Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. April 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 108/01

(BPatG: Beschluss v. 15.04.2003, Az.: 24 W (pat) 108/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. November 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

G r ü n d e:

I.

Die Bezeichnungsiehe Abb. 1 ist als Marke zur (farbigen) Eintragung in das Register angemeldet.

Das Verzeichnis der Dienstleistungen lautet nach einer Neuformulierung im Beschwerdeverfahren:

"Aufbereitung und Speicherung von Daten in elektronischen Datenbanken und auf elektronischen Trägermedien;

Beratung bei Geldanlagen; Beratung bei der rationalen Einkommensverwendung;

Verbreitung von Informationen in elektronischen Medien sowie in Filmen und Rundfunk; Erarbeitung und Veröffentlichung von Informationen über optimale Haushaltsführung;

Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und Broschüren;

Veranstaltung, Auswertung und Veröffentlichung von Dienstleistungsuntersuchungen; Durchführung von Qualitätsuntersuchungen; Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen; Verbraucherberatung bei der Auswahl von Dienstleistungen; Information über Rechts- und Steuerfragen; Zurverfügungstellung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien."

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und im Hinblick auf ein bestehendes Freihaltebedürfnis zurückgewiesen. Die Bezeichnung "FINANZtest" weise lediglich darauf hin, daß Gegenstand der so gekennzeichneten Dienstleistungen ein Test im Bereich der Finanzen sei. Dementsprechend würden die angesprochenen Verkehrskreise der angemeldeten Marke auch nur diese Sachinformation, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, daß es sich bei der angemeldeten Marke um einen ohne weiteres unterscheidungskräftigen und auch weithin bekannten Zeitschriftentitel handle. Die Bezeichnung "FINANZtest" stelle eine ungewöhnliche Wortneubildung dar, die keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweise. Es bleibe im Unklaren, wessen Finanzen getestet würden und wie Finanzen überhaupt einem Test unterzogen werden könnten. Auch ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht. Der angemeldeten Marke lasse sich keine konkrete Aussage über die von ihr erfaßten Dienstleistungen entnehmen. Deren Gegenstand werde allenfalls im Sinne einer "sprechenden Marke" angedeutet.

Hilfsweise beruft sich die Anmelderin auf Verkehrsdurchsetzung. Die angemeldete Marke werde von ihr seit 1991 als Zeitschriftentitel verwendet. Die Zeitschrift "FI-NANZtest" erscheine seit 1997 monatlich mit einer Auflage von durchschnittlich 323.000 Exemplaren. Darüber hinaus erbringe sie (die Anmelderin) unter der angemeldeten Marke seit Jahren in großem Umfang die von der Anmeldung erfaßten Dienstleistungen. Die Anmelderin hat hierzu umfangreiches Material vorgelegt.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben, hilfsweise, die Sache zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Anmelderin sowie die hierzu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung führt (§ 8 Abs 3, § 70 Abs 3 Nr 3 MarkenG).

1. Die Markenstelle hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß die angemeldete Marke von Hause aus nicht die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft aufweist.

Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als herkunftsindividualisierendes Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (st. Rspr.; vgl BGH GRUR 2003, 343, 344 "Buchstabe Z"; GRUR 2003, 342 "Winnetou"; GRUR 2002, 1070 "Bar jeder Vernunft"). Obwohl dabei von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, so daß jede, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden, darf der Begriff der Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift nicht mit der Unterscheidungskraft als Schutzvoraussetzung im Bereich des Werktitelrechts gleichgesetzt werden, wo zum Teil (noch) niedrigere Anforderungen gestellt werden. Denn während der Werktitel grundsätzlich nur das Werk als solches im Verhältnis zu anderen Werken individualisiert und dementsprechend von Hause aus nur Schutz gegen eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne (Werkverwechslung) bietet (vgl BGH GRUR 2002, 1083 "1, 2, 3 im Sauseschritt"; GRUR 2000, 504, 505 "FACTS"), kommt der Marke eine betriebliche Herkunftsfunktion mit Schutz gegen jede Form der betrieblichen Herkunftsverwechslung zu. Soweit daher insbesondere auf dem Gebiet der Zeitschriften und Zeitungen auch solchen Titeln die erforderliche Unterscheidungskraft zuerkannt wird, die sich im wesentlichen in einer - mehr oder weniger allgemein gehaltenen - Beschreibung des Werkinhalts erschöpfen (vgl zB BGH GRUR 2002, 176 "Auto Magazin"; GRUR 2000, 504, 505 "FACTS"; GRUR 2000, 70, 72 "SZENE"), können diese sehr geringen werktitelspezifischen Schutzanforderungen nicht auf das Markenrecht übertragen werden (vgl BGH GRUR 2001, 1043, 1045 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; BPatG GRUR 1998, 145, 146 "Klassentreffen"). Die markenrechtliche Unterscheidungskraft ist vielmehr ua dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung einen im Hinblick auf die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt aufweist (st. Rspr.; vgl BGH GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; GRUR 2001, 162, 163 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"). Davon ist insbesondere auch dann auszugehen, wenn die angemeldete Marke vom Verkehr als Beschreibung des Inhalts von Werken aufgefaßt werden kann, die Gegenstand der betreffenden Waren oder Dienstleistungen sind (vgl BGH GRUR 2001, 1042, 1043 "REICH UND SCHOEN"; GRUR 2001, 1043, 1045 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; GRUR 2002, 1070, 1072 "Bar jeder Vernunft"; GRUR 2003, 342, 343 "Winnetou"). Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden.

Die Bezeichnung "FINANZtest" ist sprachregelgerecht aus den Begriffen "Finanz" und "Test" zusammengesetzt und insoweit Wortbildungen wie zB "Finanzamt", "Finanzmakler", "Finanzlage" vergleichbar. Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Verkehr der angemeldeten Marke ohne nähere Überlegungen den beschreibenden Hinweis entnimmt, daß die so gekennzeichneten Dienstleistungen sich mit einem Test im Bereich der Finanzen befassen. In diesem Sinne beschreibt die angemeldete Marke unmittelbar den (möglichen) Gegenstand der Dienstleistungen "Beratung bei Geldanlagen; Beratung bei der rationalen Einkommenverwendung; Erarbeitung und Veröffentlichung von Informationen über optimale Haushaltsführung; Veranstaltung, Auswertung und Veröffentlichung von Dienstleistungsuntersuchungen; Durchführung von Qualitätsuntersuchungen; Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen; Verbraucherberatung bei der Auswahl von Dienstleistungen; Information über Rechts- und Steuerfragen". Die Anmelderin weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Bezeichnung "FINANZtest" für die angesprochenen Verkehrskreise gewisse Interpretationsspielräume eröffnet, um wessen Finanzen es geht und wie die betreffenden Dienstleistungen im einzelnen ausgestaltet sind. Die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke kann damit aber nicht begründet werden (vgl BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"). Entscheidend ist vielmehr, daß mit der Bezeichnung "FINANZtest" der wesentliche Kern der genannten Dienstleistungen beschrieben wird, so daß die Annahme fernliegt, der Verkehr werde darin nicht nur eine inhaltliche Aussage, sondern ein individuelles betriebliches Herkunftskennzeichen erkennen.

Im Hinblick auf die Dienstleistungen "Verbreitung von Informationen in elektronischen Medien sowie in Filmen und Rundfunk" beschränkt sich die angemeldete Marke auf eine verständliche Beschreibung des Inhalts der Werke (zB Filme, Rundfunksendungen), die Gegenstand dieser Dienstleistungen sind. Den titelartig zusammengefaßten Aussageinhalt wird der Verkehr wegen der Nähe der genannten Dienstleistungen zum Werktitel und des mit ihm bezeichneten Inhalts der betreffenden Filme, Rundfunksendungen usw ohne weitere Überlegung auf die betreffenden Dienstleistungen selbst beziehen, für welche die Eintragung erfolgen soll (vgl BGH GRUR 2001, 1042, 1043 "REICH UND SCHOEN").

