Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 64/98

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2000, Az.: 17 W (pat) 64/98)

Tenor

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Grimm wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das vorliegende Beschwerdeverfahren betrifft die von der Einsprechenden gegen den Beschluß der Patentabteilung 53 vom 23. Juli 1998 - mit dem das Patent 31 53 769 in vollem Umfang aufrechterhalten worden ist - eingelegte Beschwerde. Das Verfahren P 31 53 769.3-53 ist eine Trennanmeldung, entstanden am 21. Juli 1993 durch Teilung des Patents im Einspruchsbeschwerdeverfahren 17 W (pat) 11/91 des Stammverfahrens P 31 31 216.0-53. In diesem Stammverfahren, nämlich im patentamtlichen Einspruchsverfahren des Stammpatents, hat der Vorsitzende Richter Dipl.-Phys. Grimm in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender der Patentabteilung 53 mitgewirkt beim Erlaß des Beschlusses der Patentabteilung 53 vom 29. November 1990, mit dem das Stammpatent widerrufen wurde.

In der ersten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Beschwerdeverfahren am 23. September 1999, die aufgrund einer Teilungserklärung noch nicht mit einer Endentscheidung geendet hat, hat der Vorsitzende Richter Dipl.-Phys. Grimm den Vorsitz geführt.

Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1999 hat die Patentinhaberin um Fortsetzung der mündlichen Verhandlung gebeten, zugleich aber beantragt, diese unter einem neu zu benennenden Vorsitzenden fortzuführen bzw neu aufzunehmen. Denn der Vorsitzende Richter des Senats sei, da er bereits im Erteilungsverfahren über das umstrittene Patent mitgewirkt habe, kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen. Bis zum Datum der Teilungserklärung sei das Prüfungsverfahren im Stammverfahren gleichzeitig auch das vorausgegangene Prüfungsverfahren der hier streitigen Trennanmeldung, und hier habe der Vorsitzende Richter Dipl.-Phys. Grimm vor der Teilungserklärung sachlich mitgewirkt (vgl BGH GRUR 1999, 43 - Ausgeschlossener Richter). Es sei auch unerheblich, daß die Mitwirkung im Einspruchsverfahren des Stammpatents erfolgt sei und das vorliegende Verfahren das Einspruchsbeschwerdeverfahren des in der Trennanmeldung erteilten Patents betreffe, denn § 86 Abs 2 Nr 1 PatG dürfe nicht dahin ausgelegt werden, daß dem Einspruchsbeschwerdeverfahren nur das Einspruchsverfahren vorausgegangen sei; nach dem Wortlaut der Vorschrift sei vielmehr das gesamte patentamtliche Verfahren, welches dem Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Patentamt vorausgegangen sei, gemeint, beginnend mit dem Erteilungsverfahren.

Der Vorsitzende Richter Dipl.-Phys. Grimm hat sich dahingehend dienstlich geäußert, daß er sich nicht für ausgeschlossen halte, da nach der BGH-Entscheidung "Ausgeschlossener Richter" zwar bis zum Datum der Teilungserklärung das Prüfungsverfahren der Stammanmeldung gleichzeitig das Prüfungsverfahren der Trennanmeldung sei, doch könne die Mitwirkung im Einspruchsverfahren des Stammverfahrens nicht als Mitwirkung im Prüfungsverfahren des Stammverfahrens angesehen werden. Die dienstliche Äußerung ist den Beteiligten zugestellt worden.

Die Einsprechende hat insoweit keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Der Antrag der Patentinhaberin auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Grimm ist unbegründet. Er ist nicht gemäß § 86 Abs 2 Nr 1 PatG von der Ausübung des Richteramts im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausgeschlossen.

Zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag der Patentinhaberin ist gemäß § 86 Abs 3 PatG der beschließende Senat berufen, dem der abgelehnte Richter angehört; er ist durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters nicht beschlußunfähig geworden, denn die gesetzlich vorgeschriebene Senatsbesetzung läßt sich durch das Heranziehen der geschäftsplanmäßigen Vertreter erreichen.

