Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Februar 1993
Aktenzeichen: 6 U 162/92
(OLG Köln: Urteil v. 26.02.1993, Az.: 6 U 162/92)
1. Frischkäsezubereitungen in 400 g-Bechern dürfen an Letztverbraucher nicht ohne Grundpreisangabe (= Preis in kg) abgegeben werden.
2. Frischkäsezubereitungen fallen nicht unter die Ausnahmebestimmung in § 15 der FertigpackungsVO, da sie nicht unter den Oberbegriff "Frischkäse" zu fassen sind. Maßgeblich für die Definition des Begriffs "Frischkäse" ist die KäseVO; die EG-Richtlinie 80/232/EWG vom 15.01.1980 liefert hierbei keine Definitionshilfe.
3. Ein Verstoß gegen § 12 der FertigpackungsVO begründet für sich allein noch keinen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG, da es sich um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift handelt. Wie die PreisangabenVO verfolgt die FertigpackungsVO das Ziel, zur Preistransparenz beizutragen. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht anstößig wird ein Verstoß gegen § 12 FertigpackungsVO, wenn durch ihn - bewusst und planmäßig- ein sachlich nicht gerechtfertigter Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern erzielt werden soll.
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18. August 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 313/92 - abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,den nachstehend in Vorder- und Seitenansicht wiedergegebenen Becher gefüllt mit einer Frischkäsezubereitung und mit einem Füllgewicht von 400 g unter Preisangabe Letztverbrauchern anzubieten, ohne gleichzeitig den Grundpreis - Preis für 1 kg - anzugeben: Die Kosten des Rechtsstreits werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die Berufung des Antragstellers ist
zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ist nach dem Hauptantrag zulässig und
begründet.
Der Verfügungsgrund für den Hauptantrag
ergibt sich aus der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG; auch nach
dem Vorbringen der Antragsgegnerin hat der Antragsteller frühestens
Mitte Mai 1992 davon Kenntnis erlangt, daß das Produkt "O." der
Firma G.-D. in Geschäftslokalen der Antragsgegnerin in 400
g-Bechern angeboten wird, ohne daß der Grundpreis - Preis für 1 kg
- angegeben wird. Diesen Tatbestand hat der Antragsteller mit
Schreiben vom 3. Juni 1992 abgemahnt. Soweit sich die
Antragsgegnerin erstinstanzlich auf den Fortfall der Dringlichkeit
beruft, bezieht sich dies ausschließlich auf den später vom
Antragssteller geltend gemachten Hilfsantrag.
Der Verfügungsanspruch folgt aus § 1
UWG i.V.m. § 12 Abs. 1 FertigpackungsVO.
Die Antragsgegnerin ist gemäß § 12 Abs.
1 FertigpackungsVO verpflichtet, bei der Abgabe des in Bechern
fertig verpackten Produktes "O. " an Letztverbraucher den von ihr
geforderten Grundpreis (Preis in kg) anzugeben, da es sich bei
diesem Produkt um ein Lebensmittel handelt, das in Nennfüllmengen
von nicht weniger als 10 g und nicht mehr als 10 kg angeboten
wird.
Der von der Antragsgegnerin angebotene
400 g-Becher "O." fällt nicht unter die Ausnahmebestimmungen der
FertigpackungsVO. Die allein in Betracht kommende Befreiung von der
Grundpreisangabe gemäß § 15 FertigpackungsVO umfaßt nicht das
streitgegenständliche Produkt, da in Anlage 3 zu dieser
Vorschrift, in der unter Ziffer 10. Milcherzeugnisse im einzelnen
aufgeführt sind, Frischkäsezubereitungen nicht erwähnt werden.
Entgegen der Auffassung der
Antragsgegnerin unterfällt das Produkt "O." nicht Ziffer 10.9. der
Anlage 3 zu § 15 FertigpackungsVO, in der nur für Frischkäse auch
die Nennfüllmenge von 400 g vorgesehen ist. Mangels einer
Definition des Begriffs "Frischkäse" in der FertigpackungsVO ist
auf die Begriffsbestimmung des § 1 KäseVO zurückzugreifen
(Strecker, Fertigpackungsrecht, Kommentar, Stand: 01.11.1992, Band
I, Bl. 334/31), nach deren Anlage 1 zu den Frischkäsen lediglich
Speisequark, Schichtkäse, Rahmfrischkäse und Doppelrahmfrischkäse
zählen. Diesen Käsen ist nach den Herstellungsvorschriften der
Anlage 1 zur KäseVO gemeinsam, daß sie nur aus Milch, Sahne oder
entrahmter Milch oder daraus anfallender Molke bestehen dürfen. Das
Produkt "O.", bei dem es sich um eine Frischkäsezubereitung der
Viertelfettstufe handelt, hat jedoch ausweislich des
Packungsaufdrukkes als weitere Zutaten Joghurterzeugnisse aus
entrahmter Milch, Fruchtzubereitung mit natürlichen und
naturidentischen Aromastoffen, Zucker und Molkeneiweiß, so daß
Zutaten enthalten sind, die der Herstellung von Frischkäse und
diesem selbst fremd sind. Demnach fällt die Frischkäsezubereitung
"O." nicht unter Ziffer 10.9. der Anlage 3 zu § 15
FertigpackungsVO. Es kann dahinstehen, ob Frischkäsezubereitung
möglicherweise unter Ziffer 10.8. (Kä-sezubereitung) zu fassen ist
(so Strecker a.a.O., Bl. 334/31) oder ob es sich um ein
Lebensmittel eigener Art im Sinne von Ziffer 10.2. handelt (so
Rathke, Bl. 7 des vom Antragssteller vorgelegten Gutachtens), denn
bei den Produkten in beiden Ziffern sind die beanstandeten 400
g-Packungen als Ausnahmen im Sinne von § 15 FertigpackungsVO nicht
zugelassen.
