Bundesgerichtshof:
Urteil vom 14. Januar 2010
Aktenzeichen: I ZR 67/07
(BGH: Urteil v. 14.01.2010, Az.: I ZR 67/07)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. März 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte bewirbt und vertreibt das Mittel "Nobilin GLUCO Zimt" als "Diätetische Zimttabletten - Zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus im Rahmen eines Diätplanes". Eine Tablette enthält 100 mg Zimtextrakt, ferner Zink, Mangan, Folsäure, Chrom, Selen und verschiedene Vitamine. Auf der Umverpackung und auf der Gebrauchsinformation ist jeweils angegeben:
Zimt kann im Rahmen unterstützender diätetischer Maßnahmen (Diätplan) den Erhalt gesunder Blutzuckerwerte begünstigen. Für Diabetiker kann es deshalb sinnvoll sein, den Stoffwechsel mit Zimt zu unterstützen. Eine Tablette Nobilin GLUCO Zimt enthält 100 mg eines hochwertigen Zimtextrakts, dies entspricht ca. 1 g Zimt-Pulver. Diabetiker können zudem vermehrt Freien Radikalen ausgesetzt sein und haben deshalb einen besonderen Bedarf an Antioxidantien. Nobilin GLUCO Zimt erhält daher neben anderen wichtigen Vitalstoffen auch die Antioxidantien Vitamin C, E, Selen und Zink.
Im Internetauftritt der Beklagten befindet sich folgende Produktinformation:
Um Glukose in die Zelle aufnehmen zu können, benötigt der Körper das Hormon Insulin. Bei Diabetikern vom Typ 2 ist zwar genug Insulin vorhanden, die Zellen nutzen das Insulin jedoch nicht, oder nur unzureichend, was zur Folge hat, dass nicht mehr genügend Glukose in die Zellen aufgenommen wird. Der im Zimt enthaltene Wirkstoff kann die Insulin-Empfindlichkeit der Zellen stimulieren.
Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., hat die Auffassung vertreten, das Produkt "Nobilin GLUCO Zimt" der Beklagten sei kein diätetisches Lebensmittel, sondern ein Arzneimittel, weil es hinsichtlich des bestimmenden Bestandteils Zimt keinen besonderen Ernährungszweck habe. Zimt diene in dem Mittel allein der Beeinflussung des Blutzuckerspiegels, weil der im Zimt enthaltene Wirkstoff MHCP (Methylhydroxychalson-Polymer) bei Diabetikern die zellulären Rezeptoren aktiviere und innerhalb der Zelle synergetisch mit Insulin wirke. Das Mittel habe somit eine pharmakologische Wirkung. Deshalb sei der Beklagten das Inverkehrbringen und Bewerben des Mittels als diätetisches Lebensmittel zu untersagen.
Der Kläger hat beantragt, der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Mittel "Nobilin GLUCO Zimt" als "diätetisches Lebensmittel zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus im Rahmen eines Diätplans" zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, bei ihrem Produkt handele es sich um ein Lebensmittel, das für die besonderen Ernährungsbedürfnisse von Diabetikern bestimmt sei. Bei der angegebenen Dosierung wirke das Produkt rein ernährungsphysiologisch wie beim Verzehr von Zimt im Rahmen der gewöhnlichen Ernährung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Celle ZLR 2007, 398). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihr auf Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004 angenommen und zur Begründung ausgeführt:
Die Bewerbung und das Inverkehrbringen eines Mittels als "diätetisches Lebensmittel" seien nur zulässig, wenn es den Voraussetzungen der Diätverordnung entspreche. Nach der Diätverordnung seien diätetische Lebensmittel solche Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt seien (§ 1 Abs. 1 DiätV). Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, weil es sich bei "Nobilin GLUCO Zimt" um ein Arzneimittel und nicht um ein Lebensmittel handele.
Im Hinblick auf die Wirkungsweise eines Produkts liege ein gewichtiger Anhaltspunkt für ein Arzneimittel vor, wenn bei dem Produkt eine pharmakologische Manipulation der körpereigenen physiologischen Funktionen im Vordergrund stehe. Zwar könnten auch Stoffe, die mit der normalen Ernährung aufgenommen würden, die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers beeinflussen. Solche Stoffe ("Verbrauchsmaterial") veränderten jedoch regelmäßig die Funktionen des Körpers nicht, sondern trügen im Gegenteil dazu bei, die Körperfunktionen unverändert zu erhalten. Deshalb liege die Einordnung als Funktionsarzneimittel nahe, wenn von außen her aktiv in das natürliche, durch die Gene bestimmte Funktionsprogramm des Körpers eingriffen werde.
