Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 29. Mai 2002
Aktenzeichen: 22 L 725/01

(VG Köln: Beschluss v. 29.05.2002, Az.: 22 L 725/01)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 2143/01 gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 12. März 2001 - BK 5a-01/004 - wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens tragen Antragsgegnerin und Beigeladene je zur Hälfte.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.782,30 EUR (25.000,- DM) fest gesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 2143/01 gegen die Anordnung der Antragsgegnerin vom 12. März 2001 - BK 5a-01/004 - anzuordnen,

hat Erfolg.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 44 PostG, § 80 Abs. 2 TKG haben Klagen gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post keine aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Da die angefochtene Anordnung als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt sowohl gegenüber der Antragstellerin als auch gegenüber der Beigeladenen ergangen ist, um zwischen diesen beiden einen Interessenausgleich herbeizuführen, muss bei der Interessenabwägung auch das Interesse der Beigeladenen am Vollzug der Anordnung Berücksichtigung finden. Ob dies in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 80 a VwGO zu erfolgen hat, kann an dieser Stelle offenbleiben. Abzuwägen sind jedenfalls die konkreten Interessen der Prozessbeteiligten unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sowie der inhaltlichen Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung.

Vorliegend geht der Abwägungsprozess trotz gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zugunsten der Antragstellerin aus, denn ihre Anfechtungsklage wird voraussichtlich Erfolg haben, und unter Berücksichtigung dieser Prognose ist dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen an einer Vollziehung der angefochtenen Anordnung der Vorrang einzuräumen.

Es sprechen überwiegende Gründe dafür, dass die Anordnung der Antragsgegnerin vom 12. März 2001, mit der diese die Antragstellerin in Anwendung der §§ 31 Abs. 2, 28 Abs. 1 PostG verpflichtet hat, der Beigeladenen bestimmte (Teil)Leistungen gesondert anzubieten, rechtswidrig ist.

Rechtswidrig dürfte zunächst die in Ziffer 1. a. und c. des Anordnungsbeschlusses ausgesprochene Verpflichtung der Antragstellerin sein, in den Briefzentren Abgang (BZA) und Eingang (BZE) eingelieferte Briefsendungen "durch Einlegen in Postfächer oder Hausbriefkästen nach den Qualitätsstandards der Antragsgegnerin, insbesondere spätestens am ersten Werktag nach der Annahme (E+1), zuzustellen". Durch die Formulierung "insbesondere spätestens..." ordnet die Antragsgegnerin der Sache nach an, eingelieferte Briefe nicht später als einen Werktag nach der Annahme zuzustellen. Eine solche Verpflichtung ist von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 31 Abs. 2, 28 Abs. 1 PostG nicht gedeckt.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 PostG hat ein marktbeherrschender Lizenznehmer lediglich Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistungen gesondert anzubieten. Dagegen kann von dem verpflichteten Lizenznehmer nicht verlangt werden, gegenüber einem Nachfrager von Teilleistungen eine Leistung anzubieten, die über das hinausgeht, was er im Rahmen des von ihm angebotenen Gesamtpakets an Beförderungsleistungen auch sonst anbietet. Eben dies verlangt aber die Antragsgegnerin von der Antragstellerin. Denn die geforderte E+1-Zustellung von Briefen bietet die Antragstellerin im Rahmen des Universaldienstes auch sonst nicht an. Nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB's) besteht keine vertragliche Verpflichtung zu einer E+1-Zustellung. Auch nach § 2 Nr. 3 der Postuni- versaldienstleistungsverordnung (PUDLV) müssen im Rahmen des Universal- dienstes von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen im Jahresdurchschnitt lediglich 80% an dem ersten und 95% an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 28 Abs. 1 Satz 1 PostG kann in diesem Zusammenhang auch der Gesichtspunkt, dass die Erbringung einer Teilleistung normalerweise weniger Zeit beansprucht als die Erbringung der Gesamtleistung und deshalb eine Verkürzung der Zustellungsfrist gerechtfertigt sein könnte, keine Rolle spielen.

