Landgericht Dortmund:
Urteil vom 25. November 2014
Aktenzeichen: 25 O 171/14
(LG Dortmund: Urteil v. 25.11.2014, Az.: 25 O 171/14)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vorständen ihrer Komplementärin zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte wie folgt zu werben:
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 219,35 Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, das deutschlandweit Hörgeräteakustikgeschäfte betreibt. Sie unterhält ihren Hauptsitz in E.
Der Kläger wurde beschwerdehalber darauf aufmerksam gemacht, dass die Beklagte in ihren Schaufenstern, wie in Anlage K1 wiedergegeben, Hörgeräte bewirbt.
In der streitgegenständlichen Werbung der Beklagten werden nach Art eines Balkendiagramms verschiedene Hörgerätekategorien, nämlich "Basis", "Klangkomfort", "Spracherkennung" und "3D Hören" mit den entsprechenden Preis- bzw. Preiszuzahlungsstufen gegenübergestellt.
Hörgeräte der Kategorie "Basis" sind für die Kunden der Beklagten ohne Zuzahlung erhältlich, da deren Kosten von der Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Für Hörgeräte der übrigen Kategorien müsste der Kunde über die Kassenleistung hinaus Zuzahlungen von mindestens 639,00 € bis zu 1.299,00 € je Hörgerät an die Beklagte zahlen.
Die vier Hörgerätekategorien werden in dem Balkendiagramm von links nach rechts aufsteigend dargestellt, wobei der Balken der jeweils "teureren" Kategorie höher ist als der Balken der "günstigeren" Kategorie. Jeder einer Kategorie zugeordnete Balken enthält Angaben zu den Leistungsmerkmalen und Verwendungsmöglichkeiten der jeweiligen Hörgeräte.
In den untereinander aufgeführten Beschreibungen innerhalb der einzelnen Balken zu den jeweiligen Geräten lautet es in der streitgegenständlichen Werbung wie folgt:
"BasisProblemlose Unterhaltung zu zweit Volldigitales Marken-Hörgerät mit Anti-Pfeifen
KlangkomfortNatürlicher Klang Störgeräusch-Reduzierung Automatische Lautstärkeregelung
SpracherkennungHervorheben und Verstärken von Sprache Unterhaltung mit mehreren Personen Filterung von Nebengeräuschen Drahtlose Verbindungen (Bluetooth) sowie Fernbedienung möglich!
3D-HörenOptimales Sprachverstehen Sehr gutes Richtungshören - beste Sicherheit im Straßenverkehr Unterhaltungen überall - auch in großen Gesellschaften Maximaler Genuss von Fernsehen, Telefonieren, Konzerten!"
Hinsichtlich der weiteren Darstellung und des Inhalts der Werbung wird Bezug genommen auf Anlage K1 (Bl. 23 d. A.).
Alle in der Werbung wiedergegebenen Modelle erfüllen die nach dem in § 33 Abs. 1 SGB V normierten Sachleistungsprinzip vorgegebenen Kriterien. Folgende Merkmale müssen als Sachleistung danach bereits ohne Zuzahlung zwingend zur Verfügung gestellt werden:
Digitale Technik,
Mehrkanaligkeit (mindestens vier Kanäle),
Rückkopplungs- und Störfallunterdrückung,
mindestens drei Hörprogramme,
Verstärkungsleistung größer als 75 dB.
Diese vorgenannten Kriterien werden auch von den zuzahlungsfreien Hörgeräten der "Basis"-Kategorie der Beklagten erfüllt. Die zuzahlungsfreien Geräte der von der Kassenleistung umfassten Basiskategorie sind ohne weiteres für Gespräche zwischen mehreren Personen und auch in größeren Gesellschaften geeignet und nicht für nur für Unterhaltungen mit zwei Personen.