Gemäß § 86 Abs 2 Nr 1 PatG ist von der Ausübung des Amtes als Richter im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verfahren vor dem Patentamt mitgewirkt hat. Vorausgegangen ist das Verfahren, in dem die Entscheidung gefallen ist, gegen die sich die Beschwerde richtet, der Begriff ist in einem förmlichprozessualen Sinne zu verstehen (vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 86 Rdn 12; Benkard, PatG, 9. Aufl, § 86 Rdn 9; Schulte, PatG, 5. Aufl, § 86 Rdn 8; BPatGE 20, 116, 117; so auch BGH GRUR 1999, 43, 44 li Sp - Ausgeschlossener Richter). Nach diesen Grundsätzen, wobei außerdem zu beachten ist, daß die Vorschriften über die Ausschließung eines Richters als Ausnahmevorschriften für die Bestimmung des gesetzlichen Richters eng auszulegen sind (vgl BGH BlPMZ 1976, 192 - Textilreiniger; BPatGE 30, 258; Busse, aaO, § 86 Rdn 11; Schulte, aaO, § 86 Rdn 5), liegt hier keine Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden Richters im vorausgegangenen patentamtlichen Verfahren vor.

Die Beschwerde im vorliegenden Verfahren richtet sich gegen eine im Einspruchsverfahren getroffene patentamtliche Entscheidung, mit der das Patent, erteilt im Verfahren einer Trennanmeldung, aufrechterhalten wurde. Die Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden Richters erfolgte jedoch nicht im Einspruchsverfahren dieses vorliegend angegriffenen Patents, sondern im Einspruchsverfahren des Stammpatents. Das Einspruchsverfahren des Stammpatents, mag auch in diesem Verfahren die zur Trennanmeldung führende Erklärung abgegeben worden sein, ist jedoch nicht das vorausgehende Verfahren für die Entscheidung, die im Verfahren betreffend den Einspruch gegen das in der Trennanmeldung erteilten Patents getroffen wurde. Dies ist vielmehr allein das Einspruchsverfahren in der Trennanmeldung, denn nur in diesem Verfahren ist die hier strittige Entscheidung gefallen.

Die BGH-Entscheidung "Ausgeschlossener Richter" (GRUR 1999, 43), wonach von der Mitwirkung im Beschwerdeverfahren über eine Teilungs- oder Ausscheidungsanmeldung derjenige ausgeschlossen ist, der bereits vor Erklärung der Teilung oder Ausscheidung am Verfahren über die Stammanmeldung mitgewirkt hat, vermag zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Denn zur Begründung dieser Entscheidung, die anders als hier im übrigen ein Erteilungsbeschwerdeverfahren in einer Trennanmeldung betrifft, ist ausgeführt, daß bis zum Datum der Teilungserklärung das Prüfungsverfahren in der Stammanmeldung gleichzeitig auch das vorausgegangene Prüfungsverfahren der Trennanmeldung sei. Die Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden Richters im Einspruchsverfahren des Stammpatents erfolgte hier zwar zeitlich vor der Teilungserklärung, da diese erst im anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren des Stammpatents abgegeben wurde. Doch ist das Einspruchsverfahren des Stammpatents weder als Prüfungsverfahren im Stammverfahren - dieses war vielmehr mit der Erteilung des Stammpatents beendet - noch als das vorausgegangene Prüfungsverfahren für die Trennanmeldung anzusehen. Vielmehr fällt bei Teilung des Patents gemäß § 60 Abs 1 Satz 2 PatG der abgetrennte Teil ohne weiteres in das Patenterteilungsverfahren zurück (vgl auch BGH BlPMZ 1998, 515 - Informationsträger), für den abgetrennten Teil gelten gemäß § 60 Abs 1 Satz 4 PatG die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten. Weder das Einspruchsverfahren des Stammpatents noch die Entscheidung im Einspruchsverfahren des Stammpatents sind daher von rechtlicher Bedeutung für die durch Teilung des Stammpatents entstandene Trennanmeldung, so daß sie unter keinen Umständen einen Bestandteil des Erteilungs- bzw Prüfungsverfahrens in der Trennanmeldung darstellen.