So sei es hier bei dem Mittel der Beklagten, das aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers durch den Bestandteil Zimt geprägt werde. Bei Typ-2-Diabetikern sei Insulin in ausreichendem Maße verfügbar; die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin sei jedoch so weit herabgesetzt, dass nicht mehr genügend Glukose in die Zellen aufgenommen werde. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, den der Kläger sich zu Eigen gemacht habe, könne der im Zimt enthaltene aktive Wirkstoff MHCP die reduzierte Insulin-Sensitivität bei den Patienten beeinflussen. Für eine Einordnung als Arzneimittel spreche außerdem, dass es sich bei Zimt um einen ambivalenten Stoff handele, der sowohl eine lebensmitteltypische Zweckbestimmung (Gewürz) als auch eine arzneiliche Zweckbestimmung (Senkung der Blutzuckerwerte) habe. Zweck des Präparats der Beklagten sei nicht die Verwendung als Gewürz. Auf der Umverpackung und in der Gebrauchsinformation werde vielmehr herausgestellt, dass Zimt den Erhalt gesunder Blutzuckerwerte begünstigen könne. Aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher liege deshalb nahe, dass das Mittel wie andere zugelassene Medikamente zur Senkung des Blutzuckers als Arzneimittel einzustufen sei. Die Bezeichnung als "diätetisches Lebensmittel" führe nicht zu einer Einstufung als Lebensmittel.
Entgegen der Auffassung der Beklagten nehme der Verbraucher bei der empfohlenen Dosierung nicht nur diejenige Menge an Zimt auf, die er auch bei einer kleinen Portion "Milchreis mit Zimt" verzehre. "Nobilin GLUCO Zimt" enthalte pro Kapsel 100 mg wässrigen Zimtextrakt und damit mehr, als Verbraucher mit normalen Ernährungsgewohnheiten zu sich nähmen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um ein Arzneimittel, wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch des Klägers ist das UWG 2008 anzuwenden. Da das Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, ist es allerdings nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war. Der hier in Rede stehende Irreführungstatbestand des § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004 (jetzt: § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 UWG 2008) hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren, so dass eine Unterscheidung zwischen altem und neuem Recht nicht geboten ist.
2. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Begriff des Funktionsarzneimittels gemäß § 2 AMG im Sinne des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs nach den Richtlinien 2004/27/EG vom 31. März 2004 und 2001/83/EG vom 6. November 2001 zu bestimmen (BGH, Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 61/05, GRUR 2008, 830 Tz. 12, 16 = WRP 2008, 1213 - L-Carnitin II; Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 112/05, GRUR 2008, 834 Tz. 14 = WRP 2008, 1209 - HMB-Kapseln). Danach sind bei der Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, alle seine Merkmale und insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern sowie die Risiken zu berücksichtigen, die seine Verwendung mit sich bringen kann (EuGH, Urt. v. 9.6.2005 - C-211/03, C-299/03 und C-316/03 bis C-318/03, Slg. 2005, I-5141 = WRP 2005, 863 Tz. 51 - HLH Warenvertrieb und Orthica; Urt. v. 15.11.2007 - C-319/05, Slg. 2007, I-9811 = GRUR 2008, 271 Tz. 55 - Kommission/Deutschland [Knoblauchkapseln]; Urt. v. 15.1.2009 - C-140/07, GRUR 2009, 511 Tz. 37 - Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt, vgl. ferner BGHZ 151, 286, 293 - Muskelaufbaupräparate; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 18 - L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 19 - HMB-Kapseln). Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind dabei der Faktor, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob dieses im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt werden kann (EuGH, Urt. v. 30.4.2009 - C-27/08, GRUR 2009, 790 Tz. 20 = WRP 2009, 728 - BIOS Naturprodukte/Saarland, m.w.N.).
Stoffe, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen, dürfen nicht als Funktionsarzneimittel eingestuft werden (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 60 - Knoblauchkapseln; GRUR 2009, 511 Tz. 41 - Hecht-Pharma/Staatliches Gewerbeaufsichtsamt; EuGH, Urt. v. 5.3.2009 - C-88/07, ZLR 2009, 321 Tz. 75 - Kommission/Königreich Spanien; BGH GRUR 2008, 830 Tz. 19 - L-Carnitin II; GRUR 2008, 834 Tz. 20 - HMB-Kapseln). Der Begriff des Funktionsarzneimittels soll nur diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 61 - Knoblauchkapseln). Enthält ein Erzeugnis im Wesentlichen einen Stoff, der auch in einem Lebensmittel in dessen natürlichem Zustand vorhanden ist, so gehen von ihnen keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel aus, wenn bei einem normalen Gebrauch des fraglichen Erzeugnisses (vgl. EuGH GRUR 2009, 790 Tz. 22 - BIOS Naturprodukte/Saarland) seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann (BGH GRUR 2008, 830 Tz. 19 - L-Carnitin II). Es kann dann nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden, das die physiologischen Funktionen wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 68 - Knoblauchkapseln). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat demgemäß die Arzneimitteleigenschaft eines Knoblauchextrakt-Pulvers, das bei angabegemäßer Dosierung dieselbe Menge Allicin enthielt wie 7,4 g roher frischer Knoblauch, mit der Begründung verneint, die physiologischen Wirkungen des Pulvers könnten auch durch den Verzehr der entsprechenden Menge Knoblauch als Lebensmittel erzielt werden (EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 66 - Knoblauchkapseln).