Der Kläger stellte am 03.04.2014 fest, dass die Beklagte in ihren Schaufenstern, unter anderem in den E Filialen, mit der angegriffenen Werbung wirbt. Daraufhin mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 29.04.2014 ab. Unter dem 09.05.2014 lehnte die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger ist der Ansicht, die Art der Darstellung der unterschiedlichen Hörgeräte-Kategorien in der angegriffenen Werbung erwecke beim angesprochenen Verkehr den Eindruck, zuzahlungsfreie Hörgeräte der Kategorie "Basis" seien lediglich für Unterhaltungen zwischen zwei Personen geeignet. Wolle der Träger jedoch auch Unterhaltungen mit mehreren Personen oder in großen Gesellschaften problemlos folgen können, müsse er ein wesentlich teures Gerät aus der Kategorie "Spracherkennung" oder "3D Hören" erwerben.
Der durchschnittlich aufmerksamen kritische Verbraucher werde entweder zu der Auffassung gelangen, schon um einen natürlichen Klang sicherzustellen und sich sicher im Straßenverkehr bewegen zu können, seien Mehraufwendungen zwischen 639,00 € und 1.299,00 € erforderlich.
Demgegenüber komme das Kassenmodell lediglich für eine problemlose Unterhaltung zu zweit in Betracht.
Dieser beim Verkehr durch die angegriffene Werbung erweckte Eindruck sei jedoch nicht zutreffend, da auch das Kassenmodell die Voraussetzungen nach dem in § 33 Abs. 1 SGB V normierten Sachleistungsprinzip erfülle. Die Beklagte erwecke mit ihrer Werbung daher den unzutreffenden Eindruck, zuzahlungsfreie Hörgeräte der "Basis"-Kategorie seien für den alltäglichen Gebrauch ungeeignet.
Der Kläger meint, gerade die Gegenüberstellung der Leistungsmerkmale "problemlose Unterhaltung zu zweit", "natürlicher Klang", "Unterhaltung mit mehreren Personen" und "Unterhaltung überall - auch in großen Gesellschaften" erwecke beim angesprochenen Verkehr den Eindruck, dass die Hörgeräte der Basis-Kategorie zwar eine Unterhaltung zwischen zwei Personen ermögliche, für eine Unterhaltung mit mehreren Personen oder in großen Gesellschaften jedoch Hörgeräte höherer und teurerer Kategorien zwingend notwendig seien. Aufgrund der Hervorhebung dieser Verwendungsmöglichkeiten jeweils nur in einer bestimmten Preiskategorie würden die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass nur diese Hörgeräte über die beworbenen Eigenschaften verfügten; die Geräte der jeweils günstigeren Kategorie dagegen nicht.
Jedem Träger eines Hörgerätes werde jedoch an der Möglichkeit zur Teilnahme an Unterhaltungen mit mehreren Personen, einem natürlichen Klang und der Sicherheit im Straßenverkehr gelegen sein. Nach Ansicht des Klägers handele es sich hierbei um die wesentlichen Gründe, warum man sich überhaupt ein Hörgerät anschaffe.
Der unzutreffende Eindruck dieser Werbung werde auch durch die Art und Weise der grafischen Darstellung verstärkt, indem die vier Hörgerätekategorien in einer Art Balkendiagramm von links nach rechts aufsteigend dargestellt würden und die Merkmale der Gerätekategorien in den jeweiligen Balken gegenübergestellt würden. Diese Art der Gegenüberstellung von Produktmerkmalen sei in der Werbung weit verbreitet. Sie sei dem Verkehr aus der Werbung für Mobilfunk-, Telefon- und Internettarifen, Versicherungen, usw. bestens bekannt. Der Verkehr, der diese Art der Werbung gewohnt sei, werde auch bei der angegriffenen Werbung der Beklagten annehmen, dass Hörgeräte der Basiskategorie die in den höheren Kategorien angegebenen Leistungsmerkmale nicht aufwiesen. Stattdessen würde der Verbraucher aufgrund des eindeutigen Hinweises "problemlose Unterhaltung zu zweit" zu der unzutreffenden Annahme gelangen, es seien mit Hörgeräten der Basis-Kategorie nur Unterhaltungen zwischen zwei Personen möglich und damit für den alltäglichen Gebrauch wenig geeignet. Er müsse mindestens ein Hörgerät der Kategorie "Spracherkennung" oder höher erwerben, um ohne größere Einschränkungen im Alltag hören zu können.