Aus dem gleichen Gesichtspunkt ergibt sich die Rechtswidrigkeit von Ziffer 1. b. der Anordnung vom 12. März 2001. Die AGB's der Antragstellerin beinhalten keine Verpflichtung, Infopost E+4 zuzustellen. Laut ihrer Leistungsbeschreibung für Infopost verfolgt die Antragstellerin zwar das Qualitätsziel, diese E+4 zuzustellen, das sie nach eigenen Angaben auch bei über 95 % der Sendungen erreicht. Eine vertragliche Verpflichtung auf Einhaltung einer bestimmten Lieferfrist übernimmt sie aber ausdrücklich nicht. Soweit Infopostsendungen unter die PUDLV fallen sollten, ergibt sich auch daraus nicht die Verpflichtung, ausnahmslos E+4 zuzustellen, da gemäß § 2 Nr. 3 PUDLV für 5% der inländischen Briefsendungen im Jahresdurchschnitt keinerlei Zustellungsfristen eingehalten werden müssen.

Desweiteren spricht viel dafür, dass die Anordnung vom 12. März 2001 rechtswidrig ist, weil sie einen unzulässigen Eingriff in die der Antragstellerin bis zum 31. Dezember 2007 zustehende gesetzliche Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 PostG darstellt.

Die Anordnung der Bedingungen eines Vertrages über die Erbringung von Teilleistungen gemäß § 31 Abs. 2 PostG kann nur dann rechtmäßig sein, wenn die vom Nachfrager der Teilleistungen erbrachten Eigenleistungen in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung stehen. Greifen die Eigenleistungen eines Nachfragers von Teilleistungen rechtswidrig in den der DPAG befristet vorbehaltenen Exklusivbereich ein oder sind sie aus einem sonstigen Grund rechtswidrig, so stellt die staatliche Sanktionierung dieser Eigenleistungen durch Verpflichtung der DPAG, entsprechende Teilleistungen zur Verfügung zu stellen, ebenfalls einen Rechtsverstoß dar. Eine derartige Anordnung ist rechtswidrig.

Vorliegend ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die geplanten Eigenleistungen der Beigeladenen und damit die Anordnung korrespondierender Teilleistungen durch die Antragsgegnerin die gesetzlich geschützte Exklusivlizenz der Antragstellerin verletzen. Entsprechend den Plänen der Beigeladenen hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin verpflichtet, in bestimmter Weise eingelieferte Briefsendungen, u.a. Infopost, entgegenzunehmen und zuzustellen. Dabei hat die Antragsgegnerin antragsgemäß keinerlei Gewichtsuntergrenzen festgesetzt. Aufgrund der in § 51 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 PostG festgelegten Gewichtsgrenzen von 200 g für Briefe und 50 g für Infopost wäre die Anordnung demzufolge nur dann rechtmäßig, wenn die beabsichtigte Eigenleistung der Beigeladenen nicht als gewerbsmäßige Beförderung i.S.v. § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG anzusehen wäre. Davon kann indes - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - nicht ausgegangen werden.

Welchem der von den Beteiligten diskutierten Gewerbebegriffe im Postrecht der Vorzug zu geben ist, ob also entsprechend der für andere Rechtsgebiete ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung auf die Gewinnerzielungsabsicht eines Unternehmens abzustellen ist,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 24. Februar 1956 - I C 245.54 -, NJW 1956, 1004 ("Mitfahrerzentrale"); vom 2. September 1963 - I C 20.63 -, NJW 1963, 2286 ("GEMA"); vom 2. Februar 1982 - 1 C 20/78 -, MDR 1982, 781; vom 26. Januar 1993 - 1 C 25/91 -, NVwZ 1993, 775; Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 2. Juli 1985 - X ZR 77/84 -, NJW 1985, 3063 ("Deutsche Bundesbahn"); vom 30. August 1994 - 4 StR 45/94 -, NStZ 1995, 38; ebenso Herdegen in Beck'scher PostG-Kommentar, § 4 Rn.64 ff,

oder ob es auf die Entgeltlichkeit der Beförderungsleistung ankommt, wie die Antragstellerin meint,

zum Begriff BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 7 C 36/80 -, NJW 1983, 2401; vgl. hierzu auch Begründung des Regierungsentwurfs zu § 5 Abs. 1 PostG, BT-Drucksache 13/7774, S.20

kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben. Unter Heranziehung beider Gewerbebegriffe ist aufgrund der Besonderheiten des Falles von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen.