3. Nach diesen Grundsätzen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um ein Arzneimittel, von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass Zimt der charakteristische Bestandteil des Produkts der Beklagten ist, weil der im Zimt enthaltene Wirkstoff MHCP die reduzierte Insulin-Sensitivität der Patienten beeinflusst und dadurch die Senkung der Blutzuckerwerte bewirkt. Nach den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Feststellungen entspricht der in einer Kapsel "Nobilin GLUCO Zimt" enthaltene Anteil von 100 mg wässrigem Zimtextrakt ca. 1 g Zimt-Pulver. Die empfohlene Tagesdosierung von drei Kapseln entspricht demnach 3 g reinem Zimt und damit - entsprechend dem Vortrag der Beklagten - einer Menge von einem Teelöffel Zimt. Den von ihm unterstellten Umstand, dass Zimt in dieser Menge im Verlaufe eines Tages auch mit der normalen Ernährung aufgenommen werden kann, hat das Berufungsgericht für unbeachtlich gehalten, weil eine solche Menge von Verbrauchern zwar einmal im Verlaufe eines Tages verzehrt werden möge, nicht jedoch täglich.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Feststellung, ob ein Erzeugnis deshalb kein Arzneimittel ist, weil seine Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann, nicht darauf an, ob es bereits zu den normalen Ernährungsgewohnheiten der angesprochenen Verbraucher gehört, eine entsprechende Menge des betreffenden Stoffs mit der Ernährung aufzunehmen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem von ihm entschiedenen Fall nicht darauf abgestellt, dass es zu den normalen Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher gehört, eine Menge von 7,4 g rohen, frischen Knoblauch zu sich zu nehmen. Maßgeblich war vielmehr die Erwägung, dass durch die Aufnahme einer solchen Menge an Knoblauch dieselben physiologischen Wirkungen erzielt werden könnten wie durch das betreffende Mittel und dass es sich dabei noch um eine für den Verzehr als Lebensmittel angemessene Menge handelt.
Bewegt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Verzehrmenge von ca. 3 g reinem Zimt an einem Tag als solche - jedenfalls auf einen einzelnen Tag bezogen - im Rahmen der normalen Ernährungsgewohnheiten, kann folglich die Arzneimitteleigenschaft des Mittels der Beklagten nicht damit begründet werden, der Verbraucher verzehre gewöhnlich nicht jeden Tag eine solche Menge Zimt. Unter diesen Umständen ist die Einordnung als Arzneimittel schon deshalb zu verneinen, weil durch die tägliche Einnahme von ca. 3 g reinem Zimt mit der Ernährung dieselben physiologischen Wirkungen erzielt werden könnten wie mit dem Mittel der Beklagten. Dass eine solche tägliche Aufnahme nicht zu den normalen Ernährungsgewohnheiten gehört, also nicht üblich ist, steht der Annahme, es handele sich gleichwohl um den Verzehr einer angemessenen Menge, nicht entgegen. Sonstige Anhaltspunkte, die die Beurteilung rechtfertigen könnten, dass diese Menge Zimt, wenn sie nicht nur einmal im Verlaufe eines Tages, sondern bei entsprechender Anpassung der Ernährungsgewohnheiten täglich verzehrt wird, als eine unangemessene Menge anzusehen ist, lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, der tägliche Verzehr einer entsprechenden Menge Zimt führe wegen der im Zimt enthaltenen ätherischen Öle zu Unzuträglichkeiten, kann sie sich nicht auf eine entsprechende Feststellung des Berufungsgerichts stützen und zeigt auch nicht auf, dass diese Tatsache in den Vorinstanzen zwischen den Parteien unstreitig war.
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses weitere Feststellungen dazu treffen kann, ob die mit dem Mittel der Beklagten bezweckte physiologische Wirkung (Senkung des Blutzuckerspiegels) auch durch Aufnahme einer entsprechenden Menge an (reinem) Zimt über die Ernährung erreicht werden kann. Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls etwaige schädliche Nebenwirkungen des Verzehrs von reinem Zimt in einer bestimmten Menge über eine längere Zeitdauer zu beachten haben. Zwar kann eine negative Auswirkung auf die Gesundheit als solche allein die Arzneimitteleigenschaft eines Mittels nicht begründen (vgl. EuGH GRUR 2009, 790 Tz. 25 ff. - BIOS Naturprodukte/Saarland). Geht es wie im vorliegenden Fall jedoch um die Frage, ob dieselben physiologischen Wirkungen durch den Verzehr eines Lebensmittels in einer angemessenen Menge erzielt werden können, so kann von einer angemessenen Nahrungsaufnahme nicht mehr ausgegangen werden, wenn die betreffenden Wirkungen über die Ernährung nur durch den Verzehr einer von den normalen Ernährungsgewohnheiten abweichenden, die Gesundheit gefährdenden Menge des betreffenden Lebensmittels erreicht werden könnten.
IV. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EG) bedarf es nicht, weil sich die durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen zum europarechtlichen Arzneimittelbegriff anhand der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs beantworten lassen.
Bornkamm Pokrant Büscher Bergmann Kirchhoff Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 17.07.2006 - 23 O 140/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.03.2007 - 13 U 171/06 -
BGH:
Urteil v. 14.01.2010
Az: I ZR 67/07
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