Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 240/02

(BPatG: Beschluss v. 08.12.2003, Az.: 30 W (pat) 240/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Oktober 2002 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Marke 2 025 796 auch für die Waren und Dienstleistungen "chirurgische, ärztliche Instrumente und Apparate; ärztliche Versorgung" zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird wegen des Widerspruchs aus dieser Marke die Löschung der Marke 397 31 796 angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Nach Teillöschung noch für die Waren und Dienstleistungen "wissenschaftliche, Schiffahrts- und Vermessungs-, elektrische, photografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate (soweit in Klasse 9 enthalten); chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; wissenschaftliche und industrielle Forschung;" ist unter der Nr. 397 31 796 seit Dezember 1997 im Markenregister eingetragen das Zeichen HydroDerm.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der nachstehenden Widerspruchsmarken 1.) 2 025 796 Hydroderm, die seit 1992 für die Waren "pharmazeutische und veterinärmedizische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost" eingetragen und 2002 verlängert worden ist.

2.) Der Marke 2 099 317 Hydroderm, die seit 1996 für die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Kosmetika wie Hautschutz- und/oder Hautpflegemittel" eingetragen ist.

Die Widersprüche richten sich nicht gegen die Waren: "Schiffahrts- und Vermessungs-, elektrische, photografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontrollapparate".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Marke 2 099 317 angeordnet, nämlich für die Dienstleistung "Gesundheits- und Schönheitspflege" im übrigen diesen Widerspruch und den Widerspruch aus der Marke 2 025 796 insgesamt zurückgewiesen. Für letztere sei eine Benutzung nicht hinreichend dargetan. Für den maßgeblichen Benutzungszeitraum von August 1997 bis August 2002 habe die Widersprechende für diese Marke keine ausreichenden Benutzungsunterlagen vorgelegt, da sich die eidesstattliche Versicherung nur auf das Jahr 1996 beziehe.

Der Marke 2 099 317 komme das angegriffene Zeichen nur bezüglich der Dienstleistung "Gesundheits- und Schönheitspflege" verwechselbar nahe. Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Kosmetika- und/oder Hautpflegemittel" seien mit hierauf bezogenen Dienstleistungen ähnlich.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt, weitere Benutzungsunterlagen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird und in rechtlicher Hinsicht vorgetragen, dass pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse noch im Ähnlichkeitsbereich zu den wissenschaftlichen Apparaten und ärztlichen Instrumenten und Apparaten, sowie mit künstlichen Zähnen und weiteren Waren der angegriffenen Marke lägen.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Widersprüche zurückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen Marke bezüglich aller von ihr angegriffenen Waren und Dienstleistungen anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Nichtbenutzungseinrede aufrecht und erhebt sie neu hinsichtlich der Marke 2 099 317. Im übrigen verweist sie zur mangelnden Verwechslungsgefahr auf ihre Ausführungen vor der Markenstelle.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache zum Teil Erfolg. Wegen der Ähnlichkeit der Waren "chirurgische, ärztliche Instrumente und Apparate" und der "Dienstleistung ärztliche Versorgung" mit der Widerspruchsmarke 2 025 796 ist die Löschung der angegriffenen Marke auch insoweit anzuordnen. Bezüglich der weiter angegriffenen Waren und Dienstleistungen besteht dagegen keine Ähnlichkeit mehr zu den Waren der Widerspruchsmarken, so dass die Beschwerde insoweit zurückzuweisen ist. Die versehentliche Vertauschung der Nummern der beiden Widerspruchsmarken in dem in der mündlichen Verhandlung verkündeten Tenor wird hiermit berichtigt.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erfolgt unter Abwägung aller hierfür maßgebenden Umstände, insbesondere der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, sowie der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren bzw. Dienstleistungen und der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken. Diese Prüfung ergibt hier folgendes:

Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung der Marke 2 025 796 ausreichend glaubhaft gemacht für eine Creme zur Behandlung entzündlicher Hautkrankheiten. Diese wird ausweislich der bereits im Verfahren vor dem Patentamt vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seit 1996 unter der Bezeichnung Hydroderm HC 0,5 % in zwei verschiedenen Packungsgrößen (20 gr und 50 gr) vertrieben. Gemäß der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ist der Vertrieb nicht auf das Jahr 1996 beschränkt, sondern in den folgenden Jahren mit steigenden Umsätzen weitergeführt worden. Die Produkte der Widersprechenden werden von allen Pharmagroßhändlern mit einem Vertriebsnetz von ca. 25 000 Apotheken vertrieben.

Damit ist die Benutzung dieser Marke für ein Dermatikum, nämlich eine Salbe zur Behandlung erkrankter Haut belegt. Die Zusätze HC 0,5 % beeinträchtigen nämlich den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht nachhaltig. HC ist dabei das Kürzel für den Wirkstoff Hydrocortison, 0,5 % eine bloße Mengenangabe, so dass diese beschreibenden Zusätze unschädlich im Sinn von § 26 Abs 3 MarkenG sind (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 26 Rdn 172). Diese Waren fallen unter die Hauptgruppe Dermatika der Roten Liste. Nach der herrschenden erweiterten Minimallösung (BPatG GRUR 1980, 54 MAST REDIPAC) ist bei der Entscheidung von diesen Waren auszugehen (§ 43 Abs 1 S 3 MarkenG).