Die Dienstleistung "Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und Broschüren" wird als solche mit der Wortverbindung "FINANZtest" nicht unmittelbar beschrieben. Auch insoweit ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu berücksichtigen, daß sich die angemeldete Marke ohne weiteres als - wenn auch allgemein gehaltene - inhaltsbeschreibende Angabe über den Inhalt der betreffenden Bücher, Zeitschriften und Broschüren eignet, die Gegenstand der genannten Dienstleistung sind. In einem solchen Fall erfaßt das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG neben den - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Büchern, Zeitschriften und Broschüren als Waren auch deren Herausgabe als Dienstleistung (BGH GRUR 2003, 342, 343 "Winnetou"; anders insoweit noch BGH GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"; GRUR 2001, 1043, 1045 "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"). Nichts anderes gilt für die Dienstleistungen "Aufbereitung und Speicherung von Daten in elektronischen Datenbanken und auf elektronischen Trägermedien" und "Zurverfügungstellung von Daten in elektronischen Datenbänken und auf elektronischen Trägermedien", die der Sache nach dem Herausgeben von Büchern usw im elektronischen Bereich entsprechen.

Die graphische Ausgestaltung der angemeldeten Marke (weiße Schrift auf blauem Rechteck, Großschreibung des ersten und Kleinschreibung des zweiten Wortbestandteils) hält sich im Rahmen des Werbeüblichen. Sie vermag nichts daran zu ändern, daß der aufgezeigte beschreibende Sinngehalt im Vordergrund steht (vgl BGH GRUR 2001, 1153 "anti KALK"; BPatG GRUR 1996, 410, 411 "Color COLLECTION").

Der Hinweis der Anmelderin auf die Vorschrift des § 23 Nr 2 MarkenG kann der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Bestimmung stellt eine - neben § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG - zusätzliche Absicherung der freien Verwendbarkeit beschreibender Angaben dar. Auf die Auslegung und Anwendung der absoluten Schutzhindernisse hat sie keinen Einfluß (vgl EuGH GRUR 1999, 723, 726 (Nr 28) "Chiemsee"; zu § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG vgl BPatG GRUR 2000, 1049, 1050 "21st Century"; GRUR 1999, 333, 335 "New Life"; GRUR 1998, 1021, 1023 "Mona Lisa").

Der Hauptantrag der Anmelderin konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

2. Die von der Anmelderin im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereichten zahlreichen Unterlagen lassen es indessen als möglich erscheinen, daß die angemeldete Marke sich im Verkehr zugunsten der Anmelderin durchgesetzt hat (§ 8 Abs 3 MarkenG). Die Anmelderin hat im einzelnen dargelegt, daß sie die angemeldete Marke nicht nur als Zeitschriftentitel benutzt, sondern unter dem Zeichen auch Bücher und Broschüren herausgibt (vgl Anlagen B4 sowie B24 bis B34), umfangreiche Internet-Angebote bereithält, wobei sie auch individuelle Beratungsdienstleistungen erbringt (vgl Anlagen B17 und B18), und in Rundfunk und Fernsehen präsent ist (Anlagen B19 bis B23). Dabei decken die von der Anmelderin aufgezeigten Tätigkeiten im wesentlichen das Verzeichnis der Dienstleistungen der vorliegenden Anmeldung ab. Insbesondere im Hinblick auf den gut im Markt eingeführten Zeitschriftentitel "FINANZtest" (vgl Anlagen B3 sowie B5 bis B11) besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß der Verkehr dieses Zeichen - jedenfalls in seiner konkreten Ausgestaltung - auch im Hinblick auf die von der angemeldeten Marke erfaßten und von der Anmelderin erbrachten Dienstleistungen, die einen engen sachlichen Bezug zu dem Inhalt der genannten Zeitschrift aufweisen, nicht mehr als beschreibende Angabe, sondern als individuellen Herkunftshinweis auffassen. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der Anmelderin die Möglichkeit zu eröffnen, die behauptete Verkehrsdurchsetzung im Verfahren vor der Markenstelle im einzelnen nachzuweisen (§ 70 Abs 3 Nr 3 MarkenG). In diesem Rahmen wird auch Gelegenheit bestehen, das Verzeichnis der Dienstleistungen - soweit erforderlich, insbesondere im Hinblick auf den Begriff "Verwendung von Test- und Untersuchungsergebnissen" - noch weiter zu präzisieren.

Dr. Ströbele Kirschnek Dr. Hacker Ju Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/24W(pat)108-01.3.gif






BPatG:
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