Hält man die Gewinnerzielungsabsicht für entscheidend, so ist zwar anerkannt, dass eine Tätigkeit, die - wie bei den früheren Konsumvereinen - lediglich Kostenminderung bei den Mitgliedern/Gesellschaftern des Unternehmens bezweckt, nicht als Gewerbebetrieb gelten kann,

BVerwG, Urteile vom 24. Februar 1956 und vom 2. September 1963, a.a.O.

Die Kammer ist jedoch nicht der Auffassung, dass die Beigeladene mit einer derartigen Nachfragergemeinschaft, zu denen im übrigen auch die im Verfahren angesprochene Kreissparkassenorganisation zählen dürfte, zu vergleichen ist.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbietet sich dies schon deshalb, weil die Beigeladene nach ihrem neuen Gesellschaftsvertrag vom 3. September 2001 bislang nur einen einzigen Gesellschafter hat, aus dessen Sicht gerade nicht der Aspekt der Kostenminderung, sondern der der Gewinnerzielung im Vordergrund steht. Dass der derzeitige Alleingesellschafter mit seiner Geschäftsidee letztlich ein Erwerbseinkommen und damit einen Gewinn erzielen möchte, wird von der Beigeladenen nicht ernsthaft bestritten. Dies ergibt sich im übrigen auch aus dem ersten Antragsverfahren bei der Beschlusskammer 5 der Antragsgegnerin, in dessen Verlauf eine Gewinnerzielungsabsicht der Beigeladenen ohne weiteres eingeräumt wurde, aus der Tatsache, dass der Alleingesellschafter 500.000,- EURO als Stammeinlage in die Beigeladene investiert hat und aufgrund des Umstandes, dass er auch (Mit)Geschäftsführer der Beigeladenen ist und als solcher ein entsprechen- des Gehalt zu erwarten hat.

Aber auch nach einer evtl. Aufnahme weiterer Gesellschafter - die laut Gesellschaftvertrag "nach Beginn der Geschäftstätigkeit" der Beigeladenen erfolgen soll, ohne dass ein konkreter Zeitrahmen genannt wird - bleibt die Gewinnerzielung aus Sicht des derzeitigen Alleingesellschafters maßgeblicher Zweck seines geschäftlichen Engagements. Dass andere Gesellschafter mit ihrem Eintritt in die Gesellschaft möglicherweise ausschließlich eine Minderung ihrer Portokosten anstreben werden, ändert daran nichts. Folglich wird sich auch nach der Aufnahme weiterer Gesellschafter nicht feststellen lassen, dass der Zweck der Geschäftstätigkeit der Beigeladenen - wie bei den Konsumvereinen oder der Kreis- sparkassenorganisation - ausschließlich darauf gerichtet ist, Kosten bei ihren Gesellschaftern zu vermindern. Dies gilt zumindest solange, wie der derzeitige Alleingesellschafter Gesellschafter der Beigeladenen bleibt.

Dem lässt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht § 2 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 3. September 2001 entgegenhalten. Dort ist zwar festgelegt, dass die Gesellschaft Gewinne nicht erwirtschaften wird. Auch ist für die Frage der Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft mit eigener juristischer Persönlichkeit prinzipiell die Gewinnerzielungsabsicht der Gesellschaft selber maßgeblich. Vorliegend spricht jedoch vieles dafür, in Anlehnung an die Grundsätze über Strohmann-Verhältnisse ausnahmsweise auf die in der Person des Alleingesellschafters gegebene Gewinnerzielungsabsicht abzustellen.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist ein Strohmann-Verhältnis dann anzunehmen, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass ein Gewerbetreibender zur Verschleierung der wirklichen Machtverhältnisse eine natürliche ("Strohmann") oder juristische ("Strohgesellschaft") Person vorschiebt, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit nur als Marionette des Gewerbetreibenden am Wirtschaftsleben teilnimmt,

BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 20/78 -, MDR 1982, 781 m.w.N..

