Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 347/04
(BPatG: Beschluss v. 03.12.2009, Az.: 15 W (pat) 347/04)
Tenor
Das deutsche Patent 199 44 261 wird widerrufen.
Gründe
I.
Auf die am 15. September 1999 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentund Markenamt das deutsche Patent 199 44 261 mit der Bezeichnung
"Verbund aus Betonträger und Glaskörper"
erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 5. Februar 2004.
Das Streitpatent umfasst 15 Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:
"1. Verbund aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung (2) einen zusammenhängenden Bereich oder nicht zusammenhängende Bereiche bildet und ein ausgehärteter Kleber ist, welcher den Träger (3) und den Glaskörper (1) miteinander verklebt, wobei der Kleber mit Überschuss an Hydratationswasser angemacht ist.
2.
Verbund nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) in ausgehärtetem Zustand mit dem Glaskörper (1) verklebt ist.
3.
Verbund nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Überschuss an Hydratationswasser mindestens 50 % beträgt.
4.
Verbund nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Kleber mit 20 bis 40 Gew.-% Zement, 30 bis 50 Gew.-% Füllstoff und 10 bis 40 Gew.-% Polymerdispersion angemacht ist.
5.
Verbund nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Polymerdispersion mindestens 30 Gew.-% Wasser enthält.
6.
Verbund nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Glaskörper (1) eine Glasplatte oder eine Glaskeramik ist.
7.
Verbund nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) ein Betonträger ist.
8.
Verbund nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) ein mit Leichtzuschlagstoffen versehener Leichtbetonträger ist.
9.
Verbund nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Kleber die Rheologie des Klebers beeinflussende Additive enthält.
10.
Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) und der Glaskörper (1) durch einen Kleber verklebt werden, welcher in erhärtetem Zustand die Beschichtung (2) bildet, wobei der Kleber mit einem Überschuss an Hydratationswasser angemacht wird.
11.
Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass der bereits ausgehärtete Träger (3) mit dem Glaskörper (1) verklebt wird.
12.
Verfahren nach Anspruch 10 oder 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Überschuss an Hydratationswasser von dem Träger (1) aufgenommen wird.
13.
Verfahren nach Anspruch 10 oder 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Überschuss an Hydratationswasser den Verbund verlässt.
14.
Verfahren nach einem der Ansprüche 10 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung (2) in Form eines zusammenhängenden Bereiches oder in Formen nicht zusammenhängender Bereiche auf den Träger (1) und/oder den Glaskörper (3) aufgetragen wird.
15.
Verfahren nach einem der Ansprüche 10 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass dem Kleber die Rheologie des Klebers beeinflussende Additive zugegeben werden."
Gegen die Patenterteilung hat die B... GmbH, in O..., mit Schriftsatz vom 27. April 2004, eingegangen am 3. Mai 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Einsprechende stützt sich auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 Prospekt "TRANSPLUS-Glasauskleidungssystem - eine echte Perspektive mit klaren Vorteilen" der Firma Flachglas Consult; Druckdatum "6/95"
D2 Broschüre "TRANSPLUS-Glasauskleidungssystem für Trinkwasserbehälter" der Firma Flachglas Consult GmbH;
D3 EP 0 700 776 A2 D4 DE 196 32 353 A1 D5 Patent Abstract XP 002153802 aus dem DERWENT World Patent Index D6 "Zement-Taschenbuch", 48. Ausgabe 1984, S. 73 - 88, 177 - 196, 234 - 237 D7 Europäische Norm EN 1322:1996, "Mörtel und Klebstoffe für Fliesen und Platten", März 1997 D8 H. Schorn, "Betone mit Kunststoffen und andere Instandsetzungsbaustoffe", Ernst & Sohn Verlag, Berlin, 1991, S. 1 - 10, 29 - 44, 55 - 68 D9 E. Bayer et al., "Beton-Praxis: Ein Leitfaden für die Baustelle", Beton-Verlag GmbH, Düsseldorf, 4. Aufl. 1991, S. 16 - 21.
Begründet wird der Einspruch damit, dass der Gegenstand des Streitpatents weder neu sei, noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und daher nicht patentfähig sei. Die Einsprechende macht geltend, die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 10 seien gegenüber jeder der Entgegenhaltungen D1 bis D4 in Verbindung mit dem fachmännischen Allgemeinwissen, belegt durch D6 bis D9, nicht neu. Ebenso mangele es den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 10 ausgehend von D1 oder D2 im Lichte der D3 oder D4 und dem Fachwissen an der erfinderischen Tätigkeit.
Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen mit Schriftsatz vom 17. November 2004 in allen Punkten widersprochen und zunächst beantragt, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Sie hat hierzu ausgeführt, der beanspruchte Patentgegenstand sei durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorbeschrieben, noch werde er nahegelegt. In den Schriftsätzen vom 20. Februar 2006 und 19. April 2007 stützt sie sich auf das Dokument D10 WO 99/55634 A und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit einem neuen Anspruchssatz, eingegangen am 20. April 2007 (Hilfsantrag 1). Mit Schriftsatz vom 19. November 2009, eingegangen am 23. November 2009, reicht die Patentinhaberin einen weiteren Anspruchssatz als Hilfsantrag 2 ein.
Auf die Terminsladung vom 18. August 2009 hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 4. September 2009 mitgeteilt, sie beabsichtige derzeit nicht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die bisher gestellten Anträge hat sie aufrechterhalten.
In der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2009 ist die Einsprechende nicht erschienen. Mit dem erschienenen Vertreter der Patentinhaberin wurde die Sachund Rechtslage erörtert. Er verteidigt das Patent weiter mit Anspruchssätzen gemäß den Hilfsanträgen 3 und 4.