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vorständen ihrer Komplementärin zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte wie folgt zu werben:
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin € 219,35 nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, ein Unterlassungsanspruch sei nicht gegeben, da eine Irreführung nicht vorliege. In den einzelnen Beschreibungen seien jeweils die besonders positiv hervorzuheben Eigenschaften im Vergleich zu einem durchschnittlichen Gerät aufgeführt worden.
Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Werbeaussage so verstehen, dass es sich bei den stichwortartig genannten Leistungsmerkmalen um die Betonung besonders herausragender Eigenschaften handele, ohne dass damit zum Ausdruck gebracht werde, dass die Geräte in den jeweils nicht ausdrücklich erwähnten Leistungsbereichen völlig untauglich wären.
Zudem müsse berücksichtigt werden, dass in der Praxis die Auswahl eines Hörgerätes nicht durch den Kunden allein getroffen werde. Vielmehr trete der Kunde entweder mit einer Verordnung des Hals-Nasen-Ohren-Arztes an den Hörgeräteakustiker heran oder der Kunde wende sich unmittelbar mit Hörproblemen an den Hörgeräteakustiker. Dieser führe dann audiologische Messungen durch. Entsprechend den Ergebnissen dieser Messungen erfolge die Auswahl des geeigneten Hörsystems unter Beratung und in intensiver Abstimmung mit dem Kunden. Anschließen würde sich dann üblicherweise eine Phase, in der der Kunde das ausgewählte Hörgerät zur Probe trage. Erst wenn auch dieses Probetragen zur Akzeptanz des gewählten Hörgeräts geführt habe, werde das individuelle Hörgerät angepasst. Schon wegen dieser Besonderheit seien Hörgeräte kein Produkt, das wie im Supermarkt aus dem Regal oder "von der Stange" gekauft werde. Der Verbraucher treffe seine Entscheidungen nur nach einer eingehenden Beratung durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt und/oder Hörgeräteakustiker.
Die Werbung sei deshalb nicht irreführend, da die angesprochenen Verkehrskreise die Werbung der Beklagten mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit wahrnehmen würden. Der Verbraucher werde die Werbung nicht nur flüchtig betrachten, sondern sich ihr mit gesteigerter Aufmerksamkeit zuwenden und seine Kaufentscheidung erst dann treffen, wenn er sich weiter informiert habe. Der Verbraucher bringe der Werbung eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegen, weil es sich gerade nicht um einen Gegenstand des täglichen Lebens handele. Auch der relativ hohe Kaufpreis spreche deutlich dafür, dass der Verbraucher bei der Würdigung der Werbung der Beklagten eine ganz erhebliche Aufmerksamkeit an den Tag lege. Ein solcher Betrag stelle eine erhebliche Investition dar, die gerade nicht nebenbei getätigt werde. Entsprechend werde auch die Werbung der Beklagten nicht nebenbei gewürdigt. Hinzu komme, dass sich der Verbraucher gerade beim Bezug von Gesundheitsleistungen schon im Hinblick auf den für ihn persönlich hohen Stellenwert der Gesundheit in deutlich stärkerem Maße mit dem Produkt, seinen Eigenschaften und den Bedingungen seines Bezugs auseinandersetze.
Es sei zu berücksichtigen, dass der Erwerb der von der Werbung angebotenen Hörgeräte auch zu einem erheblichen persönlichen Einsatz des Verbrauchers führe. Um das Hörgerät zu nutzen, müssten die Hörgeräte sowohl dem Hörvermögen technisch, als auch dem Ohr des Verbrauchers angepasst werden. Dazu bedürfe es mehrerer Termine beim Hörgeräteakustiker, sodass der Verbraucher eingehend die Entscheidung abwäge, ob und welches Hörgerät er wähle. Aus diesen Umständen folge, dass der Verbraucher eine Werbung für Hörgeräte genau und eingehend würdige. Eine oberflächliche Betrachtung der Werbung finde nicht statt. Vielmehr werde der Verbraucher die Werbung sehr genau lesen und würdigen, um sich den Inhalt der Werbung zu erschließen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die angegriffene Werbung gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu.
Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Werbung um eine irreführende geschäftliche Handlung gemäß § 5 Abs.1 S. 2 Nr. 1 UWG.
Nach dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware enthält wie beispielsweise Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Beschaffenheit und von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse.
Da zu den hier angesprochenen Verkehrskreisen insbesondere auch ältere Personen gehören, die als besonders schutzwürdige Verbrauchergruppe einzustufen sind (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 5 Rn. 2.79), und es sich zudem um eine Werbung mit Gesundheitsbezug handelt (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 5 Rn. 4.181), sind hinsichtlich der Frage der Irreführung grundsätzlich strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen der Beklagten zu stellen.
Aber auch aus Sicht des Verkehrskreises der Durchschnittsverbraucher enthält die angegriffene Werbung irreführende Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.
Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG sind solche Aussagen eines Unternehmens, die sich auf Tatsachen beziehen und inhaltlich nachprüfbar sind (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 5 Rn. 2.37).
Ob ein Hörgerät einen natürlichen Klang der verstärkten Töne ermöglicht und ob es für Unterhaltungen in größeren Gesellschaften, zwischen mehreren Personen oder aber nur zwischen zwei Personen geeignet ist, hängt von der Leistungsfähigkeit und seiner Klangqualität ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Eigenschaften inhaltlich nachprüfbar, und somit dem Beweis zugänglich. Hinsichtlich dieser Merkmale gibt es Richtwerte und Standards, die ein Sachverständiger nachprüfen kann.
Die angegriffene Werbung ist auch irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Eine Angabe ist dann irreführend, wenn sie bei den Adressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang steht (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 5 Rn. 2.66).
Durch die konkrete Art der Darstellung der von der Beklagten angebotenen vier Hörgeräte wird der Eindruck vermittelt, mit dem zuzahlungsfreien Kassenmodell sei - im Gegensatz zu den daneben aufgeführten Modellen - keine Unterhaltung mit mehreren Personen möglich - was unstreitig nicht zutrifft.
Dieser unzutreffende Eindruck resultiert daraus, dass die Produkte nach Preisen gestaffelt nebeneinander dargestellt werden, wobei die drei teureren Geräte, die jeweils als Balkendiagramm aufsteigend neben dem Basismodell aufgeführt sind, ausweislich der jeweiligen Produktbeschreibung Unterhaltungen mit mehreren Personen ermöglichen ("Unterhaltung mit mehreren Personen", "Unterhaltung überall - auch in großen Gesellschaften"), wohingegen sich bei dem Kassenmodell lediglich der Hinweis befindet, dass damit eine "problemlose Unterhaltung zu zweit" möglich sei.
Durch die grafische Aufmachung der Werbung wird dieser Eindruck erreicht. Dadurch, dass nur die teureren Geräte die Kategorien wie "Unterhaltung in Gruppen", "Natürlicher Klang", "Filterung von Nebengeräuschen" enthalten, entsteht der Eindruck, das Gerät der Basis-Kategorie erfülle diese Eigenschaften nicht. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die ansteigenden Balken. Es wird optisch der Eindruck erweckt, das teure Gerät enthalte die meisten Eigenschaften, also jeweils die Eigenschaften der niedrigeren Kategorien, plus die in seinem Balken gelisteten Eigenschaften.
Durch die Gegenüberstellung der Leistungsmerkmale "problemlose Unterhaltung zu zweit" und "Unterhaltung mit mehreren Personen" und "Unterhaltung überall - auch in großen Gesellschaften" wird beim angesprochenen Verkehr der Eindruck erweckt, dass die Hörgeräte der Basis-Kategorie zwar Unterhaltungen zwischen zwei Personen ermöglichen, bei Unterhaltungen mit mehreren Personen oder in großen Gesellschaften jedoch versagen und ein teureres Gerät der höheren Kategorie notwendig ist.