Im Falle einer GmbH reicht es hierfür nicht allein aus, dass die Gesellschaft von einer natürlichen Person wirtschaftlich beherrscht wird und diese das Geschehen in der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen kann. Denn die Einmann-GmbH ist rechtlich anerkannt,

vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 1985 - 6 S 2926/84 -, GewArch 1985, 382.

Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines Umgehungstatbestandes, dass also die (Stroh)Gesellschaft primär dazu dienen soll, einem geschäftsführenden Gesellschafter oder anderen Hintermann den Betrieb eines Gewerbes außerhalb des gewerberechtlichen Ordnungsrahmens zu ermöglichen, und dass daher der Hintermann als eigentlicher Gewerbetreibender angesehen werden muss, um der Intention des Gesetzes gerecht zu werden,

vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982, aaO; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Mai 1985, aaO; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 3 M 2/92 -, GewArch 1992, 232.

Wenn diese Grundsätze auch durchweg zu Vorschriften der Gewerbeordnung (GewO) entwickelt worden sind, so erscheint es doch sinnvoll, sie gleichfalls im Rahmen des Postgesetzes anzuwenden. Denn ebenso wie im Gewerberecht etwa die §§ 30, 35 GewO dienen auch die postrechtlichen Vorschriften des § 51 Abs. 1 PostG und insbesondere der §§ 5, 6 PostG, wo es ebenfalls u.a. auf die Gewerbsmäßigkeit der Beförderung ankommt, ordnungsrechtlichen Zwecken auf dem Gebiet des Wirtschaftsverwaltungsrechts.

Sind die Grundsätze über Strohmann-Verhältnisse aber im Postrecht anwendbar, so spricht viel dafür, im vorliegenden Fall ein solches Verhältnis zu bejahen und demgemäß nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht der Beigeladenen, sondern ihres derzeitigen Alleingesellschafters abzustellen. Der gesamte Verlauf dieses und des ersten Antragsverfahrens - zunächst Lizenzbeantragung und Inanspruchnahme von Teilleistungen als Konkurrent der Antragstellerin im Jahre 2000; nach aus Sicht der Beigeladenen unbefriedigenden Vertragsverhandlungen mit der Antragstellerin Entwicklung des "Eigenpost"konzepts, Änderung des Unternehmensgegenstandes und -ziels durch Gesellschafterbeschlüsse vom 23. und 26. Februar 2001, Lizenzrückgabe und schließlich vollständige Neufassung des Gesellschaftsvertrages im September 2001 - deutet maßgeblich darauf hin, dass es dem Alleingesellschafter bei der Ausgestaltung des neuen Gesellschaftsvertrages vom 3. September 2001 in erster Linie darauf ankam, eine rechtliche Konstruktion zu finden, die eine Inanspruchnahme von Teilleistungen der Antragstellerin zu den für Endkunden geltenden Vertragsbedingungen und darüber hinaus eine Briefbeförderung ohne Beachtung der Gewichtsgrenzen des § 51 Abs. 1 PostG und ohne Erfordernis einer Lizenz nach § 5 PostG ermöglichen sollte. Die Kammer ist der Auffassung, dass eine gesellschaftliche Konstruktion wie die vorliegende mit hoher Wahrscheinlichkeit als unzulässige Umgehung sowohl der gesetzlichen Exklusivlizenz als auch des Lizenzerfordernisses als solches einzustufen ist. Dies gilt zumindest dann, wenn es wie hier in erster Linie um die Verwirklichung einer "Geschäftsidee" eines auch bislang Gewerbetreibenden geht, und nicht um ein Kostensparkonzept, zu dem sich Gewerbetreibende anderer Branchen aus eigener Initiative zusammenschließen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber es Konkurrenten der Antragstellerin ermöglichen wollte, aufgrund gesellschaftsrechtlicher Konstruktionen, etwa durch Aufnahme potentieller Kunden als Mitgesellschafter und formalen Aus- schluss der Gewinnerzielungsabsicht bei der Gesellschaft selber, im der Antragstellerin reservierten Exklusivbereich tätig zu werden und sich darüber hinaus jeglicher Regulierung durch die Antragsgegnerin zu entziehen.