Der Senat vermag auch nicht der
Argumentation der Antragsgegnerin zu folgen, da die EG-Richtlinie
von 15. Januar 1980 (80/232/EWG) keine Unterscheidung zwischen
Frischkäse und Frischkäsezubereitung kenne, sei die Gruppe
"Frischkäse" bei der Umsetzung der EG-Richtlinie in Anlage 3 der
FertigpackungsVO nunmehr in der Weise neu gebildet worden, daß
darunter heute auch die Frischkäsezubereitungen fielen. Eine
solche Schlußfolgerung ist nicht gerechtfertigt. Die Richtlinie des
Rates vom 15. Januar 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedsstaaten über die zulässigen Reihen von Nennfüllmengen
und Nennvolumen von Behältnissen für bestimmte Erzeugnisse in
Fertigpakkungen (80/232/EWG) enthält insoweit keine Definition
des Begriffes "Frischkäse". Da Nennfüllmengen für andere Käsearten
oder Käsezubereitungen in der EG-Richtlinie nicht geregelt sind,
ist ihr nicht zu entnehmen, ob Frischkäsezubereitungen - wie die
Antragsgegnerin meint - unter den Begriff "Frischkäse" zu fassen
sind. Wäre aber der nationale Verordnungsgegner hiervon
ausgegangen, so hätte er bei der Umsetzung der EG-Richtlinie in
nationales Recht dies zum einen in der Anlage 3 zu § 15
FertigpackungsVO bei Ziffern 10.8. und 10.9. kenntlich gemacht
oder machen müssen und zugleich die Anlage 1 zu § 1 KäseVO
entsprechend angepaßt oder anpassen müssen. Da dies jedoch nicht
geschehen ist und ein anderslautender Wille des Verordnungsgebers
weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht ist, ist weiterhin von der
einzigen Definition des Begriffs "Frischkäse" in der KäseVO
auszugehen, nach der jedenfalls Frischkäsezubereitungen, die eine
Fruchtzubereitung enthalten, nicht dem Frischkäse zuzurechnen
sind.
Demnach darf das Produkt "O." an
Letztverbraucher nicht ohne Grundpreisangabe abgegeben werden; § 12
FertigpackungsVO.
Da die Antragsgegnerin das Produkt "O."
in einem 400 g-Becher in ihrem Geschäftslokal in K.P. zum Preis von
2,69 DM ohne Angabe des Grundpreises an Letztverbraucher abgegeben
hat, hat sie gegen § 12 Abs. 1 FertigpackungsVO verstoßen.
Dieser Verstoß gegen die Vorschrift der
FertigpakkungsVO ist vorliegend auch wettbewerbswidrig im Sinne
des § 1 UWG.
Entgegen der Auffassung des
Antragsstellers rechtfertigt der Verstoß gegen § 12
FertigpackungsVO für sich allein jedoch den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG noch nicht, da es sich bei
dieser Bestimmung um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift handelt,
deren Verletzung nur dann wettbewerbswidrig ist, wenn besondere
wettbewerbliche Umstände hinzutreten, die das gesetzwidrige
Verhalten auch aus wettbewerblicher Sicht anstößig erscheinen
lassen (vgl. BGH GRUR 1992, 856, 857 - "Kilopreise IV" - m.w.N.).
Sinn und Zweck der FertigpackungsVO ist es, zu einer Verbesserung
der Preistransparenz beizutragen. Dieses Ziel soll dadurch erreicht
werden, daß entweder dem Verbraucher durch die Angabe des
Grundpreises eine zusätzliche Information verschafft wird, die
einen Preisvergleich erleichtert, oder daß die Angabe in
Fertigpackungen in festgelegten Größenstufen erfolgt (Zipfel,
Lebensmittelrecht, Stand: Januar 1992, C 61, § 12 FPack-VO, Rn.
