Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 12. März 2001
Aktenzeichen: AnwZ (B) 18/00
(BGH: Beschluss v. 12.03.2001, Az.: AnwZ (B) 18/00)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 1. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1941 geborene und seit 1972 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller ist seit Dezember 1992 beim Landgericht Berlin, seit März 1993 zugleich beim Kammergericht als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Verfügung vom 19. April 1999 hat die Präsidentin des Kammergerichts, die frühere Antragsgegnerin, die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen und mit weiterer Verfügung vom 19. Mai 1999 die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung angeordnet. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Er wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.
b) Diese Voraussetzung war im Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung erfüllt: Gegen den Antragsteller war auf Antrag des Gläubigers B. wegen einer titulierten Forderung über 1.259.722 DM nebst Zinsen am 4. November 1998 Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassen worden, der zu seiner -bei Erlaß der Widerrufsverfügung noch fortbestehenden -Eintragung in das Zentralschuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg führte (§§ 901, 915 ZPO). Darüber hinaus war es bereits in der Zeit vor Erlaß der Widerrufsverfügung zu zahlreichen -häufig erfolglosen -Vollstrekkungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen. Seine offenen Verbindlichkeiten beliefen sich -selbst nach eigenen Angaben -auf zumindest etwa 1,4 Mio. DM. Ihre geordnete Rückführung war dem Antragsteller nicht mehr möglich; von ihm behauptete Honorarforderungen führten entgegen seinen Ankündigungen zu keinerlei Zahlungseingängen. Daß durch den danach vorliegenden Vermögensverfall die Interessen der Rechtsuchenden -ausnahmsweise -nicht gefährdet waren, hat der Antragsteller nicht darzutun vermocht. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer mit der Widerrufsverfügung zu Ziff. 15 aufgezeigten verspäteten Weiterleitung von Mandantengeld, bei der Zahlung erst nach Erlaß eines Versäumnisurteils gegen den Antragsteller erfolgte.
2. Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Widerrufsverfügung ist zwar grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgebend. Wenn der Widerrufsgrund aber nachträglich zweifelsfrei weggefallen ist, ist dies im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch zu berücksichtigen.
a) Von einem solchen zweifelsfreien Wegfall des Widerrufsgrundes ist der Anwaltsgerichtshof jedoch mit Recht nicht ausgegangen. Der Antragsteller hat selbst weiterhin bestehende Verbindlichkeiten zu einem Gesamtbetrag von etwa 1.397.000 DM eingeräumt. Es kommt jedoch hinzu, daß von einer vom Antragsteller behaupteten und in seine Berechnung eingestellten -vom Anwaltsgerichtshof aber mit Recht bezweifelten -Reduzierung seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger B. auf noch 850.000 DM schon deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil der Antragsteller nicht nachgewiesen hat, daß der zugrunde liegende Forderungsverkauf überhaupt durch Zahlung der ersten Rate gemäß Ziff. 5 des Vertrages vom 10. Juni 1999 wirksam geworden ist. Ist demgemäß von Forderungen von mehr als 1,7 Mio. DM gegen den Antragsteller auszugehen, so steht damit zugleich fest, daß diese selbst bei vollständiger Erfüllung des Honorarversprechens des Mandanten H. und unter Rückgriff auf das dem Antragsteller nach seinem Vortrag zugesagte Darlehen über 1,2 Mio. DM nicht vollständig erfüllt werden könnten. Darüber hinaus hat es der Antragsteller aber auch an jeglichem Nachweis dafür fehlen lassen, daß aus dem Honorarversprechen H. oder dem Darlehensversprechen überhaupt Zahlungen erfolgt sind; gleiches gilt für Zahlungen aus dem zugleich mit dem Darlehensvertrag abgeschlossenen Beratervertrag. Daß schließlich auf die offenen Honorarforderungen gegen die Firmen R. GmbH und S. GmbH zumindest Teilleistungen erbracht worden seien, hat der Antragsteller weder dargelegt noch belegt. Deshalb bleibt zweifelhaft, ob die Firma R. GmbH in der Lage sein wird, dem Antragsteller das mit Schreiben vom 9. März 2001 zugesagte Darlehen zu gewähren. Von einer nachhaltigen Verbesserung der finanziellen Verhältnisse des Antragstellers war demgemäß nicht auszugehen; eine geordnete Rückführung aller gegen den Antragsteller gerichteten Verbindlichkeiten war nicht abzusehen. Von einem zweifelsfreien Wegfall des Widerrufsgrundes konnte deshalb keine Rede sein.
Deppert Fischer Terno Otten Schott Frey Wosgien
BGH:
Beschluss v. 12.03.2001
Az: AnwZ (B) 18/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/16219c0c5f07/BGH_Beschluss_vom_12-Maerz-2001_Az_AnwZ-B-18-00