Die Ähnlichkeit der Zeichen ist nahezu deckungsgleich, da sich das angegriffene Zeichen klanglich überhaupt nicht und schriftbildlich nur sehr geringfügig von der Widerspruchsmarke unterscheidet.

Angesprochen sind breite Verkehrskreise, wobei die derzeit bestehende Verschreibungspflicht der unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Ware rechtlich nicht zum Tragen kommt (vgl hierzu BPatG aaO MAST REDIPAC). Hautprobleme sind ein häufig auftretendes Krankheitsbild, das alle Bevölkerungsgruppen jeglichen Alters betreffen kann, das auch vielfältige graduelle Unterschiede aufweist, d.h. von verhältnismäßig leichten Beschwerden bis hin zu schwerwiegenden, das Leben nachhaltig beeinträchtigenden Erscheinungsformen reicht.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann als noch normal eingestuft werden. Ihr Bestandteil Derm weist zwar unmittelbar auf das Behandlungsobjekt, nämlich die Haut (griechisch Derma) hin und wird auch in zahlreichen Drittzeichen in dieser Form verwendet. Auch der Bestandteil Hydro weist auf Feuchtigkeit hin (griechisch hydor = Wasser), wobei dieser Begriff auch breiten Verkehrskreisen geläufig sein dürfte, weil er auch in ähnlicher Form in Wörter der Umgangssprache Eingang gefunden hat (Hydrant, Hydrat, Hydratation, Hydraulik etc.). Dennoch ist die konkrete Zusammenfügung dieser beiden Bestandteile nicht ohne weiteres sprachüblich, so dass dem Gesamtzeichen eine gerade noch normale Kennzeichnungskraft zugebilligt werden kann.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kann eine Ähnlichkeit zwischen den Dermatika und den chirurgischen, ärztlichen Instrumenten und Apparaten nicht ausgeschlossen werden. Gerade auch bei der dermatologischen Behandlung sind mehrere einfache Instrumente (z.B. Pinzetten) oder auch einfache Apparate (z.B. Inhalatoren) denkbar, die in ihrer Funktion in spezieller Weise auf die zur Behandlung eingesetzten Mittel abgestimmt sein können. Dies hat die Widersprechende auch durch entsprechende Unterlagen, wenn auch auf einen Einzelfall bezogen, belegt. Auch bezüglich "ärztliche Versorgung" bestehen ausreichende Anhaltspunkte dahin, dass diese auch von Personen gewährt wird, die auch selbst die hierfür benötigten Arzneimittel herstellen. So ist bei Apotheken (sie sind ein Bindeglied in der ärztlichen Versorgung) seit altersher bekannt, dass sie Arzneimittel nicht nur aufgrund fremder Rezepturen herstellen, sondern solche auch selbst entwickeln. Umgekehrt gibt es Ärzte, insbesondere auch Dermatologen, die die für ihre Behandlung benötigten speziellen pharmazeutischen Erzeugnisse selbst herstellen.

Insoweit besteht daher noch ausreichende Ähnlichkeit zwischen den Waren und Dienstleistungen.

Bezüglich den weiter angegriffenen Waren ist keine Ähnlichkeit festzustellen. Wissenschaftliche, Rettungs- und Unterrichtsapparate, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate betreffen Spezialbereiche, bei denen mit Dermatologika keine näheren Berührungspunkte ersichtlich sind. Gleiches gilt für künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne. Die insoweit von der Widersprechenden angeführte Entscheidung bei Richter/Stoppel, Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S 263 bezieht sich nur auf die Ähnlichkeit von pharmazeutischen Erzeugnissen mit Zahnfüllmitteln. Diese umfassen aber z.B. auch medizinische Einlagen in Zähne und sind insofern mit künstlichen Zähnen oder gar Augen in keiner Weise vergleichbar.

Auch zu der Dienstleistung wissenschaftliche und industrielle Forschung kann keine Ähnlichkeit festgestellt werden. Soweit darunter auch die pharmazeutische Forschung erfasst werden kann, handelt es sich nach der derzeit überblickbaren Lage nicht um eine selbständig gegenüber Dritten angebotene Dienstleistung. Pharmahersteller forschen vielmehr - wie allgemein bekannt ist - nur im Rahmen ihrer eigenen geschäftlichen Tätigkeit also zur Entwicklung eigener neuer Produkte. Damit tritt aber pharmazeutische Forschung nicht nach außen erkennbar in Konkurrenz zu pharmazeutischen Erzeugnissen. Insoweit hat daher die Beschwerde keinen Erfolg.

Soweit sich die Beschwerde auch auf die Zurückweisung des Widerspruchs aus der Marke 2 099 317 bezieht, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet, auch wenn insoweit zugunsten der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Marke unterstellt wird. Mittel zur Körper- und Schönheitspflege als in die Klasse 3 fallende Produkte weisen keine Ähnlichkeit mit den hier noch im Beschwerdeverfahren befindlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 10 und 42 auf.

Zu einer Kostenauferlegung bietet der Streitfall keinen Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.12.2003
Az: 30 W (pat) 240/02


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