Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 58/06

(BPatG: Beschluss v. 17.05.2011, Az.: 17 W (pat) 58/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung: "Verfahren zum automatischen Eingeben von Benutzerdaten unter Verwendung von Fingerabdruck-Identifikation" ist am 9. März 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden. Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06 F des Deutschen Patentund Markenamts aus Gründen des Bescheids vom 27. September 2004 zurückgewiesen. In diesem Bescheid wurde aufgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem genannten Stand der Technik.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss aufzuhebenund ein Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 vom 30. März 2006 zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1, mit einer möglichen Gliederung und unterstrichen markierten redaktionellen Änderungen, lautet:

"Verfahren für einen Computer zum automatischen Verwalten und Eingeben von Benutzerdaten mindestens eines Benutzers, die von Software-Anwenderprogrammen oder Webseiten_angefordert werden, unter Verwendung von Fingerabdruck-Identifikation, das Verfahren aufweisend:

a) Erzeugen von gespeicherten Referenzdaten und Benutzerdaten, indem 1) in Antwort auf eine erstmalig_ erfolgte Eingabe einer Benutzerkennung und eines Passworts in ein Software-Anwenderprogramm_ oder eine_ Webseite, zu_ einer ersten Fingerabdruck-

Eingabe aufgefordert wird, wobei die Eingabe auf eine Aufforderung eines Software-Anwenderprogramms, eine Benutzerkennung und ein Passwort einzugeben, hin erfolgt ist, 2) aus dem auf die erste Eingabe-Aufforderung hin eingegebenen Fingerabdruck ein erster Vergleichs-ID-Kode erzeugt wird, und 3) die eingegebene Benutzerkennung und das eingegebene Passwort zusammen mit dem erzeugten ersten Vergleichs-ID-Kodeund der Adresse des Software-Anwenderprogramms bzw. der Webseite gespeichert werden;

b) Eingeben der gespeicherten Benutzerdaten, unter Verwendung der gespeicherten Referenzdaten, indem 1) in Antwort auf eine Aufforderung der Software-Anwendung bzw. der Webseite, eine Benutzerkennung und ein Passwort einzugeben, erneut zu einer Fingerabdruck-Eingabe aufgefordert wird, 2) ein_ zweiter-ID-Kode aus dem auf die erneute Aufforderung hin eingegebenen Fingerabdruck erzeugt wird,_

3) der zweite ID-Kode und der gespeicherte erste Vergleichs-ID-

Kode auf Übereinstimmung geprüft werden, und 4) diejenige gespeicherte Benutzerkennung und dasjenige gespeicherte Passwort_, die der Adresse des Software-Anwenderprogramms bzw. der Webseite entsprechen, abgerufen werden, falls die Übereinstimmung festgestellt wird, und 5) die Benutzerkennung und das Passwort, die abgerufen wurden, in das Software-Anwenderprogramm bzw. in die Webseite automatisch eingegeben werden."

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 -5 wird auf die Akte verwiesen.

Der Anmeldung soll sinngemäß die Aufgabe zugrunde liegen, ein Verfahren zum Eingeben von Identifikation und Passwort eines Benutzers als Benutzerdaten zu schaffen, bei dem eine erhöhte persönliche Sicherheit erreicht wird und der Schutz der Privatsphäre gewährleistet wird (Anmeldeunterlagen S. 2 Abs. 3).

II.

Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 und § 4 PatG).

1. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zum automatischen Eingeben von Benutzerdaten unter Verwendung von Fingerabdruck-Identifikation.

In der Beschreibungseinleitung der Anmeldung wird ausgeführt, viele Softwareanwendungen oder Webseiten würden zur Anmeldung eine Authentifikation jedes Benutzers mit einer Benutzeridentifikation und einem Benutzerpasswort verlangen. Für eine ausreichende Sicherheit würden meist mehrere Benutzeridentifikationen und Benutzerpasswörter genutzt, die jedoch vergessen oder von Hackern gestohlen werden könnten. Zur Erleichterung der Verwaltung der Benutzerdaten würde derzeit Authentifizierungssoftware verwendet, die Account-Information eines Benutzers mit dem Softwareanwendungsort verknüpft oder mit Webseitenadressen korreliert und automatisch die passenden Benutzerdaten auswählt und einfügt. Mittels spezifischer Software und Webseiten sei jedoch ein Eindringen in private und geheime Informationen möglich und die Authentifikations-Information eines Benutzers könne deshalb durch Dritte beschafft werden. Bekannt sei die persönliche Identifikation mittels Fingerabdruck für die Hochsicherheitsverifikation. Hardware zur Fingerabdruckeingabe sei inzwischen modularisiert wie auch die Art des dafür verwendeten Einzelchips. Die Verwaltung von Account-Information mehrerer Benutzer unter Geheimhaltung oder Aufrechterhaltung der Privatsphäre sei dabei ein noch ungelöstes Problem

