbeiter. Transporte von Personen, die fachliche, personelle oder apparative Betreuung während der Fahrt benötigten, würden von ihr nicht durchgeführt. Dies schließe die etwaige Notwendigkeit spezieller Lagerungsmanöver, deren Anwendung ausschließlich qualifizierten Fachkräften vorbehalten sei, ein. Die am fraglichen Tage beförderte Patientin sei weitgehend gesund gewesen. Sie sei nur deshalb € ordnungsgemäß mit Gurten auf der Trage fixiert € liegend transportiert worden, weil sie zuvor in Nachtwäsche in das Krankenhaus eingeliefert worden sei. Um die Würde der Patientin, die sonst auch im Sitzend € Taxi hätte transportiert werden können, zu wahren, habe man sich für einen Liegendtransport entschieden. Liege und Rollstuhl seien mittels einer extra dafür vorgesehenen Einrichtung am Fußboden fest fixiert gewesen. Das Fahrzeug sei für Transporte von Liegendpatienten mit eigenem Rollstuhl speziell geeignet und das Liegesystem TÜV-geprüft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug und der Urteilsgründe wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf den Inhalt der Schriftsätze vom 04.12.2009 (Bl. 100 € 111 d.A) und vom 13.01.2010 (Bl. 115 € 117 d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu Recht unter Aufhebung des Beschlusses vom 07.08.2009 zurückgewiesen, weil die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Verfügungsbeklagte am 13.07.2009 nicht eine einfache Krankenfahrt, sondern einen qualifizierten Krankentransport durchgeführt hat. Ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG steht der Verfügungsklägerin deshalb nicht zu.

Bei der Bestimmung des § 34 Abs. 1 BremHilfeG, die Krankentransporte außerhalb des Rettungsdienstes durch private Unternehmer unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, handelt es sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen diese Bestimmung lässt sich jedoch nicht feststellen.

Ein nach § 34 Abs. 1 BremHilfeG genehmigungspflichtiger qualifizierter Krankentransport liegt gemäß § 24 Abs. 3 BremHilfeG vor, wenn verletzte, kranke oder hilfsbedürftige Personen zu befördern sind, die nach ärztlicher Beurteilung während der Beförderung der fachlichen Betreuung oder eines besonders ausgestatteten Rettungsmittels bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist.

Vorliegend kann, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, lediglich festgestellt werden, dass es sich bei der beförderten Person um eine ältere bzw. alte Dame gehandelt hat, die auf einer fahrbaren Krankentrage liegend in das Fahrzeug der Verfügungsbeklagten gefahren wurde und die im Besitz eines Rollstuhles war, auf den sie offenbar angewiesen war. Von einer Einschränkung der Gehfähigkeit der Patientin kann deshalb ausgegangen werden. Zu ihrem konkreten Gesundheitszustand und insbesondere dazu, ob sie während des Transportes ärztlicher oder nichtärztlich medizinisch fachlicher Betreu-ung bedurfte, liegen Erkenntnisse aber nicht vor. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass etwa während des Transportes spezielle Lagerungsmanöver vorgenommen oder überwacht werden mussten, sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die Patientin nicht in der Lage gewesen wäre, aus eigenen Kräften, ggf. mit Unterstützung einer Person, die über medizinisch fachliche Qualifikationen nicht verfügen musste, weil es zur Hilfestellung keiner speziellen Hebemanöver bedurfte, auf die Krankentrage und von dieser wieder herunter zu gelangen.

Der Umstand der Beförderung auf einer Krankenliege allein führt noch nicht dazu, diese als einen qualifizierten Krankentransport i.S.d. § 24 Abs. 3 BremHilfeG zu beurteilen. Dem Inhalt der Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) lässt sich eine derartige Schlussfolgerung nicht entnehmen. § 6 dieser Richtlinien definiert lediglich den Krankentransport in derselben Weise wie die Vorschrift des § 24 Abs. 3 BremHilfeG und die des § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Auch die von der Verfügungsklägerin vorgelegten, von Kassenärztlichen Vereinigungen herausgegebene Informationsblätter gehen zudem davon aus, dass auch Liegendtransporte als einfache Krankenfahrten durchgeführt werden können, soweit eben die Anwesenheit medizinischen Fachpersonals nicht erforderlich ist. Eine derartige Erforderlichkeit kann, wie bereits ausgeführt, im hier zur Entscheidung stehenden Fall aber nicht festgestellt werden. Dass die Handhabung der Krankenliege als solche eine spezielle medizinisch fachliche Ausbildung voraussetzt, hat die Verfügungsklägerin nicht dargetan. Allein der Umstand, dass einer der Bestandteile der Ausbildung zum Rettungssanitäter auch eine Schulung oder Einweisung in den Umgang mit Krankentragen und Fahrtragen ist, führt noch nicht dazu, diesen Umgang als eine medizinisch fachliche Betreuungsleistung i.S.d. BremHilfeG zu beurteilen. Die Tatsache allein, dass es sich bei der Krankentrage um ein Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) handelt, reicht dazu nicht aus. Auch bei einem Rollstuhl - der von nicht medizinisch qualifizierten Personen gehandhabt werden darf - handelt es sich beispielsweise um ein Medizinprodukt im Sinne des MPG. Gemäß § 7 der Krankentransportrichtlinien (€Krankenfahrten€) zählen zu den Mietwagen, die Krankenfahrten durchführen, €z.B. auch Wagen mit behindertengerechter Einrichtung zur Beförderung von Rollstuhlfahrern.€ Handelt es sich auch bei dem Umgang mit der Krankentrage um eine Hilfestellung, die nicht über eine solche Tätigkeit hinausgeht, die, ggf. nach einfacher Anleitung oder Anweisung, von jedermann geleistet werden kann und darf, stellt diese Art der Beförderung für sich genommen nicht bereits einen qualifizierten Krankentransport im Sinne des § 24 Abs. 3 BremHilfeG dar.

Eine von der Verfügungsklägerin beanstandete etwaige €unqualifizierte€ oder entwürdigende Behandlung der Patientin durch die Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, in dem die Verfügungsbeklagte auf Unterlassen von Krankentransporten i.S.d. § 24 Abs. 3 BremHilfeG in Anspruch genommen wird. Hinreichende Feststellungen ließen sich hierzu durch den Senat im Rahmen des Verfügungsverfahrens auch nicht treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Bremen:
Urteil v. 12.02.2010
Az: 2 U 116/09


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