Die vom BVerwG geforderte genaue Analyse der Innenbeziehungen ist vor Aufnahme der weiteren Gesellschafter naturgemäß nur eingeschränkt möglich. Derzeit lässt sich feststellen, dass es der gegenwärtige Alleingesellschafter im Innenverhältnis völlig in der Hand hat, wann er weitere Gesellschafter in die Beigeladene aufnimmt, wer dies letztlich sein wird und vor allem, mit welcher Stammeinlage und damit welchem Geschäftsanteil ein neuer Gesellschafter aufgenommen werden wird. Da von der Anzahl der Geschäftsanteile gemäß § 11 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages die Anzahl der Stimmen in der Gesellschaf- terversammlung abhängen wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der gegenwärtige Alleingesellschafter auch nach der Aufnahme weiterer Gesellschafter der eigentliche Machtausübende bleiben wird. Eine solche Konstellation erscheint durchaus wahrscheinlich, bedenkt man das Interesse des Alleingesellschafters, die Umsetzung seiner Geschäftsidee auch weiterhin zu kontrollieren. Dass dies schwerlich mit dem Konzept der reinen Nachfragergemeinschaft vereinbar wäre, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Hält man die Entgeltlichkeit der Beförderungsleistung für das maßgebliche Kriterium, nach der sich die Gewerbsmäßigkeit richtet, so führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine Beförderungsleistung ist entgeltlich, wenn für die Beförderung - von wem und an wen und in welcher Form auch immer - eine Gegenleistung erbracht wird,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 7 C 36/80 - aaO.

Davon ausgehend, dass gegenwärtig lediglich eine Einmann-GmbH existiert, die interessierten Gewerbetreibenden eine Postbeförderung anbietet, wenn diese als Gesellschafter in die GmbH eintreten und sich entsprechend wirtschaftlich engagieren, ist derzeit eine Entgeltlichkeit des Beförderungsangebots ohne weiteres zu bejahen. Aber auch nach erfolgter Aufnahme durch die Beigeladene ist in der Beförderung der Gesellschafterpost gegen Erstattung der der Beigeladenen entstandenen Kosten eine entgeltliche Beförderung zu sehen, wenn man wegen der sonst drohenden Umgehung der Vorschriften des Postgesetzes den Durchgriff auf den derzeitigen Alleingesellschafter auch dann noch zuläßt. Dass die Kammer dies für geboten hält, wurde bereits ausgeführt.

Darüber hinaus spricht viel dafür, die angefochtene Anordnung der Antragsgegnerin vom 12. März 2001 auch deshalb für rechtswidrig zu halten, weil sie gegen § 5 Abs. 1 PostG verstößt. Geht man davon aus, dass die Beigeladene ihren geplanten Eigenanteil an der Beförderungsleistung "gewerbsmäßig für andere" erbringen wird, so benötigt sie hierfür eine Lizenz. Die ihr erteilte Lizenz hat sie jedoch im Februar 2001 zurückgegeben. Dass vorliegend von einer "gewerbsmäßigen Beförderung" auszugehen ist, wurde bereits dargelegt. Aber auch das zusätzliche Merkmal "für andere" dürfte erfüllt sein, denn aus Sicht des derzeitigen Alleingesellschafters, auf den abzustellen ist, handelt es sich bei den künftigen Mitgesellschaftern um "andere" i.S.d. Vorschrift.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung weniger entscheidend sein dürfte, ob der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Postrecht generell auf die Gewinnerzielungsabsicht oder die Entgeltlichkeit abstellt, als vielmehr die Frage, ob die hier einschlägige spezielle gesellschaftsrechtliche Konstruktion eine Umgehung der Ordnungsvorschriften des Postrechts darstellt. Die Kammer neigt - wie dargestellt - zu einer Bejahung dieser Frage.