(S. 1 Abs. 2 -S. 2 Abs. 2 der Anmeldeunterlagen).

Als objektive Aufgabe sieht der Senat die zugangssichere Speicherung von Benutzerdaten (Benutzerkennung und Passwort) mehrerer Benutzer und das Ermöglichen eines automatisierten Abrufs der gespeicherten Benutzerdaten durch den jeweiligen Benutzer.

Als Fachmann, der mit der Lösung einer solchen Aufgabe betraut wird, wird ein Fachhochschulingenieur auf dem Gebiet der Informationstechnik angesehen, der mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Gewährleistung von Datensicherheit besitzt.

Gelöst wird die Aufgabe dadurch, dass Benutzerdaten (Benutzerkennung und Passwort), die von Anwendungsprogrammen oder Webseiten zur Anmeldung des Benutzers angefordert werden, zusammen mit einem aus dem eingegebenen Fingerabdruck erzeugten ID-Kode in Verbindung mit der Adresse des Anwendungsprogramms oder der Webseite als Referenzdaten abgespeichert vorliegen und die Benutzerdaten zum Anmelden automatisch durch Eingabe des Fingerabdrucks abrufbar sind. Hierfür werden nach Aufforderung zur Eingabe des Fingerabdrucks die aus dem eingegebenen Fingerabdruck ermittelten Daten (zweiter ID-Kode) mit den bereits abgespeicherten Fingerabdruckdaten (erster Vergleichs-ID-Kode) verglichen und bei Gleichheit die den Fingerabdruckdaten zugeordnet abgespeichert vorliegende Kennung und das Passwort des Benutzers abgerufen und automatisch in das Anwendungsprogramm oder die Webseite als Benutzerdaten eingegeben. Zur Erzeugung der abrufbaren Daten werden vorab bei Aufforderung zur Eingabe von Benutzerdaten die Benutzerkennung und das Passwort eingegeben und abgespeichert sowie der Fingerabdruck eingegeben. Aus dem eingegebenen Fingerabdruck wird der erste Vergleichs-ID-Kode erzeugt und zusammen mit der Adresse des Anwendungsprogramms oder der Webseite sowie der eingegebenen Benutzerkennung und dem Passwort abgespeichert.

2. Einer Patentierung des beanspruchten Gegenstandes steht die im Prüfungsverfahren genannte vorveröffentlichte Druckschrift D1: WO 2002/93330 A2 entgegen.

Das Verfahren mit seinen auf einer technischen Aufgabenstellung beruhenden Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig, da es sich für den Fachmann in Kenntnis von Druckschrift D1 in nahe liegender Weise ergibt.