11). Schon aufgrund dieses Verordnungszieles stellen sich die
Bestimmungen der FertigpackungsVO als Ordnungsvorschriften dar,
die nicht Ausdruck einer sittlichen Wertung sind und deren
Verletzung nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig beurteilt
werden kann. Der wertneutrale Ordnungscharakter ändert sich -
entgegen der Ansicht des Antragsstellers - auch nicht durch die
Tatsache, daß die FertigpakkungsVO eine
Verbraucherschutzvorschrift ist. Auch die Bestimmungen der
PreisangabenVO, die der BGH in ständiger Rechtsprechung (BGH GRUR
1981, 140, 142 - "Flughafengebühr" -; BGH GRUR 1983, 443, 445 -
"Kfz-Endpreis" -; BGH GRUR 1989, 836, 837 - "Stundungsangebote" -;
BGH GRUR 1991, 847, 848 - "Kilopreise II" -; BGH GRUR 1993, 62, 63
- "Kilopreise III" -) als wertneutrale Ordnungsvorschriften
angesehen hat, dienen dem Verbraucherschutz. Ebenso wie bei § 12
FertigpackungsVO soll nach dem Regelungsgehalt der Preisangaben-VO
dem Verbraucher Klarheit über die Preise und deren Gestaltung
verschafft und verhindert werden, daß er seine Preisvorstellungen
anhand untereinander nicht vergleichbarer Preise gewinnen muß (BGH
GRUR 1989, 836, 837 - "Stundungsangebote" - m.w.N.). Da beide
Vorschriften insoweit die gleiche Zielrichtung besitzen, ist die
Vorschrift des § 12 FertipackungsVO rechtlich nicht anders zu
werten als die Regelungen der PreisangabenVO (vgl.
Baumbach/Hefermehl, UWG, 17. Auflage, § 1 UWG, Rn. 631 ff.).
Gleichwohl rechtfertigt der Verstoß der
Antragsgegnerin gegen § 12 FertigpackungsVO einen
Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG, da der Normverstoß geeignet
ist, die Wettbewerbslage zu beeinflußen. Das gesetzwidrige
Verhalten erscheint auch aus wettbewerblicher Sicht anstößig, da
sich die Antragsgegnerin durch den Verstoß einen sachlich nicht
gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor ihren gesetzestreuen
Mitbewerbern verschafft hat (vgl. BGH GRUR 1993, 62, 63 -
"Kilopreise III" -; BGH GRUR 1989, 669, 671 - "Zahl nach Wahl" -
m.w.N.).
Der Antragssteller hat in der
mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 1993 dargelegt, daß mehrere
Wettbewerber der Antragsgegnerin sich "gesetzestreu" verhalten; so
hat nach der von ihm vorgelegten Kopie einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung sich die Firma M.B. KG, B. verpflichtet,
das streitbefangene Produkt nicht ohne Angabe des Grundpreises
anzubieten. Nach seinem weiteren - unbestrittenen - Vortrag hat die
Firma S. eine entsprechende Erklärung ohne
Vertragsstrafeversprechen abgegeben, die ...-Gruppe das Produkt
"O." aufgrund von Bedenken, ob die 400 g-Packung gegen geltende
Bestimmungen verstößt, nicht mehr gelistet und der ...-Markt den
Grundpreis angegeben.
Vor diesen gesetzestreuen Mitbewerbern
verschafft sich die Antragsgegnerin dadurch, daß sie einen 400
g-Becher "O." ohne Angabe des Grundpreises an Letztverbraucher
abgibt, einen Vorsprung, indem sie den angesprochenen Verbrauchern
einen Vergleich ihres Angebotes mit dem üblichen Angebot zumindest
erschwert (BGH GRUR 1993, 62, 63 - "Kilopreis III" -). Darüber
hinaus ist die Grundpreisauszeichnung mit nicht völlig zu
vernachlässigenden Kosten verbunden (vgl. Strecker,
Fertigpackungsrecht, Kommentar, Stand: 01.11.1992, Band I, § 12,
Bl. 99), die die Antragsgegnerin aufgrund des Verstoßes gegen § 12
FertigpackungsVO nicht aufwendet, so daß sie sich auch hierdurch
einen Wettbewerbsvorteil vor den gesetzestreuen Mitbewerbern
verschafft.
Aus diesem Grund kommt es nicht mehr
darauf an, ob ein Wettbewerbsvorsprung auch darin liegen könnte,
daß - wie der Antragssteller vorträgt - bei einer Gegenüberstellung
der 500 g-Becher Frischkäsezubereitung mit dem 400 g-Becher "O."
der Unterschied in der Nennfüllmenge nicht auffalle.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91
Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO mit der Folge, daß
die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ganz oder teilweise dem
Antragssteller auferlegt werden, kam nicht in Betracht. Zwar hat
der Antragssteller erst in der Berufungsinstanz im einzelnen
dargelegt, daß es gesetzestreue Mitbewerber der Antragsgegnerin
gibt, die das streitbefangene Produkt nicht oder nicht ohne Angabe
des Grundpreises an Letztverbraucher abgeben; hierzu war der
Antragssteller jedoch im ersten Rechtszug nicht im Stande gewesen,
da sich die benannten Mitbewerber erst während des
Berufungsverfahrens zu ihrem gesetzestreuen Verhalten entschieden
haben.
Das Urteil ist mit der Verkündung
rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 26.02.1993
Az: 6 U 162/92
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