Ob schließlich auch ein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Satz 2 PostG vorliegt, kann im Ergebnis offenbleiben. Denn bereits die festgestellten Rechtsverstöße rechtfertigen es, der Klage überwiegende Erfolgsaussichten einzuräumen.

Bei der durchzuführenden Abwägung der gegenläufigen Interessen war zu berücksichtigen, dass der rechtswidrige Eingriff in die Exklusivlizenz, der nach Auffassung der Kammer mit einer Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Beigeladenen verbunden wäre, nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 2143/01 nicht angeordnet, hätte die Klage aber Erfolg, so wäre die Beigeladene zeitweilig ohne erforderliche Lizenz in der Briefbeförderung und darüberhinaus sogar im allein der Antragstellerin vorbehaltenen Exklusivbereich tätig gewesen, ohne das daran noch etwas geändert werden könnte. Einen solchen rechtswidrigen Zustand hält die Kammer für nicht hinnehmbar, zumal sich aus solch einer - mit Billigung des Gerichts durchgeführten - Tätigkeit eine erhebliche Vorbildwirkung für andere Konkurrenten der Antragstellerin ergeben könnte. Das damit verbundene Risiko für die Antragstellerin ist weniger darin zu sehen, dass sie der Beigeladenen oder anderen Briefbeförderern vorü- bergehend einen Teilleistungszugang für Endkunden einräumen müsste, als vielmehr in der Beeinträchtigung ihres exklusiven Rechts nach § 51 Abs. 1 PostG, Briefe und Kataloge unter 200 Gramm und Infopost bis 50 Gramm befördern zu dürfen. Angesichts des hier anzusiedelnden wirtschaftlichen Potentials, das in der Geschäftsidee der Beigeladenen steckt, kann der Antragstellerin auch eine vorübergehende Hinnahme einer wahrscheinlich rechtswidrigen Briefbeförderung im Exklusivbereich nicht zugemutet werden. Dies gilt im übrigen auch, wenn nur die zu erwartende Geschäftstätigkeit der Beigeladenen in den Blick genommen wird. Denn die Beigeladene hat ausdrücklich angekündigt, vorerst 5 Gesellschafter haben zu wollen. Je nach wirtschaftlicher Stärke und Briefaufkommen weiterer Beitrittskandidaten kann eine wirtschaftlich durchaus spürbare Beeinträchtigung der Antragstellerin jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Demgegenüber hat das Interesse der Beigeladenen an einer Aufnahme des geplanten Geschäftsbetriebs zurückzustehen. Da sie bislang nur einen Gesellschafter hat, kann im vorliegenden Verfahren neben ihrem eigenen Interesse ohnehin allenfalls das Interesse des Alleingesellschafters eine Rolle spielen. Dagegen können die wirtschaftlichen Interessen noch aufzunehmender Gesellschafter, die keinerlei Rechtsanspruch auf Aufnahme durch die Beigeladene haben und denen auch keine verbindliche Zeitperspektive für ihre Aufnahme eingeräumt ist, mangels Beteiligung am vorliegenden gerichtlichen Verfahren keine Rolle spielen. Auch das Interesse der Beigeladenen kann vor Aufnahme weiterer Gesellschafter nicht durch deren individuelle Gesellschafterinteressen (Stichwort Kosteneinsparung) geprägt sein. Weiterhin ist zu bedenken, dass ein Interesse an einer gewerbsmäßigen Beförderung von Briefen bis 1000 Gramm im vorliegenden Verfahren gerade nicht geschützt ist, weil die hierfür erforderliche Lizenz nach § 5 PostG fehlt. Gleiches gilt für den von der Exklusivlizenz umfassten Bereich, in dem die Gewerbe- und Berufsfreiheit entsprechend eingeschränkt ist. Dies hat zur Folge, dass auf Seiten der Beigeladenen überwiegend nur ihr gegenwärtiges Interesse und evtl. das ihres Alleingesellschafters an einer Inanspruchnahme von Teilleistungen zwecks eigener Kostenersparnis bei der Briefbeförderung in die Interessenabwägung einfließen kann, nicht aber ihr gewerbliches Interesse an einer Aufnahme der beabsichtigten Tätigkeit. Nur unter dem Aspekt der eigenen Kostenersparnis könnten auch die von der Beigeladenen oder ihrem Alleingesellschafter getätigten Investitionen - sei es für Räume, Personal oder anderes - oder die von der Beigeladenen geltend gemachte Planungssicherheit in die Interessenabwägung ein- fließen. Investitionen wie Planungen der Beigeladenen sind jedoch gerade nicht zwecks Kostenersparnis bei einer Einmann-GmbH getätigt worden, sondern im Hinblick auf die beabsichtigte Aufnahme weiterer Gesellschafter. Demnach können diese Aufwendungen bei der Einschätzung der im vorliegenden Verfahren relevanten Interessen der Beigeladenen keine Rolle spielen. Das Interesse der Beigeladenen in der gegenwärtig bestehenden Form einer Einmann-GmbH an einer sofortigen Inanspruchnahme von Teilleistungen zwecks Ersparung von Portokosten schätzt die Kammer als gering ein, zumal nicht dargelegt ist, dass die Beigeladene bei ihrem derzeitigen Mitgliederbestand und Postaufkommen überhaupt in der Lage ist, die von der Antragsgegnerin angeordneten Vertragsbedingungen (etwa Mindesteinlieferungsmengen) zu erfüllen. Gegenüber dem oben dargelegten Interesse der Antragsgegnerin hat es zurückzustehen.