Soweit die Patentinhaberin auf eine weite Auslegung des Begriffs "vorausgegangenes Verfahren" abstellt, der wegen des Fehlen des Wortes "unmittelbar" nicht nur das unmittelbar zur Entscheidung führende Verfahren, sondern das gesamte patentamtliche Verfahren von der Erteilung bis zum Einspruchsverfahren einschließe, kann ihr nicht gefolgt werden. Daß die Vorschrift des § 86 Abs 2 Nr 1 PatG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, ebenso, daß die angefochtene Entscheidung gerade in dem patentamtlichen Verfahren ergangen sein muß, in dem der abgelehnte Richter beim Patentamt mitgewirkt hat - was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist - ist beides schon höchstrichterlich geklärt (vgl die schon zitierten BGH-Entscheidungen "Textilreiniger" und "Ausgeschlossener Richter"). Ebenfalls ist schon höchstrichterlich entschieden, daß das Erteilungsverfahren nicht vorausgegangenes Verfahren für das Einspruchsbeschwerdeverfahren ist, da es beim Einspruchsverfahren nicht mehr um die Erteilung des Patents, sondern nach der Patenterteilung nur um dessen Widerruf oder dessen Aufrechterhaltung geht (vgl BGH BlPMZ 1993, 342, 343 li Sp - Fotovoltaisches Halbleiterbauelement; so auch Schulte, aaO, § 86 Rdn 8; Busse, aaO, § 86 Rdn 13; Mes, PatG, § 86 Rdn 6). In der BGH-Entscheidung "Fotovoltaisches Halbleiterbauelement" ist dies zwar unter der Vorschrift des § 41 Nr 6 ZPO iVm § 86 Abs 1 PatG (kein "früherer Rechtszug") geprüft worden, da die dort abgelehnten Richter nicht im patentamtlichen Verfahren bei der Patenterteilung mitwirkten, sondern beim Erteilungsbeschluß im Erteilungsbeschwerdeverfahren. Doch ist dies beim "vorausgegangenen Verfahren" iSv § 86 Abs 2 Nr 1 PatG nicht anders zu sehen, zumal die Vorschrift des § 86 Abs 2 Nr 1 PatG dazu dient, die Vorschrift des § 41 Nr 6 ZPO dahingehend zu erweitern, daß nicht nur die Mitwirkung beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung, sondern auch die Mitwirkung bei dem dieser Entscheidung vorausgehenden Verfahren schädlich ist (vgl BGH BlPMZ 1963, 301, 303 li Sp - Radgehäuse). Selbst wenn daher entsprechend der Auffassung der Patentinhaberin unterstellt wird, daß die Mitwirkung im Einspruchsverfahren des Stammpatents in irgendeiner Weise dem Prüfungsverfahren der Trennanmeldung zuzurechnen wäre, läge hier keine Mitwirkung im vorausgegangenen Verfahren vor, da Erteilungsverfahren in der Trennanmeldung und Einspruchsverfahren des Trennverfahrens verschiedene Verfahren betreffen.

Schließlich kann der Patentinhaberin auch nicht darin gefolgt werden, daß sich die weite Auslegung des Begriffs "vorausgegangenes Verfahren" aus der Gesetzesbegründung ergebe, wonach die Vorschrift des § 86 Abs 2 PatG aus § 54 Abs 2 VwGO übernommen worden ist (vgl BlPMZ 1961, 154 re Sp zur Regelung des damaligen § 41a Abs 2 PatG). Denn auch in der Kommentierung zu § 54 Abs 2 VwGO ist anerkannt, daß als "vorausgegangenes Verwaltungsverfahren" grundsätzlich nur das Verwaltungsverfahren zu verstehen ist, in dem die Entscheidung ergangen ist, die im anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden soll, nicht aber vorausgegangene frühere, schon abgeschlossene Verfahren in derselben Sache (vgl Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl, § 54 Rdn 9 mwN).

Die Ablehnung kann auch nicht aus § 86 Abs 2 Nr 2 PatG hergeleitet werden, denn vom Wortlaut der Vorschrift her betrifft sie nur das Nichtigkeitsverfahren und kann nicht ausweitend auf das Einspruchsbeschwerdeverfahren übertragen werden (vgl BGH BlPMZ 1993, 342, 343 li Sp - Fotovoltaisches Halbleiterbauelement). Andere Ausschließungsgründe sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Einen Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hat die Patentinhaberin nicht gestellt.

Da die hier aufgeworfenen Fragen bereits höchstrichterlich entschieden sind, war ein Abwarten auf die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde im parallel gelagerten Verfahren 17 W (pat) 62/98 nicht geboten.

Der Antrag auf Ablehnung war daher zurückzuweisen.

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Bertl Dr. Greis Prasch Püschel Ko






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Beschluss v. 10.05.2000
Az: 17 W (pat) 64/98


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