Druckschrift D1 betrifft ein Verfahren zum Zugriff auf persönliche Information. Im Rahmen dieses Verfahrens für einen Computer erfolgt das automatische Eingeben und Verwalten von Benutzerdaten wie Benutzeridentifikation und Passwort mindestens eines Benutzers, die von Anwendungsprogrammen oder Webseiten angefordert werden, unter Verwendung von Fingerabdruck-Identifikation (S. 1 Z. 16-25, S.2 Z.28 -S. 3 Z.1, S. 5 Z. 25-27). Wenn ein Anwendungsprogramm bzw. eine Webseite verlangt, eine Benutzerkennung und ein Passwort als Benutzerdaten einzugeben, und bereits ein gespeicherter Vergleichs-ID-Kode (reference fingerprint pattern) vorhanden ist, gibt der Benutzer in Antwort auf eine Aufforderung der Software-Anwendung zur Eingabe von Benutzerdaten seinen Fingerabdruck ein (S. 3 Z. 6-8, S. 7 letzter seitenübergreifenden Satz und S. 8 Z. 2-6) (Merkmal b1). Aus dem eingegebenen Fingerabdruck wird ein ID-Kode (fingerprint output data) erzeugt (S. 2 Z. 28-30) (Merkmal b2). Der aus dem eingegebenen Fingerabdruck erzeugte ID-Kode (fingerprint output data) und der gespeichert vorliegende Vergleichs-ID-Kode (reference fingerprint pattern) werden auf Übereinstimmung geprüft (S. 2 Z. 28 -S. 3 Z. 1) (Merkmal b3). Falls Übereinstimmung festgestellt wird, werden die der Adresse des Anwendungsprogramms bzw. der Webseite zugeordnet abgespeicherten Benutzerdaten (Benutzerkennung und Passwort) abgerufen (S. 5 Z. 10-13, S. 6 Z. 1-5, Anspruch 14) (Merkmal b4). Die derart abgerufe Benutzerkennung und das Passwort werden automatisch in eine entsprechende Position in das Anwendungsprogramm bzw. der Webseite eingegeben (S. 2 Z. 18-20, S. 3 Z. 13-19, S. 5 Z. 28 -S. 6Z. 5) (Merkmal b5). Bei diesem Verfahren werden somit die abgespeichert vorliegenden Benutzerdaten unter Verwendung der gespeicherten Referenzdaten genau wie in Merkmalsgruppe b beansprucht eingegeben.

Bei der Lehre gemäß Druckschrift D1 wird zum automatischen Zugriff auf Benutzerkennung und Passwort vorausgesetzt, dass ein aus einem eingegebenen Fingerabdruck eines Benutzers erzeugter Vergleichs-ID-Kode (reference fingerprint pattern) in Zuordnung zu den Benutzerdaten (Benutzerkennung und Passwort) und der Adresse des Anwendungsprogramms bzw. der Webseite bereits gespeichert vorliegt (S. 5 Z. 6-13) (Merkmal a3), wobei diese Daten selbstverständlich vorher eingegeben und erzeugt werden müssen (Merkmal a, teilweise Merkmale a1, a2). Offenbart ist hierzu, dass die Erzeugung und Änderung der Vergleichs-ID-Kodes und der Benutzerdaten (ggf. mehrerer Benutzer) durch den jeweiligen Benutzer durch Fingerabdruckeingabe und Eingabe oder Änderung der Benutzerdaten erfolgt (S. 7 Z. 5-10 und Z. 14 f.).

Der aus Druckschrift D1 entnehmbare Verfahrensablauf unterscheidet sich von den beanspruchten Verfahrensschritten a1 und a2 lediglich durch die Art der Bedienoberfläche zur Eingabe der Daten im Rahmen der Abspeicherung der erforderlichen Daten, denn in Druckschrift D1 wird zuerst der Fingerabdruck und anschließend werden die einzugebenden Benutzerdaten eingegeben. Damit ist lediglich die Reihenfolge der im Rahmen des Dialogs einzugebenden erforderlichen Daten nicht identisch zum Ablauf gemäß der beanspruchten Lehre. Dabei handelt es sich jedoch weder um technische Merkmale noch tragen diese zur Lösung eines technischen Problems bei (BPatG, GRUR 2007, 316 -Bedienoberfläche). Diese Unterschiede können somit das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit nicht begründen. Denn "bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen" (BGH, GRUR 2011, 125, Leitsatz b -Wiedergabe topografischer Informationen).

Damit ist ein Verfahren mit seinen auf einer technischen Aufgabenstellung beruhenden Merkmalen des Patentanspruchs 1 für den Fachmann bei Kenntnis der Druckschrift D1 nahegelegt.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit nicht patentfähig. Mit dem Anspruch 1 fallen notwendigerweise auch die darauf rückbezogenen geltenden Unteransprüche; zumal die Unteransprüche lediglich fachgemäße Ausgestaltungen beinhalten und dafür auch keine erfinderische Besonderheit geltend gemacht wurde.

Dr. Fritsch Eder Baumgardt Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 17.05.2011
Az: 17 W (pat) 58/06


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