Der Umstand, dass die Beigeladene bereits vor Aufnahme weiterer Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Einmann-GmbH den Schutz ihrer Investitionen und Planungen verlangt, stellt im übrigen ein weiteres deutliches Indiz dafür dar, dass sie bzw. ihr Alleingesellschafter - jedenfalls zum gegenwärtigen entscheidungserheblichen Zeitpunkt - in erster Linie ein gewerbsmäßiges Interesse an einer Geschäftsaufnahme hat. Ein solches aber ist gegenüber dem aufgezeigten Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Anordnung nicht schützenswert.

Auch das von der Antragsgegnerin geltend gemachte öffentliche Interesse an einer weiteren Wettbewerbsförderung und Marktöffnung im Bereich des Postwesens rechtfertigt es nicht, von der Aussetzung der Vollziehung abzusehen. Angesichts der aufgezeigten Risiken für die Exklusivlizenz der Antragstellerin und der Gefahr, zumindest vorübergehend vollendete, nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen zu schaffen, muss das Vollziehungsinteresse vielmehr auch insofern zurückstehen, zumal Folge der Aussetzung der Vollziehung lediglich eine Verschiebung der beabsichtigten Maßnahme zur Förderung des Wettbewerbs bis zur Entscheidung in der Hauptsache ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Da die Beigeladene Antragsabweisung beantragt hat, ist sie an den Verfahrenskosten zur Hälfte zu beteiligen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs., 13 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 GKG. Unter Anlehnung an die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in Postlizenz- Streitverfahren, wonach der Streitwert anhand des Gewinns festzumachen ist, der der DPAG infolge der Tätigkeit eines Konkurrenten entgeht, hat die Kammer vorliegend einen Streitwert von 50.000,- DM angenommen und hiervon die Hälfte in Ansatz gebracht, da es sich um ein Eilverfahren handelt. Dabei ist sie entsprechend den vom OVG NW entwickelten Kriterien davon ausgegangen, dass es sich bei der Beigeladenen, die eigenen Angaben zufolge bereits 6 Mitarbeiter eingestellt hat, um ein kleines Unternehmen handelt.

Vgl. etwa OVG NW, Beschluss vom 1. Februar 2001 - 13 E 898/00 -.






VG Köln:
Beschluss v. 29.05.2002
Az: 22 L 725/01


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