Der Anspruchssatz nach Hilfsantrag 1 umfasst 14 Ansprüche, wovon die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 wie folgt lauten (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):
"1. Verbund aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung (2) einen zusammenhängenden Bereich oder nicht zusammenhängende Bereiche bildet und ein ausgehärteter Kleber ist, welcher den Träger (3) und den Glaskörper (1) miteinander verklebt, wobei der Kleber mit Überschuss an Hydratationswasser angemacht ist und der Überschuss an Hydratationswasser mindestens 50 % beträgt."
9. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) und der Glaskörper (1) durch einen Kleber verklebt werden, welcher in erhärtetem Zustand die Beschichtung (2) bildet, wobei der Kleber mit einem Überschuss an Hydratationswasser angemacht wird und der Überschuss an Hydratationswasser mindestens 50 % beträgt."
Der Anspruchssatz nach Hilfsantrag 2 umfasst 13 Ansprüche, wovon die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 8 wie folgt lauten (Änderungen gegenüber Hilfsantrag 1 sind kursiv dargestellt):
"1. Verbund aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Beschichtung (2) einen zusammenhängenden Bereich oder nicht zusammenhängende Bereiche bildet und ein ausgehärteter Kleber ist, der mit 20 bis 40 Gew.-% Zement, 30 bis 50 Gew.-% Füllstoff und 10 bis 40 Gew.-% Polymerdispersion angemacht ist, welcher den Träger (3) und den Glaskörper (1) miteinander verklebt, wobei der Kleber mit Überschuss an Hydratationswasser angemacht ist und der Überschuss an Hydratationswasser mindestens 50 % beträgt.
8. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) und der Glaskörper (1) durch einen Kleber verklebt werden, welcher in erhärtetem Zustand die Beschichtung (2) bildet, wobei der Kleber mit 20 bis 40 Gew.-% Zement, 30 bis 50 Gew.-% Füllstoff und 10 bis 40 Gew.-% Polymerdispersion sowie mit einem Überschuss an Hydratationswasser angemacht wird und der Überschuss an Hydratationswasser mindestens 50 % beträgt."
Der Anspruchssatz nach Hilfsantrag 3 umfasst 6 Ansprüche, wovon Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) und der Glaskörper (1) durch einen Kleber verklebt werden, welcher in erhärtetem Zustand die Beschichtung (2) bildet, wobei der Kleber mit einem Überschuss an Hydratationswasser angemacht wird."
Der Anspruchssatz nach Hilfsantrag 4 umfasst 5 Ansprüche, wovon Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber Hilfsantrag 3 sind kursiv dargestellt):
"1. Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger (3), einem Glaskörper (1) und einer dazwischen angeordneten Beschichtung (2), die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (3) und der Glaskörper (1) durch einen Kleber verklebt werden, welcher in erhärtetem Zustand die Beschichtung (2) bildet, wobei der Kleber mit einem Überschuss an Hydratationswasser angemacht wird, und dass der bereits ausgehärtete Träger (3) mit dem Glaskörper (1) verklebt wird."
Des Weiteren legt die Patentinhaberin an die Hilfsanträge 1 bis 4 angepasste Beschreibungen vor.
Der Vertreter der Patentinhaberin stellt die Anträge, das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1 vom 19. November 2009, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2 vom 19. November 2009, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 3, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 4, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung.
Die Einsprechende hat schriftsätzlich beantragt, das Patent zu widerrufen.
Wegen der vollständigen Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 sowie weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II sowie BGH GRUR 2009, 184 - Ventilsteuerung).
Der fristund formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, weil im Einspruchsschriftsatz die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen so angegeben sind, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung im konkreten Bezug zum genannten Stand der Technik gebracht wurden. Der Patentinhaber und der Senat haben daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
Der zulässige Einspruch hat in der Sache Erfolg und führt zum Widerruf des Patents.
III.
1. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift Absatz [0001] betrifft das Streitpatent einen Verbund aus einem Träger, einem Glaskörper und einer dazwischen angeordneten Beschichtung, wobei die Beschichtung Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält. Es betrifft nach Patentanspruch 10 weiter ein Verfahren zur Herstellung eines Verbundes aus einem Träger, einem Glaskörper und einer dazwischen angeordneten Beschichtung, die Zement, einen Füllstoff und eine Polymerdispersion enthält.
Im Absatz [0002] ist ausgeführt, es sei aus dekorativen Zwecken wie auch aus Zwecken des Wetterschutzes häufig erforderlich, Gebäudefassaden, Innenräume usw. mit einer Glaskörperverkleidung zu versehen. Hierbei bestehe der Untergrund, der als Träger für die Glaskörper fungiere, häufig aus Beton ([0003]). Zur Herstellung der Verbindung zwischen Glaskörper und Betonträger seien eine Reihe von Befestigungsverfahren entwickelt worden. So sei es beispielsweise bekannt, die Glaskörper mittels Kunstharzkleber auf dem Betonuntergrund zu fixieren. Nachteilig seien hierbei jedoch vor allem die unbefriedigenden Standzeiten ([0004]). Zum druckschriftlichen Stand der Technik verweist das Streitpatent in Absatz [0005] auf die EP 0 700 776 A2 (vgl. D3), woraus ein Verbund aus einem Betonträger, einem Glaskörper und einer dazwischen angeordneten Schicht, die Zement, einen Füllstoff sowie eine wässrige Dispersion eines Polyacrylsäurederivates enthalte, bekannt sei. Hierbei werde zunächst die Glasscheibe mit dem Verbundmörtel beschichtet und auf der Scheibe mit einem Mangel an Hydratations
BPatG:
Beschluss v. 03.12.2009
Az: 15 W (pat) 347/04
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