Dies gilt auch für die Eigenschaften der Kategorie "Klangkomfort" sowie "beste Sicherheit im Straßenverkehr". Aufgrund der Hervorhebung dieser Verwendungsmöglichkeiten jeweils nur in einer bestimmten Preiskategorie werden die angesprochenen Verbraucher davon ausgehen, dass nur diese Hörgeräte in ihrer jeweiligen Gruppe, nicht aber das Basisgerät, über die beworbenen Eigenschaften verfügt. Der Verbraucher wird dagegen nicht annehmen, dass die Geräte der höheren Kategorie diese Eigenschaften lediglich besser erfüllen. Vielmehr werden die Verbraucher annehmen, dass nur diese Geräte eine entsprechende Eignung aufweisen. Auch wenn die Beklagte meint, bei der jeweiligen Beschreibung der einzelnen Hörgeräte handele es sich lediglich um deren positiven Eigenschaften, womit nicht impliziert sei, dass diese Eigenschaften das Basismodell nicht erfüllen würde, so führt die konkrete Art der Darstellung - ob gewollt oder nicht - dazu, dass der unvoreingenommene Betrachter zu dem Schluss kommt, dass eine Unterhaltung mit mehreren Personen mit dem Kassengerät im Gegensatz zu den daneben aufgeführten teureren Produkten nicht möglich ist. Aus Sicht des Verbrauchers ist der Anwendungsbereich bei dem Kassenmodell gegenüber den anderen Modellen beschränkt auf die Unterhaltung des Trägers mit lediglich einer weiteren Person.
Die Werbung steht mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang, da unstreitig auch das "Basis"-Gerät die gesetzlich normierten Erfordernisse nach § 33 Abs. 1 SGB V erfüllt.
Diese Irreführung ist auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht relevant. Denn die Marktentscheidung der Verbraucher wird dahingehend beeinflusst, dass diese, wenn sie auf der Suche nach einem Hörgerät sind, dass die Unterhaltung mit mehreren Personen ermöglicht, im konkreten Fall dazu tendieren werden, ein zuzahlungspflichtiges Gerät dem Kassenmodell vorzuziehen.
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, wenn die Beklagte sich darauf beruft, die Auswahl des Hörgerätes erfolge nicht durch den Kunden allein, sondern der Hörgeräteakustiker treffe die Entscheidung mit.
Dies mag zutreffend sein. Nichtsdestotrotz wird der Kunde, wenn ihm das Kassenmodell auf Basis dieser Werbung angeboten wird gezielt nachfragen, was es mit den anderen Eigenschaften auf sich hat und warum ihm nicht ein Gerät angeboten wird, dass sich auch für Unterhaltungen mit mehreren Personen eignet. Gerade weil es sich nicht um eine alltägliche Anschaffung handelt, wird der Kunde darauf bedacht sein, das bestmögliche Gerät zu erhalten. Dadurch dass die Werbung suggeriert, nur die teureren Modelle enthielten die besseren Eigenschaften, wird der Kunde sich - auch bei einer Auswahl verschiedener Modelle durch den Hörgeräteakustiker - für das aus seiner Sicht geeignete, also das mit den guten Eigenschaften bei Personengesellschaften und im Straßenverkehr entscheiden.
Hieran ändert es nichts, wenn der interessierte Kunde im Rahmen des Beratungsgespräches möglicherweise darüber aufgeklärt wird, dass auch das zuzahlungsfreie Kassengerät für Gespräche mit mehreren Personen und/oder in größeren Gruppen geeignet ist. Diese etwaige Aufklärung würde die Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG nicht entfallen lassen, da diese bereits eingetreten ist, wenn sich der angesprochene Verkehr aufgrund der irreführenden Angaben überhaupt erst oder näher mit dem Angebot befasst.
2.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 219,35 € aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Die Abmahnung erfolgte berechtigt, da sie erforderlich war, um der Beklagten einen Weg zu weisen, den Kläger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH GRUR 2010, 354).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
LG Dortmund:
Urteil v. 25.11.2014
Az: 25 O 171/14
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